Chapter 10 – Türkei

….und wie wir in Dogubayazit in einen bürokratischen Teufelskreis geraten und schließlich doch noch mit einem Umweg über den Mond Georgien erreichen…

Bevor ich meine heutige Sitzung beginne, noch ein paar Worte zur aktuellen Situation aus dem Waterhole. Es ist der 5. Januar im neuen Jahr 2022 und eigentlich wollten wir unseren LEMMY heute in den Hafen von Hamburg gebracht haben, aber es kam anders. Unser Containerschiff Atlantic Star unter maltesischer Flagge steht noch immer im Hafen von Baltimore, statt längst den Atlantik zu überqueren um Europa zu erreichen. Es sollte eigentlich am 10. Januar von Hamburg nach Halifax in See stechen und 14 Tage später dort, in Nova Scotia anlanden. Seitens der Reederei heißt es nun, es gehe voraussichtlich am 15. Januar in Hamburg los. Allerdings sehen wir auf der „Marine Traffic“ App jetzt schon, dass das Schiff erst um 23.00 Uhr am 15. Januar ankommen wird. Das würde bedeuten, es müsste die gesamte Strecke von Baltimore bis Hamburg in nur 9 Tagen schaffen. Seabridge teilt uns mit, dass sie Zeit aufholen wollen, indem sie die Häfen Halifax und Antwerpen auf dem Weg nach Hamburg auslassen. Doch ich halte es für sehr optimistisch und kann nicht so recht daran glauben, dass es klappen kann. Denn jetzt ist es hier schon nach 20 Uhr MES und das Schiff steht immer noch im Hafen an der Ostküste der USA. Alternativ hat man uns angeboten, morgen das Auto nach Antwerpen zu bringen und mit einem anderen Schiff nach Halifax zu befördern. Dann wäre LEMMY bereits am 23. Januar in Kanada, doch das können wir so kurzfristig nicht umsetzen.

Nun fahren wir am 10. Januar nach Hamburg um LEMMY dort im Hafen abzugeben, also 5 Tage später als geplant, aber immer noch rechtzeitig vier Tage vor unserem Flug. Im Grunde ist es nicht weiter dramatisch, denn wir gewinnen hier ein wenig mehr Zeit um technische Probleme mit dem Ranger zu lösen (dazu später mehr) und kleinere Schäden (die mir jetzt erst beim Carwash aufgefallen sind) zu beheben. Das Ding ist, dass wir bereits ein Apartment in Halifax gebucht haben (vom 14.01 bis zum 25.01.2022) und dann mit LEMMY los wollten, aber das können wir nach hinten verschieben. Soviel erstmal aus dem Waterhole….

MARDIN mit einer Altstadt wie aus dem Märchen, traumhaft gelegen an einem Berghang. Viele Treppen zu erklimmen heißt es daher heute für uns. Aber das macht nichts. Im Gegenteil, nach der langen Reiserei im Auto kann uns etwas Bewegung nur guttun. Einen halben Tag haben wir um die Altstadt zu erkunden. Es gibt eine Liste im Internet mit den Top 10 Highlights, aber ich brauche es längst nicht mehr so wie früher, jede von diesen 10 Sehenswürdigkeiten abzuhaken. Zinciriye Medresesi wollen wir aber unbedingt sehen, unterhalb des Mardin Kalesi und alles was sich auf dem Weg dorthin so bietet.

Altstadtgassen von Mardin

Und geboten wird uns ein Gassengewirr mit kleinen Kirchen, Moscheen, mit zahllosen netten Restaurants, mit herrlichen, kleinen Shops die zum Stöbern oder zum Probieren von süßen Köstlichkeiten einladen. Säckeweise werden Mandeln angeboten mit einem blauen Schokoladenüberzug und braune Mandeln mit Zimtgeschmack, süße kandierte Früchte, verschiedene Nüsse, honiggetränktes Baklawa. Kuchen so bunt und kunstvoll verziert, dass man direkt zugreifen und reinbeißen möchte. Wir probieren und kaufen ein halbes Kilo von den blauen Mandeln und denen mit Zimtgeschmack für 35 Lira. Auch Seifen gibt es hier zu kaufen. Dafür ist Mardin bekannt. Für das Gesicht, für die Haare, für trockene oder für empfindliche Haut. Es gibt sie in jeder erdenklichen Farbe, in tausend verschiedenen Duftnoten und für jeden Typ das Passende.

Wir kommen vorbei am Bagdhadi Cafe und dem „I love Mardin“ Zeichen. Die einzigen Touristen sind wir natürlich nicht, aber was hier in den Sommermonaten los ist kann ich mir gut vorstellen. Jetzt entdecken wir überwiegend türkische Reisende oder welche aus den Nachbarländern, wie Iran, Pakistan oder Indien und auch aus den arabischen Ländern. Aber wir gehen nicht dichtgedrängt durch die engen Gassen, wie es womöglich im Juli und August hier der Fall ist. Das stelle ich mir zumindest so vor.

Das Mardin Kalesi, die alte Festungsanlage war schon gut von unserem Parkplatz aus zu sehen und ist ein guter Anhaltspunkt für die grobe Richtung zu unserem Ziel, der Zinciriye Medresesi. Diese alte Palastanlage beherbergt heute eine theologische Schule und eine Moschee und sie hat eine atemberaubende Aussicht auf die gesamte Altstadt unter uns zu bieten. Über endlose Weiten bis rüber nach Syrien und auf die umliegenden Berge. Dieser Ausblick ist unbezahlbar und unvergesslich und ich fühle mich wie auf dem Dach der (türkischen) Welt.

Zinciriye Medresesi
Mit einem grandiosen Ausblick!

Von hier aus beobachten wir das bunte Treiben unter uns eine Weile, sehen einen Reiter auf einem bunt geschmückten Pferd durch die Gasse reiten. Beobachten die Ladys, die sich mit den üblichen Selfie Posen in Szene setzen vor dieser beeindruckenden Kulisse, oft gleitet eine Hand durch das im Wind wehende Haar und der Schmollmund gelingt perfekt. Wir spazieren, jeder für sich ein wenig umher und genießen die verschiedenen Aussichten. Ich gehe noch in die Moschee, eigentlich eher ein kleiner Gebetsraum, für die Jutta nicht passend gekleidet ist. Das ließe sich zwar schnell ändern, da für solche Fälle Tücher und Umhänge zum Leihen angeboten werden. Ihr reicht aber der Blick von außen durch die Fenster.

Nach einer Weile des Umherstreifens, nachdem wir uns haben treiben lassen, berauscht durch diese ganzen Eindrücke, bekommen wir Lust auf etwas Kaltes zu trinken und entdecken nebenan ein einladendes Café mit alternativer, türkischer Rockmusik. Es liegt etwas tiefer und wir schauen von oben darauf. Da wollen wir hin. Das Harabee Kitap Café ist liebevoll hergerichtet mit verschiedenen Sesseln und Stühlen, mit bunten Tischen und kunstvollen Bildern an den Wänden.

Das Café erstreckt sich über mehrere Dachterrassen und überall gibt es etwas zu entdecken. Hier eine Leiter auf eine etwas höhere Terrasse, dort ein kleines Blumenbeet mit bemalten Töpfen, die kleine überdachte Bar mit der netten Barkeeperin. Alles wirkt sehr durchdacht und man erkennt auch ohne Sachverstand, dass hier viel Liebe zum Detail drin steckt.

Eingang Harabee Kitap Café
Charlie Chaplin scheint bei den alternativen Türken sehr beliebt zu sein

Wir bestellen eine Home Made Lemonade. Auch von hier aus schauen wir rüber nach Syrien und denken wieder an die große Militärpräsenz in dieser Region. Würde ich heute nicht noch lange fahren müssen, dann hätte ich mir sicherlich was anderes zu trinken bestellt. Langsam bereue ich den Entschluss heute noch weiter zu fahren. Das Harabee Kitap Café wäre ein Ort, an dem ich durchaus für etliche Stunden bei einigen Bieren hätte hängen bleiben können.

Hier kann mans aushalten!

„So ein Mist!“, denke ich mir. Aber wir haben abgemacht nur eine Nacht zu bleiben und eigentlich reicht es auch und morgen würden wir nicht ganz viel Neues entdecken. „Nur weil ich jetzt Bock auf Bier trinken habe, noch eine Diskussion mit Jutta anfangen?“, frage ich mich. Schließlich wollen wir ja auch bald nach Georgien einreisen und der Winter kommt, wenigstens kalendarisch, immer näher. Die Tagestemperatur heute und hier beträgt allerdings 29°. Ich spreche den Gedanken laut aus, weil gerade ein cooles Lied läuft und ich den Augenblick genieße, mit dieser Aussicht und der Musik auf dieser Terrasse, mit dem Bewusstsein, dass in ca. 20 km die syrische Grenze verläuft. Sowas fasziniert mich halt. Jutta genießt das Alles auch sehr, gibt aber zu Bedenken, dass wir ja abgemacht haben, jetzt schnell nach Georgien zu kommen. Damit sich mein Traum vom intensiven Offroadfahren in Georgien erfüllt, ohne dass uns vielleicht schon starker Schneefall und Wintereinbruch ein Strich durch die Rechnung macht. Wobei bei uns die Einschätzung der Nichtbefahrbarkeit von Strecken natürlich deutlich unterscheidet. Das ändert sich in Georgien zum Glück, aber dazu später mehr…

Schnell kommen wir überein, nach dem Lunch Mardin zu verlassen. Obwohl es traumhaft schön ist, obwohl ich mich hier zu gerne betrunken hätte, um bis in die Abendstunden hier den Sonnenuntergang zu beobachten und um den heraufziehenden Sternenhimmel zu bewundern. „Was solls!“, sage ich mir, „Muss ich halt noch mal wieder kommen….“

Für den Lunch finden wir ein kleines, gemütliches Lokal, sitzen auf dem Teppich an niedrigen Tischen und trinken noch einen Chai, bevor wir Old Town verlassen.

Gözleme und Chai, was sonst?!

Wieder angekommen an unserem Stellplatz, möchte ich noch die Rechnung begleichen und begebe mich auf die Suche nach Jemandem, dem ich die verabredete Summe von 50 Lira aushändigen kann. Dann finde ich einen jungen Mann, allerdings einem Anderen als gestern Abend bei unserer Ankunft. Er spricht fließend deutsch, denn er lebt in Deutschland und ist nur zu Besuch in seiner alten Heimat. Ich sage ihm, dass ich bezahlen möchte, weil wir jetzt weiter fahren. Wohin wir wollen will er wissen und ich antworte: „Nach Georgien.“ Dann plaudern wir ein wenig. Zum Bezahlen kommt es nicht. „Wir sind nicht in Deutschland.“, sagt er. „Ich nehme doch keine 50 Lira von dir, nur weil du hier auf einem fast leeren Parkplatz gestanden hast!“ Ich bedanke mich, hocherfreut über diese überaus nette Geste und verabschiede mich. Bevor wir fahren schaue ich noch auf das Kennzeichen von dem PKW, der sich gestern Nacht neben uns gestellt hat, nachdem wir schon im Bett waren. Er kam aus der Ukraine und auch in diesem Fahrzeug hat ein Pärchen übernachtet. Ich hatte sie am Morgen gesehen, bevor wir losmarschiert sind.

NEMRUT GÖLÜ, ein hoch gelegener Kratersee ist unser anvisierter Stellplatz für heute Nacht. Es wird mehr Abenteuer als wir erwarten und wir erleben einen Temperatursturz von über 30°. Dafür erwartet uns am Abend die perfekte Gastfreundschaft eines einsamen Teeverkäufer am bitterkaltem Kratersee. Aber zunächst verlassen wir Mardin, stocken am Ortsausgang noch etwas die Vorräte auf und fahren dann straight nach Norden durch kilometerlange Baumwollplantagen. Eine Weile fahren wir die D380 Richtung Bismil, dann geht es über Batman nach Tatvan am Vansee.

Steht ja aufm Schild 😉

Von dort ist es dann nur noch ein Katzensprung zum Nemrut Gölü. Aber eine Katze hat gute Augen im Dunkeln. Mein Ford Ranger, unser LEMMY hat nur sehr schlechtes Fernlicht und auch das Abblendlicht lässt zu wünschen übrig. Was auch noch zu wünschen übrig lässt, ist die Bergstraße hoch zum Kratersee.

Wir halten uns nicht immer strikt an die Route vom Tomtom, sondern fahren gerne auch mal die Nebenstrecken, um ursprünglichere Eindrücke zu bekommen. So passieren wir einsame Bergdörfer, sehen viele Baumwollfelder, erntende Menschen und Traktoren, meterhohe Baumwollberge und ganze Ortschaften, die nur von diesem Industriezweig leben. Wir sehen auch wieder viel Armut und viel Müll, viele trostlose Landstriche, unattraktive und nicht besonders einladende Satellitenstädte.

Wir wussten, dass man mindestens viereinhalb Stunden braucht für diese Strecke von etwas über 300 km, ohne Pausen. Was wir nicht bedacht hatten war, dass die Auffahrt zum Kratersee, zum Nemrut Krateri Gölü im Dunkeln ca. dreimal so lange dauert. Google Maps hatte am Tag dafür ca. 30 Minuten veranschlagt . Wir dachten: „Bei Start um 14.00 Uhr müssten wir bis 19 Uhr bestimmt angekommen sein!“ Na, dass war wohl nichts. Zu dieser herbstlichen Zeit wird es früh dunkel in der Türkei, nämlich so gegen 17:30. Und noch etwas später, dann ist es echt finster.

Das sehen wir natürlich erst am nächsten Morgen

Nützt uns jetzt alles nix, wir wollen unseren Parkplatz erreichen. Nachdem wir den Ort Tatvan am Vansee hinter uns gelassen haben, finden wir mit Mühe den Einstieg in die Route zum Nemrut Gölü hinauf. Es geht auf einer sehr schlechten Piste steil hoch zu diesem Kratersee. Mittlerweile ist es stockduster und ich muss oft in den zweiten Gang schalten, um die Steigung zu bewältigen. Aber umdrehen wollen wir jetzt auch nicht mehr. „Siehst du noch den Weg?“, frage ich Jutta. „Nee, Google zeigt nichts mehr an!“ Das Tomtom zeigt auch nur noch unsere Position, aber keine Straßen und keine Wege mehr. Egal, wir folgen einfach der breiter erscheinenden Piste. Zum Glück gibt es nur zwei fragwürdige Gabelungen und wir entscheiden uns jeweils für die Richtige. Als es irgendwann mal etwas bergab geht, fällt mir ein Feature von LEMMY ein. Eine zusätzliche Beleuchtung, die im normalen Straßenverkehr nicht erlaubt ist, aber genau für solche Situationen gedacht ist. Die haben wir für viel Geld als Upgrade, genau für solche Situationen installieren lassen. Aber was ich jetzt sehe ist echt enttäuschend. Diese Extra-Beleuchtung bringt auch in solchen, dunklen Gegenden keinen wirklichen Gewinn. Das war das Geld leider nicht wert, davon hatte ich mir für den Preis viel mehr versprochen. Ich schalte sie enttäuscht ab, ärgere mich aber nicht lange drüber, denn wir erblicken ein Lagerfeuer in einiger Entfernung. Darauf steuere ich jetzt zu. Ich sehe nur den schmalen Weg vor mir und das Lagerfeuer, zu dem ich hin will.

Was ein wundervoller Platz!

Als wir schon fast da sind, kommt uns jemand entgegen. Offensichtlich hat er uns schon von Ferne kommen sehen und marschiert auf uns zu. Ich öffne mein Fenster und begrüße den Fremdling, obwohl genau genommen wir die Fremdlinge sind. „Hey!“, sage ich überglücklich, in der Hoffnung irgendwo zum Übernachten angekommen zu sein. „Können wir über Nacht hier stehen?“, frage ich ihn. Gott sei dank spricht er ein wenig englisch und wir können uns mit ihm ganz gut verständigen. „Ja klar!“, sagt er und leitet mich direkt zu meiner Parkposition am See. Wie grandios wir hier stehen realisieren wir erst jetzt. Der helle Mond erstrahlt über den Krater Lake. Wir stehen direkt am See, neben der Feuerstelle und der Hütte unseres Gastgebers. „Wollt ihr Tee?“, fragt er uns. Das Thermometer zeigt minus 3°. „Ja, sehr gerne.“, sagen wir und nehmen die Einladung an. Seine Hütte besteht aus vier Wänden aus Stein, darüber Wellblech, der Boden ist die einfache Erde darunter. Dann gibt es noch ein paar Holzstützen und Balken mit Plastikplanen darüber, um die Wohnfläche zu vergrößern.

Sein größtes Kapital ist ein gusseiserner Ofen, auf dem er uns jetzt gerade einen Tee zubereitet. Das Feuer im Ofen und eine kleine Stirnlampe erhellen den sonst sehr dunklen Raum ein wenig. Ich sitze auf seinem Bett, Jutta auf einem Klappstuhl, genau wie unser Gastgeber. Er serviert uns Tee und berichtet etwas von seinem Leben. Er hat eine Frau und eine Tochter. Bis Ende November bleibt er hier normalerweise am Kratersee und lebt vom Teeverkauf an die Tagesausflügler und die wenigen Camper. Wenn es zu arg wird mit dem Schnee, dann geht er auch schon mal eher vom Berg runter zu seiner Familie. Wir erfahren, dass es dort oben auf dem Berg einen Hamam gibt, vermuten aber, dass er eine heiße Quelle meint, an der er sich immer waschen und aufwärmen kann. Wir erleben eine unbeschreibliche Herzlichkeit, eine Offenheit uns gegenüber, die mich überwältigt. Wir kommen als Fremde, durchgefroren, in einer unwirtlichen Gegend und werden willkommen geheißen von jemandem der uns nicht kennt, der abseits lebt, der nicht viel zu bieten hat, außer heißem Tee und seine Gastfreundschaft. Aber das ist soviel mehr wert. Mir fehlen hier mal wieder die passenden Worte. Er verweigert es, Geld von uns zu nehmen für den Tee und auch für den Stellplatz will er nichts berechnen und damit geht es uns nicht gut.

So ein toller Gastgeber, Teşekkürler!

So können wir hier nicht wegfahren. Er bittet uns, seine akkubetriebene Stirnlampe über Nacht mit unserer Bordbatterie zu laden. Er hat hier oben keinen Strom, nur ein altes, kleines Faltsolarpanel. Das machen wir natürlich sehr gerne, wenigstens das können wir für ihn tun. Und dann überlegen wir uns, ihm unsere batteriebetriebene Schnurlampe dazulassen, damit er nicht nur auf seine Stirnlampe angewiesen ist. Er hat davon einen viel größeren Nutzen als wir und wir können uns schnell wieder eine Neue kaufen. Und außerdem haben wir eh viel mehr als wir brauchen. Da ist er wieder mal, so ein Moment, indem man begreift, wie privilegiert man ist und wie verzichtbar so Vieles für uns ist. Für andere hingegen so unschätzbar wertvoll.

Was braucht man wirklich?

Er hat keinen Strom und kein fließendes Wasser. Es ist auch bei Tag dunkel in seiner Hütte, da es kein Fenster gibt, das ein wenig Licht hereinlassen könnte. Mir wird mal wieder sehr bewusst, mit wie wenig man auskommt und wie wenig man wirklich braucht zum Glücklichsein. Dankbar und demütig verabschieden wir uns am nächsten Morgen von diesem perfekten Gastgeber.

Vor dem Rückweg bei Tageslicht, erkunden wir noch etwas mehr von diesem absolut lohnenswertem Etappenziel, dem Nemrut Gölü, um dann aufzubrechen Richtung Dogubeyazit.

Auch auf dem Weg dorthin, wo wir eine Endlosschleife der Bürokratie erleben werden, haben wir eine Option auf eine Zwischenübernachtung in Asma Köprü.

Heute wird ein deprimierender Tag. Das Wetter ist schlecht und das sind wir überhaupt nicht mehr gewohnt. Es ist kalt und windig, der Himmel ist trüb und es ist etwas neblig. Das drückt die Stimmung runter. Der Ort Asma Köprü, besonders der Stellplatz ist zwar nett am Fluss gelegen und einen Wasserfall gibt es auch, aber wir fühlen uns nicht wohl.

Eigentlich sehr schön, aber…

Hinter LEMMY am Zaun liegt eine Hündin mit ihren drei Welpen und alle frieren und haben Hunger. Wir stellen etwas von unserem Katzenfutter hin und sie fressen davon, aber das hebt unsere Stimmung auch nicht. Ich gehe noch auf die Brücke und sehe den Wasserfall, der bei park4night erwähnt wurde, bin aber trotzdem deprimiert. Das erste Mal auf unserer Reise bin ich es, der echt mies drauf ist. „Keine Ahnung was los ist.“, sage ich zu Jutta. „Lass uns weiter fahren, an diesem trostlosen Ort will ich nicht die Nacht verbringen!“

Tanken müssen wir noch und Ad Blue ist auch bald fällig. In Georgien soll es eh schwierig sein Ad Blue zu bekommen. Wir halten an einer großen Tankstelle, da sehen wir auch schon die begehrten Kanister stehen. Das Schöne für uns ist, dass der Liter Diesel nur 0,75 Euro kostet und sobald man sich den Zapfsäulen nähert, eilig ein Tankwart kommt, um einem eine Zapfsäule zuzuweisen und das Tanken zu übernehmen. Das gehört im ganzen Land an jeder Tankstelle zum Service, auch das Reinigen der Scheiben, wobei hier ein kleines Trinkgeld angebracht ist. Spannend ist es immer zu beobachten, wie der Tankwart fragend zu mir rüber schaut, wenn die Zapfsäule 120 Liter und mehr anzeigt und der Tankwart sich wahrscheinlich fragt, ob der Tank ein Loch hat, ob das so alles seine Richtigkeit hat. Natürlich kann er nicht wissen, dass ich den großen Lone Ranger Tank mit einer Kapazität von 140 Liter Diesel habe.

An dieser Tankstelle war es so, dass der Tankwart kein Wort englisch oder deutsch verstand. Das ist aber normalerweise kein Problem, denn „Bitte volltanken!“ kann ich auch ohne Worte erklären, aber diesmal kam jemand, der sich berufen fühlte, sich einzumischen. Wahrscheinlich, weil er unser deutsches Kennzeichen gesehen hat. „Hallo, wie geht’s?, wollte er wissen. „Ja danke, ganz gut.“, sagte ich, nicht gerade in Plauderlaune. „Wie findet ihr Hitler?“, war direkt die zweite Frage, die er mir stellte. „Den mögen wir nicht!“, war meine knappe Antwort, etwas überrumpelt wegen dieser eigenartigen Konversation, mit der ich da konfrontiert wurde. Ich wendete mich ab von dem Idioten. „Ich mag Hitler!“, kam als Antwort und ich dachte nur: „Was will der Arsch von mir?“ Ich sagte nochmal, dass wir Hitler blöd finden und ignorierte den Typen bis wir fertig waren mit Tanken. Er hatte scheinbar begriffen, dass er mit der Frage keinen Eindruck schinden oder mich provozieren konnte und behelligte mich nicht mehr.

Dann nahm ich noch 3 Liter Frostschutz für die Scheibenwaschanlage mit, bezahlte und fuhr deprimiert weiter. An diesem Tag hatte ich einen Tiefpunkt. Nicht wegen diesem Idioten an der Tankstelle. Wegen dem Wetter? Vielleicht. Wegen der zum Teil echt deprimierenden Umgebung? Auch vielleicht. Oder wegen dem Erlebnis am Nemrut Gölü? Bestimmt nicht! Ich hatte keine Ahnung woran es lag, aber ich wollte dass es vorbei geht. Und ich wusste, dass es vorbeigehen wird. Die Frage war nur: Wann? Es ging vorbei, noch am selben Tag. Wir erreichen Dogubeyazit.

Selbstverständlich hatte Jutta längst eine Übernachtungsmöglichkeit parat, beim „Noah Restaurant und Camping“ oben auf dem Berg. Sie bieten einige Camper- und Zeltstellplätze an, sowie zwei Sanitärhäuschen, die aber eher einer Baracke gleichen und die Toiletten sind unterirdisch. Ich möchte nicht näher beschreiben, was sich mir für ein Anblick bot, als ich in die Waschräume und die Toiletten schaute. Außerhalb der Saison dient der Platz wohl als Kuhweide und ohne Zaun marschieren die auch in die Sanitärgebäude, die wohl schon lange nicht mehr gereinigt wurden. Wir entscheiden uns auf dem Parkplatz direkt vor dem Restaurant stehen zu bleiben, denn dort ist es ebenerdig. Wir stehen gerade und hängen uns auch mal wieder an das Stromnetz. Tagsüber, solange die Sonne scheint, haben wir noch immer deutlich über 20° und können mit kurzer Hose und T-Shirt oder leichtem Pulli rumlaufen.

Gegenüber von unserem Stellplatz ist ein kleiner, verlassener Jahrmarkt. Und oberhalb des Noah Restaurants ist der bedeutendste Sultanspalast Anatoliens, Ishak Pasa Sarayi. Was für eine glückliche Fügung, denn gekommen sind wir eigentlich nur um den Ararat zu sehen und um einen PCR Test für Georgien machen zu lassen. Ansonsten hat der Ort nicht viel zu bieten. Nun aber bekommen wir mit dem Sultanspalast noch etwas Kultur geboten und mit dem alten Jahrmarkt einmal mehr einen magischen LOSTPLACE zu sehen.

Als unsere Freunde aus der Schweiz, das Orange Landrover Team gesehen hatten, wo wir gerade parken, fragten sie uns über Instagram, ob denn die Einschusslöcher über der Tür vom Restaurant noch da sind. Ich schaute nach, fand aber keine Einschusslöcher. Sie waren 2002 auch schon mal hier beim Restaurant und es gab kurz davor wohl Streitigkeiten mit einem anschließenden Schusswechsel. Keine Löcher mehr zu sehen über dem Eingang, meldete ich zurück.

Nach dem heutigen Reisetag machen wir nichts weiter als zu kochen und uns zu überlegen, wie und wo wir morgen den PCR Test machen können. Den Palast und den Rummelplatz verschieben wir ebenfalls auf morgen.

LOST PLACES ziehen mich mittlerweile magisch an und gibt es einen magischeren Ort, als einen verlassenen Rummelplatz? Nach dem Frühstück gehe ich rüber um ein paar Fotos zu schießen und auf den Spuren der Vergangenheit zu wandeln. Jutta macht LEMMY von innen soweit startklar. Ich passiere das verwaiste Kassenhäuschen und sehe einen alten Autoscooter, eine verblasste mit Patina überzogene alte Schiffsschaukel und kleine Karussells. Neben der alten Losbude steht ein ramponierter Wagen in dem vor langer Zeit junge Leute ihre Runden drehten, nachdem sie einen Plastikchip in den Schlitz geworfen haben. In meinen Gedanken erwacht der Rummel zum Leben. Ich höre die Geräusche, rieche den Duft von gebrannten Mandeln, während ich mich hinhocke und aus verschiedenen Perspektiven meine Fotos knipse. Die Jungs fuhren Autoscooter und rammten sich gegenseitig, um den Mädels zu imponieren, genau so wie bei uns, wenn im Ort das Volksfest aufgebaut wurde.

Wer ist der Coolste?

Bei einem Rocky Boxautomaten konnte man seiner Lady mit nur einem Punch beweisen wie stark man ist. In der Schiffschaukel hielt man sein Baby im Arm und alle schreien, sobald es wieder abwärts geht. Am Stand mit den Losen hoffte man auf den großen Gewinn, um letztendlich am Schießstand die letzten Zweifel auszuräumen, dass man ein cooler Typ ist. Ich habe direkt die ganzen Geräusche des verfallenen Jahrmarktes im Ohr, die laute Musik, das Stimmengewirr und die Rufe des Losverkäufers. Sehe die jungen Leute bummeln, Hand in Hand, mit Zuckerwatte oder einem Eis in der anderen Hand. Beim Karussell ertönt die Stimme des Mannes am Schalthebel aus seiner kleinen Bude: „Noch eine Extrarunde gefällig?“ und die Menge jubelt und reißt die Arme hoch in die Luft.

Zuletzt war ich im Sommer 2011 in Santa Cruz, direkt am Pazifik auf so einem kleinen, netten Rummelplatz und nun vermische ich meine Erinnerungen mit dem was ich hier auf diesem lebendig gewordenen Geisterjahrmarkt gerade erlebe. Ein Zoltar, fehlt hier noch, der einem einen Wunsch erfüllt, wenn man einen Vierteldollar richtig in seinen Mund befördert, während sich sein Kopf dreht und der Mund auf und zu geht. Genau im richtigen Moment muss man die Münze loslassen und hoffen das das Timing exakt stimmt, denn nur dann werden die Wünsche wahr. „Kommst du endlich?“, weht ein lautes Rufen zu mir herüber und abrupt werde ich aus meinem Wachtraum gerissen. „Wir wollen hoch zum Palast!“

Ich trotte langsam zurück, Fotos habe ich genug in der Tasche. „Warum hat das denn so lange gedauert?“ fragt Jutta. „Och, weiß auch nicht.“, sage ich, „hatte einen kleinen Abstecher nach Santa Cruz unternommen.“

Bevor wir zum Sultanspalast Ishak Pasa Sarayi hochfahren, verabschieden wir uns noch im Noah Restaurant und fragen die Tochter des Hauses, ob sie uns sagen kann, wie wir am besten an einen PCR Test kommen. Wir benötigen einen PCR Test für die Einreise nach Georgien. Und nun wissen wir auch wie das geht, denn das hat uns die hilfsbereite Tochter des Noah Restaurant Inhabers erklärt.

Ishak Pasha Palast

Aber zuerst geht es zum Palast. Wir sind schwer begeistert von der Architektur, von der Lage der gesamten Anlage und vom Ausblick über die Umgebung des hoch gelegenen Areals. Geparkt haben wir neben einem anderem Pickup Camper aus Ludwigshafen. Innerhalb des Palastes treffen wir die Bewohner des anderen Offroaders und kommen ins Gespräch. Sie kommen den langen Weg über den Balkan, über Griechenland in die Türkei, ausschließlich um den Ararat zu sehen, diesen biblischen Berg, auf dem vor langer Zeit Noahs Arche strandete. Wir haben den schneebedeckten Berg auch bereits gesehen und er hat uns beeindruckt.

Agri Dagi

Aber wir haben dem nicht die gleiche Bedeutung beigemessen, wie dieses ältere Ehepaar. Für uns war es eine Attraktion am Wegesrand, die ich unbedingt sehen wollte, aber es war nicht das eigentliche Ziel unserer Reise. Dann trennen sich innerhalb des Palastes unsere Wege und wir schauen uns die Moschee an, die auch in diesem alten Bauwerk eigens für den Sultan und seinen Gästen errichtet wurde.

Moschee im Palast

Dann geht auch schon langsam auf Mittag zu und wir haben alle Räume erkundet und die Aussicht zur Genüge genossen.

Auf dem Parkplatz sehen wir die beiden Herrschaften aus Ludwigshafen wieder und Jutta macht noch eine LEMMY Begehung mit dem Mann, während ich mit seiner Frau draußen über unsere Campingerfahrungen rede. Wir machen etwas Smalltalk, dann kommt Jutta mit dem Mann dazu und die Unterhaltung wird fortgeführt. Ich erlaube mir einen flüchtigen Blick auf meine Uhr und erschrecke etwas. Es ist bereits viertel vor eins, als ich die Plauderei abbreche.

Was wir vorher von der hilfsbereiten Tochter des Noah Hauses erfahren haben: „Ihr müsst nur zur Bank gehen, bis 13 Uhr ist sie geöffnet und eine Einzahlung für den PCR Test machen. Dann fahrt ihr zum Krankenhaus und macht den Test. Falls ihr Probleme habt könnt ihr mich anrufen.“ Sie notiert ihr Telefonnummer. „Tausend Dank!“, verabschieden wir uns.

Ich parke in zweiter Reihe und Jutta ist rechtzeitig in der Bank, kurz vor eins. Ich warte im Auto. Es dauert und dauert. Nach einer gefühlten Ewigkeit sehe ich sie im Rückspiegel kommen. Sie scheint nicht gerade begeistert. Das hat schon mal nicht geklappt, erfahre ich nach kurzer Zusammenfassung. Die akzeptieren die Einzahlung nur von einem Residenten, also einem Staatsbürger oder einem mit ständigem Wohnsitz in der Türkei mit einem türkischen Konto. Als Durchreisender geht das nicht und leider ist die Tochter, deren Telefonnummer wir haben, gerade nicht erreichbar. Macht aber nichts. In der Bank hieß es, wir können in ein anderes Krankenhaus fahren, da brauchen sie keine Einzahlung auf ein Konto, die machen das auch so. „Jawoll, super!“, denken wir noch und fahren direkt los in dieses Krankenhaus. Dort angekommen werden wir sofort äußerst freundlich empfangen von einer jungen Dame und durch das komplette Krankenhaus geführt. Unterwegs kommt noch eine weitere junge Dame angehüpft und flirtet offensiv mit mir und begleitet uns Exoten mit unserem bereits vorhandenen Guide. Nach diversen Fluren und etlichen Stationen kommen wir an einen langen Tresen, einer Art Rezeption, an der einige junge Männer rum sitzen ohne offensichtlich etwas zu tun zu haben.

Da wir bei unserer PCR Odyssee natürlich nicht fotografiert haben, gibts hier noch ein paar Fotos von dem tollen Palast:

Über das Glasdach zum Schutz scheiden sich die Geister…

Unser Krankenhaus Guide spricht mit den Jungs auf türkisch und wir verstehen natürlich kein Wort. Sie scheint ihnen zu erklären, dass wir einen PCR Test für die Einreise nach Georgien brauchen. Das was sich in wenigen Minuten dort abspielt, sieht nicht gut aus. Köpfe werden geschüttelt, Schultern zucken und wir interpretieren das als nicht verheißungsvoll. Dann übersetzt sie uns, dass nur Residents, nur Einheimische dort einen PCR Test erhalten, aber keine Traveller. Das sei aber alles kein Problem erfahren wir sofort, denn es gibt zum Glück noch ein anderes Krankenhaus. Die Adresse wird uns auch sofort ins Handy getippt und wir fahren voller Hoffnung zu dieser dritten Adresse, um den PCR Test machen zu lassen. Auch in diesem Krankenhaus lernen wir alle Stationen kennen, bis hin zum Büro des Geschäftsführers. Was wir dort dann hören stimmt uns so gar nicht froh.

Einen PCR Test braucht ihr? Kein Problem, ihr müsst nur vorher bei der Bank eine Einzahlung machen…. Wir haben keinen Bock mehr. Die Bank hat längst geschlossen und wir sind total ab genervt. Scheiss drauf, was soll’s? Brechen wir auf und versuchen es im nächsten Ort.

Den Ararat haben wir bereits auf dem Hinweg gesehen und wir sehen ihn noch eine ganze Weile auf der Weiterfahrt, bis er irgendwann im Rückspiegel verschwindet.

Kars soll die nächste Station sein für eine weitere Übernachtung. Und um Kars zu erreichen, fahren wir durch die Einöde, durch Berge und Täler, über den Mond, durch Schnee und Eis. Es wird einsam auf unserer Strecke einer fremdartigen Gegend. Karg ist es hier, unwirtlich und der eisige Wind peitscht gegen das Auto und schaukelt es hin und her. Hoch über 2000 m sehen wir verschneite Orte, abgelegene Dörfer, hier und dort einen Schäfer mit seiner Herde. Ich fühle mich tatsächlich erinnert an die damaligen Siedler in den USA, die von Ost nach West zogen mit ihren Planwagen. Und denke wie es wohl hier gewesen sein mochte, als auch deutsche Einwanderer den beschwerlichen Weg auf sich genommen haben, um das gelobte und fruchtbare Land zu erreichen. Tatsächlich ist es so, dass früher viele deutsche Einwanderer über die Berge dieses Gebiet erreicht haben, um sich hier niederzulassen. Jenseits der Höhe von 2000 Meter haben wir das Gefühl auf dem Mond zu sein, die nordostanatolische Umgebung offenbart sich uns hier oben dermaßen fremdartig, dass wir sie mit dem Erdtrabanten vergleichen.

Nachdem wir den Mond mit all seiner Kargheit, der Finsternis und Eiseskälte verlassen haben, erreichen wir Kars. Als Stadt im Schnittpunkt armenischer, georgischer, griechischer, russischer und türkischer Kultur vereint sie eine Vielzahl von Architekturstilen. Vor allem die russische Architektur vom Ende des 19. Jahrhunderts, als Kars eine bedeutende Garnisonsstadt war, prägt die Stadt. (siehe Wikipedia) Davon sehen wir nicht viel, für uns scheint dies ein ärmlicher, verfallener Ort zu sein. Die Arbeitslosigkeit ist enorm hoch. Wir haben keine große Hoffnung hier einen PCR Test zu bekommen. Weiterfahren wollen und können wir aber heute auch nicht mehr, denn es ist schon spät.

Oben am Castle kann man stehen, heißt es auf park4night. Extrem steil geht es eine schlechte kopfsteingepflasterte Straße hinauf und wir finden eine Stellplatz unterhalb des Kars Kalesi, neben einem alten mit Graffitis besprühtem Bunker und fühlen uns relativ sicher. Allerdings liegen hier viele Glasscherben von zerdepperten Bierflaschen rum und ich muss beim Rangieren aufpassen, über keine zu großen Scherben zu fahren. Ein paar Feuerstellen sind hier auch und dementsprechend liegt viel Müll rum. Zahllose leere Bierdosen, Schnapsflaschen und Plastiktüten für die mitgebrachten Speisen verteilen sich über dieses ansonsten schöne Plateau. Der Blick, jetzt bei klarem Sternenhimmel, über die Stadt ist allerdings umwerfend. Kein Wunder, dass hier abends gerne am Lagerfeuer getrunken wird.

Kars Kalesi

Aber heute bei den eisigen Temperaturen, es geht auf die null Grad zu, sobald die Sonne verschwunden ist, wird wohl keiner mehr kommen, um die Aussicht zu bewundern. Da hatte ich mich aber geirrt. Es kommen noch einige PKWs und einer stellt sich direkt neben uns. Wir gucken kurz durch einen Spalt durch das Fenster und fragen uns, was der da wohl noch so spät will? „Wahrscheinlich ein junges Pärchen, um den Sternenhimmel und den Ausblick über die Stadt zu sehen.“, denken wir. Aber das Auto fährt nicht wieder weg. Die ganze Nacht bleibt es dort stehen, neben uns.

In der Nacht grübel ich so vor mich hin, wie wir es denn mit dem PCR Test lösen könnten und dann plötzlich habe ich eine Eingebung. Wir wissen doch über Instagram von anderen Travellern, die bereits in Georgien sind. Da frage ich einfach mal nach, wie sie es gemacht haben. „Über Hopa an der Schwarzmeerküste müsst ihr nach Georgien reisen, anders geht es sowieso nicht, da die anderen Grenzübergänge alle geschlossen sind. Dort bekommt ihr auch den Test.“ Wie geil ist das denn?, das mir das eingefallen ist und wie blöd, dass wir da nicht schon eher drauf gekommen sind. Wir hätten einen Grenzübergang nach Georgien gewählt, der gar nicht offen gewesen wäre. Jetzt haben wir von „Olgaontour“ erfahren, dass wir alles über Hopa erledigen können. Dort bekommen wir einen PCR Test und dann können wir das Ergebnis 6 Stunden später, direkt gegenüber, im Office von Turkish Airlines abholen. Soviel zur Theorie.

Wieder mal alles vermüllt, sehr schade!

Vor dem Frühstück mache ich einen Rundgang ums Auto und schaue wie ich hier ohne Reifenschaden vom Plateau komme. Ich bereinige mit den Füßen etwas die Spur und schiebe die größten Scherben und besonders die abgebrochenen Flaschenhälse beiseite. Dann gibt es Kaffee und Müsli und wir machen uns hoffnungsvoll fertig für die etwa 300 km lange Fahrt nach Hopa.

Unweit der armenischen Grenze geht es zunächst auf der D 965 nach Norden, um dann etwas später in westlicher Richtung zum schwarzen Meer zu fahren, in den grenznahen Ort Hopa. Unsere Stimmung ist sehr gut, denn das Wetter ist super und wir kommen über schneebedeckte Berge und freuen uns bereits riesig auf Georgien. Durch die Tipps von Olgaontour ist uns die Enttäuschung, vor einem geschlossenen Grenzübergang zu stehen, erspart geblieben. Wir wissen nun, wo und wie wir in Hopa an den ersehnten PCR Test kommen. Irgendwo im Nirgendwo ist mal wieder einer von den militärischen Kontrollstationen und im Gegensatz zu den Anderen, die wir schon so oft passiert haben, werden wir hier das erste Mal zum Halten aufgefordert. Ich lasse das Fenster runter und werde freundlich begrüßt von einem voll ausgerüsteten Soldaten in Tarnkleidung und selbstverständlich bewaffnet mit Maschinengewehr. Ich grüße freundlich zurück. Fahrzeugpapiere und Pässe will er sehen. Ich händige sie ihm aus. Wohin wir wollen, will er wissen. Nach Georgien, teilen wir ihm mit. „Good car!“, sagt er, während er flüchtig die Papiere prüft. „Have a good and safe trip!“, wünscht er uns und wir fahren weiter. Irgendwie fühlt man sich immer ein wenig unbehaglich in solchen Situationen, so empfinden wir es jedenfalls. Obwohl auch diese schwer bewaffneten Soldaten ganz normale Menschen sind. Sie sind wahrscheinlich größtenteils liebevolle Väter, tolle Kumpels, liebende Ehemänner, tolle Söhne und im Grunde genauso wie Du und ich.

Vor einem Roadhouse stehen viele Trucks, das scheint ein gutes Zeichen für gutes Essen und mir knurrt auch schon der Magen. „Wollen wir da was essen“?, frage ich Jutta. „Ja klar, wenn du willst.“ Ich drehe bei nächster Gelegenheit um und fahre das kleine Stück zurück und stelle mich zu den Trucks. Draußen werden wir von einer netten älteren Frau freundlich begrüßt. Sie lächelt und bietet uns einen ihrer Picknicktische für unsere Pause an. Drinnen sitzen nur einige wenige Trucker bei ihrem Tee oder ihrer Mittagsmahlzeit. An einem Tresen mit einer Auslage hinter Glas liegen die köstlichen Köftespieße und verschiedene andere Leckereien. Wir wollen die Köfte, die uns bisher immer geschmeckt haben, egal wo wir sie gegessen haben. Dazu gibt es Salat, Joghurt und Brot. Zum Trinken eine Limo und zum Schluss den obligatorischen Tee. Dann geht es weiter und wir erreichen am frühen Nachmittag Hopa.

Hopa

Der erste Eindruck ist sehr gut. Wir sind direkt am schwarzen Meer und fahren auf einer breiten, zweispurigen Straße (in beiden Richtungen) durch Hopa. Getrennt wird diese Straße durch eine schmale Grünfläche und auf jeder Seite sind Parkplätze, nur leider sehe ich keinen freien Platz, in den ich LEMMY reinmanövrieren könnte. Wir fahren einen U-Turn und gucken gleichzeitig, während ich nach einer Parklücke Ausschau halte, nach dem Boutique Hotel, wo sie die PCR Tests machen. Wir haben kein Glück und fragen bei einem größeren Hotel in der ersten Reihe, ob wir dort für ein paar Stunden stehen dürfen. Kein Problem, heißt es und wir parken dort, um dann nach dem Hotel zu suchen, wo die begehrten Tests gemacht werden. Olgaontours hatte uns diese Stelle per Googlelink geschickt und tatsächlich „Guck mal da vorne, das könnte es sein, das ist ein Boutique Hotel!“, sagt Jutta.

Wir finden einen kleinen Seiteneingang mit einem Zettel an der Tür. „PCR TEST, 3. Floor.“ Sollte es hier jetzt endlich klappen mit diesem verdammten Test? Wir gehen hoch und finden ein kleines, provisorisches Ärztebürosprechzimmer direkt neben dem Treppenaufgang in der 3. Etage. Ein Schreibtisch, ein zweier Ledersofa und zwei Stühle zum Warten. Hinten am Fenster ist dann noch ein kleiner Paravent als Sichtschutz aufgebaut, wo man sich kurz niedersetzen kann, um die Probe aus den Nasenschleimhäuten entnehmen zu lassen. Es ist kurz vor 15:00 Uhr. Wir fragen vorsichtig, ob es denn möglich ist hier einen PCR Test machen zu lassen. Ja, das sei möglich, aber erst später. Es sind noch nicht alle vom Personal aus der Pause zurück, erfahren wir. Wir sollen in etwa einer halben Stunde wiederkommen. Wir sind pünktlich wieder dort, aber noch nicht alle vom Personal. „In einer halben Stunde?“, fragen wir.

Hopa, direkt am schwarzen Meer

Dieses Mal warten wir etwas länger, trinken Tee in einem kleinen Café und essen Kuchen. Dann bummeln wir noch etwas durch die kleine Ladenstraße und einmal rüber über die Fußgängerbrücke um eine gute Sicht auf das schwarze Meer zu haben. Nach fast anderthalb Stunden versuchen wir es erneut und jetzt ist auch das benötigte Personal vor Ort. Dann geht alles ganz schnell. Pässe vorzeigen, Formblatt unterschreiben, mit Bargeld bezahlen und einmal kurz in jedes Nasenloch stochern lassen. Wir haben schon das Gefühl, dass sie den Test in unserem Sinne erledigen, denn von der erwünschten Probe kann nicht viel hängen geblieben sein an diesem Nasenstäbchen. Uns solls recht sein. „Und wo bekommen wir das Ergebnis?“, wollen wir noch wissen. Sie zeigt mir durchs Fenster das Turkish Airlines Office schräg gegenüber und sagt, dass es in ca. 6 Stunden dort vorliegen sollte. Es ist jetzt 16:20 Uhr und wir müssen noch einen Stellplatz für die Nacht finden. Fragen wir doch mal beim Hotel vor dem wir gerade parken, ob wir dort eine Nacht stehen dürfen. Auf dem Weg zurück zum Auto diskutieren wir sogar dort ein Zimmer zu nehmen. „Mal wieder eine Badewanne wäre schon geil!“, ergriff ich die „Pro Hotelzimmer Position.“ „Das roch da schon so muffig an der Rezeption, als ich vorhin gefragt habe, ob wir hier kurz parken dürfen!“, erwidert Jutta, offensichtlich die „Kontra Zimmer Position“ einnehmend. „Bestimmt gibt es eine Hotelbar, vielleicht sogar eine Minibar und der Blick direkt raus aufs Meer.“, kontere ich. „Wer weiß wie die Zimmer sind, wenn die Rezeption schon so muffig ist.“ Wir gucken kurz online wie die Zimmer und die Preise sind und sind uns einig, die Nacht im Camper zu verbringen. Über Nacht dürfen wir hier nicht stehen bleiben, weil sie die wenigen Parkplätze auch für ihre Bar und ihr Restaurant brauchen. Dafür haben wir natürlich Verständnis. Wir drehen hier einfach ein paar Runden an der Uferpromenade und dann werden wir auf der einen oder der anderen Seite schon was finden. Es geht schneller als gedacht. Nach dem ersten U-Turn erspähe ich einen großen Pickup auf der anderen Seite, der gerade raus fahren will. Ich halte, Jutta springt aus dem Wagen und läuft schnell rüber, um mir diesen Platz frei zu halten.

Stellplatz gefunden!

Ich warte endlos an einer roten Ampel kurz vor dem zweiten U-Turn und kann mir lebhaft vorstellen wie Jutta einige Parkwillige wegschicken muss. Sie konnte sich behaupten und ich kann ohne Probleme rückwärts in diese breite Lücke hinein fahren. Nur nicht zu weit hinten ranfahren, fällt mir noch ein, sonst habe ich morgen früh evtl. jemanden in zweiter Reihe vor mir stehen, wie es hier dauernd zu sehen ist. Kurz vor fünf zeigt die Uhr. „Mittagsschlaf?“, frage ich. „Na klar.“, sagt Jutta.

Um sieben Uhr finden wir ein nettes, kleines türkisches Schnellrestaurant und können kaum fassen, dass alles so hervorragend läuft. Was machen wir jetzt noch bis halb elf, bis wir unser Testergebnis abholen können, ist die große Frage. „Na was wohl? Wir suchen uns eine Kneipe.“ In Kneipen ticken die Uhren einfach anders. Die Zeit spielt nur noch eine untergeordnete Rolle. Das ist überall auf der Welt so. Und wenn der Spruch wahr wäre, den ich mal in Belgrad in einer Kneipe gelesen habe, dann wäre jede Bar ein regelrechter Jungbrunnen. Ich bekomme den genauen Wortlaut leider nicht mehr hin (dazu gibt es bestimmt auch einen Spruch der mit Kneipen zu tun hat), aber sinngemäß hieß es da auf einem großen Schild „The time of your life that you spend in bars, doesn’t count. „

Lange müssen wir nicht suchen, da sehe ich die unmissverständliche Leuchtreklame über einer Treppe, die nach unten in einen Keller führt. Es ist kurz vor acht Uhr. Ich gehe vorweg und signalisiere Jutta, dass sie nachkommen kann, denn es handelt sich nicht um einen „Nachtclub“. Viel los ist nicht, so können wir uns hinten in der Ecke einen netten freien Platz aussuchen. Die Bar ist etwas zu hell für mich und die Musik ist nicht besonders. Türkischer Pop dröhnt fast ein bisschen zu laut aus den Bose-Boxen. Allerdings gefallen mir die Kunstdrucke an den Wänden. Zu sehen sind attraktive Frauen aus unterschiedlichen Kulturen.

Wir bestellen zwei große Tuborg Gold bei der Barfrau und unterhalten uns über das was wir alles so kürzlich erlebt haben und was uns wohl in Georgien erwarten mag. Der Test wird ja wohl negativ sein, da sind wir uns einig. Irgendwas ist anders fällt uns irgendwann auf. Jetzt läuft Musik aus den Achtzigern, wohl uns zuliebe. Zweite Runde. Leute kommen und gehen, die Barfrau macht Schichtwechsel mit einer Kollegin, aber die Musik bleibt ganz gut. Wir mögen einiges aus der Dekade, die um ein Vielfaches besser war, als beispielsweise die 90er oder die 2000er. Aber egal, ist ja auch Geschmackssache. Wir bestellen eine dritte Runde und haben mal ein Auge auf der Uhr, mal ein Auge auf dem Handy bei Instagram oder Facebook. Hier gibt es relativ schnelles Wlan, das genutzt werden will. So kann ich auch direkt einige Bilder posten, ohne unser eigenes Volumen zu verbrauchen. „Noch ne Runde?“, frage ich. „Für mich nicht mehr, es ist nach zehn und wir müssen gleich los.“ „Darf ich denn noch eins?“ Den Blick kenne ich und deute ihn in etwa so: Na gut, wenn’s denn sein muss, dann bestell dir halt noch eins. Nach dem Bier, kurz nach halb elf, geht es dann zum Turkish Airline Office in großer Erwartung auf ein negatives PCR Testergebnis. Es ist nur wenige Gehminuten entfernt.

Fußgängerzone Hopa

Einige andere Leute, die wohl auch über die Grenze wollen, stehen da schon und warten oder werden gerade abgefertigt. Nach einer Weile reichen wir den Zettel, den wir bekommen haben, dem Herrn am Schreibtisch und er tippt unsere Daten in seinen Computer. Der Drucker läuft in Endlosschleife. Offenbar suchen die anderen Leute, die schon vor uns hier waren ihre persönlichen Testergebnisse aus den Papieren, die der Drucker pausenlos ausspuckt. Der Stapel wird an andere Wartende weitergereicht, sobald man ihn durchgesehen hat. Dann greife ich zu und blättere alle Zettel durch. Da, Jutta haben wir schon mal. Viele sind es nicht mehr, die noch übrig sind. Ich muss wohl einen übersehen haben, denn mein Name stand da nirgendwo drauf. Noch mal ganz in Ruhe von vorne. Mein Testergebnis ist nicht dabei. Wir teilen unser Dilemma dem Herrn am Schreibtisch mit. Er hackt auf seine Tastatur ein, dann telefoniert er und wir hoffen. Die Anderen sind alle durch, nur noch wir sind im Office und begutachten Juttas Ergebnis. Negativ. Na wenigstens was. Der Drucker springt erneut an und es folgen wieder einige Ergebnisse. Ich gehe rüber und greife was dort ausgeworfen wird und gucke einen Zettel nach dem Anderen durch und finde schließlich meinen Namen. Aber was ist das? Ich bin doch nicht erst 2014 geboren und der Name ist auch noch falsch geschrieben. Wieder wird telefoniert und die Tastatur des Rechners malträtiert bis weitere 30 lange Minuten vergehen und wir dann endlich unsere beiden „negativen“ PCR-Tests in Händen halten. Diesmal stimmt alles. Eine obligatorische Haftpflichtversicherung, ohne die man die Grenze nicht passieren kann, wird auch noch abgeschlossen und dann sind wir fertig. Es ist kurz vor Mitternacht und wir sind in diesem Moment überglücklich alles erledigt zu haben. Ich finde jetzt haben wir uns Zuhause noch ein Feierabendbier verdient. Auch bis zu LEMMY sind es nur 3-4 Gehminuten und es gibt noch ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank, bevor wir zu Bett gehen und mir noch was einfällt. Ich könnte morgen früh, bevor wir nach Georgien aufbrechen, meine kaputten Latschen mal beim Schuhmacher etwas richten lassen. Sie lösen sich langsam in ihre Bestandteile auf und ein bisschen guter Kleber könnte nicht schaden. Zufrieden schlafe ich ein.

…und was als nächstes geschieht….

GEORGIEN – Chapter I

…und wie ich im Vashlovani National Park sehe, wie die Erde sich dreht…

Chapter 9 – Türkei

….und wie wir plötzlich einen ganzen Haufen anderer Overlander treffen und am Lagerfeuer das Ende der Welt erörtern…

Irgendwann kriege ich mich dann auch immer wieder ein und bin nicht mehr sauer. Dieses Mal dauerte es aber eine Weile. Während der Fahrt sprachen wir nochmal über alles, wurden uns aber nicht einig. Ich war überzeugt, dass ich drei von den vier Fahrzeugen hätte bergen können. Das vierte Auto war zu weit reingefahren, das hätte ich auch nicht riskiert. Aber die drei Vorderen hätte ich locker aus dem Schlamassel befreien können. Jutta war anderer Ansicht. Wobei ich hier erwähnen muss, das sie keine wirkliche Fahrkompetenz hat und fast null Fahrpraxis mit LEMMY. Von den etwa 40 000 km die das Tacho anzeigt, ist Jutta ca. 200 km gefahren. Auf dem Rückweg beim Abholen von Lemmy aus Mehringen und vom RELOAD Festival in Sulingen 2019 zu uns ins Waterhole. Denn ich hatte noch reichlich Restalkohol im Blut und durfte nicht fahren. Die anderen 39 800 km bin ich gefahren. By the way, zum RELOAD Festival 2022 planen wir rechtzeitig zurück zu sein von der ersten „THE WÖRLD IS YOURS – Tour“. Außerdem ist sie der Pessimist und ich der Optimist in unser Beziehung, das war immer schon so.

Wobei sie selber sicherlich sagen würde, dass sie die Realistin ist und ich der Träumer. Eine männliche Pippi Langstrumpf… ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt…..

Natürlich war auch vorher schon Thema das ich mir gerne den Videodreh angeschaut hätte, aber Jutta wollte lieber weiter fahren. Ich warf ihr mangelnde Spontanität vor. Einfach mal eben sagen: „Scheiß doch drauf, gucken wir uns das an hier. “ Aber nee, sie wollte weiter. Ich sah uns schon im türkischen Fernsehen, Deutscher zieht türkisches Filmteam aus dem Salzsee. Aber Jutta wollte lieber fahren….na ja, wie gesagt, irgendwann kriege ich mich immer wieder ein.

„Und wo fahren wir jetzt hin?“, frage ich. „Weiß ich auch nicht!“, bekomme ich zur Antwort. Zum Glück lese ich auch gelegentlich in unserem dicken Reiseführer, der wirklich viele Infos liefert, besonders auch für uns Overlander. „Wie wäre es mit Egridir?“, frage ich. Da gibt es einen schönen See, sehr beliebt im Sommer und umrahmt von großartiger Bergkulisse. Da wird jetzt nicht mehr viel los sein und auf dem Weg liegt es auch noch. „Ja ok, warum nicht.“, sagt Jutta. „Ich guck mal nach Stellplätzen.“ Und so finden wir uns am späten Nachmittag als einzige Camper auf einem Campingplatz wieder, der eigentlich nicht viel zu bieten hat. Außer einer tollen Aussicht auf den See und einer tollen Bergkulisse.

A view with a fence….

Aber mehr brauchen wir auch gar nicht. Die Toilette und die Dusche sind nicht benutzbar, finden wir jedenfalls. Aber wir haben alles was wir brauchen im Auto. Wir haben unsere Trenntoilette und können duschen im Camper, also bleiben wir. Gegen Abend kommt sogar noch ein großer Geländewagen mit Dachzelt und Anhänger. Voll ausgestattet mit allem erdenklichen Equipment wie Außenküche, Feuerschale und Tisch und Stühle für die ganze Familie inklusive Hund und Hundehütte. Eigentlich wollten wir nur eine Nacht bleiben, aber es wurden zwei. Das lag zum einen daran, dass wir fanden, eine kleine Radtour in den Ort wäre was Feines. Da könnten wir uns um eine neue Simkarte für den Router kümmern, denn unser Datenvolumen geht zu Ende. Außerdem könnten wir den Ort anschauen und ich müsste mal wieder eine Nachtschicht einlegen, um an meinem Blog weiterzuarbeiten. Und so sollte es dann auch laufen. Wir genossen bei traumhaftem Wetter unsere Radtour, erledigten im Türkcell Shop die Sache mit dem Internet und ich machte meine Nachtschicht.

Berge und Wasser, was braucht man mehr?

Zum Glück hatte ich noch genug Bierreserven. Denn wir stellten fest, als ich für die kommenden Tage die Biervorräte auffüllen wollte, in den Supermärkten hier gibt es keinen Alkohol. „Komm!“, sagte ich zu Jutta nachdem wir den BIM verlassen hatten (BIM hatte vorher immer Bier und Wein im Sortiment). „Wir probieren noch den SOK aus.“ Pustekuchen! Kein Bier, kein Wein. „War da nicht noch ein MIGROS?“, frage ich Jutta, langsam nervös werdend mit schweißnasser Stirn. „Ja!“, sagt sie „den habe ich auch gesehen, da können wir meinetwegen auch noch gucken.“ Kein Bier, kein Wein, null Alkohol. Fuck, was ist das denn hier? Was vorher selbstverständlich war, immer und überall Bier und Wein in den Supermärkten vorzufinden, das war hier überhaupt nicht mehr selbstverständlich. Hier muss man spezielle Liqueur Stores finden, TEKEL heißen die meist, mit gelber oder blauer Reklametafel. Na ja egal! Wie gesagt, ich hatte noch Reserven dabei. Für die Nachtschicht sollte es locker langen. Aber hier muss ich mal kurz vorgreifen. In ein paar Wochen werden wir eines der ältesten christlichen Länder der Welt bereisen. Georgien. Es ist auch ein sehr armes Land. Aber was ich an den christlichen Ländern so sehr liebe, überall gibt es was zu saufen. An jeder Ecke gibt es Schnapsläden, Kioske, Weinläden, Bierstores. Es gibt zahllose Weingüter und in jedem Supermarkt gibt es eine schier endlose Auswahl an Spirituosen. In den Gemüseabteilungen kann man Bier zapfen beim Shoppen. Man kann sich seine gebrauchten 2 L Flaschen mitbringen oder Neue kaufen. Man kann es sich frisch zapfen lassen in neue oder mitgebrachte 2 Liter Flaschen, alles ist möglich. Aber das nur am Rande. Georgien wird später ausführlich beschrieben (und wir werden es lieben dieses Land) In Anatolien finden wir nach genauem Hinsehen dann aber doch genau die Läden, die wir brauchen, um unsere Vorräte aufzustocken. Wir verlassen Egridir nach zwei Nächten, nach einer tollen Radtour, nach einem ernüchternden Einkaufserlebnis und einer Nachtschicht, nach reichlich Morgenkaffee und nachdem ich wieder für fahrtauglich befunden wurde und fahren gen Osten.

In einer kleinen Seitengasse in Egridir

Kaya Camp ist das Ziel für heute. Endlich werden wir diesen lang ersehnten Ort erreichen: Kappadokien. Da wird es dir gefallen, hat Güler mir vor Jahren gesagt und sie hat mehr als recht gehabt mit dieser Prognose. Da siehst du die Ballons aufsteigen, wenn du zum Sonnenaufgang raus schaust….

On the road again. Ich liebe es ja zu fahren und ich komme mir immer näher mit LEMMY. Wir werden zu einer Einheit, verschmelzen und ich bin glücklich in diesem Moment. Ich habe Eiskaffee neben mir in der Mittelkonsole, die Straße ist endlos und die Landschaft wird immer seltsamer, immer karger. Die Felsformationen aus Tuffstein nehmen zu.

Geopfert für LEMMY 🙁

Es ist wie damals als ich meine Bimota SB 6 R eingefahren habe. Erst war sie zickig, mürrisch und hatte ihre Launen. Es war halt eine Italienerin aus Rimini (mit einem japanischem GSX R 1100 ccm Motor, mit 156 PS). Doch nachdem ich die Drosselklappen habe wechseln lassen, da wurde sie umgänglicher, hatte zwar etwas weniger Highspeed, aber dafür eine größere Beschleunigung. Die möglichen 285 km/h konnte ich eh nie ausfahren, 265 habe ich mal geschafft. Aber wenn ich mal zwei Stunden oder länger mit meiner Bimota unterwegs war, dann waren wir eins. Fahrer und Maschine schmolzen untrennbar zusammen. Und während der Fahrt gab es nichts anderes auf der Welt als die Straße und mich. Schiss hatte ich nur, wenn ich aufgestiegen bin. Und wenn ich nach der Fahrt wieder abgestiegen bin, hatte ich so manches mal weiche Knie. Aber nie, wenn ich sie gefahren habe. Dann ist man nur noch fokussiert, hochkonzentriert. Dann checkt man die Straße in jeder Sekunde, jeden Meter der vor einem liegt. Ist dort irgendwo ein Gullideckel? Ist dort Dreck von einem Trecker in der Kurve? Irgendwo eine Ölspur auf die ich achten muss? Jede Sekunde und jeder Meter wird gecheckt, bewertet und entsprechend die Fahrweise angepasst, immer am Limit. Das rausholen was geht. Aber immer mit Reserve, das versteht sich von selbst.

Ausblick von unserer Terrasse

Schließlich erreichen wir das Kaya Camp, checken ein und bleiben mal wieder viel länger als geplant. Die sanitären Anlagen sind sauber und genügen unseren Ansprüchen vollauf. Wir bekommen sogar einen Stellplatz ganz vorne, mit einer fantastischen Aussicht von einer erhöhten Terrasse über die Tuffstein Landschaft. Es ist wieder mal überwältigend was Mother Earth uns hier bietet. Dazu später mehr.

Was man hier beim Duschen beachten sollte, besser bei Tag duschen, denn im Dunkeln sieht man nix. Die Duschen sind mit Bewegungsmeldern ausgestattet. Doch wenn man in der Duschkabine ist, dann reagiert der Melder nicht mehr. So stehe ich nach kurzer Zeit im Dustern da, muss die Kabine verlassen und rumturnen, damit ich wieder kurz etwas Licht habe. Danach beginnt das Ganze von Neuem. Also schnell einseifen und abduschen.

Endlich sind wir angekommen. LEMMY steht perfekt, aus dem Bett blicken wir über eine endlose Weite, eine grandiose Landschaft. Tisch und Stühle raus und ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank. Was uns sofort aufgefällt, hier sind viele Overlander. Viele Offroadfahrzeuge, große LKW’s, kleinere Land Rover und auch ein paar Vans mit Allrad. Es dauert nur ein paar Minuten und dann kommt uns Yvonne begrüßen. „Hey, ich wollte nur kurz Hallo sagen. Habe gesehen, das ihr gerade gekommen seit. Wir machen heute Abend ein kleines Lagerfeuer, kommt doch vorbei!“, lädt sie uns ein. Kurzer Blickkontakt und dann: „Klar! Wir kommen sehr gerne.“

Layla mit Haustier
Gecko

Yvonne ist „Laylaontour“ mit ihrem Partner Rene. Dann ist da noch „Gecko on Tour“, das sind Renata und Stefan. Und jetzt kommen wir ins Spiel, die Neuen im Kaya Camp. THE WÖRLD IS YOURS. Wir bringen unsere Stühle mit ans Feuer, für mich ein großes Bier und für Jutta einen Rotwein. Wir plaudern etwas und erfahren ein wenig gegenseitig von uns. Dann kommt ein weiters Fahrzeug in der Nacht auf den Kaya Campingplatz gefahren, ein orangefarbener Land Rover.

Die orangen Schweizer!

Kurze Zeit später sitzen bei uns Roger und Susanne, das Team „Orange Land Rover“. Jetzt sind wir für diese Nacht komplett. Vier Teams, vier verschiedene Leben, alle mit unterschiedlichen Ansichten, Zielen, mit unterschiedlichen Erfahrungen. Es wird getrunken und geplaudert, Feuerholz wird nachgelegt. Yvonne und Rene beginnen mit spannenden Geschichten aus Afrika. Nachdem ich kurz über unser Erlebnis vom Tuz Gölü und dem Filmteam erzählt hatte, konnte Rene eine viel aufregendere Geschichte berichten: Wie er damals in Afrika auf einem anderen Salzsee mit seinem LKW von 8 Tonnen durch die Salzkruste brach und sein Truck weiter absackte. Er musste sehr schnell handeln war aber auch sehr gut ausgerüstet. Während Yvonne den kompletten Truck ausräumte, packte Rene 4 von 6 Sandblechen aus und legte sie unter seine Achsen. Dann hatte er vier Wagenheber dabei, die er unter den Achsen auf die Sandbleche verteilte, um ein weiteres Absinken des Trucks zu verhindern. Sie arbeiteten beide die ganze Nacht. Der Truck war komplett leergeräumt und Rene konnte ihn aus dem Salzsee irgendwie rausfahren, als er leichter war und nicht weiter eingesunken ist, durch schnelles und kluges Handeln. Sie erzählten uns auch noch eine spannende Geschichte aus dem Niger. Dort waren sie auf einem Berg der Aussicht wegen und hatten ihre beiden kleinen Kindern dabei. Es regnete auf dem Rückweg und die Piste bergab wurde immer matschiger, immer schlammiger und rutschiger. Rene konnte im Grunde nicht sicher weiter fahren. So überlegte er sich, die Reifenprofile jeden Meter mit einem Löffel freizukratzen, damit die Reifen für den nächsten Meter wieder Grip haben. Nach einigen Metern gab er auf und ihm wurde klar, dass diese Prozedur so gar keinen Sinn hat und sie wohl besser warten bis es trockener wird.

Ich erzählte kurz die Geschichte von dem blöden Watchman vom Tuz Gölü, von unserem Abenteuer aus Albanien und auch eine kleine Geschichte aus Afrika, diesmal von der Ostküste. Wir waren im Zug unterwegs von Nairobi nach Mombasa. Davon, dass der Zug entgleiste und sechs Männer die tonnenschwere Lok mit sechs hydraulischen Wagenhebern wieder in die Gleise hievten in sechs Stunden, davon will ich gar nicht erst anfangen. Mit zwölf Stunden Verspätung kamen wir an in Mombasa und wurden trotzdem, wie verabredet, von unserem Hotel abgeholt.

Dann hatten wir einige Tage Zeit Mombasa zu erkunden, doch am Vortag der Abreise passierte es. Wir waren in unserem Zimmer und der Tumult kam über uns. Geschrei auf allen Fluren, im ganzen Hotel. Wir dachten nur: „Ach du scheisse, was ist denn jetzt los?“ Vor dem Hotel eine riesige Menschentraube, Soldaten und Polizisten kamen immer mehr dazu. Auch Journalisten und Fernsehteams waren schnell vor Ort. „Lass uns raus hier aus dem Hotel!“, sage ich zu Jutta. „Nee, lass uns lieber hier bleiben im Zimmer!“, schlägt sie vor. „Auf keinen Fall, viel zu gefährlich!“ sage ich. Von Demonstrationen und aufgebrachten Menschenmengen soll man sich immer fern halten, das weiß doch jeder. Ich überzeuge sie mit mir das Hotel zu verlassen. Wir gehen nach unten in die Lobby. Zu gefährlich vorne rauszugehen heißt es, wir probieren es hinten Ein Soldat führt uns durch die tobende Menge. „Hinten geht es nicht, probieren wir es doch noch mal vorne!“, sagt der Soldat. Die tobende Menge macht uns Platz und wir kommen irgendwie vorne durch. Dann halten wir schnell einen größeren Abstand ein zum Hotel.

Blick von unserem Balkon

Was war los? Ein regimekritischer Schriftsteller hatte sein neues Buch vorgestellt in unserem Hotel und ein aufgebrachter Mob wollte ihn lynchen dafür. Aber das und der entgleiste Zug war noch nicht genug Abenteuer auf dieser Reise.

Am nächsten Tag, am Tag unserer Abreise wurde ein hoher muslimischer Geistlicher ermordet. Daraufhin reagierten seine Anhänger äußerst ungehalten und verwüsteten christliche Kirchen, was wiederum einige Christen veranlasste Moscheen zu attackieren.

Unruhen in Mombasa halten an

In der kenianischen Hafenstadt gehen die Ausschreitungen nach der Tötung eines radikalen Moslems weiter. Die Islamisten aus Somalia mischen sich ein.

Ausschreitungen in Mombasa: Polizisten patroullieren in einer Straße (Foto: AFP/GettyImages)

Hunderte junge Demonstranten warfen Steine, beschädigten Autos und Geschäfte und versuchten, ins Zentrum der von vielen Touristen besuchten Metropole vorzudringen, berichteten Journalisten aus Mombasa. Spezialeinheiten der kenianischen Polizei gingen mit Tränengas gegen die Randalierer vor. Die meisten Geschäfte in der Innenstadt blieben geschlossen.

Die Unruhen waren am Montag nach der Tötung des radikalen islamischen Geistlichen Abud Rogo Mohammed in Mombasa ausgebrochen. Der Prediger wurde von Unbekannten erschossen, als er mit Familienangehörigen im Auto unterwegs war. Vertreter muslimischer Organisationen warfen der kenianischen Regierung vor, für die Tötung verantwortlich zu sein. Tausende Anhänger des Predigers lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Mindestens ein Mensch wurde bei den Ausschreitungen getötet. Zwei christliche Kirchen wurden von den Randalierern verwüstet. (Ausschnitt vom Bericht der deutschen Welle vom 28.08.2012, kompletter Artikel unter: https://www.dw.com/de/unruhen-in-mombasa-halten-an/a-16197940 )

Nach kurzer Zeit war ein Tohuwabohu im Gange, das eine Ausgangssperre verhängt wurde und ganz Mombasa in den Ausnahmezustand versetzt wurde. Doch wieder hatten wir erstmal Glück, denn wir erfuhren von alledem zwei Stunden später, als wir bereits auf dem Airport waren. Wäre unser Flug eine Stunde später gewesen, dann hätten wir Mombasa nicht mehr verlassen können.

Edelweiß Air

Ob wir es jetzt können ist auch noch nicht klar. Unser Flieger von Edelweiß Air aus der Schweiz soll eigentlich in 30 Minuten abheben. Es ist aber nur ein Schalter für die Abfertigung besetzt und die dauert pro Person ca. 4 Minuten. Hochgerechnet dauert es mit den Leuten vor uns noch mindestens anderthalb Stunden. Wir erfahren von einer Person vor uns (einer Einheimischen), dass es nicht ungewöhnlich ist, dass die Piloten auch schon mal die Geduld verlieren und starten, wenn die Abfertigung wieder mal zu lange dauert und bevor das Boarding abgeschlossen ist. Wir lernen in Afrika Einiges, unter anderem Geduld und Demut. Wir haben Glück, unser Pilot ist geduldig und wir kommen alle noch an Bord.

Es wird Feuerholz nachgelegt, Bier wird geholt, eine weitere Flasche Wein wird geöffnet, Pinkelpausen werden eingelegt. Wir erfahren, dass die beiden Schweizer vom „Orange Land Rover Team“ den ganzen Tag in der Werkstatt waren und danach von der Familie, die das Auto repariert hat zum Essen eingeladen wurden. Jetzt kommen auch sie zu Wort und auch Stefan und Renata. Wo wir noch so hin wollen wird u. a. Thema „Nach Georgien wollen wir als Nächstes.“, antworten wir. Da kommen die beiden Schweizer gerade her und hatten nur Pech mit dem Wetter. Drei Wochen Dauerregen, dann sind sie umgedreht, zurück in die Türkei, die sie schon seit Jahren bereisen. Und der Müll an der Schwarzmeerküste sei so besonders schlimm, hören wir. Vier Tonnen Müll pro Jahr landen aus der Donau im schwarzen Meer, erfahre ich von Stefan. Ich bin nicht ganz sicher, ob ich es korrekt wiedergebe, denn ich bin schon etwas betrunken zu diesem Zeitpunkt. Vielleicht sind es auch vier Tonnen pro Monat.

Mehr Feuerholz wird nachgelegt, eine weitere Flasche Wein wird geköpft und ich habe auch noch reichlich Bier im Kühlschrank. So eine Pleite wie neulich wird mir nicht wieder passieren.

Und jetzt, wo das Thema Müll angeschnitten wird, da berichte ich von meinem Erlebnis mit der kleinen Sophie. Ich mag es eigentlich gar nicht, so im Mittelpunkt zu stehen. Aber zusammen mit der richtigen Truppe, zur rechten Zeit, am rechten Ort, da kann ich dann auch schon mal so ins Plaudern geraten und erzählen, was mich beschäftigt. Und was mich beschäftigt ist, dass ich der kleinen Sophie keine passende Antwort auf ihre Frage geben konnte. Warum machen die Menschen das, warum schmeißen die ihren Müll einfach so weg in die Natur?

Das Thema wird jetzt ausgiebig diskutiert. Niemand hat auf diese Frage eine plausible Antwort. Ob es überhaupt eine Lösung gebe für die Probleme der Welt, wurde in den Raum geworfen. Für die Klimakrise.

Ich, der notorische Optimist, antworte: „Nein, der Zug ist abgefahren!“ Ich sage noch sowas wie: „Der Schneeball ist ins Rollen gekommen und er donnert jetzt runter ins Tal und niemand wird ihn stoppen! Der Schneeball wird größer und größer und er wird alles was sich ihm in den Weg stellt mit sich reißen!“ Niemand widersprach.

Der Mensch beutet die Erde einfach zu sehr aus. Und solange die Profite stimmen wird sich nichts daran ändern. Mir fallen einige Attribute ein, die den Menschen ganz gut beschreiben: Profitgier, Machtstreben, Egoismus, Skrupellosigkeit und Ignoranz. Natürlich sind nicht alle Menschen so, aber leider sind es doch zu viele und dann auch noch in Positionen, die es ihnen erlauben richtig viel Schaden anzurichten. Das Problem dabei ist wohlmöglich, dass oftmals der Schaden nicht unmittelbar eintritt, sondern erst nach Dekaden, nach Generationen. Und der profitorientierte, skrupellose Mensch denkt bei sich: „Was juckt es mich, die Probleme die aus meinem Handeln resultieren, können andere nach mir bewältigen.“ Oder er denkt nicht mal soweit oder es ist ihm völlig egal. Vieles hiervon sind nur meine Gedanken, ich spreche nicht alles aus in dieser Runde. Aber wir sind uns größtenteils einig, die Erde ist verloren, der Point Of No Return ist längst überschritten. Jetzt geht es nur noch um Schadenbegrenzung, um das Unausweichliche hinauszuzögern. Das Bittere daran ist, dass es genau diejenigen treffen wird, die keinerlei Schuld daran haben: Die Kinder.

Wir gingen dann auch zu Bett irgendwann, aber ich konnte nicht schlafen. Ich dachte über all das nach, was wir so am Lagerfeuer gesprochen haben. Es war schon oft so, dass ich nicht schlafen konnte und lange Zeit wach lag im Bett. Manchmal lag es daran, dass ich über Einiges nachdenken musste. Manchmal arbeitete ich auch schon in Gedanken an meinem nächsten Blogbeitrag. Aber hier beschäftigte mich schon noch das Thema von gerade eben.

Mir fällt ein Buch ein, welches ich vor vielen Jahren gelesen habe. Es heißt BREITENGRAT NULL und handelt von Mike Horn, der die Erde einmal am Äquator entlang umrundete. Er hat es auch selber geschrieben, ist also Schriftsteller, Extremsportler und Weltreisender in einer Person. Er fuhr mit dem Rad, lief zu Fuß, schwamm und nahm den Katamaran. Alles musste ohne Motor sein und er durfte nie weiter als 20 km vom Äquator entfernt sein, weder in südlicher noch in nördlicher Richtung. Das brachte natürlich auch viele Schwierigkeiten mit sich, wie man sich vorstellen kann. Unwetter, Krankheit, wilde Tiere, giftige Tiere. Aber einen Satz hat er geschrieben, der hat sich mir eingebrannt, der bringt den heutigen Abend auf den Punkt.

„Der Mensch ist das schlimmste Tier!“

Und dann hat der Mensch auch noch die Arroganz, sich als Krone der Schöpfung zu sehen. Macht sich die Erde Untertan. Sieht sich selber als was ganz Besonderes. Ist er das überhaupt? Besonders jetzt auf unserer Reise geht es oft um Corona. Wir sind geimpft und haben auch den internationalen Impfausweis. Sowas braucht man, wenn man einigermaßen ungehindert Grenzen überwinden will. Corona ist eine Krankheit, die sicher niemand haben will. Aber ist nicht auch dieses Virus indirekt vom Menschen gemacht? Immer mehr Wälder werden abgeholzt. Die wildesten Tiere, die vorher wenig oder gar keinen Kontakt zum Menschen hatten, werden in ihrem eigenen Revier zurückgedrängt, verlieren ihren Lebensraum oder müssen ihn sich mit den eindringenden Menschen teilen. Der Mensch macht sich die Erde Untertan, er darf das. Je exotischer ein Tier, desto besser. Ist es selten? Noch besser, dann kann man mehr Geld dafür verlangen.

So kommen auch viele verschiedene Erreger zusammen. Die freuen sich und gründen neue Communities und verbreiten sich immer weiter. Im ganzen Land und dann über die ganze Welt. Dazu tragen viele Holzfäller (besser Holzfällerunternehmen) bei, die auf der ganzen Welt in den tropischen Regionen die edlen Hölzer abholzen. Dazu tragen aber auch alle Leute bei, die sich die schönen Designermöbel kaufen aus dem harten und robusten Edelholz. Die Holzfäller drängen dabei in die abgelegensten Regionen vor, verdrängen dabei Orang-Utans, den Sumatra- oder den sibirischen Tiger. Und sie haben Kontakt zu Viren, die dem Menschen sonst nicht besonders nah kommen würden. Denn die Viren reisen normalerweise nicht in die Städte zu den Menschen, aber der Mensch holt sie in den Urwäldern ab.

Auch ich trage dazu bei. Ich liebe es zu Reisen, war auf sechs von sieben Kontinenten. Ich war in 61 Ländern unterwegs, im Dschungel von Brasilien, im Outback von Australien, in fast allen asiatischen Ländern von Japan bis Malaysia und in noch so vielen mehr. Dann denke ich plötzlich: „Vielleicht sind wir gar nicht so wichtig? Kommt es nicht immer auf den Standpunkt an, von dem aus man eine Sache betrachtet?“ Wenn ich den Menschen mal nicht mit meinen Augen sehe, sondern aus Sicht eines kleinen, fiesen Virus. Dann sieht womöglich alles anders aus. Vielleicht ist Corona gar keine Krankheit?

Vielleicht ist der Mensch die Krankheit?

Bevor ich mit meiner heutigen Nachtschicht beginne, möchte ich gerne etwas zur aktuellen Situation sagen. Es ist Montag, der 20.12.2021 und wir sind seit Donnerstag wieder im Waterhole. Es war ja bereits Thema zwischen Jutta und mir wie die Reise weiter verlaufen könnte und es gab dabei auch ein Ergebnis. Wir fliegen nach Halifax, nach Nova Scotia in Kanada. Im Verlauf unserer Reise haben wir die Flüge gebucht und die Verschiffung für LEMMY. Am 5. Januar 22 wird der Camper nach Hamburg zum Hafen gebracht, um dann am 10. in See zu stechen. Wir fliegen am 13. Januar hinterher und werden dann in Halifax bis zum 24. auf LEMMY warten. Bis zu unserem Abflug haben wir allerdings noch reichlich zu tun und abzuarbeiten von der langen To do Liste. Aber dazu mehr, wenn es soweit ist. Jetzt ist es an mir Turkey – Chapter III fertig zu schreiben und das ist mein ehrgeiziges Ziel für heute Nacht. Ob es mir gelingen wird weiß ich nicht, denn die Zeit in diesem großen und beeindruckenden Land war ereignisreich.

Soviel erstmal dazu und nun viel Spaß mit der zweiten Session von Turkey – Chapter III, …..oder wie Frau rücklings eine Treppe runterstürzt und Mann merkt, fuck ist das hoch hier und gefährlich…

Irgendwann kriege ich mich immer wieder ein und irgendwann schlafe ich auch immer ein. Letzte Nacht am Lagerfeuer war es echt spät durch die vielen Gedanken, die mir durch den Kopf gingen. Umso abrupter endete die kurze Nacht, als mich plötzlich der Klingelton des Handys aus dem Reich der Träume in die Realität beförderte. Los aufstehen, es ist kurz vor Sonnenaufgang. Wir wollen doch die Ballons sehen. Also schnell rein in die Joggjeans und einen dicken Kapuzenpulli überstülpen. Noch in die dicken Socken und die Latschen schlüpfen und ohne Rücksicht auf irgendwelche modischen Vorgaben der Gesellschaft rauf auf die Mauer, um das Spektakel der aufsteigenden Ballons zu bestaunen.

Man kann sich gar nicht sattsehen…

Das was wir hier während der nächsten Stunde zu sehen bekommen, ist mal wieder so wunderschön und einzigartig, dass wir alles um uns herum vergessen. Schon durchs Fenster aus dem Bett heraus konnten wir die ersten, noch wenigen Ballons am Himmel sehen. Jetzt auf der Mauer, direkt vor unserem Auto, bewaffnet mit der Handycam sind es schon etwas mehr Ballons und jede Minute kommen welche hinzu. Wir überblicken eine riesige Fläche von einzigartigen Tuffsteingebilden mit einer großen Bergkette im Hintergrund und von den über die ganze Fläche verteilten bunten Heißluftballons. Besonders schön ist es, wenn sie gerade mit riesiger Gasflamme befeuert werden und der Ballon in die Höhe wächst, während er von innen hell erleuchtet wird. Wir können zum Teil sogar das Zischen der Gasflamme hören. Als sich dann die Sonne hinter dem Berg erhebt und den Himmel langsam aber unaufhaltsam in ein rötliches Licht tunkt und die mittlerweile am ganzen Himmel verteilten Luftschiffe anstrahlt, da wird die ganze Szenerie perfekt. Wir bemerken kaum wie schnell die Zeit vergeht und das inzwischen auch viele von unseren Nachbarn dieses Schauspiel beobachten.

Soooo schööön!

Dieser Morgen war besonders schön, hören wir von den anderen, die sich dieses Schauspiel schon öfter angeschaut haben. Nicht immer hat man so einen wolkenfreien Sonnenaufgang und nicht immer ist es so ruhig und windstill. Wir erfahren auch, dass es nie günstiger war so eine Ballonfahrt selber mitzumachen. 75 Euro kostet es derzeit nur. Als es losging mit diesem Hype, zahlten die Kunden 300 Euro und mehr pro Person. Langsam merken wir wie kalt es noch ist, so früh hier draußen und beschließen diesen großartigen Beginn des Tages mit einem heißen Kaffee zu krönen. Nach dem Frühstück wandern wir von unserem Camp aus durch die wilde Tuffsteinlandschaft.

Schönheit, wohin das Auge auch blickt!

Manche Felswände sehen aus wie Wellen, andere Hügel stehen für sich alleine und erinnern an Zwergenhüte oder an spitze Pilze. Es ist wie eine verwunschene Zauberlandschaft, in der nur die Elfen, Kobolde und Trolle noch fehlen, wie es Michael Bussmann und Gabriele Tröger in unserem Reiseführer treffend beschreiben. Wir wandern einen sandigen Pfad entlang immer weiter rein in diese wilden Felsformationen, wollen die Felshöhlen sehen, in denen noch bis in die 50er Jahre Menschen gelebt haben. Hier darf man auch Offroad fahren, biken und campen und hier sind auch die Startplätze der Ballons. Ob das alles so gut ist für die Umwelt, dass lasse ich mal unkommentiert, denn ich bin mal wieder ein Teil des Übels. Und dies ist ein Nationalpark. Möge jeder für sich die Grenze ziehen. Auf jeden Fall sehen wir die abgebrochenen Felsen und die Öffnungen in den noch erhaltenen Felsen. Es gibt enorme Höhenunterschiede während unserer Wanderung. Ich entdecke einen Bergkamm, da fällt es so ca. 60-70 Meter steil ab zu beiden Seiten. Gegenüber allerdings ist so eine abgebrochene Felsenbehausung, die ich unbedingt fotografieren will. Ich denke von dem Felsenkamm wäre eine gute Perspektive auf das Motiv.

Der Balanceakt hat sich gelohnt, oder?

Höhenangst ist mir fremd und bevor Jutta sieht, was ich da gerade anstelle und bevor sie protestieren kann, bin ich schon auf dem Weg. Nebenbei gesagt, ich habe ein gutes Körpergefühl und einen guten Gleichgewichtssinn. Im Waterhole im Garten zum Beispiel balanciere ich auf meiner Slackline. Aber was mir hier passiert ist, das war nicht lustig. Der Grat auf dem ich unterwegs war, fing sehr breit an, wurde aber natürlich immer schmaler je weiter ich ging. Am Ende war er noch etwas 20 oder 25 cm breit, aber nicht flach und gerade, sondern nach oben gewölbt. Jutta realisierte mittlerweile in welcher Gefahr ich mich befand und bat mich umzudrehen. (Vorher war sie selber damit beschäftigt, Fotos zu schießen.) Ich bemerkte es noch nicht. Aber als ich versuchte mit meinem Handy ein Foto zu machen und auf das Display schaute, da wurde mir komisch. Mir wurde schwindelig und ich konnte nicht mehr auf das Display schauen und auch nicht mehr runter in die Tiefe. Ich musste mich hinhocken auf allen Vieren, denn irgendetwas zog mich in den Abgrund. Das war ein völlig unbekanntes Gefühl für mich, unangenehm und furchteinflößend. Der Grat auf dem ich mich befand war abgerundet, sandig und maximal 25 cm breit. Was mache ich hier? Als ich los ging war es doch viel breiter. Bis heute weiß ich nicht, wie es soweit kommen konnte. Auf allen Vieren kroch ich zurück, bis es wieder breit genug war, um mich aufzurichten. Wenn ich runterschaute spürte ich den Sog, den Sog in die Tiefe. Jetzt kann ich mich ein bisschen besser in Menschen (z.B. auch Jutta) einfühlen, die unter Höhenangst leiden. In einigen folgenden Nächten erwachte ich zuckend aus einem Albtraum, in dem ich von diesem Grat in die Tiefe stürzte.

Hier kann man auch übernachten!

Stürzen wird Jutta, aber erst später. Wir wanderten unseren Rundkurs bis Göreme weiter und ich machte kein weiteres Brimborium um das was eben war. „Ist doch alles gut gegangen.“, dachte ich. Wir schossen weiter unzählige Bilder in dieser Feenlandschaft, die manchmal etwas an Arizona erinnert mit den rötlichen Felsformationen aus Wild West Filmen. Die Felsenbehausungen wurden immer mehr, in manche konnte ich sogar reinklettern und entdeckte so eigenartige Vertiefungen im Boden. Manche waren klein und andere etwas größer. Was ich da schon vermutete, hat sich später bewahrheitet. Dort wurden die Verstorbenen niedergelegt, denn es gab einen ziemlichen Totenkult seinerzeit. Je näher wir dem Ort kamen, desto mehr Quads kamen uns entgegen. In Göreme sahen wir es dann auch. An der Durchgangsstraße waren die ganzen Verleiher verschiedener Offroadfahrzeuge. Wir aßen noch zu Mittag und dann nahmen wir einen Kleinbus rauf zum Kaya Camp, denn der Weg zu Fuß die Bergstraße nach oben war uns zu beschwerlich.

Die Tage vergehen und „Layla on Tour“ verabschiedet sich kurz, um bei den Startplätzen der Ballons einen Übernachtungsplatz zu suchen. Sie wollten hautnah dabei sein, wenn sich die Ballons erneut erheben. Andere Offroader kommen und gehen. Nette Gespräche werden geführt, LEMMY wird unter die Lupe genommen, eine Nachtschicht wird eingelegt und dann kommt „Layla on Tour“ auch schon wieder.

Ja, er war drin!

Und auch jemand anderes kommt zum Kaya Camp. Angekündigt hat Jose es schon per Instagram. In ein paar Tagen kommen wir auch, hat er geschrieben. Güler verfolgt unsere Reise mit besonderem Interesse, denn in dem Nachbarort hier wurde sie geboren, in Ortahisar. „Den Ort müsst ihr euch anschauen!“, schwärmt sie. „Und auch Underground City und das Freilichtmuseum mit den ganzen Felsenkirchen.“ „Geht klar!“, bedanke ich mich für ihre vielen tollen Tipps. Am Abend bevor wir die Felsenkirchen sehen werden, gibt es ein fantastisches Candlelight – Dinner auf unserer Kaya Camp Terrasse. Mit Blick über diese sensationelle Landschaft, während wir bei Wein und Pasta einen wahnsinnigen Sonnenuntergang genießen.

Heute passiert es, das was niemals hätte sein sollen, das was man nicht will auf Reisen und sonst eigentlich auch nicht. Eine kleine Unachtsamkeit, einmal nicht aufgepasst. Es ist Wochenende und es scheint wieder ein herrlicher Tag zu werden. Von Schnee und Frost sind wir endlos weit entfernt. Wir sind mitten im Oktober und haben am Tag oft weit über 20 Grad. Nur nachts wird es kalt, wenn die Sonne verschwindet. Wir schauen uns das Open Air Museum an, die Felsenkirchen. Da es nicht weit ist, gehen wir zu Fuß nur etwas den Berg runter. Masken auf und anstellen in die Besucherschlange. Da wir den Museumspass haben (gilt für 72 Stunden und beinhaltet den Eintritt für 8 Sehenswürdigkeiten in Kappadokien u. a. auch für die Underground Citys und das Ihlary Tal. )

Ausgerüstet mit einem Audioguide geht es dann auch los und wir erfahren einiges über diese christlichen Felsenkirchen aus dem 4. Jhd. n. Chr. Wir sehen Skelette unter Glas liegen in den Bodenlöchern, wie ich sie schon in den Felshöhlen zuvor gesehen habe.

Wir hören, wer auf den verblassten, abgebröckelten oder mit Sprühdosen von irgendwelchen Vandalen verschandelten Fresken zu sehen ist und was der damalige Künstler mit seinem Werk sagen wollte oder an die Wand brachte. Es gibt hier in den Felsen sehr viele Kirchen und sie sind alle mit prachtvollen und mehr oder weniger gut erhaltene Wandmalereien auf feuchtem Putz geschmückt. Nach einer Weile wollen wir noch die „DARK CHURCH“ sehen, denn die Anderen sind sich ziemlich ähnlich. Beeindruckend sind sie alle, doch müssen wir nicht jedes Fresko an jeder Wand erklärt haben von der netten Stimme des Audioguides. Und dann passiert es schließlich. Wir müssen eine Treppe hoch steigen, wie auch davor schon, doch die DARK CHURCH kostet extra Eintritt. Unglücklicherweise bin ich vorausgegangen und drehte mich um und fragte: „Kommst du?“ Denn Jutta hatte wie immer das Bargeld in der Tasche. In dem gleichen Moment passierte es. Für mich geschah es in Zeitlupe, wie in einem Film. Ich sah es ganz genau aus dem Augenwinkel im Bruchteil einer Sekunde. Sie kam schnell hinter mir her die Treppe hoch, doch man musste sich wieder bücken, da die Durchgänge oft nur 1,60 m hoch sind. Sie bückte sich nicht, war mit Schwung unterwegs und stieß fest mit dem Kopf an am steinernen Türrahmen und fiel nun in Zeitlupe die Treppe rücklings runter. Die beiden Arme ruderten nach hinten und es ging abwärts.

Ich sah schon einen Krankenwagen kommen, sah Knochen splittern und einen langen Krankenhausaufenthalt. Ich sah eine blutüberströmte, bewusstlose Jutta am Fuße der Treppe liegen und eilte während dieser Film in meinem Kopf in Zeitlupe ablief, auf sie zu, die Treppe herunter. Ich sah auch einen Offiziellen, die sind überall und passen auf, dass die Leute in den Kirchen nicht filmen oder fotografieren. Das sollten sie zumindest. Er beobachtete, tat aber nichts. Ein anderer Tourist, ein Amerikaner war eine Sekunde vor mir bei Jutta und als ich nach einer gefühlten Ewigkeit ankam, hörte ich mich selber sagen, während wir beide sie stützten, einer links, der andere rechts: „Setz dich erstmal auf die Treppe!“ Sie war ansprechbar und auch nicht blutüberströmt, was mich kurz erleichterte. Dann musterte ich sie und versuchte den Ernst der Lage abzuchecken. Sie machte einen gefassten Eindruck, hatte Schmerzen, aber es schien nichts gebrochen zu sein. Der hilfsbereite Amerikaner ließ uns allein und ich bedankte mich für sein schnelles Eingreifen. Jutta konnte nach einer Weile aufstehen und alles schien zu funktionieren. Es waren wie durch ein Wunder nur Schürfwunden und Prellungen. Keine Knochenbrüche und keine Gehirnerschütterung. (Das der Durchgang mit Schaumstoff abgepolstert war und alles Gott sei Dank etwas abgemildert hat, habe ich erst später gesehen.) Die Dark Church sahen wir uns noch an, danach gingen wir. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich sie wohl mit meiner unbedachten Frage „Kommst du?“ unbeabsichtigt zur Eile genötigt hatte und fühlte mich damit verantwortlich für dieses Unglück. Zum Glück ging es überaus glimpflich aus. Dafür bin ich unendlich dankbar.

Dann verabschiedeten wir uns vom „Orange Land Rover“- Team, von „Gecko on Tour“ und von „Layla on Tour“. Wir wollen in die Ihlara Schlucht und in die Underground City Deringyuku. Wenn wir zurückkommen werden wir alle wiedersehen und zu unserer großen Freude wird dann auch Jose mit seiner Frau und seinem Sohn Luca dort sein. Das Dandovueltas Team, das wir hier im Kaya Camp zum vierten Mal auf unserer Reise treffen werden.

Wir entscheiden uns die größte Underground City Derinyukyu anzuschauen. Sie geht acht Ebenen unter die Erde und bis heute ist nicht geklärt, wie sie es damals gemacht haben mit dem Verrichten der Notdurft und deren Beseitigung. Ich hätte da ein paar Ideen, aber die behalte ich für mich. Wir gehen tiefer und tiefer und es ist eng und feucht. In jeder Ebene weiter nach unten wird es kühler. Wir treffen eine kleine alleinreisende Japanerin. Sie erzählt uns von ihrer Erfahrung in einer anderen Underground City. Die war nicht so groß wie Derinyukyu, aber viel unübersichtlicher. Dort hatte sie sich verlaufen und wusste nicht mehr wie sie rauskommen soll.

Hier ist glücklicherweise nicht viel los und mir drängt sich der Vergleich auf mit den Höhlen der Morlocks aus H. G. Wells Romanverfimung „Die Zeitmaschine“. Da die kleine Japanerin trotz des letzten Erlebnises wieder in einer Underground City ist, denke ich mir, dass sie möglicherweise auch eine Sensation Seekerin ist. Und der Gedanke gefällt mir sehr. Nach dem kurzen, aber sehr netten Gespräch geht jeder seiner Wege. Auf dem Weg nach oben denke ich immer mehr an die Morlocks aus H. G. Wells „Timemachine“ und drehe einen kleinen, bekloppten Handy-Film, in dem wir auf der Flucht sind vor den menschenfressenden Morlocks.

Hilfe, die Morlocks kommen!

Gegen Nachmittag kommen wir im Ihlara Valley an. Durch ein kleines Bergdorf geht es durch enge Gassen abwärts in die Schlucht. Dort können und wollen wir über Nacht stehen. Doch vorher wollen wir wandern, entlang des Flusses. Links und rechts hohe Felswände und immer wieder sehen wir auch hier Reste von Felswohnungen und Felsenkirchen. Die Bäume und die Pflanzen werden langsam herbstlicher und verlieren Laub, verändern die Farbe. Wir entdecken Pistazienbäume, sehen einen Adler oben auf einer Bergkuppe. Die Serpent Church ist das Ziel, welches ich heute erreichen will. Vorher kommen wir an einem Teehaus vorbei, in dem man auch etwas zu essen bekommen kann oder auch Kaffee oder Bier. Auf dem Rückweg werden wir hier einkehren, das ist klar. Dann haben wir uns eine kleine Pause und Stärkung verdient. Ich weiß auch schon, was ich dann haben will.

Weiter geht die Wanderung zwischen den flankierenden hohen Felswänden hindurch, immer am Fluss entlang. Mal über eine Brücke auf die eine Seite, dann über eine weitere Brücke zurück auf die andere Seite. Dann ein Hinweisschild zur Serpent Church. Nicht mehr weit, dann erreichen wir den Aufstieg zum Ziel. Jutta wartet unten, weil ihr vom Sturz noch alles wehtut. Ich mache mich auf den Weg die Stufen aufwärts zu erklimmen, wie schon bei der letzten Kirche. Alle Kirchen werden wir uns nicht anschauen, das ist klar. Aber diese Eine will ich noch sehen, warum kann ich gar nicht genau sagen. Ich nehme an, weil ich den Namen der Kirche cool finde. Serpent Church. Ich weiß ehrlich gesagt nicht einmal warum sie Serpent Church heißt. Aber ich glaube zu wissen, das Serpent aus dem Lateinischen kommt und Schlange heißt. Als ich oben in der Kirche ankomme erschließt sich mir der Name zwar auch nicht, aber cool ist sie allemal. Ich bin ganz alleine und kann tolle Bilder machen. Was ich sehe fällt mir manchmal schwer zu erklären, bzw. besser in Worte zu fassen. Vielleicht können da Fotos helfen, by the way, Jutta stellt die Bilder ein in diesem Blog. Die Meisten nehme ich auf, aber da ich mit dem Schreiben ausgelastet bin, hat Jutta diese Aufgabe übernommen. Hier in der Serpent Church fühle ich mich gerade wie in einem Raumschiff, inmitten von Sternen in einer fremden Galaxie.

Serpent Church oder Raumkapsel in eine andere Galaxie

Das Gefühl hatte ich schon einmal. In der großen Freiheit 36 in Hamburg auf einem ARCHIVE Konzert. Dort war aber die Musik laut und ich hatte reichlich Bier getrunken. Doch hier war es still und ich war komplett nüchtern und trotzdem hatte ich das Gefühl auf einem anderen Stern zu sein. Mysterious Turkey. Ich verlasse diesen stillen Ort und kehre zurück zu Jutta. Sie fragt wie es war und ich sage ihr es war toll.

Auf dem Rückweg kehren wir ein in der Teeoase und nehmen Platz auf einem Steg über dem Wasser.

Ein schöner Platz zum Verschnaufen

Wir bestellen zwei Chay und für mich dazu ein großes, eiskaltes Bier. Nach dieser Stärkung geht es zurück, vorbei an skurrilen Skulpturen, die wir zum Teil schon auf dem Hinweg ausgemacht haben und zum Teil neu entdecken. Ausklingen lassen wir den Abend bei einem tollen Essen auf dem Fluss. Wir sitzen auf Kissen und Teppichen an einem niedrigen Tisch, mitten auf dem Wasser auf einem Holzsteg, bei Mondschein und Kerzenlicht und einem verdammt leckerem Tuborg Gold.

Siehst du auch was ich sehe? Als wir zurück kommen zum Kaya Camp sehen wir einen uns sehr vertrauten Sprinter. Dandovueltas ist angekommen. Wir freuen uns alle sehr über dieses Wiedersehen, besonders weil es bereits zum vierten Mal passiert. Das erste Mal war auf einer kleinen Schleppfähre in Albanien. Das zweite Mal dann in Griechenland bei den Meteoraklöstern, wo ich nicht geschnallt habe was überhaupt los war. Dann sahen wir uns auf einem Parkplatz in Istanbul zum dritten Mal. Jetzt freuen wir uns über diese vierte Begegnung und spekulieren schon über die Nächste, womöglich in Georgien….

Auch alle Anderen, die wir bereits zuvor auf dem Kaya Camp kennengelernt haben, sind noch da oder wieder da. Und als wir das Wiedersehen ausgiebig gefeiert haben gab es am nächsten Morgen nur ein Thema. „Habt ihr schon gehört?“, hieß es als wir nach dem Frühstück den Camper verlassen hatten. „Der Iran hat aufgemacht!“

Einige wollen in den Iran reisen, so auch Yvonne und Rene und Stefan und Renata. Das Carnet de passage hatten nicht alle, ein Visum auch noch nicht. Aber von hier aus ließ sich alles gut regeln und hier kann man es auch super eine ganze Weile aushalten bis alle Formalitäten erledigt sind. Wir werden später sehen, wer es in den Iran schafft, wer seine Pläne ändert, wer evtl. auch scheitert und kein Visum bekommt…

Irgendwann kriege ich mich immer wieder ein und irgendwann geht es auch immer wieder weiter. Etwas traurig wegen des Abschieds vom Orange Land Rover, von Dandovueltas und den Anderen müssen wir uns verabschieden. Uns zieht es weiter. Wir sind schon viel zu lange hier für unsere Verhältnisse, stehen wir doch selten länger als drei Tage an einem Ort. Wir wollen weiter nach Mardin an die syrische Grenze, wollen den Euphrat sehen und die Fahrradtour machen, die mir Stefan und Renata ans Herz gelegt haben. Und dann soll es ja auch noch nach Georgien gehen, bevor der große Wetterumschwung kommt, bevor der tiefe Winter uns einholt. Zuvor sind wir noch etwas Offroad gefahren, haben ein weiteres Open Air Museum besucht mit den sogenannten Fairy Chimneys, den Feenkaminen und dann sagten wir tschüss.

Die nötigsten Vorräte kauften wir in einem kleinen Supermarkt in Orthahisar. Das Bier und den Wein im Tekel. Die wollten uns dort wohl etwas über den Tisch ziehen. Wir hatten schon alles eingepackt. Das Bier aus dem Kühlschrank war schon in meiner Tasche, die große 1,5 Liter Weinflasche schon im Rucksack. Dann fragte ich nach dem Preis. Ich bekam auch prompt eine Antwort, aber das kam uns komisch vor. Wir rechneten tatsächlich nach. Dann fragten wir nochmal nach dem Preis. Jetzt war der Preis etwas niedriger, das kam uns noch merkwürdiger vor. Der Verkäufer tat so, als würde er uns ein ganz besonderes Angebot machen. Tatsächlich verlangte er einen absurd hohen Preis, der nicht ganz das Doppelte von dem war, den man im Supermarkt bezahlt. Wir packten alles wieder aus, bedankten uns und gingen.

Jetzt, im nachhinein verstehe ich was die mögliche Motivation war. Die Inflation im Land nahm immer mehr zu. Als wir in die Türkei eingereist sind bekamen wir für einen Euro etwa 10 türkische Lira. Als wir in Ortahisar eingekauft haben waren es bereits etwa 14 türkische Lira. Jetzt, wo ich zu Hause am Schreibtisch sitze, sind es bereits 18 türkische Lira, die ich für einen Euro bekomme. Das ist toll für mich als Reisender, aber das ist nicht toll für die Türken, die sich kein Brot mehr kaufen können, weil es zu teuer geworden ist.

Ohne diese Erkenntnis, die ich jetzt habe und ohne zu wissen, ob es diese oder eine andere Motivation war, die diesen Ladenbetreiber getrieben hat, kauften wir unseren Alkohol in einem anderen Laden zu einem Preis, der uns gut erschien. Dann fuhren wir. Wir fuhren und ich hatte wieder richtig Spaß hinter dem Lenkrad zu sitzen und voran zu kommen. Es war wirklich traumhaft in Kappadokien, in Göreme mit all den anderen Offroadern, aber es ist auch einfach geil weiterzureisen. Weiterzufahren ins Ungewisse, in neue Abenteuer. Es hat auch etwas Klick gemacht in meinem Kopf. Ich habe umgeschaltet in einen anderen Modus. Der Urlaub ist vorbei und die REISE hat begonnen.

Das was wir ab jetzt machen ist nicht nur Urlaub, das ist mehr, viel mehr. Urlaub geht ein paar Wochen. Ein Urlaub geht vielleicht drei, vier oder evtl. auch sechs Wochen. Bei uns waren es immer sechs Wochen im Sommer. Jutta als Lehrerin hat Schulferien, ich als Requisiteur habe die Spielzeitpause. Wir haben jetzt weit mehr als sechs Wochen, wir haben 13 Monate. Langsam findet ein Umdenken statt. Immer schon fanden alle es toll, dass wir so lange Sommerferien hatten. Aber die Meisten wissen nicht wie viel eine Lehrerin zu Hause am Schreibtisch arbeitet und was sie auch in den Ferien alles zu tun hat. Das auch in der schulfreien Zeit gearbeitet wird, das wissen nicht alle. Das ein Requisiteur an Weihnachten arbeitet, an Ostern und Silvester, samstags und sonntags usw. das wissen auch nicht alle. Darum müssen wir kein schlechtes Gewissen haben, wenn wir sechs Woche Pause haben im Sommer. Aber damit hat das jetzt auch nichts mehr zu tun. Wir reisen jetzt, haben keinen Urlaub mehr. Das was andere unter Urlaub verstehen wird für uns zum Alltag und das ist großartig. Ich will das nicht mehr missen, aber es ist auch eine Herausforderung. Jutta hatte bereits ihren Tiefpunkt gehabt und meiner wird noch kommen. Was will ich eigentlich damit sagen? Das frage ich mich auch gerade selbst. Urlaub ist nicht gleich reisen. Urlaub ist (für mich) Erholung und Abschalten vom Alltag. Reisen ist mehr als Urlaub. Reisen ist bewusstseinserweiternd. Urlaub kann das auch sein, das habe ich mittlerweile gelernt. Urlaub lehrt uns über den Tellerrand zu schauen. Urlaub erweitert auch das Bewusstsein, aber beim REISEN ist all das intensiver, wirkt nachhaltiger. Besonders wenn man lange Zeit auf engem Raum im Camper lebt. Ich spüre wie ich mich verändere, wie ich wahrnehme und wie sich Prioritäten verschieben.

Und jetzt merke ich wie ich abschweife, wie ich den Faden verliere. Ich versuche ihn wiederzufinden.

Ilhara Valley (zum Auflockern, beim „Faden verlieren“ 😉

Wir fahren und ich habe Spaß daran weiter vorwärts zu kommen und wir haben ein Ziel vor Augen, den Euphrat und die Schlucht mit dem Steinweg (Tas Yolu) durch den kein größeres Auto passt. Aber das Ziel werden wir heute nicht mehr erreichen. Divrigi Kesdogan Kalesi allerdings wird uns ein perfekter Ort sein für eine Zwischenübernachtung.

Im Grunde war es mehr oder weniger eine Notlösung an diesem Ort nach einem Nachtlager zu suchen, denn wie üblich kommen wir spät los. Die Verabschiedung von den uns liebgewonnenen Schweizern dauert ne Weile, dann noch von Jose, Celin und Luca. Das braucht halt seine Zeit. Kein Wunder also, dass wir spät und nach langer Fahrt ankommen an diesem tollen Übernachtungsplatz. Da es noch hell ist, möchte ich gerne noch zur Sehenswürdigkeit des Ortes hoch fahren. Auf einem Berg liegt eine alte Festung, baufällig zwar, aber nicht gesperrt. Die Aussicht von hier oben ist einfach überwältigend. Wir sind gerade zur perfekten Zeit vor Ort, kurz vor dem Sonnenuntergang. Und der Berg bietet eine perfekte Aussicht über den Ort, wo sich die blutrote Sonne gerade verabschiedet. LEMMY posiert steil am Hang vor der untergehenden Sonne. Da wir hier oben aber kein gutes Gefühl für die Nacht haben, fahren wir wieder runter in den Ort und stehen sicher auf einem Parkplatz bei einem Restaurant.

Heute wollen wir den Euphrat erreichen und unsere Bikes endlich mal wieder vom Träger holen und in die Pedalen treten. Das wird uns auch alles gelingen aber dabei schrotte ich unseren kleinen Tritt und Jutta wird wegen ihrer Höhenangst und den stockdusteren Tunneln mal wieder über ihre Grenzen hinausgehen. Und ich habe auch mal wieder mehr Glück als Verstand. Aber eins nach dem Anderen.

Renata und Stefan haben mir schon auf dem Kaya Camp Instruktionen gegeben für diese (für Jutta Tor-) Tour. Nehmt Lampen mit, in den Tunneln ist es stockduster. Ihr braucht Flickzeug und eine Luftpumpe. Die Strecke ist ca. 8 km lang und dann wieder zurück natürlich. Das geht nur mit Fahrzeugen von 2,20 m Höhe und maximal 1,70 m Breite. Ihr müsst durch viele dunkle Tunnel fahren. Nur hin und wieder gibt es künstlich angelegte Lichtdurchbrüche. Das LEMMY dafür zu hoch und zu breit ist war sofort klar und ich hatte Bock auf dieses kleine Bike Adventure.

Nach ein paar Stunden Fahrt durch eine abwechslungsreiche anatolische Berglandschaft erreichen wir nach einigen Tunneln, die gerade noch breit und hoch genug sind für LEMMY den Euphrat. Wir parken wieder mal an einem Restaurant, diesmal allerdings ohne Ortschaft. Der Euphrat leuchtet türkis in der Nachmittagssonne und wir fragen im Restaurant, ob wir über Nacht hier stehen dürfen. „Ja klar!“ ist die Antwort. Wir bestellen uns eine Erfrischung und dann haben wir noch Zeit für unsere kleine Radtour. Ich schnalle die Bikes vom Fahrradträger ab und Jutta packt ein paar Snacks für die Tour ein. Dann geht es auch schon los. Wasser in die Getränkehalterung, Lampen angebracht und schon sitzen wir im Sattel.

Jutta hat sogar ihre Stirnlampe dabei, was sich als Glücksfall rausstellt, denn der Akku ihrer Fahrradbeleuchtung ist leer. Mein Licht leuchtet auf Reserve, aber noch hell genug, finde ich. Bei diesem Ausflug ist die Wahrnehmung bei uns beiden total unterschiedlich. Ich habe riesig Spaß und genieße es mich auszupowern beim Fahren und gebe ordentlich Gas und Jutta findet es nur mäßig spaßig, trotz der grandiosen Umgebung. Es geht abwechselnd rauf und dann wieder runter, immer entlang des türkisfarbenen Euphrat inmitten von zwei steilen Felswänden in der Schlucht.

Das war noch ein richtig heller Abschnitt!

In den Tunneln ist es echt duster, ich fahre meistens blind und da ich ja am Ende des Tunnels den Lichtkegel sehe, stört mich das auch nicht weiter. Was ich nicht sehe sind die nächsten zwanzig Meter vor mir. Prompt kriege ich Schimpfe. Ich sei viel zu schnell unterwegs. So macht das keinen Spaß, ich könnte stürzen usw. Also fahre ich langsamer und wir bleiben mehr zusammen. Jutta verliert so richtig die Lust, bemerke ich und um sie nicht zu verlieren auf dieser Tour, bemühe ich mich sehr und versuche langsamer zu fahren und in ihrer Nähe zu bleiben. Im Kegel von Juttas heller Stirnlampe bemerke ich jetzt die dicken Steine, die fest im Boden stecken. Wäre ich auf so einen Felsen gefahren im Dunklen, als ich noch voller Enthusiasmus Gas gegeben habe, dann hätte ich mich dreimal überschlagen und mein Bike und mich selber zerlegt. Mit mehr Glück als Verstand endet auch dieses kleine Abenteuer mit heilen Bikes und unversehrten Bikern. Nur beim Aufschnallen der Räder auf den Träger bricht mir mein kleiner Hocker weg. Aber da ich geschickt bin wie eine Gazelle, springe ich vom Hocker runter, bevor ich stürze und behelfe mir mit der Luftpumpe als Armverlängerung beim Überziehen der Plane über die Bikes. Am nächsten Morgen geht es dann nach dem zweiten Kaffee draußen am Fluss schon wieder weiter.

Wir wollen nach Mardin an der syrischen Grenze. Dort will ich die Altstadt sehen, wie TausendundeineNacht soll es dort sein. Und so ist es dort auch, aber der Weg dorthin ist alles andere als märchenhaft. Wir sehen, nachdem wir die Euphratschlucht verlassen, noch wunderschöne Berglandschaften, großartige Bergdörfer, Seen und Flüsse. Aber auch trostlose Ecken und weite Einöden, vermüllte Landstriche und immer mehr Soldaten und so nach und nach immer mehr Kontroll- und Stützpunkte. Langsam wird uns unheimlich und die Militärpräsenz nimmt immer weiter zu. Auf jeder Bergkuppe ist ein Kontrollposten, an jeder Durchgangsstraße stehen Soldaten mit Maschinengewehren. Überall riesige Betonblöcke, die im Bedarfsfall ganze Zufahrtsstraßen abriegeln konnten.

Irgendwie werden wir nach Dyerbakir gelotst von unserem Navi und das fand ich auch ganz spannend. Doch als es an einer Kreuzung nicht weiter ging und überall Panzer standen und Soldaten mit Tarnkleidung, Schutzwesten, Helm und Kalaschnikows, da wurde mir das auch etwas suspekt. Wir wurden dann umgeleitet, wie auch alle anderen, die unsere Richtung fuhren. Es ging mitten durch die engen Gassen von Dyerbakir, was wiederum sehr spannend und interessant war, aber der Grund dafür blieb ein Rätsel. Klar war uns schon, dass im Grenzgebiet zu Syrien, dem Irak und dem Iran die Lage etwas angespannter ist. Doch dieses Aufgebot an Militärpräsenz in der Stadt fand ich eigenartig. Irgendwann waren wir dann im Schritttempo durch und kamen relativ spät und im Halbdunkeln in Mardin an. Jutta hatte mich trotz allen widrigen Umständen wieder perfekt an meine finale Parkposition gelotst, obwohl sie schon echt abgenervt war. Besonders weil der eigentliche Zwischenübernachtungsplatz uns so gar nicht gefiel, so dass wir uns schnell einig waren, weiterzufahren bis Mardin.

Blick auf Mardins Altstadt

Da es schon spät war, wollten wir nur noch pennen, doch Einchecken muss nun mal sein. Also rauf auf die Parkposition und gucken ob wir noch jemanden finden. Yes, da kommt einer. Fünf Euro will der morgen haben, oder? Das haben wir beide genau so verstanden. Jetzt gehen wir pennen. Ich verzichte sogar auf mein „Arrival Beer“, denn wir sind echt platt von der Anfahrt, von den Eindrücken und der militärischen Präsenz. Wir sind glücklich unser Ziel erreicht zu haben, das eigentlich für morgen und nicht für heute anvisiert war.

Nach einer langen und erholsamen Nacht starten wir in einen großartigen Tag, der uns eine Tagestemperatur von 29 Grad bescheren wird, der uns in eine Stadt von TausendundeinerNacht (ver-) führt, die uns staunend zurück lässt und die mich an einen Ort bringt, der mich lehrt was Kälte ist. Aber das betrifft erst das nächste Chapter. Jetzt sind wir erstmal in Mardin. Und hiermit beende ich meine erste Nachtschicht im Waterhole. Cheers!

TURKEY – CHAPTER IV

….und wie wir in Dogubayazit in einen bürokratischen Teufelskreis geraten und schließlich doch noch mit einem Umweg über den Mond Georgien erreichen…

Chapter 8 – Türkei

…und wie mich ein selbsternannter Watchman versucht um 100 $ zu erleichtern….

Es fällt mir schwer, aber es war auch klar: Der Tag, an dem wir Istanbul verlassen und weiterreisen werden, wird kommen. Und nun ist es tatsächlich soweit. Nach einer Woche, die viel zu schnell vorüberging, in dieser Stadt mit den vielen Gesichtern und Facetten, brechen wir wieder auf. Ich allerdings mit der Gewissheit, auf dem Rückweg parken wir wieder genau hier, unter dem Schiffsradar, in der Einfahrt zum Bosporus. Doch bevor wir fahren, verabschieden wir uns von Jose, Celina und Luca, die noch etwas bleiben wollen. Vielleicht treffen wir uns ja in Kappadokien wieder oder irgendwo anders auf der Welt und halten es für gar nicht mal so unmöglich.

Ich bin etwas aufgeregt an diesem Morgen, denn gleich fahren wir quer durch Istanbul. Zuerst über die Galatabrücke, von der Altstadt in die modernen Viertel Karaköy und Beyoglu und dann über die Erste von 3 Bosporusbrücken von Europa nach Asien. Die Galatabrücke kann man hier nicht mitzählen, da sie nur zwei Stadtteile auf der europäischen Seite verbindet. „Hast du geschaut wo es lang geht?“, frage ich Jutta. „Ja klar, da hast du noch geschlafen!“ Und dann geht es auch schon los. Ein lang gehegter Traum geht in Erfüllung. Wir fahren quer durch eine der beeindruckendsten Metropolen der Welt und wechseln dabei gleich von einem Erdteil in einen anderen Erdteil! Fahren von Europa nach Asien! Über Land! Check.

Nach vielen Stunden Fahrt kommen wir unserem Ziel näher. Lange haben wir diskutiert welche Richtung wir einschlagen sollen. Auch sogar noch am Morgen der Abreise aus der famosen Bosporus Metropole, mit dem Dandovueltas Team. Wir waren unentschlossen bis zuletzt, bis wir uns dann schließlich einig wurden. Jose brachte als Argument, dass es in Cappadocia um diese Zeit, also bald Oktober, schon sehr kalt sein würde. Das waren auch Juttas Bedenken. Da gibt es womöglich schon Nachtfrost und vielleicht schon Schnee. Ja sicher, vielleicht ja vielleicht nein. Wenn wir aber jetzt runter nach Ephesus fahren, an die Küste weiter im Süden, dann haben wir sehr wahrscheinlich noch richtig geiles Strandwetter, auch noch im Oktober. In Cappadocia könnte es jetzt bereits arschkalt sein. Dann haben wir vorher wenigstens die Zeit mit dem tollen Wetter und mit Beachlife verlängert. So war dann auch der Plan: Erst Ephesus und Cappadocia später. Der Winter wird uns so oder so einholen, früher oder später. Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, der Winter würde uns viel, viel später einholen.

Selbstverständlich hatte Jutta ihre Hausaufgaben gemacht und lotste mich zielsicher, nach über 6 Stunden Fahrt, zum Dereli Beach Motel & Camp. Auf den ersten Blick dachten wir, ganz ok. Unter hohen Eukalyptusbäumen standen wir fast ganz alleine auf einer riesigen Fläche.

Mit Bier und Sonnenuntergang wird aus „Ganz Ok!“ schnell „Richtig geil!“

Die Toiletten und Duschen waren sehr alt, aber nicht dreckig. Der Strand war vor der Tür, also vor dem Camper, vor LEMMY. Auch das Restaurant war noch geöffnet für die wenigen Besucher. „Na zwei drei Tage bleiben wir schon, oder?“ Es wurden 5 oder 6 Tage, ich weiß es nicht mehr genau. Denn dieser Ort entwickelte seinen Zauber erst auf den zweiten Blick. Am Abend gingen wir noch essen, im offenen Restaurant des Dereli Motel & Camp. Wir wurden an die Theke im Nebenraum gebeten, um unter den gebotenen Köstlichkeiten auszuwählen, was denn zubereitet werden soll. Wir wählten Köfte, gegrilltes Hühnchen, grüne Bohnen, Fava, dicke Bohnen, Zucchini, überbackene Champignons, gegrillten Käse und das Wichtigste, zwei große Tuborg Gold, serviert im gefrostetem Glas. In dieser Woche kochten wir nicht mehr selber. Den Sonnenuntergang sahen wir an diesem Abend nur nebenbei, während des ausgezeichneten und preiswerten Essens.

Soooo lecker!

Allerdings an den nächsten Tagen sahen wir mal wieder Sonnenuntergänge, für die Hochzeitspaare weite Fahrten auf sich nahmen, um sich an diesem Strand ablichten zu lassen. Eigentlich wollten wir uns die historische Stadt Ephesus, dieses Weltkulturerbe am nächsten Tag ansehen. Doch wir sagten uns, pfeif drauf, machen wir morgen. Stattdessen putzten wir LEMMY (innen Jutta, außen ich) Die Schubladen wurden ausgeräumt, die Staufächer leer gemacht, die Betten und Matratzen gelüftet. Alles wurde gründlich gereinigt und ausgewischt, danach wieder vernünftig eingeräumt, neu sortiert und geordnet.

Grundreinigung 1
Nur Aufhängen muss ich selber!

Die Wäsche machte eine alte, liebenswürdige türkische Mama für uns, die uns richtig in Herz geschlossen hat und jeden Tag für einen kleinen Schnack vorbeikam. Nach all der Arbeit wurde noch die Hängematte zwischen zwei Bäume gespannt und wir relaxten bei Kaffee und Kuchen. Tags drauf, als wir eigentlich Ephesus nachholen wollten, hatten wir beide wieder keine Lust. „Machen wir morgen!“, sagten wir uns. Stattdessen gingen wir an den Strand zum Schwimmen, machten Mittagsschlaf, lasen und rätselten Sudoku. Nachmittags gabs den obligatorischen Kaffee, den ich draußen, mit dem neuen, in Griechenland erworbenen Gaskartuschenkocher zubereitete.

Am dritten Tag endlich holte ich die Bikes hinten vom Camper runter und wir radelten die 7 oder 8 km nach Ephesus. Wir hatten immer noch so ca. 28 Grad und waren glücklich Cappadokia erstmal aufgeschoben zu haben. Was soll ich sagen über Ephesus? Es ist so beeindruckend, wie es auch schon Delphi in Griechenland war.

Vitaminschub – dringend nötig!

Hier haben wir uns jeweils einen Audioguide geliehen, um zu den einzelnen Stationen auf Knopfdruck die passende Information von einer angenehmen Frauenstimme vorgetragen zu bekommen.

Endlich mal wieder im Theater!

Auch hier gibt es ein altes Theater, in dem damals 25 000 Zuschauer Platz fanden. Ich sitze in den Ruinen dieses Theaters, während ich das und noch viel mehr erfahre. Danach geht es zur Bibliothek, wo noch ein großer Teil der Front wiederaufgebaut werden konnte, mit den gefundenen, ausgegrabenen Stücken.

Wir sehen eine öffentliche Toilette in einem Hamam, wo die Menschen damals ihr Geschäft verrichteten und sich unterhielten. Einer neben dem Anderen, nicht durch Wände getrennt, sondern direkt nebeneinander. Fünf oder sechs Leute saßen dicht an dicht pro Reihe im Quadrat und furzten und kackten in die Latrine, während die neuesten Nachrichten ausgetauscht wurden.

Da darf man keine Angst vor Nähe haben…..

So gehen die Stunden schnell und kurzweilig dahin und nach vielen tollen Fotos und wieder aufgefrischtem Wissen stärken wir uns mit zwei mittelprächtigen Portionen Gözleme (eine mit Käse, die andere mit Hackfleisch) und mit einem perfekten, frisch gepresstem Granatapfel – Orangensaft Mix für den Heimweg. Vorher besichtigen wir noch die „Grotto of the seven sleepers“, doch die darf man auch auslassen.

Jürgen will am Strand zurückfahren

Die nächsten Tage gingen so dahin, wir genossen das Beachlife, spazierten den Strand auf und ab, schauten den Hochzeitsfotografen zu, gingen gelegentlich schwimmen, genossen das Essen im Restaurant. Zu den hervorragenden Sonnenuntergängen versuchten auch wir uns an Fotos, wie zum Beispiel die Sonne in der Metalhand auf den Fingern schweben zu lassen, scheiterten aber jämmerlich dabei.

Man darf einfach nur nicht wissen, dass die Sonne zwischen die Finger sollte!

Immer wieder mal, wenn wir etwas zur Ruhe kommen und längere Zeit an einem Platz verweilen, kommt ein bestimmtes Thema auf. Ein Thema, das mir so gar nicht behagt und zwar das der Rückkehr. Jutta möchte Weihnachten zu Hause mit ihren Eltern verbringen. Mit der Schwester und ihrem Mann, ihr kennt sie bereits, Sonja und Lars. Noch ist nicht klar, was und wie es ablaufen wird. Es gibt verschieden Gedankenmodelle. Wir fahren nach Hause…..und jetzt wo ich es schreibe „nach Hause„, da wird es mir so richtig zuwider. Oder aber sie fliegt nach Hause und ich fahre weiter oder warte irgendwo auf sie, bis sie zu mir zurückfliegt. Aber wo warte ich? In der Türkei, in Georgien, Israel oder Zypern. Meine Gedankenexperimente gingen noch bedeutend weiter, aber dafür kassierte ich jedes Mal sofort ein Veto. Wie entwickeln sich die Coronazahlen? Europaweit und auch deutschlandweit steigen sie gerade wieder stark an. Kann Jutta nach 2-3 Wochen so ohne Probleme zurück fliegen zu mir, wo auch immer ich dann bin? Und das Wort ZUHAUSE mag ich im Moment so gar nicht mehr, denn mein Zuhause ist die Welt, ist LEMMY. Zuhause ist dort, wo ich gerade bin. Jetzt in diesem Augenblick, in meinem Camper bin ich zuhause. Ich will nicht in das ZUHAUSE, wo ich meinen Erstwohnsitz habe. Ich will meine Reise nicht unterbrechen. Das ist ein echtes Problem für mich, für Jutta aber ist es enorm wichtig. Was also ist zu tun? Ich habe zwei Ideen, die erste und wichtigste Idee ist erst einmal, dass wir das ZUHAUSE, was den Erstwohnsitz betrifft, umbenennen in WATERHOLE.

„The Waterhole“ ist eine Bar in Amsterdam und ich mochte dieses Etablissement auf Anhieb, als ich dort das erste Mal war. Dort bediente der Barkeeper den Monitor per Touchscreen. Er kassierte darüber die Rechnung der Gäste und spielte darüber auch die Musik, wenn die Band Pause machte. Unter der Decke des Ladens klebten Plattencover und Whiskykartons. Das alles hat mich nachhaltig beeindruckt.

Das Wasserloch ist im Grunde ein Synonym für einen Ort der alles hat. Dort gibt es zunächst mal Getränke in jeder erdenklichen Art und ich meine in JEDER. Dann gibt es dort Vorräte, warme Kleidung, eine geschützte Umgebung, ein warmes Nachtlager. Dort gibt es Musik, Feuer und Licht. Also alles was man braucht.

Die zweite Idee, die ich habe ist die: Wir fliegen vom Waterhole aus, dann auch nach Amerika. Jutta schlägt ein. Das mit Amerika war ja eh schon mal der Plan und dafür fahre ich dann meinetwegen auch sogar ins WATERHOLE.

Wieder, nach fast einer Woche an einem Ort, wie in Istanbul, wollten wir irgendwann natürlich weiter. Zeit uns Gedanken zu machen, wohin es gehen sollte, hatten wir ja genug. Fahren wir unten die Küste entlang oder machen wir das erst auf dem Rückweg ins Waterhole? Die Küste, beschlossen wir, machen wir erst auf dem Rückweg. Von hier aus fahren wir nach Pamukkale. Gesagt, getan.

Einfach so beeindruckend!

Nach einer für unsere Verhältnisse sehr kurzen Anreise von weniger als drei Stunden, erreichten wir unser Ziel. Da wir meistens nicht besonders früh los kommen, sondern es eher auf Mittag zugeht bevor wir starten, so kommen wir dennoch erst am späten Nachmittag an. Wir finden auf Anhieb unseren Park4night Platz und nachdem wir LEMMY einmal umgesetzt haben (wegen extrem viel Glasscherben auf dem Boden) haben wir beide noch voll Bock uns Pamukkale anzuschauen.

Von weitem sah es recht unspektakulär aus. „Soll es das dahinten etwa sein?“, fragen wir uns. Doch als wir dann barfuß auf diesen Sinterterrassen (entstanden aus dem kalkhaltigen Wasser der Thermalquellen) bergaufwärts stiegen als liefen wir auf Schnee, da war es ganz und gar nicht mehr unspektakulär. Es sah aus wie ein riesiger Gletscher, weiß wie Schnee, wie ewiges Eis. Wir mussten die Schuhe ausziehen, damit es auch weiß bleibt, pamukkaleweiß. Es gab vor Jahren andere Zeiten, da war es grau. Die Leute marschierten mit ihren dreckigen Schuhen rauf und runter. Die großen Reisebusse fuhren bis dicht an die Terrassen, oben und auch unten. Dann gingen glücklicherweise Naturschützer weltweit auf die Barrikaden und protestierten. Die Busse wurden ausgebremst, die Touristen mussten barfuß gehen und dieses Wunder der Natur erholte sich. Auch wir gingen ohne Schuhe bergauf, da unser Platz für diese Nacht unterhalb des Berges war. Es war ganz warm an den Füßen, obwohl es aussah wie Eis. Immer mal wieder ein Becken, das mit warmem Thermalwasser gefüllt war und in dem jemand ein Bad genoss. Viel war nicht mehr los und uns wurde erneut klar, wie schön es ist, außerhalb der Saison zu reisen. Das kannten wir in dieser Form noch nicht, da wir immer abhängig waren von den Sommerferien.

Oben angekommen ging es noch etwas weiter, aber da trugen die Leute wieder Ihre Schuhe und Jutta wollte ihre nicht anziehen. Ich auch nicht. „Ich geh barfuß weiter!“, sagte ich ihr. Sie will warten. So ging ich alleine weiter, über einen kleinen Holzsteg, über eine sandige Kieselsteinfläche und dann wieder über einen Holzsteg. Ich folgte den beschuhten Leuten und dachte nach der nächsten Biegung: „Was zum Teufel ist das denn?“ Da waren die abgesperrten, nicht zum Baden freigegebenen Thermalbecken. Oben am Berg, mit einer Aussicht über die Gipfel der angrenzenden Berge und dem Sonnenuntergang dahinter, eine Postkartenidylle sondergleichen.

Und wieder einmal, wie schon nach den Meteoraklöstern, war ich sprachlos über diese Schönheit der Natur. Nur wurde dieses Mal nichts vom Menschen dazu beigetragen, außer vielleicht es zu schützen, dieses Wunder der Schöpfung. Barfuß ging ich zurück zu Jutta, etwas verwundert über alle Anderen, die ihre Schuhe angezogen hatten. Später wurde mir klar, sie sind Oneway unterwegs. Barfuß rauf, mit dem Bus und beschuht wieder zurück, runter in den Ort zu den Hotels.

Jutta war schon etwas verärgert, weil ich sie ca. eine halbe Stunde warten ließ, das sah ich ihr an. Aber lange war sie mir nicht böse, denn ich hatte ja einen guten Grund etwas zu verweilen, an einem wunderschönen Ort. An Pools die ineinander übergingen, aus Thermalwasser gespeist, auf einem Berg mit Blick über andere Berge, die untergehende Sonne dahinter, ein malerischer Ort darunter. Und außerdem: Wir waren an einem Ort, nachdem eine Farbe benannt ist! Pamukkaleweiß! Den gleichen Weg, den wir hochgelaufen sind, gingen wir nun wieder runter. Wir schafften es gerade rechtzeitig, bevor es dunkel wurde. Wir zogen unsere Schuhe wieder an, nach der markierten Fläche und da wurde uns klar: einen besseren Zeitpunkt als den späten Nachmittag, um Pamukkale zu besuchen, konnte es nicht geben.

Cappadocia, da müsst ihr hin. Das wird dir gefallen. Das habe ich schon Jahre vor unserer Reise gehört. Von wem? Und wo? In unserer Theaterkantine, von Murat und Güler Babaoglu. Murat ist unser singender Koch im Theater bzw. er war es. Singen tut er immer noch, in der „ISTANBUL“ Vorstellung. Güler ist seine entzückende Frau. Unsere Kantine betreiben sie nun nicht mehr, aber auf der Bühne kann man ihn immer noch sehen und hören, solange unsere „ISTANBUL“ Aufführung läuft.

Wir redeten darüber uns in der Türkei zu treffen, lange bevor unsere Reise begann. (Das wird leider nicht klappen, denn wenn wir kommen sind sie schon wieder in Deutschland.) Trotzdem stehen wir in engem Kontakt, besonders mit Güler. Sie gibt uns viele Tipps was wir sehen sollten, wohin wir gehen müssen, wo es die beste Pizza gibt usw.. Sie kommt aus Kappadokien und hat uns auch schon viele Ideen gegeben, was wir dort noch unbedingt machen müssen. (Notiz am Rande: Gerade jetzt, als ich an diesem Blogkapitel arbeite, am 22.11.2021 um 03:20 Uhr, befinden wir uns in Cirali an der lykischen Küste, wo Murat und Güler immer ihre Sommerferien verbringen.)

„Underground City ist bestimmt was für dich, schaut euch Orthahisar an, (Ich glaube das ist ihr Geburtsort), Kaya Camping ist ein cooler Platz, da trefft ihr andere Overlander. “ Aus Erfahrung weiß ich , dass genau solche Tipps unbezahlbar sind, Tipps von Insidern, von Leuten, die wissen wovon sie reden.

Begeistert verlassen wir Pamukkale, mit nur einer Richtung: Gen Osten nach Cappadocia, zum Kaya Camp, zu den Offroadern und Overlandern. Doch ein Ziel hatten wir vorher noch, den Tuz Gölü.

(Aufzeichnung, die nix zur Sache tut: Helter Skelter läuft von Rob Zombie und Marilyn Manson)

Davon haben wir Bilder gesehen, von Dandovueltas, von Jose, unserem Freund aus Istanbul. Er ist da bereits in Kappadokien mit seiner Frau und seinem Sohn. Der Tuz Gölü ist ein Salzsee, fast ausgetrocknet und verödet. Die Fotos, die er dort gemacht hat, waren dermaßen inspirierend, dass auch ich dorthin möchte. Auf unserem Weg ist es irgendwie sowieso, also machen wir diesen kleinen Abstecher. Es gibt keine Umwege, dass haben wir uns vor dieser großen Reise, vor diesem Abenteuer vorgenommen. Der Weg ist das Ziel. Das ist und bleibt unser Motto.

Müsli, Kaffee und schon geht es los. Jutta weiß wo wir stehen können, wieder frei und direkt am Salzsee. Nur ein paar Stunden fahren, aber das macht mir Spaß. Unterwegs, on the road. Da taucht plötzlich ein Vulkan auf. Wir kommen immer näher nach Kappadokien, die Landschaft verändert sich. Es wird zunehmend karger, der Vulkan wird immer größer, kommt näher. Er ruht und wir erkennen, je näher wir kommen immer mehr den Kraterrand. Noch im letzten Monat wurde er bestiegen, im Oktober nicht mehr. Hier und da ein Hinweisschild, wenn ein Foodtruck mit Köfte oder Gözleme am einsamen Straßenrand auftaucht. „Wie weit ist es noch?“, will ich wissen. „Sind bald da!“, sagt Jutta. Aber wo ist da? Reden wir von der gleichen Sache? Ich will wissen wo der Salzsee ist. Jutta redet vom Stellplatz.

Das haben wir heute leider nicht gefunden!

Finden werden wir heute weder den Stellplatz noch den Salzsee. Begegnen werden wir einem Watchman, der 100 Dollar von mir verlangt für eine nicht erbrachte Leistung.

„Hier ist der Ort, von dem wir den Tuz Gölü erreichen.“, sagt Jutta. Yes, denke ich voller Vorfreude. Wir durchqueren den sehr ärmlichen Ort.(Wobei schon alle Orte auf diesem Weg immer ärmlicher wurden, je weiter wir nach Osten fuhren.)

Hier gleich rechts und dann zweimal links. Jetzt rechts rein, in diesen Weg. Hier, wirklich? Ja, hier muss das sein. Alles klar, rauf auf den Acker. Mir gefällt es immer mehr. Der Ort verschwindet hinter uns und vor uns ein Geflecht aus Wegen über braunen Sand. „Sollen wir mal links abbiegen?“ „Eigentlich ja, aber warte mal! Nee, jetzt sieht es wieder so aus, als ob es rechts weiter geht!“

Der Tuz Gölü ist ungefähr 90 km lang. Wie breit er ist wissen wir nicht genau. Aber noch haben wir keine Spur von ihm entdeckt. Wir kurven hier rum seit über einer Stunde. Ich habe Spaß, weil ich es liebe auf weichem Sand zu fahren. Jutta hasst es, weil die Navigation nicht klappt. „Jetzt habe ich es, fahr mal da lang.“ „Ok, gerne, kein Problem!“ „Nee, komisch, jetzt zeigt Google wieder andersrum!“ Das GPS Signal funktioniert hier nicht wirklich. „Fuck, das ist doch zum Kotzen!“ Jutta hat gar keinen Spaß mehr und ich verliere auch die Lust, wenn Jutta dermaßen abgenervt ist. Was machen wir jetzt, mitten im Nirgendwo?Weder der Salzsee in Sicht, noch der Stellplatz für die Nacht.

„Guck mal, da hinten ein Trecker, da fahren wir hin und fragen mal!“ „Merhaba!“, begrüßen wir den Bauern und versuchen zu fragen, wo es denn zum Salzsee geht. Er versucht seine Tochter anzurufen, die spricht englisch, hören wir raus. Aber seine Tochter hebt nicht ab. Nach drei fehlgeschlagenen Versuchen bedanken wir uns vielfach und fahren weiter. Dann kommt ein kleiner weißer Wagen mit getönten Fenstern hinter mir her. Er scheint mich überholen zu wollen und ich denke nur: „Warum will er das?“ Ich bin hier auf diesem Terrain der deutlich Schnellere mit meinem Fahrzeug, lasse ihn aber vorbei. Er bremst mich aus und hält mitten auf der Spur. Na gut, mal sehen was er zu sagen hat und was er will. Es ist ein junger Mann und er bietet sehr höflich seine Hilfe an. Was denn unser Problem sei, will er wissen und da er kein Wort Englisch oder Deutsch versteht, übersetzt er mit seinem Handy. Wir teilen ihm mit, dass wir zum Tuz Gölü wollen. „Oh, das ist sehr weit weg!“, sagt er. Aber er könne uns dort hinbringen. „Nein Danke!“, sage ich ihm. „Wir fahren jetzt zu unserem Nachtlager. “ Er drängt sich etwas zu sehr auf für unser Gefühl und wir sagen erneut: „Nein danke!“ Dann fahre ich einfach an seinem im Weg abgestelltem Auto vorbei, da mir die Spur daneben nicht schwierig erscheint. Nach einer weiteren halben Stunde etwa kommen wir von dem ausgetrocknetem Stück Land runter, erreichen wieder so etwas wie eine Straße und Jutta hat null Bock mehr auf Offroad fahren. Sie bot an, mich auf ein Camp zu lotsen, an einer Karavanserei in Sultanhani. Das sei nur eine Stunde von hier entfernt. „Na gut!“, erkläre ich mich bereit. Bevor wir jetzt stundenlang nach dem Salzsee oder dem Stellplatz suchen. Jutta war glücklich, dass es endlich in eine Richtung ging, die auch Google wieder korrekt anzeigte und ich war glücklich, weil Jutta glücklich war.

Da überholte mich plötzlich ein weißer Kleinwagen mit getönten Fenstern. Er hielt den linken Arm aus dem Fenster und winkte auf und ab. Er drängte mich zum Anhalten und wurde immer langsamer. Noch ahnte ich nichts Böses. Er nötigte mich zum Halten, indem er schließlich zum Stehen kam. Ok, vielleicht hat der da ja Probleme und braucht Hilfe. Ach, guck mal an, das ist doch der Typ von vorhin. Er kommt zu mir ans Fenster.

Ich habe es bereits heruntergelassen und er erzählt mir sofort irgendetwas auf türkisch, von dem ich kein Wort verstehe. Der Ton ist deutlich schärfer als vorhin, als wir noch in der Ödnis unterwegs waren. Er labert auf mich ein, hält immer wieder alle zehn Finger in die Luft, als will er mir damit was sagen. Langsam dämmert es mir, die Arschgeige will Kohle haben. Vorhin scheißfreundlich, will mich noch hin bringen, wo ich auch immer hin möchte. Doch obwohl ich nicht wollte, kann man es jetzt ja trotzdem mal versuchen. Er deutet mir an kurz zu Warten, geht zu seinem Auto, da ihm mittlerweile wohl erneut aufgegangen ist: “ Die verstehen auch nach einer weiteren halben Stunde in der Türkei noch kein Türkisch!“ Also Handy hergeholt um damit zu übersetzen.

Was ich dann zu lesen bekam hat mich echt sauer gemacht. Dieser verdammte Vollidiot hat mir Folgendes versucht mitzuteilen: „I’m a watchman, you have to pay 100 $!“ Ich dachte mir nur: „Du Idiot, du kannst mich mal am Arsch lecken!“ Ich sagte sowas wie „fuck off“ und lenkte nach links, drückte den Möchtegernwatchman beiseite und fuhr an seinem weißen Kleinwagen mit den getönten Fensterscheiben vorbei. „Dieses blöde Arschloch!“, schimpfte ich so vor mich hin, „wollte 100 $ für nichts! Hat nichts geleistet und will Kohle von mir haben!“ Ich war echt stinksauer. Hätte er mich zum Tuz Gölü gebracht, dann hätte er was erwarten dürfen. Aber auch dann wäre es schlauer von ihm gewesen zu sagen, was er für diesen Dienst verlangt. Auf solche Maschen reagiere ich äußerst allergisch, das kann ich nicht ab.

Zum Glück hatte ich instinktiv genug Platz zwischen unseren beiden Autos gelassen, so dass ich direkt, ohne zurücksetzen zu müssen, los fahren konnte. So hatte ich es in Afrika gelernt: Auch an Ampelkreuzungen immer genügend Platz zum Vordermann lassen und Türen verschlossen halten, dann kann man notfalls links oder rechts einfach ausbrechen und abhauen, bei einem möglichen Carjacking.

Aus Afrika kenne ich auch Situationen wie diese. Da kommt jemand auf mich zu, wenn ich z. B. beim Einkaufen bin. „Hey!“, ruft er dir zu „Ich bin dein Gärtner, ich pflege den Garten in deinem Hotel. Ich heirate übermorgen und meine Frau ist schwanger. Kannst du mir nicht etwas helfen? Ich brauch nur noch ein bisschen Geld um dies oder das zu bezahlen!“ Und ich frage: „In welchem Hotel wohne ich denn? In welchem Hotel arbeitest du denn als Gärtner?“ Dann sehe ich in große Augen, in Augen, die keine Antwort liefern können und fühle mich scheiße. Ich fühle mich schlecht deswegen und frage mich: „Bin ich jetzt der Arsch?“ „Ja, ich habe mehr Geld als du, aber gibt es dir das Recht mich zu belügen, mir eine abstruse Geschichte zu erzählen, um an mein Geld zu kommen?“ Ich weiß auch auf diese Frage keine Antwort, mal gebe ich etwas und manchmal auch nicht. Sometimes you win, sometimes you loose. Das Leben ist ungerecht und ich bin nur ein Mensch, der versucht das Richtige zu tun.

Reingefallen bin ich auch mit dem „Milchpulvertrick“. Das war in Kathmandu/Nepal oder war es in Vientiane/Laos? Ich bin nicht sicher, in einer der beiden Städte war es auf jeden Fall. Vermutlich gibt es diese Masche weltweit. Das läuft dann so ab: Man wird beim Einkaufen von einer jungen Mutter mit ihrem Baby im Arm mit hilfesuchenden, großen Augen angefleht, für das Baby eine Packung Milchpulver zu kaufen. Denn sie könne es sich nicht leisten und das Baby habe Hunger. Ich fand, das Pulver war auch ganz schön teuer im Vergleich zu den anderen Waren im Laden. Dennoch kaufte ich ihr den gewünschten Artikel, damit ihr Baby nicht hungern muss und ich gut schlafen kann. Erst Jahre später habe ich erfahren, dass dies eine ganz beliebte und vermutlich auch erfolgreiche Masche ist. Denn wer lässt schon eine hilfesuchende Mutter mit ihrem Baby hungernd zurück? Was sich danach dann abspielt ist Folgendes: Die Mutter gibt dem Ladenbesitzer das Pulver zurück, der stellt es wieder ins Regal und das von mir bezahlte Geld wird aufgeteilt zwischen Ladenbesitzer und Mutter.

Lemmy und wir stehen safe….und gerade 😉

Nach dieser unangenehmen Begegnung waren wir sehr zufrieden, als wir in Sultanhani bei Kervansarey Camping ankamen. Die Karawanserei von Sultanhani, schräg gegenüber von unserem Stellplatz, sollte eine der größten und schönsten Karawansereien in ganz Anatolien sein, lasen wir in unserem dicken Reiseführer. Aber während fast der gesamten Fahrt, eine ganze Stunde lang, ärgerten wir uns über diese Begegnung, die uns da gerade widerfahren war. Ich schimpfte vor mich hin mit Worten, die ich hier nicht wiederholen möchte. Jutta gab zu bedenken: „Was, wenn der uns jetzt folgt?“ „Lass ihn doch folgen, was will er denn machen? Nochmal hält der mich nicht an!“ ,schimpfte ich weiter. Er folgte uns nicht.

Überaus freundlich wurden wir empfangen, an dieser alten Seidenstraßenroute neben der berühmten Karawanserei, an der damals die Händler mit ihren Kamelen ankamen, Quartier fanden und sich erholten, um dann anschließend ihr Ware anzubieten. Ich parke LEMMY hinten im Garten bei unserem Gastgeber, neben einem Neuseeländer, der schon fünf Tage hier ist, erfuhr ich gleich, während Jutta beim Einchecken die Formalitäten erledigt.

LEMMY steht seit einer geraumen Weile, aber Jutta kommt gar nicht zurück vom Einchecken. Mal sehen was da so lange dauert. Es gibt Tee und ein Plausch wird gehalten. Das Gästebuch wird uns präsentiert und Jutta fragt, ob sie denn was reinschreiben soll? Ja, aber erst morgen, noch kennst du mich ja gar nicht. Er spricht ganz passabel Englisch. Ich frage mich, inwieweit sie ihn denn morgen besser kennt, wenn wir nach Besichtigung der großen Karawanserei sofort weiter fahren nach Kappadokien, behalte es aber für mich. Eins ist sicher, der Typ flirtet gerne. Glücklich über dieses versöhnliche Ende des Tages und die gebotene Gastfreundschaft ziehen wir uns zurück.

Die Karawanserei von 1229 ist wirklich beeindruckend. Wir besichtigen die alten Stallungen. Die kleine Moschee, getragen von vier Säulen, inmitten des Hofes ist für Besucher leider geschlossen. Links und rechts die Küche, das Bad, die Quartiere der Händler und die alten Verkaufsräume. Die werden auch heute noch genutzt für wundervoll lackierte Töpferware und so Allerlei. Am faszinierendsten aber ist der Raum mit seinem 32 Säulen, der von der Grundfläche genauso groß ist, wie der offene Hof davor.

Perfekt in Szene gesetzt

Er wurde früher als Stallung genutzt. Betreten wird er durch ein prachtvolles, mit Ornamenten geschmücktem Portal. Im Portal hängt ein riesiger Perlenvorhang, der Innen von Außen trennt. Der Säulenraum erstrahlt in einem perfektem Licht, mit im Boden eingelassenen Lampen um jede der 32 Säulen herum. Der Blick durch den Perlenvorhang lässt mich kaum noch los. Ich kann mich nicht entscheiden welche Ansicht die Schönere ist, von Innen nach Außen oder umgekehrt. Ich werde die Entscheidung später fällen beim Begutachten der Fotos. Das wird allerdings erst in Kappadokien sein.

Welcher Blinkwinkel…
gefällt dir besser?

Eins mussten wir aber noch nachholen, bevor es weiter geht in Richtung Kaya Camp und zwar den Tuz Gölü, diesen Salzsee, den wir gestern nicht gefunden haben. Abends hatten wir beide noch (unabhängig voneinander) nach einem Einstiegspunkt recherchiert und wurden fündig. Es dauerte wieder ca. eine Stunde, etwas mehr vielleicht, bis wir dort waren. Zuvor gab es natürlich noch Chay von unserem flirtenden Gastgeber zum Abschied, ein gemeinsames Foto vor LEMMY und Jutta schrieb etwas in das Gästebuch. Auf Instagram sind wir nun auch befreundet seit dem Besuch des Kervansaray Camps.

„Da kommt gleich der Einstiegspunkt, du musst zusehen, das du links rüber kommst!“ „Ja gut, beim nächsten U-Turn drehe ich um.“ Diese Schnellstraße ist in jeder Richtung zweispurig und in der Mitte ist eine Leitplanke, aber immer wieder gibt es Möglichkeiten die Richtung zu wechseln. Die Zufahrt ist nicht ganz ohne, denn es geht eine schmale, relativ steile Abfahrt runter zum Tuz Gölü. Die Trucks donnern ganz schön schnell an einem vorbei, während man hochkonzentriert darauf schaut, nicht zu weit nach links oder rechts zu geraten, denn dann könnte man umkippen. Es klappt gut und wir erreichen unser Ziel.

Gott sei Dank nicht unsere Spur!

Ich befahre zum ersten mal solch ein Terrain und bevor ich mich weiter auf die Salzfläche wage, schalte ich den Allradantrieb ein. Jetzt will ich mal eine Runde drehen und entdecke die ersten drei festgefahrenen Fahrzeuge. Ein Kleinwagen mit Anhänger, dort steht niemand mehr beim Fahrzeug. Dann ein weißer Kleinbus, der erstmal entladen wird und noch ein weißer Kleinwagen, der gerade dabei ist sich selber zu befreien. Das alles sehe ich im Bruchteil einer Sekunde und merke sofort, während ich meinen Kreis fahre, wie LEMMY immer langsamer wird, droht stehen zu bleiben. Runterschalten in den ersten Gang und das Gaspedal ordentlich treten, dann nimmt er wieder etwas Fahrt auf und ich fahre weiter an den offensichtlich festeren Rand des vertrockneten Sees. Wow, das war spannend für mich, sorgt aber bald für einen kleinen Klinsch mit Jutta.

Ich parke LEMMY erstmal und dann realisieren wir die ganzen Männer in schwarzen Anzügen. Die Damen haben auch alle schicke Abendgarderobe an mit weißen Blusen. Jetzt entdecken wir auch die Kameras, die großen Instrumentenkoffer, das Catering und die Teestation. Hier wird heute ein Musikvideo entstehen und die meisten Leute hier gehören zum Filmteam oder zur Band mit kleinem Orchester. Ich spreche einen der Schwarzgekleideten an. Von ihm erfahren wir, dass ein Video gedreht wird, er selber spiele Cello. Die festgefahrenen Fahrzeuge gehören alle zum Team. Es sind sogar vier, einer der Transporter hatte sich richtig weit vorgearbeitet. Der Cellospieler spricht fließend deutsch stellt sich schnell heraus. Noch denkt er, dass es in etwa einer halben Stunde losgeht mit dem Dreh. (Da hatte er sich aber gewaltig verschätzt.)

ohne Worte

Wir wollen erstmal Fotos machen, denn wann ist man schon auf einem fast ausgetrockneten Salzsee? „Wir müssen denen aber gleich helfen!“, sage ich zu Jutta. „Auf keinen Fall ziehst du die da raus. Da fährst du dich bloß selber fest!“ „Ach was, ich habe doch das neue kinetische Abschleppseil, 9 m lang. Das wäre doch eine super Gelegenheit es mal auszuprobieren. “ Wir wandern weiter auf den See, machen tolle Bilder und lassen das Thema kurz beiseite. Die kristallisierende Oberfläche schimmert leicht rosa. Schaut man etwas in die Ferne, fängt alles an zu flimmern. Die Berge am Horizont sind wie Luftspiegelungen, wie eine Fata Morgana. Die links beginnende Bergkette endet rechts im Nichts, als schaue ich durch die Berge hindurch. Sie werden zum Teil unsichtbar wie Glas. Ich weiß, der Berg ist da, neben dem Anderen, nur sehen kann ich ihn nicht. Wir springen in die Luft und machen ganz passable Schnappschüsse, machen Nahaufnahmen, schwarzweiß Fotos und experimentieren etwas.

Grandios hier

Dann drehen wir langsam um und ich manövriere uns zu dem weißen Kleinwagen. Dort versucht jetzt eine Handvoll Leute das Auto aus seiner misslichen Lage zu befreien, indem sie schieben, während der Fahrer mit durchdrehenden Rädern das Fahrzeug immer weiter eingräbt. „Du ziehst den da nicht raus!“, sagt Jutta energisch zu mir. „Ich habe keinen Bock, dass wir uns dann selber fest fahren.“ „Gut, dann holen wir aber jetzt mal unsere Sandbleche und die Schaufel. “ Damit ist sie einverstanden. Also erstmal die Fahrräder vom Träger runter, damit wir an die dahinter festgezurrten Sandbleche kommen. Mit unserem Bergeequipment geht es wieder zurück zum verzweifelten Fahrer. Die Beteiligten sehen uns kommen und freuen sich über die angebote Hilfe. Ich reiche einem die Schaufel und einem anderen die Sandbleche. Was sie damit machen ist leider nicht wirklich hilfreich. Sie graben nicht tief genug, mittlerweile liegt die Achse auf und die Reifen sind weit im lehmigen Boden, zäh wie Kaugummi, unter der Salzkruste eingegraben.

So wird das leider nix

Ich möchte nicht belehrend auftreten und ihnen erklären, dass sie viel tiefer graben müssen, damit man die Bleche nicht nur vor die Reifen legen kann, sondern ein Stück weit drunter. Ich weiß natürlich auch, wie saumäßig anstrengend das ist und das man dabei ordentlich dreckig wird. Was ich noch nicht weiß ist, dass es auch ein Heidengeschäft für mich wird, die Scheißdinger wieder sauber zu bekommen. Denn der Lehmboden unter der Salzkruste ist wie Klebstoff. Nach 4-5 halbherzigen Versuchen geben sie auf. Sie bedanken sich vielmals und der erste von der Truppe kommt schon auf den Gedanken, dass ich doch auch versuchen könnte den Wagen rauszuziehen. Ein Seil hätten sie sogar. Denn inzwischen haben sie erkannt, dass der Allradcamper da hinten, mit Mr. Kilmister zwischen den beiden Alkovenfenstern, mir gehört. Der Cellospieler ist auch neugierig geworden, was wir Deutschen denn da jetzt anfangen, bei dieser Bergeaktion. Er vermittelt sogar, da er mitbekommen hat, wie Jutta und ich diskutiert haben und Jutta so gar nicht einverstanden ist einen Versuch zu wagen.

Ich probiere es ein letztes Mal und argumentiere: Das Seil ist 9 Meter lang, es ist kinetisch, d. h. es dehnt sich aus bis zu einem gewissen Punkt, dann setzt die Zugkraft ein. Ich kann also etwa 8 m weit von dem zu bergenden Fahrzeug weg sein. Dort wo der Untergrund noch fester ist und dann kann ich ohne Zuglast los fahren mit der Untersetzung drin. Das klappt, da bin ich ganz sicher. Sie legt ihr Veto ein und da wir ja auch heute noch weiter fahren wollen, gebe ich klein bei. Ich war sehr unglücklich über diesen Umstand, dass ich nicht helfen konnte/durfte, obwohl ich sehr sicher war, drei von den vier Fahrzeugen hätte ich bergen können.

Der macht das hier wohl öfter

Der Cellospieler erklärt unsere (obwohl eher Juttas) Bedenken den anderen Beteiligten und meint, wir hätten eh schon genug getan mit den Sandblechen und der Schaufel. Es gäbe außerdem einen Trecker der zum Helfen kommen könnte, doch der wolle wohl etwas zu viel Geld als Aufwandsentschädigung haben. Wir verabschieden uns und ich bekomme die Zusage, den Link des fertigen Videos geschickt zu bekommen. Jetzt will ich aber wenigstens noch eine Runde drehen und Jutta soll mit dem Handy filmen. Das mochte sie mir nun nicht auch noch verweigern, so dass wenigstens noch ein brauchbares Video zustande kommt. „Ich fahre eine 8!“, rufe ich ihr noch zu, dann setze ich mich ins Auto und fahre los.

Ich wusste jetzt ja wie es sich anfühlt auf einer brechenden Salzkruste zu fahren. Wieder merke ich sofort als ich in den 2. Gang schalte, dass hat gar keinen Sinn, runter in den ersten Gang und Gas geben. So fahre ich meine 8 und noch ein wenig mehr, dann lade ich Jutta wieder ein. Gefilmt hatte sie nur einen Bruchteil davon. Meine Stimmung war trotz einer wahnsinnigen Kulisse, trotz geiler Fotos und einer versuchten, aber gescheiterten Bergungsaktion im Keller.

Zum Kaya Camp schaffen wir es heute auch nicht mehr, da die ganze Tuz Gölü Geschichte viel zu lange gedauert hat. Jetzt müssen wir während der Fahrt mal sehen, wo wir die nächste Nacht stehen können. Im Grunde hatten wir einen tollen Tag, morgens die prachtvolle Sulthanhani Karawanserei, nachmittags den Tuz Gölü mit seinen großartigen Farb- und Lichtspiegelungen. Aber ich war echt abgenervt. Gestern der blöde Vollidiot der 100 Doller für nichts von mir haben will, heute darf ich die Autos nicht aus dem Schlick ziehen.

„Den Videodreh hätte ich übrigens auch gerne gesehen!“, setzte ich noch mal einen kleinen Dolchstoß. Wir fuhren schweigend weiter.

und was als Nächstes geschieht….

TURKEY – CHAPTER III

….und wie wir plötzlich einen ganzen Haufen anderer Overlander treffen und am Lagerfeuer das Ende der Welt erörtern…

Chapter 7 – Türkei

…und wie ich dem Schuhputzer von Istanbul den Stinkefinger zeige…

„Wie soll ich nur beginnen?“, frage ich mich, während ich die Tage bei 25 Grad und Sonne in Anamur direkt am Strand sitze, als einziger Camper. Wie fange ich an über Istanbul zu berichten, der wunderbaren Stadt, der Einzigartigen, der Weltmetropole, die auf zwei Kontinenten liegt? Georgien haben wir bereits hinter uns und sind zum zweiten Mal auf dieser Reise in die Türkei eingereist. Istanbul hatten wir bereits zuvor einmal besucht, allerdings per Flugzeug.

Heute (16. November) hatte ich ein Bad im Marmara Meer, eine Feuerstelle für ein abendliches Barbecue hergerichtet und nun sitze ich im Camper an meinem Blog und versuche einige Wochen zurückzublicken und in Istanbul anzukommen. Ich muss irgendwie die Kurve kriegen, was mir nicht leicht fällt. Mir gegenüber sitzt Jutta und liest ein Buch und eine kleine Katze, vielleicht 6 Monate alt, liegt in unserem Bett und kuschelt sich so richtig ein. Sie scheint die Reinkarnation unserer verstorbenen Zoe zu sein und Jutta würde sie am liebsten mitnehmen.

Sie folgt uns seit wir hier sind auf Schritt und Tritt, was auch daran liegen könnte, dass Jutta sie füttert und sie eine Menge Streicheleinheiten bekommt. Seit zwei Tagen geht sie ein und aus in unserem Camper, wenn die Tür auf ist. Ist die Tür verschlossen, dann maunzt sie morgens ab 8:30 Uhr vor der Tür. Sie hat das selbe Schildpattmuster wie unsere Zoe und auch in der anhänglichen Art ist sie ihr sehr ähnlich. Aber ich schweife ab, ich wollte über Istanbul berichten.

Das ich schon mal hier war erwähnte ich bereits. Immer schon wollte ich diese Metropole sehen, die die einzige Stadt der Welt ist, die auf zwei Kontinenten liegt, Europa und Asien. Das fasziniert mich, das lockt mich an. Da fällt mir ein wie überhaupt der erste Besuch dieses großartigen Schmelztiegels zustande kam. Das muss ich kurz erzählen. Vor etlichen Jahren wollten wir nach Kanada an die Ostküste fliegen, da wir Vancouver und die Westküste bereits kannten. So hatten wir also einen Flug nach Montreal gebucht. Es sollte mit Air France (Wir sammeln Meilen bei Air France und KLM über das Flying Blue Programm) von Bremen nach Amsterdam gehen. Von dort dann über Paris (Charles de Gaulle) nach Montreal.

Nun war es so, dass am Morgen der Abreise das Telefon klingelte, während ich mich gerade rasierte. „Ja, hallo?!“, sagte ich. „Herr Godt, KLM vom Flughafen Bremen hier, wir haben ein Attentat auf Sie vor.“ Ich erwiderte äußerst verwundert: „Ja ok, was denn?“ Die nette Dame vom Flughafen erklärte mir, dass der Flug von Bremen nach Amsterdam überbucht sei. Ob ich mich bereit erklären würde, statt über Amsterdam von Hannover nach Paris zu fliegen? „Ja, aber wie kommen wir denn nach Hannover jetzt so schnell?“, stammelte ich etwas aufgeregt. „Wir schicken Ihnen ein Taxi. Und für die Unannehmlichkeiten bekommen Sie jeweils einen Fluggutschein von 400 Euro.“ Ich sagte zu und fasse mal kurz zusammen, was es für uns bedeutete:

Wir flogen von Hannover nach Paris und dann nach Montreal. Da wir den Flug von Bremen nach Amsterdam einsparten, kamen wir 8 Stunden früher in Kanada an als ursprünglich geplant. Wir hatten also fast einen halben Tag in Montreal geschenkt bekommen, da wir mittags, statt abends ankamen und jeweils einen 400 Euro Fluggutschein für einen Flug nach Wahl. Davon, dass wir ewig auf das Taxi warten mussten. Davon, wieviel Nerven es uns gekostet hat, auf den letzten Drücker in Hannover am Flughafen anzukommen um unseren Flieger nach Nordamerika zu erreichen, reden wir mal lieber nicht. Aber als uns dieser rasende Taxifahrer doch noch rechtzeitig am Departure Gate abgesetzt hat und wir unseren Air France Flug nach Montreal gerade noch rechtzeitig erreichten, da war klar: Mit den Fluggutscheinen fliegen wir nach Istanbul.

Istanbul auf dem Landweg zu erreichen und dann noch über den Bosporus zu fahren, von Europa nach Asien, mit dem eigenen Fahrzeug, das war ein Traum von mir, der auf dieser Reise wahr werden sollte. Schon als wir mit dem Flugzeug von Amsterdam nach Istanbul geflogen sind und am Bosporus saßen beim Bier, mit Blick rüber nach Üsküdar, rüber auf die asiatische Seite, da war ich fasziniert. Jutta konnte es so gar nicht verstehen. Ja und? Da ist halt Asien und der Fluss ist dazwischen.

Und nun war ich auf dem Weg nach Istanbul und wir würden diese Stadt heute noch erreichen. Mit LEMMY, mit unserem Allradcamper, mit unserem Motorhome. Nur vorher gab es noch einige Probleme zu lösen. Für die Einreise in die Türkei benötigt man in Zeiten von Corona einen HES Code. Das hat Jutta online bereits erledigt. Das nächste ist eine Art Vignette für die gebührenpflichtigen Autobahnen und Brücken um Istanbul, genauer gesagt eine HGS Plakette. Die sollte laut ihrer Recherche an grenznahen Shelltankstellen oder an Postämtern (PTT) zu bekommen sein.

Der Grenzübergang lief ohne Probleme und zum Glück konnten wir an den ganzen wartenden LKW’s vorbei fahren, die viele Kilometer in der Warteschlange standen. Dann kam die erste türkische Shelltankstelle. Jutta ging rein und wurde an die nächste Shell in 5 km verwiesen. Sie kam auch in ca. 5 Kilometern, hatte aber auch keine HGS Plakette für uns. Wir möchten es doch an der nächsten Tankstelle probieren. So ging es noch ein paar Mal. Keine Tankstelle hatte diese Plakette.

Ein weiteres Problem war eine Simkarte für unseren Router zu bekommen. In Kesan parkte ich in zweiter Reihe kurz hinter einer Bushaltestelle und beobachtete das rege Treiben an diesem wuseligem Kreisverkehr in der ersten größeren Stadt nach der Grenze. Jutta versuchte ihr Glück bei Türkcell. Wir verabredeten, wenn ich weiter fahren muss (weil ich ja dort eigentlich nicht stehen durfte) dann fahre ich diese Straße hoch bis zur nächsten Haltemöglichkeit. Nach ca. 30 langen Minuten kam sie zurück. Sie lächelte etwas gequält, aber ich deutete es als Erfolg. Mit dem Googleübersetzer des Verkäufers wurde man sich handelseinig und kam zum Abschluss. Ob es funktionieren wird, werden wir erst später sehen, nach dem Einrichten des Routers.

Nach diversen vergeblichen Tankstellenstops hatte Jutta keinen Bock mehr und wollte zu einer Post fahren. Sie lotste mich durch eine andere etwas größere Stadt zu einer PTT Station und ich wartete wieder mal im Auto in zweiter Reihe. Es war mittlerweile kurz vor vier und damit kurz vor Ladenschluss. Aber dieses Mal sollte es erfolgreich sein und sie kam mit nach oben gerecktem Daumen und in der anderen Hand einem hochgehaltenem Zettel und der Plakette zurück zum Auto. Wieder war es mühsam mit der Verständigung, aber nach anfänglichen Schwierigkeiten ging es dann ganz gut. Den HGS Sticker ins Auto an die Windschutzscheibe geklebt, dann ging es endlich weiter Richtung Istanbul. Alle Problem waren gelöst. Auch den Router konnte Jutta später in Betrieb nehmen. Der Verkehr nahm zu, je näher wir Istanbul kamen. Die Autobahn war mittlerweile achtspurig und wir waren nicht mehr weit von Sulthanamet entfernt, von dem Platz, an dem wir die nächsten 5-6 Tage stehen werden.

Was mir hier besonders auffällt, unheimlich viele Zivilfahrzeuge fahren mit Blaulicht. Ich habe den Eindruck, die Leute kaufen sich die Blinklichter im Baumarkt, um schneller voran zu kommen. Nirgendwo sonst habe ich so viele zivile Fahrzeuge mit Blaulicht gesehen. Aber, da ich mich auf den recht chaotischen Verkehr konzentriere, denke ich nicht weiter drüber nach. Am Ende eines langen Fahrtages versuche ich immer besonders konzentriert zu sein, damit nicht auf den letzten Metern irgendein Scheiß passiert. „Nur noch 8 Kilometer bis zu unserem Parkplatz“, sagt Jutta. Yes, Istanbul wir sind da. Nach einer Extrarunde wegen einer verpassten Ausfahrt erreichen wir die finale Parkposition für die kommende Woche.

Endgültige Parkposition erreicht!

Wir stehen direkt am Marmarameer neben einem Park, auf einem bewachten Parkplatz. Vor uns die Einfahrt für die Tanker, die Container – und Frachtschiffe in den Bosporus und dann weiter in das schwarze Meer. Ein großer LKW steht auch hier, ein Dreiachser. Sie werden weiter fahren in den Iran und wir werden es auf Instagram verfolgen. Aber das ist erstmal alles völlig egal. Ich will nur eins, ein großes kaltes Bier! Wir sind angekommen in Istanbul.

Wir machen noch einen kleinen Rundgang und gehen etwas essen. Wir sind in Sulthanamet, auf der europäischen Seite. Wenn wir über die Schiffspassage schauen, dort wo die großen Tanker in den Bosporus fahren, dann blicken wir nach Asien. Da drüben links ist Üsküdar, rechts daneben ist Kadikoy. Wir sind hier in der Altstadt von Istanbul. Hier ist alles in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen. Die blaue Moschee, die Hagia Sophia, der Topkapi Palast, der große Basar und noch soviel mehr an touristischen Highlights. Aber vor allem noch viel mehr an Eindrücken, wenn man sich einfach treiben lässt. Weit müssen wir nicht laufen, um ein kleines nettes Restaurant zu finden in einer Seitengasse. Dort kehren wir ein und nehmen draußen vor dem Lokal platz . Müde und (bei dem bereits zweiten großen Bier nach diesem langen Reisetag) auch etwas angetrunken, aber überglücklich angekommen zu sein, genießen wir das türkische Essen in entspannter Atmosphäre. Bevor wir zurück im Auto todmüde in den Schlaf fallen.

Die Türkei ist sooo lecker!

23.09.2021 um ca. 2:50 Uhr Ortszeit schrecken wir hoch aus dem Schlaf, weil plötzlich neben uns ein Auto vorüberfährt mit extrem lauter Musik. Was ist denn jetzt los? Die Musik ist nicht mal gut, irgendein türkischer Pop/Techno Mix dröhnt durch die Nacht über diesen Parkplatz. Das ist hier wohl üblich so und wird uns die ganze Woche über begleiten. Manchmal wird es um 1:30 Uhr laut, manchmal erst um 3:20 Uhr. Ein Muster konnten wir nicht erkennen in dieser Woche. Ruhig war es nie. Zu jeder Nachtzeit konnte es plötzlich sehr laut werden. Wir gewöhnten uns daran und konnten damit leben. Wir fühlten uns nach einigen Tagen sogar richtig wohl hier. Wir lebten auf einem Parkplatz in Istanbul. Am Wochenende picknicken die Stadtbewohner im Park, grillen und tischen ordentlich auf. Leider lassen sie dabei auch ihren Müll zurück, worüber ich an anderer Stelle noch berichten werde. Wir lernen die Kleinbusfahrer kennen, die hier täglich parken und Tee trinken während sie auf Aufträge warten und im Park sitzen. Ich habe meine Tankstelle (ca. 400 m von hier) wo ich den Peetank täglich entleeren kann. Wir trinken unseren Kaffee im Park, wenn wir nicht unterwegs sind, beobachten die Riesentanker und es kehrt Routine ein in unser Stadtparkleben.

Parkplatz mit Aussicht

Dann plötzlich steht da ein Sprinter neben uns, der kommt uns bekannt vor. Dandovueltas ist das. Jose, der argentinische Globetrotter, der in Andorra lebt mit seiner Frau Celina und seinem Sohn Luca. Wir kennen uns bereits sehr flüchtig aus Albanien und dann von den Meteora- Klöstern. Und jetzt treffen wir uns zum dritten Mal unplanmäßig in Istanbul. Wir sehen uns hier auf diesem Parkplatz von nun an öfter während dieser Woche und haben nette Gespräche zwischendurch. Uns wird klar, die Welt ist klein und die Szene die wirklich reist, die lange reist, die ist groß. Und auch hier ist es nicht die letzte Begegnung mit Jose und seiner Familie.

Stadtimpressionen

Am nächsten Tag machen wir einen Fahrradausflug. Man kann hier in der Altstadt gut alles ablaufen, aber heute will ich über die Galatabrücke nach Beyoglu in das moderne Istanbul. Karakoy und Beyoglu sind die Ausgehviertel, die Szeneviertel der Stadt. Ich will bis zum Taksim Platz fahren. Immer schön am Wasser entlang, über die Galatabrücke, am Galataturm vorbei, bis es zu steil wird zum Fahrrad fahren. Ab jetzt wird geschoben, bis es wieder etwas weniger steil ist in der Iskidal Kadesi. Dort fährt diese schöne, alte Straßenbahn. Ähnlich der bekannten Straßenbahn in San Francisco, nur das die in Istanbul nicht an Seilen gezogen wird. Oben am Taksim Platz angekommen schauen wir mal auf der Map nach, ob wir die zuvor auf Google recherchierten Kneipen finden. Eine soll hier ganz in der Nähe sein, die ROCK’N ROLLA Bar.

Kunst im Rock’n Rolla

Wir finden sie wenige Augenblicke später und sind begeistert. Die Musik ist top, die Bedienung ist zum Knutschen (findet Jutta auch!) und das Bier ist kalt, local und lecker. Draußen sind alle Tische besetzt, also gehen wir rein. Innen prangt ein riesengroßes Bild von Lemmy Kilmister an der Wand, gut ausgeleuchtet. Er zeigt der Welt den Stinkefinger. Ich fühle mich auf Anhieb sauwohl und bestelle „Local Beer“. Für den kleinen Hunger gibt es etwas Fingerfood. Ungewöhnlich für die Türkei finden wir, aber die Kroketten hier sind sensationell. Mir gefallen die T-Shirt’s der Angestellten sehr und darum frage ich die kleine, sympathische Bedienung, ob man hier solche Shirts kaufen kann. Sie scheint mich nicht zu verstehen, geht an einen anderen Tisch und kommt mit einem Gast, den sie zu kennen scheint, zu mir zurück. Ich erzähle ihm, was mein Anliegen ist und er teilt es ihr mit. Sie sagt ihm wieder etwas, was er mir dann übersetzt. Das sei wohl alles nicht so einfach und ich kann leider kein Shirt bekommen. Naja, ist ja auch egal. Wir haben eine Stammkneipe in Istanbul. Solange wir in der Stadt sind, solange kommen wir hier auch her.

Rock`n Rolla can rescue the wörld

Mit der Istanbulkart geht das alles sehr einfach. Wir können damit Fähre fahren, Metro, alle Busse, Straßenbahn und womöglich noch mehr. Diese Karte haben wir uns auch gleich besorgt. Nur wussten wir nicht, dass wir den HES Code hätten eingeben müssen, um sie freizuschalten. Aber auch diese Hürde wurde genommen durch eine äußerst hilfsbereite Türkin an der Straßenbahnhaltestelle, an der wir trotz bezahlter Istanbul Kart nicht einsteigen konnten, weil eben diese nicht mit dem HES-Code freigeschaltet war. Sie erklärte uns was zu tun ist, zeigte uns auf ihrem Handy auf welcher Internetseite wir online die Karte mit unseren HES-Codes verbinden konnten.

Wir haben uns fast alle touristischen Highlights angesehen, aber darüber möchte ich hier nicht berichten. Sie haben alle ihre Faszination, mehr oder weniger. Jeder Istanbul Besucher wird sich darüber informieren und entscheiden, was er oder sie sehen will und das soll auch genau so sein. Den Topkapi Palast haben wir auch beim zweiten Besuch nicht gesehen, beim dritten Mal klappt es sicher. Alles Andere kann ich uneingeschränkt empfehlen. Besonders beeindruckend finde ich die 6-stündige Bootstour, die von dem städtischen Bosporosdampfer angeboten wird. Sie geht den ganzen Bosporus hoch bis zum schwarzen Meer.

Frühstück vor der Bootstour

Das möchte ich ausdrücklich erwähnen und jedem ans Herz legen zu machen. Mittlerweile gibt es sogar eine dritte Brücke über den Fluss, der Europa von Asien trennt, die Yavuz Sultan Selim Köprüsü Brücke. direkt vor der Mündung des Bosporus ins schwarze Meer. Der Anblick ist spektakulär. Von Kavagi, wo der Dampfer für zwei Stunden anlegt, kann man zur Festung auf den Berg wandern, eine Mittagspause in einem der netten Lokale machen, oder nur ein Eis essen und spazieren gehen. Oder man macht das Alles, da die zwei Stunden bis zum Ablegen des Dampfers ausreichend Zeit sind. Diese Tour ist günstig und ein absolutes „Must do“ in Istanbul.

Da ganz hinten ist das schwarze Meer!

Nach einer mal wieder unruhigen und lauten Nacht wollte ich gerne am Abend in die ROCK ‚N ROLLA Bar gehen. Also erst in den Bus, dann in die Metro und vom Taksim Platz noch ein paar Meter laufen. Da wir noch nicht gegessen hatten, wollten wir dies nachholen, aber heute nicht nur Fingerfood. „Hey!“, rief da einer zu uns rüber. „Heute nicht mit den Bikes unterwegs?“ Den Typen hatten wir gestern schon gesehen und er wollte uns in das Restaurant in der Nebenstraße des ROCK ‚N ROLLA locken. Gestern sagte ich zu ihm: „Maybe tomorrow“ (Das sage ich eigentlich immer, auch wenn ich es gar nicht vorhabe) Klingt höflicher als „No“. Wir gingen in das Restaurant und es war super. Wir saßen draußen auf der Terrasse und plauderten mit ihm, während wir auf das Essen warteten und er nach anderen potentiellen Gästen Ausschau hielt. Er empfahl uns nach Bodrum zu fahren und gab uns direkt eine Anlaufadresse mit. Ich dachte nicht zum ersten Mal seit wir in Istanbul sind, wie geil ist die Türkei und die gastfreundlichen Türken.

Nach dem Essen eben um die Ecke ins ROCK ‚N ROLLA. Draußen wieder alles voll, also rein in den Laden. Echt etwas abgefuckt diese Ecke von Beyoglu. Genauso wie ich es mag. Abseits der Designerläden, der Einkaufstempel, der stylischen Boutiquen und des ganzen Schickimicki. Hier laufen auch echte Typen rum, nicht nur die durchgestylten Werbegesichter. Das ist es, was ich damals schon liebte an Istanbul. Es ist eine weltoffene Metropole. Hier läuft die Punkerin in Minirock und High Heels neben der Muslima in Burka. Hier spaziert der Emo neben dem Yuppie durch die Straße und alles ist wunderbar. Niemand stört sich an dem Anderen. Und sollte es nicht genau so sein? Der Metalhead sitzt neben dem Banker in der Bar. So what? Das sind wieder die Momente die mir zu denken geben. Es könnte alles so einfach sein, wären wir Menschen nicht so begrenzt und eingeschränkt in unseren eingefahrenen Denkweisen.

Aber um darüber nachzudenken bin ich heute nicht hier, sondern um zu trinken und Musik zu hören. Und da kommt auch schon die nette, kleine Bedienung von gestern. Zwei Bier bestellen wir und freuen uns wieder hier zu sein, während ein geiler Song läuft. Ich komme nicht drauf, welcher Song das ist, deshalb shazaame ich ihn. Im WLAN sind wir längst angemeldet. Als die entzückende Bedienung mit den Bieren zurück ist hat sie noch was dabei. Sie stellt die Biere auf den Tisch, Lemmy schaut zu uns rüber und zeigt uns den Stinkefinger. Dann drückt sie mir ein kleines Päckchen in die Hand. Sie macht merkwürdige Gesten, ich deute es so, als solle ich es verstecken, als soll es niemand sehen, was sie mir gerade gibt. Ich mache es so, wie sie es mir andeutet und lasse es unter dem Tisch verschwinden, gebe es verdeckt Jutta rüber und sie packt es unauffällig in ihre Handtasche. Die Bedienung schenkt mir noch ein Lächeln und ein“ Psst“, verschwindet und widmet sich den anderen Gästen. Ich sage zu Jutta: „Ich glaube sie hat mir ein T-Shirt gegeben.“

So gingen die Tage dahin in dieser fantastischen Stadt, zwischen Europa und Asien. Wir kauften das erste Mal während unserer langen Reise Postkarten. Die wollten wir auch verschicken, aber nirgendwo gab es einen Briefkasten. Wir hielten Ausschau, aber weder rot noch blau oder gelb schien ein Briefkasten zu sein. Dann fragten wir mal nach. Die Antwort stimmte uns nicht gerade glücklich. Aufgrund der erhöhten Bomben- und Anschlagsgefahr gibt es kaum Briefkästen oder Mülleimer. Man muss alles direkt bei einer PTT-Stelle abgeben. Die musste natürlich offen haben, weil es auch davor keinen Briefkasten gab und das war für uns schon eine Herausforderung, aber eine lösbare.

Es ist ein T-Shirt, von der ROCK’N ROLLA Bar. Und es passt wie angegossen. Diese kleine Bardame hat mich mit dem Geschenk überglücklich gemacht. Meine Lieblingsbar in Istanbul war es ja eh schon, aber mit diesem Geschenk hat sich die Kneipe für immer in mein Herz gebrannt. Ich weiß sicher, ich werde auf dem Rückweg hier vorbeischauen. Dann wird es wohl kurz vor Weihnachten sein.

Einblicke in die kleinen Nebengassen….so oder so:

Istanbul, die großartige, die unbeschreibliche Stadt. Was soll ich noch darüber sagen? Besucht sie selber, erlebt sie, erfahrt sie, riecht sie und schmeckt sie. Sie ist unglaublich und unbeschreiblich. Manchmal ist sie scharf gewürzt, manchmal fad. Sie ist todschick und abgefuckt zugleich. Istanbul ist eine Hure und sie bietet jedem was er sucht. Sie ist das Tor nach Asien und wer über Land diesen Weg einschlägt, der kommt an dieser Metropole nicht vorbei.

Aber ich wollte ja noch erzählen, wie ich dem Schuhputzer von Istanbul den Stinkefinger zeige! Wir waren sehr viel unterwegs in dieser himmlischen Stadt. Wir sahen die Hagia Sophia, die blaue Moschee, den großen….ach ihr wisst schon.

…und als wir dann, an der Einmündung vom Marmarameer in den Bosporus, auf dem Weg waren zu unserem Parkplatz, zu unserem Zuhause, da passierte es. Und es geschah zum zweiten Mal. Das gleiche Spiel hatte ich Jahre zuvor erlebt auf der Galatabrücke, als ich das erste Mal in Istanbul war, in der betrügerischen Metropole. Nichts Böses ahnend gingen wir blauäugig, wie viele andere Touristen auch, über die Galatabrücke. Wir wollten auf den Galata Turm, um die schöne Aussicht zu genießen und dann passierte es…..ein Schuhputzer lief vor mir her und verlor seine Bürste. Wie jeder anständige Mensch dachte ich sofort: “ Oh je, sein Handwerkszeug, wie soll er ohne seine Bürste Geld verdienen?“ Es war mein Reflex seine Bürste aufzuheben und ihm zu geben. Sein Reflex war, mir in der gleichen Sekunde seine Schuhputzerschmiere auf meine Latschen zu klatschen und mir die Schuhe zu polieren. Wir beide wussten, ich war auf seinen Trick reingefallen…, doch da ich reiseerprobt war, versicherte ich ihm sofort: „I don’t pay you!“Erstaunlicherweise brachte ich es dann doch nicht fertig ihm nichts zu geben, nachdem er mir die Schuhe dermaßen ordentlich und schön geputzt hatte.

Wir waren auf dem Heimweg, so kann man wohl sagen, wenn man in Istanbul auf einem Parkplatz wohnt. Es war etwas regnerisch die letzten Tage, deshalb ging ich auf der Mauer links vom Gehweg, denn dort waren dauernd Pfützen. Jutta ging auf dem Weg und machte einen Bogen um die Pfützen. Dann sah sie ihn kommen, lange bevor ich wusste, was auf mich zukam. „Da kommt ein Schuhputzer.“, flüstert sie mir zu. Ich hörte sie nicht. Ich erfreute mich am schönen Wetter, denn die Sonne schien wieder, es war ein herrlich warmer Tag im Spätsommer und wir sind auf Reisen in einer der faszinierendsten Metropolen der Welt. „Achtung, ein Schuhputzer!“, ruft sie mir rüber, ich höre es nicht. Dann passiert es wieder, das Gleiche wie Jahre zuvor auf der Galatabrücke. Er lässt seine Bürste fallen, dermaßen geschickt, dass sie genau auf dem Mauer-vorsprung vor mir liegen bleibt und …, ich gehe vorbei. Ich hebe sie nicht auf und trage sie ihm nicht hinterher. Er selber hebt sie auf, dankt mir und kommt auf mich zu. Ich weiß was er will und komme ihm zuvor. Ich erhebe meinen Zeigefinger, bewege ihn von links nach rechts und lächle ihn an. Er begreift, dass er mich nicht mit diesem Trick abzocken kann. Und ich zeige ihm nur in meinen Gedanken den Stinkefinger, so wie Lemmy im ROCK ‚N ROLLA der Welt den Stinkefinger zeigt. Denn alles andere wäre ja sehr unhöflich.

….und was als nächstes geschieht….

Turkey – Chapter II

…und wie ein selbsternannter Watchman versucht mich um 100 $ zu erleichtern…

Chapter 6 – Griechenland

…und warum mir das Orakel von Delphi die Zukunft verrät…

Die Fährüberfahrt zurück nach Piräus verlief genauso angenehm wie auf dem Hinweg vor 10 Tagen. Es war etwas Wind angesagt, deswegen war Jutta vorher etwas unruhig. Aber bis auf ca. 30 Minuten Verspätung und ein wenig Wellengang war alles optimal. Runter von der Blue Star Ferry und durch das Verkehrsgewusel in Piräus raus aus der Stadt. LEMMY noch kurz voll getankt und ab auf die Straße nach Delphi.

Es wird ein langer Tag werden, denn die Fährpassage dauerte 5 1/2 Stunden und die anschließende Autofahrt ca. 3 Stunden ohne Pause. Also ein voller Arbeitstag. Aber das ist eine Arbeit die mir Spaß macht. Auto fahren und tolle Landschaft gucken, Schiff fahren und lesen oder Sudokus lösen. Unser Ziel ist der Delphi Campingplatz, der soll super sein und nicht weit entfernt von der weltbekannten Ausgrabungsstätte.

Wir fahren keine Mautstraßen mehr, kommen aber trotzdem sehr gut voran. Die Straßen sind erwartungsgemäß hervorragend, die Landschaft immer noch beeindruckend. Wir wollen, da wir gut im Zeitplan sind, eine kurze Lunchpause machen. Das da sieht so aus, als könne man da gut halten. Ein schmaler Schotterstreifen neben der Straße, eine wackelige Bank mit Tisch und im Hintergrund steht eine Schaufensterfigur und überblickt die Szenerie.

Kunst am Picknickplatz

Ich trinke eine kalte Limo und Jutta zaubert was Leckeres zu essen. Wir haben noch Reste von gestern Abend, von Manoli. Das muss nur schnell in der Pfanne aufgewärmt werden. Ein Streuner legt sich zu mir an die Bank und nach dem schnellen Lunch geht es auch schon weiter. Bis auf eine alte, verlassene Tankstelle, wo natürlich ein paar „Lost Places“ Fotos geschossen werden, sehen wir nur grandiose Natur und Berge und hier und da ein paar verschlafene Dörfer. Dann sind wir schon fast da und durchqueren den schönen Ort Arachova. Dort sieht man auch noch einige Touristen, volle Restaurants und Bars und diverse Boutiquen und Hotels. Aber wir wollen zum Delphi Camping. Nach ein paar Kilometern und schönen Kurven sehen wir den Wegweiser.

Die Schranke ist unten, Jutta geht zur Rezeption und ich warte bei LEMMY. Die Schranke öffnet sich und ich werde vom niederländischen Betreiber rein gewunken. Zu Fuß suchen wir einen geeigneten Stellplatz und das ist gar nicht so einfach, denn es gibt mehrere Möglichkeiten. Hier in der Nähe vom Pool? Oder da runter, da ist weniger los als hier oben. Die Aussicht ist von überall fantastisch. Man steht hier direkt an der Bergabbruchkante, vor dem Runterfallen durch einen Holzzaun geschützt. Mit einem Blick bis über die Bucht von Korinth. Und das alles mehr oder weniger beschattet von Pinien. Auch einige Offroader sehen wir. Die Sonne geht schon unter und dann finden wir den einen Platz, der soll es sein.

Aussicht – unbezahlbar!

Zwischen einem Wohnmobil und einem Auto mit einem aufgebautem Zelt. Der Blick ist unbeschreiblich und in wenigen Tagen schreibe ich hier, am besten und schönsten Schreibtisch der Welt, mit Blick auf die Bucht von Korinth, ALBANIEN Chapter I. Nach einem oder zwei kalten Bieren aus dem Kühlschrank und dieser wahnsinnigen Aussicht gehen wir glücklich und erschöpft zu Bett.

Natürlich hatte ich längst meinen traumhaften Standpunkt via Facebook und Instagram mitgeteilt. Prompt kam von meiner Freundin Maddi die Frage, ob ich denn das Orakel befragt hätte, was der morgige Tag bringt. Noch nicht, schreibe ich ihr zurück, wir waren ja noch gar nicht dort. Aber ich werde das Orakle von Delphi befragen, wenn du es wünscht.

Wir machen ein kleines Müslifrühstück, etwas Saft und jeder seine zwei Becher Kaffee. Dann wollen wir die Wanderung zur Ancient City machen. Man könne auch den Bus nehmen, aber wir wollen wandern. Eine gute Stunde ca. soll es dauern bis zur Sehenswürdigkeit. Bei uns dauerte es länger.

Nicht weil wir zu langsam waren, sondern weil wir während unseres Aufstiegs, erst entlang an einem schönen Kanal, dann auf einem breiten, steinigen Pfad, umgeben von goldgelbem, trockenem Gras und vereinzelten Bäumen, plötzlich Jemandem begegneten. Der Weg war bereits steiler und weniger breit geworden, da kamen uns Sandra und Lars entgegen. Ihr seit doch die mit dem Offroadcamper, oder? Wir stehen drei Plätze weiter neben euch. Ja genau, die sind wir. Wir plaudern etwas, hören, dass uns noch ein ganz gutes Stück bergauf bevorsteht, nicht nur bis zur historischen Stätte, sondern auch dort noch, wenn wir bis zum Stadion hoch wollen. Na klar, wollen wir! Lars, unser Schwager, hat gesagt, da ist die Aussicht umwerfend. Wir verabreden uns für den späten Nachmittag auf ein Bier und eine LEMMY Besichtigung. Dann gehen wir weiter bergauf. Sandra und Lars machen sich an den Abstieg zurück zum Camp. Etwas ausgepowert kommen wir im Ort an, jetzt noch ein kleines Stück an der Straße entlang. Zum Glück nicht mehr so steil hoch und dann sehen wir schon den Eingang und den Ticketschalter. Ich habe schon ein Lokal für den Rückweg ausgespäht, für eine kleine Stärkung und ein großes Bier. Bestimmt werden wir durstig sein, wenn wir Delphi besichtigt haben. Maske auf, in „Line“ anstellen und Tickets kaufen. Eine Karte mit den eingezeichneten Bauwerken gibt es auch dazu. Es ist verhältnismäßig wenig los, ich kann fotografieren ohne andere Leute im Bild zu haben. Das ist fantastisch. Schnell sind wir fasziniert von den alten Ruinen.

Da das Theater, dort der große Tempel. Viel ist nicht mehr übrig von den Bauwerken, doch in der Fantasie erwacht alles zum Leben und ich stelle mir vor wie es wohl war damals, in dieser Zeit zu leben. Beschwerlich wird es gewesen sein, wenn ich an all den Luxus denke, den wir heute haben.

Ich erinnere mich an Prof. Prof. Dr. Dr. Dr. Lederer an der FH Rosenheim, wo ich das Vergnügen hatte 3 Blöcke von jeweils vier Wochen in Architekturstilkunde und anderen theaterrelevanten Themen unterrichtet zu werden. War dies dort gerade eine dorische Säule? Das die Römer aber den Rundbogen und das Kuppeldach entwickelt haben und damit viel größere und beeindruckendere Gebäude bewerkstelligen konnten als alle Anderen, das wusste ich noch. Aber wo zum Teufel ist das Orakel von Delphi?

Wir sind schon fast oben beim Stadion und ich möchte schon jemanden fragen, aber Jutta ist das immer peinlich und darum lasse ich es mal lieber. Eine Zeitmaschine wäre toll, denke ich bei mir. Dann würde ich mir direkt mal anschauen, wie es da wohl zu ging, 800 vor Christi. Wir erreichen das Stadion und der Ausblick ist ganz schön, nicht so berauschend wie ich erwartet hatte, aber auf jeden Fall Zeit für eine kurze Pause und ein Blick auf die Karte.

Eigentlich doch ganz beeindruckend, oder?

Wo ist das verdammte Orakel? Ich gehe nicht hier weg ohne das Orakel gesehen zu haben. Karten sind Juttas Ding, also sucht sie danach. Finden wird sie es nicht. Das steht hier nicht mit drauf. Aber die Frau an der Kasse hat doch gesagt, weiter unten an der Straße kann man auch noch was sehen. Dafür braucht man gar kein Ticket. Ach ja, stimmt. Dann nix wie los. Wir verlassen die kostenpflichtige Kultstätte und gehen die Straße entlang, die wir zuvor mit LEMMY zum Campingplatz entlang gefahren sind. Da habe ich aus dem Auto auf dem Hinweg schon was gesehen, fällt mir ein. War das evtl. das Orakel? Nur ein paar Fußminuten und wir sind an einem Wegweiser, der nach unten weist. Kein Mensch hier, kann das stimmen? Es ist später Nachmittag, die Touristen sind fast alle durch. Wir gehen abwärts. Erst eine Treppe, dann ein Weg, der sich serpentinenartig schlängelt. Und dann ist es da, das Orakel von Delphi. Es sieht beeindruckend aus in dieser Bergkulisse. Drei mächtige Säulen stehen noch in diesem magischem Kreis und mir wird klar, ich habe noch eine Aufgabe.

Gefunden!

Der Rückweg führt wieder die Straße entlang zum Ort. An einer Quelle füllen wir unsere Wasserflaschen auf und dann kehren wir ein in das Lokal mit der schönen Aussicht, was ich auf dem Hinweg schon ausgemacht hatte. Wir bestellen ein großes Bier, eine Homemade Limonata und Moussaka. Gestärkt und glücklich über diesen wunderbaren Tag machen wir uns an den Abstieg. Am Camp angekommen fällt uns ein, dass wir noch Besuch bekommen. Also schnell etwas aufräumen und dann auf die Terrasse setzen und den Ausblick genießen.

„Hey, wie war’s denn? „, schallt es von hinten. „Hey, super war es. Wir waren bis ganz oben beim Stadion und bis unten zum Orakel!“ Sandra und Lars waren da. Wir kommen ins Plaudern und gucken uns den Camper an. Jutta mit Sandra innen, Lars und ich außen. Danach umgekehrt, ich aber bleibe draußen. Wir erfahren, dass Lars auch gerne so was hätte wie wir, aber Sandra wollte erstmal ein Wohnmobil. Seit März erst haben sie ihre „Schrankwand“, wie sie ihr Mobil liebevoll nennen. Ich habe immer mehr den Eindruck, sie denken tatsächlich über eine Veränderung nach. So begeistert scheinen sie zu sein von LEMMY und von dem was wir erzählen, was so alles geht und was wir bisher so gemacht haben. Wir sind eigentlich keine typischen Wohnmobilcamper, sagt mir Sandra immer wieder. Wir wollen frei stehen und reisen und das geht mit dem Riesending nicht so gut. Das haben sie in den 6 Monaten schon festgestellt. Ihr könnt da weiter fahren, wo wir umdrehen müssen, bemerkt sie zu Recht. Ja, das stimmt, erwidere ich, um sie zu ermutigen eine Veränderung zu wagen. Dann tauschen wir noch einige Erfahrungen und Tipps aus.

„Zum Abschied sehen wir uns morgen früh sicher noch. Wir müssen uns leider schon auf die Heimreise machen.“ Sie werden uns weiter auf Instagram verfolgen, versichern sie. Sandra ist in Kavala in Griechenland geboren und wir können uns jederzeit bei Problemen melden. Sie spricht fließend griechisch, obwohl sie schon als Kind mit den Eltern nach Deutschland emigrierte. Wir tauschen unsere Kontaktdaten aus und sind dankbar für die angeboten Hilfe in der Not.

So, da war ja noch was. Ich musste das Orakel befragen, wie der morgige Tag wird. Aber wie stelle ich das an? Wie befragt man einen Steinkreis? Ein Orakel? Ich ging einmal links rum, dann einmal rechts rum, kratze mich am Kinn. Dann lief ich nach vorne, da wo ich annahm, das vorne ist. Also so, dass ich auf die drei mächtigen Säulen blickte. Ich fokussierte und konzentrierte mich. Vorher bat ich Jutta mich eine Weile in Ruhe zu lassen, schließlich musste ich eine Verbindung herstellen. Sie saß im Schatten auf einer Bank und ließ mich machen. Ich schaute nur auf die drei Säulen, blendete alles andere aus.

Wie damals, als es diese dreidimensionale Bilder gab, in den 90er Jahren, glaube ich. Man sah erst nur Muster und Linien. Doch wenn man versuchte hindurchzuschauen, dann plötzlich sah man es, den Haifisch, der aus dem Wasser sprang oder den Tyrannosaurus Rex, der mit seinem großen Maul den Säbelzahntiger jagte. Oder man sah es nicht. Es war nicht jedem gegeben diese 3 D Bilder zu entschlüsseln. Und ganz genau so ist es mit Orakeln, besonders mit dem von Delphi. Nicht Jedem ist es gegeben eine Verbindung zu knüpfen. Nicht Jedem, nicht Jedem…nicht Jedem…..Ich schaue in Leere, wie vor 30 Jahren in diese dreidimensionalen Bilder, schaue durch die drei Säulen, schaue durch sie hindurch, auf die Berge dahinter, auf die Wolken darüber, auf die Bäume am Hang, schaue auf die untergehende Sonne, ich schaue ins Nichts, ins Nichts….und dann ist sie da, die VERBINDUNG und ich sehe ALLES.

Am nächsten Tag ist uns schon klar, das wir hier länger bleiben als geplant. Wir wollen Wäsche machen, ich will schreiben an meinem nächsten Kapitel, was in der Regel eine Nachtschicht bedeutet. Wir wollen die erstklassigen sanitären Anlagen ausgiebig nutzen. Wir wollen diese fantastische Aussicht und die grandiose Atmosphäre von diesem Ort auskosten. Oder einfach gesagt, einfach mal abhängen und chillen. Den Pool haben wir ganz vergessen zu nutzen und an die Bucht von Korinth sind wir auch nicht mehr gewandert. Mittlerweile hat ein Kreuzfahrtschiff dort angelegt und wir sind froh, vorher Delphi besucht und auch das Orakel befragt zu haben. Ich habe Maddi natürlich sofort eine Instagram Nachricht geschickt. „@maddi…, du wolltest wissen, wie der morgige Tag wird und ich habe das Orakel befragt und sogar noch mehr erfahren:

Das Orakel hat orakelt!

Die Sonne wird aufgehen und wieder untergehen. Die Gezeiten werden sich vollziehen. Auf Regen folgt Sonne und die Sterne werden den Himmel hell erleuchten, andernorts verdunkeln Wolken die Pracht des Nachthimmels. Festivals werden wieder stattfinden und in Innenräumen werden Konzerte gespielt. Reisen in ferne Länder werden möglich sein, ohne Beschränkungen und die Menschen werden tanzen, lachen und singen. Bier und Wein wird fließen in Strömen und Frohlocken wird all überall erklingen. Die Fußballweltmeisterschaft 2022 wird ……….. gewinnen (das Orakel hat’s mir verraten, aber ich will dir nicht die Spannung verderben oder mir Ärger mit den Buchmachern einhandeln) und es wird ein Mittel gegen den Kater erfunden werden.

Mehr habe ich nicht erfahren, danach war Stille. Aber ich darf wiederkommen, eines Tages. Dann werde ich alles erfahren was ich wissen will. So hieß es an jenem Tag beim Orakel von Delphi.

Den kommenden Abend will ich an meinem Blog arbeiten, an Albania Chapter I. Ich bin leider immer viel zu sehr hinterher.

(Notiz am Rande: jetzt am 28.10.2021 in der Nacht, sitze ich in Tiflis, auf einem Parkplatz an der Public Service Hall, auf dem wir für ca. eine Woche stehen werden, arbeitend an Greece Chapter II, d.h. ich arbeite in Georgien noch an Griechenland, die Türkei muss ich noch nacharbeiten, das erste Mal also zwei Länder voraus) Aber an diesem milden Abend, in dieser klaren Nacht, mit dem besten Schreibtisch, den man sich nur vorstellen kann, will ich das Kapitel Albanien fertig stellen. Bier auf den Tisch, eine volle Kanne mit heißem Tee, Kerzen und Lampen an und ich haue in die Tasten. Gegen Morgen, nach etlichen Bieren und der Kanne Tee bin ich fertig.

Der beste Scheibtisch der Welt!

Jetzt können wir weiterreisen nach Meteora… Nur noch vorher ausnüchtern.

Wieder on the road, wissen wir abermals, wo wir abends stehen wollen. Auf dem Campingplatz Vrachos Kastraki bei den Meteora Klöstern. LEMMY bekommt unterwegs endlich mal eine professionelle Wäsche, die wir in Griechenland echt lange suchen mussten. In Albanien noch an jeder Ecke “ Lavash“, wurde es in Griechenland zu einer echten Aufgabe eine Waschmöglichkeit für größere Fahrzeuge zu finden. Da wir keinen Zeitdruck haben, kaufen wir ausgiebig im Supermarkt ein und lassen das Auto waschen.

Schaumbad für LEMMY

Dann geht es zu den Klöstern. Das was wir hier zu sehen bekommen, wird schwer zu beschreiben sein. Aber erstmal Check In auf Vrachos Kastraki. Der CP ist relativ voll für die Nebensaison. Schnell wissen wir warum, hier ist an diesem Wochenende eine Klettermesse. Überall Stände mit Equipment für Bergsteiger, Freeclimber und eine Bühne für Filmvorführungen und Vorträge. Wir finden trotzdem noch einen guten Platz recht weit vorne in der Nähe des Pools und des Restaurant mit dem netten Biergarten und großem Barbecue Grill. Und mit dieser Aussicht auf die Felsen. Das sind keine Berge, das sind riesige Trolle die auf uns hinab schauen.

Blick vom Campingplatz

Der eine dort, grinst mich böse an. Hier gibt es alles an Campern, was man sich so vorstellen kann. Direkt neben mir ein riesiger LKW, ich schätze der kostet eine halbe Million. Gegenüber zwei VW Busse, ich kenne mich nicht gut aus, vielleicht T3 oder T4? Weiter hinten entdecken wir bei unserem Rundgang ein paar kleine, offene Geländewagen. Die einfachste Art zu reisen. Wenig Gepäck, kleines Zelt.

Wiedermal ein Offroadtreffpunkt!

Schräg vor uns auch, ein Motorradfahrer aus Frankreich, mit kleinem Zelt. Der Rucksack und das Gepäck bleibt draußen stehen. Niemand überschreitet diese imaginäre Linie der Privatsphäre des Anderen. Das fällt mir besonders hier auf bei dem Motorradfahrer, der sein gesamtes Hab und Gut am Platz zurücklässt. Wir fühlen uns auf Anhieb wohl. Nachdem wir uns eingerichtet haben und draußen beim Bier das Angekommensein zelebrieren, kommt jemand auf uns zu.

Wir schauen ihn an. Er schaut uns an. Dann: “ I have the Sprinter!“ Ich denke mir: „Das ist ja schön und was soll mir das sagen? Jutta schaltet zum Glück, ich schnalle nicht was los ist. Er spricht auch nicht sehr gut englisch, ähnlich schlecht, wie ich selber. Aber er hat einen spanischen Akzent (einen argentinischen genaugenommen). „Ach!“, sagt Jutta, „Bist du Dandovueltas von der kleinen Schleppfähre in Albanien, wo mama_en_ruta uns zufällig gefilmt hat, als wir auf die Fähre fuhren? „Yes, that’s me.“ Wie klein ist die Welt, denken wir uns und unterhalten uns über die Pläne in die Türkei zu fahren und nach Georgien oder in den Iran und so weiter. Irgendwie sind wir überrumpelt und doch glücklich über diese schöne, erneute Begegnung. Das wir uns in Istanbul und in Kappadokien wieder begegnen sollten, dass ahnten wir noch nicht.

Schattiger Campground in phantastischer Kulisse

Was den Mittagsschlaf angeht, sind wir frei von Uhrzeiten und unabhängig von gängigen Normen. So legen wir uns noch ein Stündchen hin und machen uns „Die drei ???“ an. Dann klopft es an der Tür. Steh du auf. Nee du. Ich stehe auf und zieh mir schnell was über. Dann öffne ich die Tür. Draußen steht Helmut, der fragen will, ob er unseren LEMMY fotografieren darf, weil sein Nachbar sich genau das gleiche Auto wie Unseres bestellt hat. Na klar, kein Problem. Jutta ist mittlerweile auch angezogen und sie liebt es LEMMY zu präsentieren. Hier geschaut, da geschaut. Schnell entwickelt sich ein äußerst angenehmes Gespräch und wir verabreden uns für den Abend bei uns. Helmut ist mit Kathrin unterwegs, seiner Frau. Er fährt einen California VW Bus, auch mit Allrad. Nach dem Essen kommen sie dann zu uns, zwei Biere haben sie nur noch, die bringen sie auch mit. Wir sitzen zusammen bei Kerzenschein und unterhalten uns prächtig. Beide sind uns sofort total sympathisch und so endet der Redefluss nie. Schon am Nachmittag kamen wir auf das zu sprechen, was Jutta und ich schon erlebt hatten und was unsere Pläne sind. Dabei erwähnte ich wohl auch meinen Blog. Als er dann mit Kathrin am Abend zu uns kam, da hatte er schon einen Teil meines Blog gelesen und war begeistert. Das freute mich natürlich riesig, da ich bisher wenig Feedback erhalten habe. Von Jutta ernte ich meistens Kritik, das ich zu viel in den Zeiten hin und herspringe und dies und das ist nicht so gut….aber Helmut hat mich aufgemuntert und gesagt, ich schreibe nah am Menschen, er könne mein Dilemma in der einen oder anderen Situation nachfühlen, miterleben, wie ich mich fühle. Das hat mir gut getan und ich wollte etwas mehr davon. Und für dich Helmut schreibe ich hier, weil du mir das gibst, was mich zum weitermachen motiviert. Ich verstehe jetzt auch die jungen Schauspieler, die ihr ganzes Herzblut geben um auf der Bühne zu stehen. Um für das Publikum zu spielen, nicht für Geld, denn die meisten jungen Theaterschauspieler verdienen sehr wenig. Sie spielen für euch, für die Gäste, für das Publikum, für den Applaus. Aber nicht nur für das Klatschen. Der Applaus muss von Herzen kommen und das spüren sie und das spüre ich, wenn Helmut sagt: „Da hast du mich mitgenommen. „

Ich weiß nicht genau wie, aber irgendwann kamen wir wohl am Nachmittag auf heikle Situationen zu sprechen und ich vertröste Helmut auf den Abend. Jaja, da haben wir schon was erlebt in Albanien. Das berichte ich dir später, versprach ich ihm. Und nun, nachdem die Biere geleert waren, bei Kerzenschein und neuen Bieren, die ich immer in ausreichender Menge an Bord habe, da fragte er nach.

„Was ist denn da passiert in Albanien, vor ein paar Wochen?“ Und da bat ich Jutta um einen großen Gefallen und sie erfüllte ihn mir. „Kannst du bitte die Kukes – Geschichte vorlesen? Ich würden so gerne sehen, wie es auf Andere wirkt. Ich würde es so gerne selber mal vorgelesen bekommen, um zu sehen wie es auf mich wirkt.“ Sie zögerte etwas, sagte dann aber ja. Sie las vor, was wir erlebt haben, was ich aufgeschrieben habe und ich fand toll, es mal aus dieser Sicht des Zuhörers wahrzunehmen. Noch besser fand ich zu sehen, wie Helmut und Kathrin erlebten, was gerade vorgetragen wurde. Das Feedback, das ich in dieser Nacht bekommen habe, das macht es aus, deswegen schreibe ich noch immer und immer wieder. (Notiz am Rande: Es ist 3:20 Uhr in der Nacht in Tiflis und ich bin noch lange nicht fertig!) Für Helmut und alle Helmuts der Welt. Für euch und für mich schreibe ich diesen Blog.

Wie soll man da raufkommen?

Heute ist der Tag der Klöster. Immer schon habe ich mich gefragt, wie kommen die da überhaupt hoch? Ich kannte Bilder von Meteora und dachte, wie geht das? Noch auf Naxos dachte ich, wir werden Treppen steigen müssen bis zur Erschöpfung. Nee, müssen wir gar nicht. Wir können da hochfahren, mit dem Auto. Treppen steigen müssen wir trotzdem, auch bis zur Erschöpfung, aber lange nicht so wie ich erwartete. Es ist tatsächlich wirklich schwer zu beschreiben was wir hier zu sehen bekommen. Es ist einer der beeindruckendsten Orte, die ich je besucht habe. Und das wird nicht das letzte Mal sein auf dieser Reise, dass es mir so ergeht. Rückblickend von hier (aus Tiflis) denke ich mal wieder: Was soll jetzt noch kommen? Was soll das noch überbieten? Und jedes Mal wieder lehrt mich die Erde, der Planet, die Natur, wie klein der Mensch ist.

Wir fahren alle sechs Klöster ab, besuchen drei Klöster von innen und sind am Ende sprachlos und überwältigt von der Schönheit und der Pracht und der Erhabenheit dieses Wunders der Menschen und der Natur.

Am nächsten Tag müssen wir uns von Helmut und Kathrin verabschieden. Ihre Reise nähert sich dem Ende. Sie fahren einen Teil unserer empfohlenen Route durch Albanien zurück nach Hause. Alles können sie nicht fahren, mangels verfügbarerer Reisezeit. Aber eines ist klar, wir werden uns wiedersehen. Ein Platz in seiner Einfahrt ist immer für uns frei. Wir bleiben in Kontakt, immer mal wieder höre ich von Helmut, wo er gerade ist in Albanien oder sonst wo auf der Rückreise. Und auch jetzt noch stehen wir in engem Kontakt und ich bin sehr glücklich über die Begegnung mit diesem Menschen.

Ein Tag am Pool, warum eigentlich nicht? Wir haben doch Zeit. In dieser Kulisse, umgeben von den ganzen Trollbergen. Wir müssen eh langsam mal umschalten, von Urlaub auf traveln. Das ist ein Unterschied, da komme ich später noch drauf zurück. Heute also nix außer Pool, Sudoku, lesen, essen und abhängen.

Doch auch dieser Tag sollte anders verlaufen. Ich bin zuständig dafür, den Pee Tank zu entleeren und da es an der Zeit war, machte ich mich auf den Weg zum Klo. Es ist nur Pee, kein Chemiezeug oder so. Da fuhr ein großer Overlandertruck an mir vorbei und verließ den CP. Ich berichtete Jutta davon, dass benny_goes_overland grade an mir vorbeigefahren ist. „Den kennen wir von den Albanien You tube – Videos“, sagt Jutta, „die haben wir alle gesehen, ist ja witzig. Ich schreib den mal an!“ Er reagiert prompt und steht nachmittags neben uns. Am Abend trinken wir zusammen ein Glas Wein bei uns und wundern uns nicht mehr darüber, das man ja zu nichts kommt beim Reisen, weil immer was dazwischen kommt.

Als wir dann auch hier soweit sind, diesen mystischen Ort zu verlassen, wissen wir noch nicht, wo wir die Nacht verbringen werden. Das Ziel ist Istanbul. Aber wir werden noch eine Nacht in Griechenland verbringen müssen, weil Istanbul einfach noch zu weit weg ist. Die Strecke, die wir wählen geht meistens dicht oder sogar direkt an der Küste entlang. Es geht durch Berge auf und ab, dann wieder ist die Ägäis zu sehen, mal wieder eine tote Tankstelle und ein Stück abgebrochene Straße. Jutta findet den (laut park4night) schönsten Campingplatz in ganz Griechenland. Wow, da fahren wir hin, das klingt gut. Es gibt zwei Campingplätze, die den Namen für sich beanspruchen. Beide sind nebeneinander. OK, wir sehen vor Ort welchen wir nehmen. Als wir ankommen ist es nicht so einfach. Zwei Damen winken uns rein, die Eine links rüber, die Andere rechts rüber. Die Attraktivere wirbt für links, Jutta entscheidet sich für rechts. Ich fahre rechts rein. Der Campingplatz hat Strom und Wasser an jedem Stellplatz, ist überdacht mit schattenspendender Plane und eingezäunt zur Sicherheit. Aber ich fühle mich wie ein Gefangener. Die sanitären Anlagen sind gut und Wifi ist auch da. Der Strand von Nordgriechenland ist vor der Tür. Aber der schönste CP von Griechenland? Ich bin mega enttäuscht und lasse es an Jutta aus, obwohl sie nichts dafür kann. Wir haben uns beide hierfür entschieden. Sie ist nicht schuld, dass die Beschreibung, für meinen Geschmack mal echt für’n Arsch war. Wir lieben es naturnah und einfach. Strom und Wasser am Platz muss nicht sein. Lediglich die Sanitäranlagen sollten möglichst sauber sein. Ich denke mir nur: „Wer macht solche Posts? Der schönste Campingplatz von Griechenland? Dann müsste man aber schon eine ganze Menge Campingplätze gesehen haben.“ Ich nehme mir vor nicht mehr so ohne Weiteres auf die Bewertungen bei park4night zu vertrauen. Am nächsten Tag reisen wir ab, nur Wasser auffüllen, Grauwasser ablassen und nix wie weg….

Jetzt hab ich die Schnauze voll von Campingplätzen und will freistehen. Bis Istanbul kommen wir immer noch nicht in einem Rutsch. Also fahren wir erstmal drauf los und sehen dann, wo wir übernachten werden. Wir kommen der Grenze näher und sind schon ziemlich lange unterwegs. Irgendwann denken wir, dass es ganz gut wäre bald mal einen Platz auszukundschaften. Wir fahren einen Küstenabschnitt auf und ab, gucken hier und da. Nee, hier fühl ich mich nicht wohl. OK fahren wir weiter. Wie ist es hier? Weiß auch nicht, nicht so gerne. Wir fahren weiter und dann finden wir eine einsame Abfahrt und eine schmale Passage direkt ans Meer. Hier ist es perfekt. Hier bleiben wir. Die Sonne geht bereits unter.

„Sieh mal, da hinten. Da stellt sich noch einer hin, ein Van aus Deutschland!“ Nun fühlt sich Jutta noch wohler. „Bevor es dunkel wird gehe ich noch etwas Müll sammeln, wenn du das essen machst!“, sage ich zu Jutta. Mit Greifer und Mülltüte gehe ich los und eine Spaziergängerin spricht mich an. Dies sei ihr Hausstrand und sie mache das auch dauernd mit dem Müll sammeln, weil sie hier immer schwimmen geht, erzählt sie mir. Aber der Müll ist immer da. So verstehe ich es jedenfalls. Aber ich habe auch den Eindruck, dass sie es sehr begrüßt, dass ich als Fremder hier einfach so Müll sammle.

Jetzt denke ich wieder an die kleine Sophie, mit der ich in Albanien Müll sammeln war. Sie fragte mich: „Warum machen die Menschen das?Warum schmeißen sie den Müll einfach so weg?“ Ich konnte ihr keine vernünftige Antwort geben, war überfordert mit dieser Frage. Ich wusste keine Antwort und dachte jetzt erneut darüber nach, während ich Müll vom Strand einsammelte.

Vielleicht liegt es daran, dass es hier keine Infrastruktur gibt, keine Müllabfuhr, die jeden Donnerstag die Mülltonne leert. Vielleicht liegt es daran, dass die Menschen hier nicht von klein auf lernen, dass es falsch ist, den Müll einfach wegzuwerfen. Vielleicht wissen sie auch nicht was Mikroplastik ist, denn auch mir ist es jetzt erst so richtig klar geworden, was das ist. Und ich komme aus Deutschland. Reich und gebildet sind wir, denken wir, denke ich. Na klar war mir Mikroplastik ein Begriff. Ich kannte das aber nur aus dem Fernsehen. Jetzt, wo ich hier am Strand von Griechenland oder Albanien oder sonst wo Müll einsammle und die Plastiktüten, die ich greifen will, sich in Millionen kleiner Stücke auflösen und in alle Winde verteilen, da wird mir erst richtig klar wie ernst und bedrohlich die Lage wirklich ist. Das alles fliegt wieder zurück ins Meer, die Fische fressen es oder es lagert sich ab auf dem Meeresgrund und richtet sonst was an.

Warum die Menschen das tun, das kann ich immer noch nicht mit Gewissheit beantworten, vielleicht aus Unwissenheit, vielleicht auch aus Verzweiflung oder weil sie resigniert haben, weil es für sie keine andere Lösung gibt? Tausend Gedanken gehen mir durch den Kopf und ich bin deprimiert, weil ich der kleinen Sophie von der Defender Family keine angemessene Antwort auf ihre Frage geben konnte. Sind die Menschen nun dumm, oder egoistisch, unwissend, verzweifelt oder ignorant? Ich weiß es noch immer nicht. Ich weiß nur eins, es ist ein globales Problem und kein Land der Welt kann es allein lösen. Wenn Deutschland seinen Müll nach Fernost oder Afrika verschifft ist das keine Lösung. Wenn Müllhalden und Autoreifen einfach abbrennen ist das keine Lösung. Wenn nicht alle Staaten der Erde sich diesem Problem annehmen, dann gibt es keine Lösung. Ich wünschte, ich hätte der kleinen Sophie vor Wochen in Albanien eine klügere Antwort geben können, als ich es damals getan habe.

Dann kommen mir noch andere Gedanken. Erstaunlich, was so in einem passiert, wenn man so ganz bei sich ist. Wenn man einfach nur darauf konzentriert ist Müll zu sammeln. Die Erfahrung habe ich vorher schon gemacht. Man kann einfach nicht mehr aufhören, denn man findet immer noch was und denkt sich so: „Nur das noch, dann ist Schluss!“ Aber dann ist hier noch was und da noch was und so weiter…

Aber was ich eigentlich sagen wollte, ich wundere mich darüber, dass noch niemand gefragt hat: „Warum steht da auf eurem Truck THE WÖRLD IS YOURS?“ Das ist schließlich unser Motto. Das Interesse an unserem Fahrzeug ist groß, immer wieder kommen Leute und wollen LEMMY fotografieren oder mal rein schauen. Das freut mich auch sehr, aber ich denke mir immer wieder, warum will niemand wissen, weshalb wir da THE WÖRLD IS YOURS stehen haben. Wir haben uns was dabei gedacht. Ich hatte mir schon Antworten überlegt, wenn mal jemand fragen sollte.

Die erste Antwort wäre natürlich: Motörhead hat eine LP mit dem Titel THE WÖRLD IS YOURS und wir lieben Motörhead und LEMMY. Nach Mr. Kilmister haben wir ja auch unser Auto getauft. Aber das ist längst nicht alles. Mit THE WÖRLD IS YOURS wollen wir noch mehr sagen, als dass wir Metal – Fans sind. Wir wollen damit auch ausdrücken, dass die Welt uns allen gehört, unabhängig von Religion, von Hautfarbe, von Geschlecht, von sexueller Orientierung, von unseren Ansichten und Meinungen. Wir sollten uns überall auf der Welt als Gast fühlen, uns auch so verhalten und natürlich gilt das für jeden von uns. Wir sollten unseren Planeten als unser aller Zuhause sehen und ihn nicht durch unser Handeln noch mehr verschmutzen und damit langsam aber sicher zerstören. Wir schmeißen doch auch keinen Müll in unseren Garten, nicht vor unsere Haustür. Egal wo du bist, egal wer du bist und egal wann du bist, fühl dich zu Hause und verhalte dich so. Diese Botschaft würde ich so gerne rüberbringen. Natürlich kann man nie alles richtig machen, ich muss mir vorwerfen lassen mit einem dreieinhalb Tonnen schwerem Dieselfahrzeug durch die Welt zu fahren. Trotzdem versuche ich meinen kleinen Teil dazu beizutragen die Welt etwas besser zu machen. Und wenn es nur ist, dass ich gelegentlich Müll sammle und den Platz sauberer hinterlasse, als ich ihn vorgefunden habe.

Jutta benutzt Zahnpasta in Tablettenform, macht unser Deo, unser Waschmittel, Spülmittel und noch manches mehr selber. Wir benutzen feste Seifen zum Duschen und Haare waschen. So können wir auf viel Plastikverpackungen verzichten. Sie kauft Sachen möglichst unverpackt, auch auf Reisen haben wir unsere Beutel dabei und können meist auf Plastiktüten verzichten. Manchmal wundern sich Verkäufer darüber, aber immer mehr Menschen verstehen es auch. Wir machen immer noch sehr viel falsch. Ich bin Motorrad gefahren, nur zum Spaß. Wir sind über eine halbe Million Kilometer geflogen um fremde Länder und Kulturen zu sehen. Und nun fahren wir mit LEMMY um die Welt. Das ist mir alles bewusst und die Kritik muss ich mir gefallen lassen. Ich will ja auch niemanden belehren oder mich als Maßstab aufspielen. Wer bin ich schon? Ich möchte nur das Bewusstsein etwas schärfen, vielleicht etwas zum Nachdenken anregen. Was kann ich selber tun um etwas zu verändern, zu verbessern? Ohne mit dem Finger auf Andere zu zeigen. Nur das und noch ein bisschen mehr will ich ausdrücken mit THE WÖRLD IS YOURS.

Cheers!

…und was als nächstes geschieht…

Türkei Chapter – one

…und wie ich dem Schuhputzer von Istanbul den Stinkefinger zeige…

Chapter 5 – Griechenland

…und wie ich das Geheimnis um das verlassene Bergdorf Skeponi lüfte…

Alle Grenzformalitäten sind erledigt und wir rollen über griechischen Asphalt, glatt und ohne Schlaglöcher. Es geht bergab. Was für ein Unterschied zu Albaniens Landstraßen. Mal sehen ob es bei der Qualität bleibt. Noch fahren wir gerade erstmal seit ein paar Minuten auf dieser Straße, trotzdem fällt es sofort auf. Es ist bereits später Nachmittag und wir wollen heute Nacht frei stehen, ohne Campingplatz. Der Wassertank ist fast voll, die Bordbatterie hat, seit wir Herr Nottebohm in Zadar verlassen haben, einwandfrei funktioniert. Und außerdem wollen wir seit den Erfahrungen mit dem Polarvux Team jetzt viel öfter frei stehen, wenn sich die Gelegenheit bietet. Nicht dauernd und nicht um jeden Preis, aber schon immer mal wieder. Wir wollen uns ja auch etwas abhärten. Obwohl sowas wie im Kreis Kukes in Albanien wollen wir nicht noch einmal erleben. Aber wenn wir uns nicht ganz unwohl fühlen, dann bleiben wir und sammeln Erfahrungen. HP hat uns einen guten Tipp mit auf den Weg gegeben. Erstmal einen Platz suchen, dann wieder weg fahren und irgendwo einen Kaffee trinken oder so und später zurück kommen, wenn nicht mehr so viel los ist und man weniger beobachtet wird. Wenn man früh schon irgendwo steht, ist die Chance natürlich größer von neugierigen Einheimische entdeckt zu werden. Kann manchmal sehr nett sein, aber eben auch manchmal sehr unangenehm.

Jutta hat natürlich auch bei park4night längst geschaut, was hinter der Grenze so geht. „Da geht ein Weg rechts runter, direkt zum Meer!“, sage ich. „Soll ich abbiegen?“ Nee, da kommt gleich noch was anders.“ Das sah aber total super aus dort, fand ich, sage es ihr auch, fuhr aber weiter. Dann kam der von park4night vermerkte Platz. Wieder ging es rechts runter, einen kleinen abschüssigen Schotterweg. Dann sah ich schon das Malheur. Mindestens sechs weiße Wohnmobile, der ganz vorne stand kam aus Nienburg. Ich sah sofort das NI Kennzeichen. Irgendwie guckt man doch immer zuerst, wo kommen die denn her? Ich wendete, fuhr direkt zurück und murmelte sowas wie: „Ich hab doch gleich gesagt der erste Abzweig sah super aus!“ und sowas in der Art, kriegte mich aber schnell wieder ein.

Freistehen kurz hinter der Grenze

So, da vorne gleich muss es sein. Links abbiegen und einen ähnlichen Schotterweg runter, dann einen Feldweg lang, vielleicht so 250 Meter, wieder links Richtung Meer und da waren wir. Am Meer. In Griechenland. Das ist Land Nr. 57 auf meiner persönlichen Weltkarte bereister Länder. Wir stehen auf einer ziemlich ausgetrockneten, von stacheligen Pflanzen und leider auch etwas Müll (aber kein Vergleich zu Albanien!) übersäten Fläche.

Private Beach
So schön!

Wunderschön ist es bei dem rötlichen Licht, das die langsam untergehende Sonne uns beschert. LEMMY wird ausgerichtet, Fotos gemacht, eine große Tüte Müll gesammelt und dann Tisch und Stühle raus. Jetzt ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank, Badehose an und die kleinen Campingstühle und ein Handtuch gepackt und dann ab ins Meer. Griechenland hat uns perfekt willkommen geheißen. Wären wir nicht mit Sonja und Lars am 04.09.2021 auf Naxos verabredet, würden wir sicher noch 2-3 Tage hier stehen bleiben, so traumhaft finden wir diesen Ort. Ich möchte aber nicht auf den letzten Drücker an der Fähre in Piräus sein, deshalb geht es nach nur einer Nacht weiter. Aber nicht ohne ein Bad nach dem Frühstück im Meer genommen zu haben. Wir markieren uns diesen Platz auf der Karte. Wer weiß wofür es gut ist?

Dann geht es weiter zum nächsten Übernachtungsplatz auf den Peloponnes. Da kann man gut frei stehen, weiß Jutta von Park4night. Nicht mal 2 Wochen alt sind die Einträge. Die Fahrt dorthin beginnt bald mit einem Ärgernis. Wir fahren Autobahn und müssen für unser Empfinden extrem viel Mautgebühren zahlen. Na was solls, jetzt ziehen wir das durch. Später werden wir Mautstraßen vermeiden, nehmen wir uns vor. Die Fahrt verläuft ein wenig langweilig und eintönig, bis wir zu dieser schönen Brücke kommen, die auf die Peloponnes führt. „Lass uns das mal filmen!“, sage ich zu Jutta. Das machen alle, die hier rüberfahren.

Dann beginnt die Suche nach einem Übernachtungsplatz. Erste Adresse aus der App, Pustekuchen. NO OVERNIGHT CAMPING! Na gut, der nächste Platz vielleicht. NO OVERNIGHT CAMPING! Die Schilder stehen auch bei den folgenden beiden Plätzen. Jetzt haben wir keinen Bock mehr. Jutta hat noch ein Ass im Ärmel. Es gibt einen Platz, da dürfen Camper stehen, der kostet aber etwas. Egal, hin da. Die Plätze, die wir davor gesehen haben, waren alle toll für eine gratis Übernachtung. Aber leider muss es wohl mit den Campern überhand genommen haben und die Verbotsschilder wurden aufgehängt.

Wir finden den kostenpflichtigen Platz, stehen auch hier direkt am Strand. Nur ein Zaun und ein Weg trennen uns vom Wasser. Tisch und Stühle dürfen hier nicht vor den Camper gestellt werden, weil es offiziell ein Parkplatz ist. So spart der Betreiber wahrscheinlich Steuern, umgeht die bürokratischen Hürden, die ein Campingplatzbetreiber erfüllen muss und wir können für wenig Geld trotzdem gut stehen. Für eine Nacht völlig in Ordnung. Ein kleiner Spaziergang über den Strand zu den Restaurants muss noch sein.

Mal wieder eine Bierprobe!

Nach einem leckeren Dinner und eisgekühltem Bier im gefrosteten Glas gehen wir schlafen. Cheers!

Am folgenden Tag (Donnerstag, 2.09.) erreichen wir Piräus. Wir stehen wieder auf einem Parkplatz, aber sehr nah am Hafen. Die nette Dame, die den Parkplatz betreibt, empfiehlt uns mit den Bikes Piräus zu erkunden. Genau das machen wir am Freitag, bevor es Samstag früh um 6.30 Uhr nach Naxos geht.

Zuerst schauen wir wo Terminal 7 ist, denn da müssen wir morgen hin, zur Blue Star Ferry. Check! Dann geht es weiter, immer außen an der Küste entlang, denn hier ist es meist flach. Nur gelegentlich kommt eine Steigung auf einen Hang, der dann aber mit tollen Ausblicken belohnt. Es gilt drei Buchten abzufahren. Den neuen Yachthafen, den alten Yachthafen und eine Restaurantpromenade. Was auffällt, die meisten Hotels haben eine sehr schiffsähnliche, maritime Architektur. Balkone erinnern beispielsweise an eine Reling, anderswo sehen Fenster aus wie Bullaugen.

Wir essen lecker zu Mittag am alten Yachthafen und fahren etwas querfeldein zurück, solange es nicht zu steil wird. Noch ein Bummel durch die Fußgängerzone und neue Schuhe für mich gekauft. Jutta ist der Meinung meine beiden alten Turnschuhe haben bald ihr Schuldigkeit getan. Auf dem Rückweg zum Parkplatz sehen wir zufällig, dass vor dem Theater eine Performance aufgeführt wird. Wir schauen etwas zu.

Corona- OpenAir-Theater

Ich freue mich besonders, weil es mich an mein Theater in Bremen erinnert und auch wir dort viel draußen auf dem Hof und vor dem Haus gespielt haben. Sogar im Theatergarten, in den Wallanlagen haben wir eine Bühne aufgebaut und Vorstellungen gegeben.

So geht ein schöner Tag in Piräus zu Ende und wir gehen sehr zeitig zu Bett. Der Wecker klingelt um 5:30. Nur eben Kaffee gekocht, Brote geschmiert, die Morgenhygiene erledigt und schon sind wir startklar. Die Rucksäcke hatten wir am Abend zuvor gepackt. Mal sehen ob das Tor vom Parkplatz aufgeht. Normalerweise öffnet es erst um 7:00 Uhr, aber wir haben angemeldet sehr früh zur Fähre zu müssen. Die nette Dame erklärt sich bereit etwas eher aufzustehen. Das sei eigentlich zu früh für sie. Sie gibt uns sicherheitshalber ihre Handynummer, falls sie verschlafen sollte. Dann können wir anrufen, damit sie das Tor rechtzeitig von Zuhause aus mit der Fernbedienung öffnet.

Sie hat nicht verschlafen und wir kommen pünktlich, eine Stunde vor Abfahrt am Terminal an. Wir werden direkt auf die Fähre gewunken, nachdem Tickets, Papiere und Impfnachweise gecheckt worden sind. Ab zu unseren reservierten Airline Seats und frühstücken mit unserem mitgebrachtem Kaffee und Butterstullen. Derweil verfolgen Sonja und Lars die Position unserer Fähre, da sie uns abholen wollen. Nach ca. 5 Stunden, zum Glück ruhiger Seefahrt (Jutta wird sonst immer seekrank), kommen wir in Naxos an. Kurz bevor wir ins Auto steigen, schauen wir uns das Einlaufen in den Hafen oben von Deck an. Wundervoll die ganzen weißen Häuser von Naxos dort am Hang.

Naxos-Stadt

Schnell ging es rein in den Bauch des Schiffes, langsam nur wieder raus. Endlich sind wir dran. Mannomann, was für ein Gewusel! Überall Fußgänger, eine sich langsam bewegende Autoschlange, dahinten Wartende mit Schildern, die in die Luft gehalten werden.

Wo sind Sonja und Lars? Da vorne, ich sehe sie! Sonja filmt unsere Ankunft, super. Ich kann nicht anhalten, fließe einfach mit, bis ich eine Möglichkeit entdecke. Dort steht ein Lieferwagen in zweiter Reihe, da stelle ich mich kurz hinter. Sie werden uns schon gefolgt sein, ging ja eh nur Schrittgeschwindigkeit. Jo, da kommen sie. Schnelle Begrüßung, Sonja und Jutta hinten in die Kabine, Lars zu mir nach vorne auf den Beifahrersitz. Yes, jetzt sind wir da. Ich soll mit nach den kleinen, rechteckigen Flughafenwegweisern schauen, in die Richtung müssen wir fahren. Ok, geht klar. Mist, war da nicht gerade ein Schild, wo ich hätte rechts abbiegen müssen? „Ja, shit!“ sagt Lars. „Hab ich verpennt. Macht aber nichts, wir können auch hier weiter fahren. Da unter der Brücke kommst doch durch, oder?“ Nee, 2,75m steht da. Ich bin knapp unter 3,00 Meter hoch.

Mist, jetzt ist schnelles Handeln angesagt. Ich habe Gegenverkehr und die Straße ist zu schmal zum Wenden, also schnell Warnblinklicht an und Rückwärtsgang rein. Hinter mir ist zum Glück noch keiner, wollen alle weiter Richtung Flughafen, scheint es. Langsam und konsequent bahne ich mir den Weg. Die Kreuzung kommt, wo ich hätte abbiegen müssen. Ich erzwinge mir Stück für Stück rückwärts eine Lücke in dem nicht endenden Verkehrsfluss und schalte das Warnblinklicht wieder aus. Blinker rechts und wir sind wieder in der Spur. 20 Minuten später kommen wir auf dem Maragas Campingplatz an.

Jetzt begrüßen wir uns erstmal richtig. Dann wird der Stellplatz klargemacht. Wir checken ein und verabreden uns mit Sonja und Lars in ca. einer Stunde, um an den Strand zu gehen. Ich baue draußen alles auf. Tarp aufgespannt undTisch und Stühle raus, denn wir bleiben mindestens 5 Nächte hier. Eigentlich ist es ein Zeltplatz, aber auch einige Wohnmobile finden hier einen Platz. Es gibt Wlan, die sanitären Einrichtungen sind pikobello und das Beste: Der Strand ist direkt gegenüber, nur über eine sandige kleine Straße und schon ist man da. Ein Set mit Sonnenschirm und zwei Liegen, was für uns vier vollkommen ausreicht, kostet pro Tag 9 Euro. Egal. Jetzt ein kaltes Bier wäre geil. Lars geht eben kurz über die Straße und holt vier große Flaschen aus dem Supermarkt gegenüber. Cheers. Wir kommen ins Reden, erzählen von unseren Abenteuern in Albanien, vom Offroad fahren und von der heiklen Begegnung in Kukes. Sonja und Lars hatten es ja über Instagram und Facebook schon mitbekommen, dass da etwas mächtig schräg lief. Wir erfahren was sie so alles erlebt haben auf der bisherigen Reise und noch viel mehr.

Sie bereisen Griechenland und auch Naxos seit den 90er Jahren und kennen sich entsprechend gut aus. Meist wird gezeltet, manchmal ein Auto gemietet und viel gewandert. Viele Inseln wurden schon besucht. Nach Naxos (in 5 Tagen) geht es für sie weiter nach Sifnos. Für uns geht es nach 10 Tagen erstmal zurück nach Piräus, aber soweit ist es noch lange nicht. Die Biere sind leer, jetzt geht Sonja Nachschub holen und wir quatschen und quatschen und ein drittes Bier wird geleert. Wir gehen ins Wasser und genießen die Erfrischung und langsam geht auch schon die Sonne unter. Und wieder mal sehen wir einen dieser traumhaften Sonnenuntergänge bei klarem Himmel … diesmal hinter Paros untergehen.

So beautiful!

Zur Feier des Tages gehen wir noch lecker essen. Erstmal unter die Dusche und dann werden wir schon abgeholt, in die Paradiso Taverna. Eben um die Ecke, kurz hinter Manoli, wo wir auch hin und wieder einkehren werden. Es gibt ein paar vorzügliche Meze Gerichte, a half kilo red wine, a half kilo white wine (so heißt das hier halt) und auch noch ein leckeres Dessert zum gelungenen Abschluss. Wir verabreden uns für morgen früh um 11 Uhr.

Very tasty!

Mit dem Bus, der direkt vom Maragas Camp fährt, geht es nach Naxos Stadt zum Bummeln. Das Tempeltor wird besichtigt, viele Fotos geschossen, ein Sticker für LEMMY gekauft und ein leichtes Mittagessen verzehrt, dazu ein großes gezapftes Localbier. Sonja und Lars haben sich überlegt für zwei Tage ein kleines Auto zu mieten, um uns die Insel ein bisschen besser zeigen zu können. Wir sind begeistert. Dann sprechen wir etwas über die Pläne, was man so machen kann.

Eine kleine Wanderung zu einem Wasserfall wäre möglich, ein paar schöne Strecken fahren und sich die 3 Kouros (Atfaraggi, Atflerio, Apollonas) ansehen. Die große Wanderung auf den Zas, den höchsten Berg auf Naxos wurde wegen starker Bewölkung von Sonja und Lars auf unbestimmte Zeit verschoben. Dann gibt es noch einen Palmenstrand, aber ganz im Süden, da waren wir aber noch nicht und auch Dollys Cove und Darling Beach haben wir noch nicht gesehen. So weit, so gut erstmal.

Noch ein paar Früchte zum Nachtisch und mit dem Bus wieder zurück zum Maragas Beach. Es geht auf vier Uhr zu und wir wollen nicht zu spät am Strand sein zum four o’clock beer. Flink in die Badesachen geschlüpft und ab zum Strand.

The same procedure…

Sonja und Lars sind schon da am angestammten Platz. Mit zwei Liegen unterm Sonnenschirm und vier Flaschen eiskaltem Bier vom Supermarkt gegenüber. „Hey!“, sagt Lars zu mir. „Ich habe gesehen, du hast was unter dem Hashtag Lost Places gepostet.“ „Ja stimmt.“, sage ich. „Du meinst dieses alte Auto, oder?“

Genau. Das war auf den Peloponnes, ich bin zufällig dran vorbei und sage noch zu Jutta: „Hast du das auch gerade gesehen?“ „Ja, habe ich!“ sagt sie. „Das war ja cool.“ Ich halte und will drehen, da erhebt sie Einspruch. „Guck mal da ein großer Supermarkt, halte da, ich kaufe ein und du gehst fotografieren!“ Abgemacht.

Ein uraltes Autowrack! Ein Ford, komplett rostig, steht hier einsam und verlassen in einem baufälligen, nicht fertig gestelltem Haus. Offen zu beiden Seiten, zur Straße und nach hinten raus zum Meer. Es sieht so skurril aus, dass ich unweigerlich an Christine von Stephan King denken muss. Es ist zwar kein Plymouth Fury von 1958, aber ich sehe fast vor mir, wie er wieder zum Leben erwacht. Wie er zu alter Frische findet und der V 8 Motor anspringt und er langsam auf mich zurollt….Ich höre auf rum zu träumen und mache mich auf den Weg zum Supermarkt. Wir haben noch einiges an Fahrt vor uns.

Are you still alive?
Das nenn ich mal rostbraun!

„Hier gibt es auch so einen Lost Place“, sagt Lars zu mir. Zwei sogar. Ich werde ganz hellhörig. Es gibt hier einen Hotelbau, der ohne Baugenehmigung Ende der 1970er Jahre errichtet wurde, aber nie eröffnet hat. Solche Schwarzbauten waren nicht selten seinerzeit, doch dieser fiel wohl unglücklicherweise einer Kontrolle zum Opfer. Die Alyko Beach Hotel Ruine.

„Das muss ich sehen!“, sage ich und wir nehmen uns vor mit dem Mietwagen dorthin zu fahren. „Was ist das Zweite?“, frage ich. „Noch ein Bier?“, fragt Lars. „Klar, ich geh schnell was holen.“ Mit neuem Bier versorgt, frage ich weiter. „Was ist der zweite Lost Place?“, dränge ich Lars. Da gibt es dieses verlassene Geisterdorf oben in den Bergen. Es liegt 3,5 km hinter dem zweiten Stausee. Es heißt, dort haben in den 1960er Jahren ca. 60 Menschen gelebt. In etwa einem Dutzend Häuser, mit einer kleinen Schule und einem Dreschplatz. Einmal pro Woche kam ein Mönch des Klosters Faneromeni herauf. Eine Straße gab es nicht, alles musste mit dem Esel transportiert werden. 1969 verließ der letzte Bewohner Skeponi. So hieß dieses verlassene Bergdorf. Niemand weiß warum die Bewohner dieses raue Gebiet verlassen haben. Merkwürdige Legenden ranken sich um dieses Dorf. Wer auf der Insel danach fragt, trifft auf Schulterzucken und einem Mantel des Schweigens. Es scheint, als hätten die meisten Bergbewohner fluchtartig ihre Häuser verlassen. Sie waren unverschlossen und man fand Kleidung und Essensreste. Auf einem Tisch lag noch eine Brille. Was geschah damals in Skeponi?

„Lars, da muss ich hin! Das müssen wir sehen. „Ok, aber nur bis zum zweiten Stausee, danach ist der Weg zu schlecht.“, sagt Lars. Was für mich jetzt schon hundertprozentig klar ist: Da fahr ich hin. Das schaue ich mir an. Das Rätsel um Skeponi will ich lüften. Das Bier ist alle und ab geht es ins Meer. Ich male mir aus, wie es dort oben wohl aussehen mag. Und ich werde es erleben, wenn Sonja und Lars bereits auf der nächsten Insel sind.

Später treffen wir uns bei Sonja und Lars am Zelt. Stühle bringen wir mit, Wein und Käse auch. Zu jedem Zeltplatz gehört auch ein Tisch und zwei Stühle, so das ausreichend Platz für uns alle vier da ist. S&L haben auch schon Einiges an kleinen Köstlichkeiten bereit gestellt. Sie sind beide Vegetarier und ich bemerkte auch schon im Restaurant: Es gibt eine Vielzahl an fleischlosen Leckereien in Griechenland. Wir trinken und essen noch gemeinsam und reden über den morgigen Tag, über dies und das und bekommen auch noch wertvolle Tipps, was unsere weitere Reise ohne S&L betrifft.

Meteora müsst ihr unbedingt sehen. Delphi liegt auch auf eurem weiteren Weg, wenn es nach Norden geht, Richtung Istanbul. Meteora wollten wir sowieso sehen. Delphi? Klar, machen wir auch. So ging schon der zweite Tag dahin.

Als wir am nächsten Morgen um 11 Uhr fertig waren, da hatten sie schon einen kleinen, weißen Peugeot vom Verleiher abgeholt, mit Automatikgetriebe. Die Kosten haben wir uns selbstverständlich geteilt. Gefahren ist Lars. Stets umsichtig und vorausschauend, so dass wir uns rundum sicher fühlten.

Rollstuhlrecycling

Zuerst geht es zum Routsouna Wasserfall, d. h. wir fahren zum Wandereinstiegspunkt bei einem kleinen Bergdorf, parken und tauschen unser Schuhwerk gegen die Wanderschuhe im Kofferraum. Kleine Rucksäcke mit Wasser und etwas Verpflegung sind natürlich bereits gepackt. S&L ausgestattet mit jeweils einem Wanderstock, Jutta mit zwei Stöcken. Ich bevorzuge freihändig zu gehen.

We are the wanderer….

Zügig geht es voran, hier und da eine Bergziege, manchmal auch mehrere. Nur wenige andere Menschen begegnen uns hier. Insgesamt haben wir vielleicht 6-7 Leute getroffen, allesamt auf dem Rückweg. Manchmal müssen wir einen Zaun öffnen und hinter uns wieder schließen, wegen der Ziegen nehmen wir an. So nach etwa 80-90 Minuten Wanderung mit verschiedenen Fotostopps, wo auch mal etwas posiert wird, durch eine schöne Bilderbuchlandschaft, erreichen wir den Wasserfall. Eher ein Wasserfällchen. Aber wegen des Wasserfalls sind wir eh nicht los, sondern wegen der Wanderung.

Kurze Pause vor dem Rückweg (der Weg geht auch noch weiter, aber dann wäre es nicht mehr möglich gewesen unser „four o’clock beer am Strand Termin“ einzuhalten), ein bisschen Obst, ein paar Müsliriegel und etwas Wasser. Dann machen wir uns auf den Rückweg. Wieder am Auto tauschen wir die Schuhe und weiter geht es durch ein paar schöne Ortschaften, über gute Asphaltstraßen. Ein paar Serpentinen rauf und runter, immer wieder mit großartigen Aussichten auf das Meer, auf weiße Kirchen mit blau getünchten Dächern, auf kleine Orte, allesamt weiß und sich eng an die Berghänge schmiegend. Das macht mir Lust auf mehr. Und in ein paar Tagen fahre ich selber um diese wunderschöne griechische Insel.

Nun verstehe ich, warum S&L immer wieder zurück kehren nach Naxos. Wir schaffen es nicht ganz pünktlich zum vier Uhr Bier am Strand. Jutta und ich beschließen sogar noch einen späten Mittagsschlaf zu halten. S&L vollziehen ihr Ritual, wir hören eine Folge von DIE DREI FRAGEZEICHEN zum verspäteten Mittagsschlaf. Hmm welche Folge nehmen wir? Die Drei ???….und der unheimliche Drache. Check. Danach ab in die Badeklamotten und direkt zum Strand. Mal sehen ob Biernachschub von Nöten ist. Bier ist fast alle. Jemand geht los und holt vier neue Flaschen vom Supermarkt gegenüber, neben Manoli, wo wir heute Abend essen werden.

„Morgen machen wir aber die Hotelruine und Skeponi, ok?“, vergewissere ich mich. Ja, geht klar und die drei Kouros evtl. auch noch. Noch ein Bier, einen weiterer, etwas wolkenverhangenen Sonnenuntergang über Paros, eine fantastische Abkühlung im Meer, eine Dusche und ein leckeres Abendessen bei Manoli. Danach sitzen wir noch etwas bei uns am Camper, unterhalten uns wie üblich ganz ausgezeichnet und merken erst, als wir später wieder zu zweit unterwegs waren, wie schön es war, zu viert diese wenigen Tage gemeinsam verbringen zu können.

„Gleich elf Uhr, bist du fertig?“, frage ich Jutta. Heute ist ein großer Tag für mich. Ich freue mich riesig auf die Hotelruine und noch mehr auf Skeponi. Jaja, bin fertig. Los gehts! An der Küste entlang runter nach Süden. Die Straßen hier sind zuweilen keine Straßen, sondern Pisten. Viel Sand und viele Schlaglöcher und Wellblech. Lars mag das gar nicht mit dem Leihwagen, ich freue mich schon darauf mit LEMMY. Da kommt sie in Sicht, die Hotelruine. Meine Stimmung sinkt, die Vorfreude ist dahin. Sieht irgendwie langweilig aus von hier. Ich sehe ein paar flache Bauten, in die Breite gezogen, aus Beton. Alles eingebettet in eine Dünenlandschaft und der Strand ist dahinter. Ich lasse mir nichts anmerken. Wir parken, steigen aus und ich sollte eines Besseren belehrt werden. Die Tagesgäste und die Schönheit des Strandes außer Acht lassend, konzentriere ich mich auf die Hotelruine.

Und je länger ich hier umherstreife, keine Ahnung wo Jutta ist, wo S&L sich rum treiben, desto mehr werde ich in den Bann gezogen, verfalle dem Charme der liebevollen Graffitis überall an den Wänden. Ich bin plötzlich total fasziniert.

Es sind mehrere Gebäude, überall sieht man auf das Meer. Es gibt keine Türen, keine Fenster, nur das nackte Betonungetüm. Man muss aufpassen, wo man hintritt. Innen in den Zimmern, neben den langen Fluren tun sich Löcher auf, anderthalb Meter Durchmesser. Sogar außen, zwischen den Gebäuden ist es unterkellert und riesige Löcher tun sich auf.

Eine neue Faszination nimmt mich in Besitz, nach den Lost Places. Graffitis. Ich mache unzählige Bilder. Überall großartige Motive, dann fällt das Licht durch Spalten in der Decke und beleuchtet die Kunstwerke auf so sensationelle Art und Weise, dass es mir schwer fällt es zu beschreiben. Ein alter, verrosteter Eimer liegt im Raum. Durch einen Spalt in der Decke strömt Licht, ich lege den Eimer in eine etwas andere Position und es sieht aus, als ob das Licht direkt aus dem Eimer heraus fließt.

Ist das schon Kunst?

Ich finde eine Treppe auf das Dach. Ich überblicke das ganze Terrain, den Strand, die Dünen, die Nebengebäude. Da sehe ich auch Sonja und Lars, Sonja sieht mich auf dem Dach, hält die Kamera auf mich. Ich winke. Da sehe ich auch Jutta wieder. Irgendwie scheint jeder von uns in den Bann dieses Gemäuers gezogen worden zu sein. Alle streifen umher, jeder für sich, jeder bei sich. Die Zeit vergeht viel zu schnell. Wir müssen irgendwann weiter, doch mir ist klar, ich komme wieder. Wir fahren weiter, jetzt sind die drei Kouros dran. Zwei schaffen wir, den Dritten machen Jutta und ich alleine, wenn S&L auf Sifnos sind. Die Kouros sind uralte, aus Stein gehauene Figuren, wunderschön anzusehen. Und wie so oft, der Weg ist das Ziel.

So, jetzt aber noch nach Skeponi. Da ist schon der erste Stausee. Weiter gehts bergauf. Dann, nach einer Weile Fahrt, der zweite Stausee. Da lang Lars, rechts am Stausee vorbei. Ich sitze neben Lars auf dem Beifahrersitz. „Augenblick mal!“, sagt Lars. „Da geht es nicht weiter.“ „Doch, guck doch, eine Weg.“ „Nee, nicht mit dem Leihwagen.“ Und er hat recht. Wir halten und ich mache es mal wie Hans Peter vom Polarvux Team. Ich gehe die Piste etwas auskundschaften, während die Anderen ein paar Snacks zu sich nehmen und den ausgetrockneten Stausee bestaunen. Was ich zu sehen bekomme, erfüllt mich mit Vorfreude. Eine ausgezeichnete Offroadpiste. Ich bin etwa eine halbe Stunde zu Fuß unterwegs, um mir einen Eindruck zu verschaffen und der Eindruck ist verheißungsvoll. Es ist eine schöne Sandpiste am Berg entlang. Nicht zu schmal, soweit ich gucken kann und nicht zu anspruchsvoll für mein Können. Etwas Geröll und Schotter zwischendurch ist auch kein Problem, weder für mich, noch für LEMMY. Ich habe genug gesehen und wandere zurück zu den Anderen.

Heute ist der letzte Abend und wieder schaffen wir es nicht ganz pünktlich zurück zu sein. Klar ist zu diesem Zeitpunkt: Skeponi und Hotelruine Alyko, ich komme wieder! Sehr bald! S&L sind so lieb, dass sie Jutta und mich erst am Maragas Camp abliefern, damit wir noch eine Folge von den drei Fragezeichen hören können, bevor sie den Peugeot zurückgeben, um dann am Strand auf uns zu warten. Ein letztes Mal gibt es Bier vom Supermarkt gegenüber, neben Manoli, wo wir zu Abend essen werden. Ein letztes gemeinsames Baden im Meer, mit Sonnenuntergang hinter Paros. Ein weiteres Mal sitzen wir am Zelt bei Sonja und Lars, trinken den letzten Wein und sind etwas traurig, da morgen der Abschied unausweichlich ist. Viel zu schnell ging die Zeit vorbei.

So ist es in Deutschland nie, da verbringen wir nicht soviel Zeit zusammen, obwohl wir nicht so weit voneinander entfernt sind. Oldenburg ist der Lebensmittelpunkt von S&L, eine Dreiviertelstunde von uns weg. Naja, irgendwie aber auch klar, im Urlaub ist halt alles anders, man hat Zeit, keine Verpflichtungen oder Termine (außer den four o’clock beer Termin am Strand), aber so ist es halt. Wir nehmen uns vor, uns öfter zu sehen und Zeit gemeinsam zu verbringen.

Ich möchte nicht viele Worte zum Abschied verlieren. Wir begleiten S&L mit dem Bus zur Fähre, essen noch eine Pizza am Hafen zusammen, trinken noch ein Bier und dann sagen wir tschüss. In Kontakt bleiben wir sowieso, über Facebook, Instagram, Telefon und Whatsapp.

Irgendwo in Naxosstadt

Jutta und ich bummeln etwas in Naxos Stadt, shoppen und fahren dann mit dem Bus zurück zum Campingplatz. Der erscheint uns jetzt trostlos und leer. Nur noch der Katzenmann ist da. Der verbringt 5 Monate im Jahr hier auf dem Maragas Campingplatz, habe ich bei einer Unterhaltung herausgehört. Er liegt viel in seiner Hängematte und schlendert mehrmals am Tag bei uns vorbei, meist gefolgt von zwei bis drei Katzen. Er füttert sie und kümmert sich um sie. Und sie um ihn, wie es mir scheint.

Morgen ist mein Geburtstag, aber das wird kein schöner Tag. Jutta möchte mir schon einen schönen Tag bereiten, aber es gelingt uns beiden nicht so recht es dazu kommen zu lassen. Ich lege nicht besonders viel Wert auf diesen Tag, obwohl ich mich natürlich riesig freue, über die ganzen Glückwünsche, die mich auf allen möglichen Kanälen erreichen. Es wird ein leckeres Frühstück gezaubert. Mit einem Mal steht auch Nutella auf dem Tisch und so viele tolle Kleinigkeiten gibt es nebenbei. Große Geschenke wollten wir uns eh nicht machen auf der Reise. Jutta hatte ja am 17.08. schon ihren Geburtstag in Dubrovnik gefeiert. Geschenke von Zuhause mitnehmen? Ausgeschlossen! Man kann im Camper nichts vor dem Partner verbergen.

Alles und jedes hat seinen festen Platz. Ansonsten ist man nur am Suchen. Ordnung ist auf so einer Reise ungeheuer wichtig. Ordnung und Disziplin. Wo also ein Geschenk verstecken? Ist nicht möglich. Es geht schon los, wenn ich mal meinen Leatherman woanders für besser aufgehoben halte. Wo ist das Scheißding jetzt wieder? Der war doch immer hier. Ach ja, den habe ich ja jetzt in die andere Schublade gepackt, damit ich von außen besser ran komme. Camper kennen das. Also am Besten für alles einen festen Platz haben und nix ändern oder gut merken, besser noch aufschreiben, wo der neue Standort ist.

Aber um Geschenke ging es hier auch gar nicht. Wir saßen draußen unter dem Tarp, hatten gerade den zweiten Kaffee getrunken nach dem Frühstück und unterhielten uns über die weitere Reise. Unsere Ziele und Wünsche gehen hier schon etwas auseinander, von Anfang an, aber das ist nichts Neues. Heute war Jutta aber besonders traurig. Es kam heraus, das Reisen alleine reiche ihr nicht, sie bräuchte Aufgaben und Ziele. Heute hier und morgen da und immer so weiter, was soll das? Sie hinterfragte im Grunde gerade alles, was für mich das Allerwichtigste war. Reisen. Heute hier und morgen da. Erfahrungen machen.

Da fällt mir wieder dieses wundervolle Lied von Marek Grechuta ein, was mir eine ganz besondere Person aus dem Theater mit auf die Reise gab. Sie schickte mir den Text als Mail kurz vor meiner Abreise und ich hatte Tränen in den Augen, weil sie sich was gedacht hatte dabei und weil ich dachte: „Ja, stimmt genau was er da singt in dem Song!“

Er singt: „Wichtig sind die Tage die unbekannt sind, die sind wichtig!“ und damit hat er verdammt recht. Das ist genau meine Reisephilosophie.

Was also ist jetzt los? Ich versuchte es damit zu erklären, das S&L weg waren, dass wir hier auf einem nun trostlosen Platz standen, dass es wehte und die Aussicht uns nicht gefiel und wir einfach deprimiert waren, weil die schönen Tage, die wir zu viert verbrachten vorbei waren. Wir wollten eigentlich meinen Geburtstag hier schön feiern auf dem Maragas Campingplatz und abends schön Essen gehen bei Manoli, aber dazu hatten wir gar keine Lust mehr. Wäre doch sowieso deprimierend ohne Sonja und Lars. Lass uns hier abhauen. Und so machten wir es dann auch.

Am nächsten Morgen ging es los. Zuerst nach Skeponi und dann wollten wir irgendwo frei stehen. Endlich mal wieder wildcampen…und dann war die Welt auch wieder in Ordnung. Ich war schon ganz aufgeregt, die Sache mit dem verlassenen Bergdorf hatte mich von Anfang an fasziniert. Und nun fahre ich dahin. Mit Jutta und LEMMY, fahre dort weiter, wo Andere umdrehen müssen. Fahre mit einem Ziel und einem Auftrag. Ich will zum Einen diese Strecke fahren, die 3,5 km lange Ruckelpiste, immer entlang am Berghang zur rechten und am Abgrund zur linken Hand, hinter dem zweiten Stausee, bis zum mysteriösen, verlassenem Bergdorf Skeponi.

Lemmy vor Skeponi

Der erste Stausee liegt bereits hinter uns, der zweite Stausee erscheint vor uns. Hier, wo Lars sich entschlossen hatte nicht weiter zu fahren, geht es für uns im zweiten Gang ohne Probleme weiter. Wir haben die Bodenfreiheit, wir haben die AT Reifen und wir haben Allrad und wenn es drauf ankommt mit Untersetzung. Wir kommen gut voran und Jutta ist entspannt, was auch mir ein gutes Gefühl gibt. Es wird enger und hin und wieder kommt eine Steilkehre, die ich aber ohne Allrad und ohne zurücksetzen zu müssen nehmen kann. Links geht es steil runter, rechts am Berg ist eine tiefe Auswaschung von ca. einem halben Meter Tiefe. Aber die Spurbreite reicht aus. Nach einigen Kurven und etlichen Engstellen sehen wir die ersten Häuser oben in der Bergflanke. Ich halte auf der Piste. Es ist eh eine Sackgasse und wir müssen den selben Weg zurückfahren. Entgegengekommen ist uns niemand und ich rechne auch nicht damit, dass uns auf dem Rückweg jemand entgegen kommt. Falls doch, dann muss halt der zurücksetzen, bei dem die nächste Passiermöglichkeit näher ist. Oder der, der es einfacher hat zurückzusetzen. Oder im Zweifel der Kleinere. Ich nehme nicht an der Kleinere zu sein, hier auf dieser Bergpiste, wo ich gerade so durchkomme mit der Breite von etwa 2,50 m.

Aber jetzt wollen wir erstmal Skeponi erkunden. „Wo geht es denn lang?“, fragt Jutta. „Na da hoch, nehme ich an!“, sage ich. „Nee, da klettere ich nicht hoch.“ „Schade!“, sage ich. „Dann geh ich alleine.“ Ich kraxel diesen schon etwas beschwerlichen Weg hoch. Weg kann man es eigentlich auch nicht nennen. Es ist eher ein einfacher Klettersteig ohne Sicherung. Aber da Jutta nicht so trittsicher ist und zudem noch unter gelegentlichem Drehschwindel leidet, ist es wohl die richtige Entscheidung gewesen unten zu bleiben. Mir ist es auch recht, dass LEMMY beaufsichtigt wird in dieser unwirtlichen Gegend.

Skeponi

So ganz geheuer ist mir das hier auch nicht. Was stimmt nicht mit diesem Dorf? Warum wurde es verlassen? Ich will es wissen. Festhalten und nicht abrutschen, dann ist es ganz einfach hoch zu kommen. Höhenangst sollte man nicht haben. Aber schwierig ist es nicht hier hinauf zu kommen. Ich bin oben und sehe weniger als ein Dutzend Häuser, in meiner Erinnerung sind es sieben oder acht. Unheimlich ist mir aber schon. Die meisten Häuser liegen dicht beieinander. Nur eines, das Längste von allen, das liegt weiter oben, etwas abseits von den Anderen. Ich nähere mich langsam, schaue runter zu Jutta. Da sehe ich sie und LEMMY, das gibt mir ein gutes Gefühl und ich gehe weiter. Eigenartige Pflanzen wachsen hier. Die habe ich schon auf der Wanderung zum Wasserfall gesehen, nicht aber in dieser Größe. Na klar, hier ist auch weniger los, da können die Pflanzen schon besser wachsen, erkläre ich mir selber. Wer kommt hier schon her? Ich nähere mich dem ersten Haus, Jutta ist noch da, LEMMY auch.

Ich schaue hinein. Ein Bettgestell aus Metall, hinten im Zimmer. Höchstens 1,60 lang und 90 cm breit. Überall Schutt, Balken unter der Decke. Keine Tür, keine Fenster. Ein Schuh auf einem breiten Bettgestell.

Dort ein Nachttopf. Weiter zum nächsten Haus. Eine halbe Tür völlig verrottet, hängt noch im Rahmen. Mir ist äußerst unbehaglich zumute, aber ich gehe hinein.

Schnell raus hier!

Eine alte kaputte Puppe liegt im Dreck. Eine Feuerstelle in einer Wandnische meine ich zu erkennen. Ich fühle mich beklommen hier drinnen, schnell wieder raus an die Luft, denke ich bei mir und beeile mich hier rauszukommen. Wieder an der frischen Luft, muss ich an die Filmreihe „Wrong Turn“ denken. Ich kann von mir sagen, dass ich schon ein Horrorfilm Fan bin, dass ich den Nervenkitzel liebe. Aber wenn ich jetzt daran denke, dass hier plötzlich so ein degenerierter Hillbilly, so ein Hinterwäldler in der Ecke kauert, wo ich gerade um die Ecke gucke? Wieder geht meine Fantasie mit mir durch und ich rechne mit dem Schlimmsten. Zwei, drei andere Häuser nehme ich noch unter die Lupe und komme zu immer mehr Erkenntnissen.

Aber was ist mit diesem einen Haus, abseits da oben? Da muss ich auch noch schauen, obwohl sich mein Innerstes sträubt, sich sagt, geh da nicht hoch! Nicht zu dem Haus. Das war mal die Schule. Ich gehe hoch, sehe auf dem Weg nach oben diese seltsamen Pflanzen, die nirgends sonst so groß sind. Ich halte Ausschau nach Jutta, sehe sie nirgends. LEMMY ist auch aus dem Sichtfeld verschwunden. Ich steige eilig wieder hinab. Ah, da sind sie. Sieht sie entspannt aus? Ja, eigentlich schon. „War wohl eine Überreaktion von mir!“, denke ich und steige wieder hoch. Unmittelbar bin ich in Gedanken wieder bei Filmen wie „The Hills Have Eyes“ oder der „Wrong Turn“ Reihe. Was wenn jetzt ein Pfeil geflogen kommt? So ein Blödsinn, sage ich mir und gehe weiter. Oben angekommen schaue ich mich um im größten Gebäude, hier oben in Skeponi. War dies das Schulgebäude? Was ich hier sehe, deckt sich mit den zuvor gewonnenen Erkenntnissen….

Jutta erkundet inzwischen unten die Gegend und findet einen guten Platz zum Wenden. Dieses alte, verlassene Bergdorf war nur vom zweiten Stausee aus zu erreichen, weiter geht es hier nicht. Ich bin sehr erleichtert, als ich wieder unten ankomme und Jutta und LEMMY wohlbehalten vorfinde. „Lass uns hier schleunigst verschwinden!“, sage ich. „Soll ich gucken und dich einweisen?“, fragt sie. „Nee, hab Rückfahrkamera, na gut, wegen der Höhe der Bäume vielleicht.“ Dann fahren wir zurück zum zweiten Stausee. Ich muss mich ziemlich konzentrieren auf die Strecke, denn es ist extrem eng und der olle Blechzaun ist nur ein optischer Schutz, aber kein Physischer.

Nachdem die anspruchsvolle Passage gemeistert ist, guckt Jutta mich an. Ja und? Ja und was??? Ich halte kurz an, lege meinen rechten Zeigefinger auf meine Lippen und sage nichts. Jutta drängelt weiter, nun sag schon, was war los? „Ich kann es dir nicht sagen!“, sage ich. Ich lege den Mantel des Schweigens darüber. Und wer mich in Zukunft darauf ansprechen sollte, der wird nichts als ein Schulterzuckern ernten. Dann fahre ich weiter, schweigend.

Nach den dreieinhalb Kilometern auf dieser Offroadpiste, ohne entgegenkommende Fahrzeuge, erreichen wir wieder den zweiten Stausee und die Straße. Den dritten Kouros wollen wir noch sehen und er ist der beeindruckendste von allen, finden wir beide. Er ist riesig, liegt aus dem Stein gehauen einfach auf dem Boden und schaut gen Himmel.

Wir fahren ganz im Norden um die Insel und dann auf der anderen Seite wieder runter in den Süden, erst quer durch, dann bald wieder an die Küste.

Ausblicke

Wir erkennen Manches wieder, denn zum Teil sind wir bei Lars im Auto schon hier vorbeigekommen. Allerdings nicht diese Küstenstraße, die uns zum einzigen Palmenstrand von Naxos führen wird. Sie ist leider sehr gut ausgebaut und scheint fast neu zu sein. Ich hatte darauf gehofft noch etwas abseits fahren zu können und dementsprechend auch dort am südlichsten Zipfel andere Overlander anzutreffen. Unter Palmen. Es gibt eine Abkürzung, nicht sehr lang, nur ein paar Kilometer, aber immerhin. Ich kann Jutta überzeugen diese mit mir zu nehmen und da haben wir wieder etwas Nervenkitzel. Nichts im Vergleich zu dem, was uns morgen erwarten wird. Nach dieser schönen, kleinen Abkürzung auf Schotter kommt bald schwarzer, glatter Asphalt. Immer wieder sind wir unglaublich dicht am Meer, es scheint zum Greifen nah. Wir haben hinter jeden Kurve neue bezaubernde Eindrücke und ich könnte ständig anhalten um Bilder zu machen, aber dann würden wir erst Stunden später ankommen. Also drauf gepfiffen und wir genießen die Ausblicke ohne Fotos zu machen, speichern die Eindrücke im Kopf ab und kommen gegen späten Nachmittag an das Ende der Asphaltstrecke. Yes, noch etwas Offroad bevor wir ankommen. Nur eine kurze Passage und dann sehen wir unser Ziel.

Panormos Strand

Und guck mal da, ein Pickup Camper aus Frankreich. Viele Palmen sind es nicht, ein knappes Dutzend. Aber wunderschön ist die kleine Bucht mit dem kristallklarem Wasser, dem Boot an dem kleinen Anleger und der sich langsam rot färbenden Sonne, die dabei ist sich hinter den Bergen rechts zu verabschieden. Zwischen den Palmen hängen vereinzelt Hängematten von anderen Travellern. Nur sehr wenige Leute sind hier und ich frage mich, warum eigentlich? Klar, kein Hotel hier und auch kein Campingplatz. Nur diese Wiese, wo wir frei stehen dürfen (eine Spende wird allerdings erbeten) und eine kleine Bar gibt es hier. Die Bar bietet kühle Drinks und einige einfache Speisen. Eigentlich doch super, dass sich hier noch kein Hotelier breit gemacht hat. LEMMY steht und da wir morgen wieder weiter fahren werden, wird nur das Nötigste aufgebaut. Jetzt ab ins Wasser, bevor die Sonne untergeht.

Am nächsten Morgen nehmen wir den Kaffee und die Badesachen gleich mit zum Strand. Frühstück wird völlig überbewertet. Nach dem zweiten Kaffeebecher geht es ab ins Meer und wir verlassen diesen tollen Ort, der wohlmöglich nicht mehr sehr lange so einsam und verlassen bleiben wird.

Der heutige Tag wird aufregend, nicht ganz ungefährlich, wir werden umdrehen müssen und einen fantastischen Übernachtungsplatz finden. Aber eins nach dem Anderen. Lars hat uns seine Naxos Karte dagelassen. Wir haben davor gesessen und uns die Route vom Palmenstrand zurück angesehen. Der Strand ist eine Sackgasse, aber dennoch gibt es eine Route die südlich, also unten rum, zurück führt zum Maragas Beach. So müssen wir nicht den selben Weg zurückfahren, (obwohl es die schönste Strecke bisher auf Naxos war) und ich komme ein weiteres Mal in den Genuss richtig Offroad zu fahren. Und zwar ordentlich viel Strecke. Zwar wollten wir noch nicht zum Campingplatz zurück, aber schon dort in der Nähe ein weiteres Mal frei stehen. Vorher hatten wir uns schon einige Optionen mit S&L angeschaut. Also noch die kleine Spende für die netten Barbetreiber in die Tipbox und los gehts.

Ein kleines Stück zurück müssen wir schon, denn hier raus geht es nur in eine Richtung. Dann links halten und rein in die Offroadpiste. Hier wird es ziemlich schnell richtig anspruchsvoll für mich. Ich bin ja noch nicht so wirklich erfahren, was das Offroad fahren angeht. Und ich möchte mit unserem Heim auf vier Rädern nicht zu viel riskieren, denn wir wollen noch weit und lange damit fahren. Diese Reise soll weiter gehen. Wieviel also kann ich LEMMY zumuten, wieviel Jutta und vor allem, was kann ich mir zutrauen? Es geht gleich richtig zur Sache. Juttas Stresspegel steigt. Es geht steil rauf auf unbefestigtem, mit Schlaglöchern und Auswaschungen gemustertem Boden und überall Geröll. Zum Glück nicht all zu weit, etwas 30-40 Meter hoch, aber dann sofort eine enge Kurve und rechts wieder runter. Allrad rein, aber mit Untersetzung oder nicht? Der Wendekreis wird schlechter, wenn ich 4 Wheel high einschalte, noch schlechter wird es mit Untersetzung, 4 Wheel low. „Komme ich dann noch um diese enge Kehre?“, frage ich mich. Ich entscheide mich ohne Untersetzung zu fahren und es geht gut. Auch ich habe Herzklopfen, während LEMMY langsam den Hügel aufwärts zieht. Jetzt um die Kurve und der Radius reicht. Abwärts jetzt, so wie ich es gelernt habe, immer so langsam wie möglich und so schnell wie nötig. Das gilt im Grunde fast immer in heiklen Offroad Situationen. Wieder in der Senke fahren wir weiter. Fuck, was ist denn das jetzt? Der Weg ist versperrt von einem Metallzaun. Das haben wir auch schon auf Wanderungen erlebt, hier auf Naxos, aber auch schon woanders. Zum Beispiel in der hohen Tatra in der Slowakei. Das ist wegen der Ziegen, oder Schafe sage ich. OK! Eigentlich hätte Jutta längst abgebrochen, aber da wir diesmal nicht nur aus Spaß hier lang fahren, sondern tatsächlich von A nach B wollen, stimmt sie mir zu. Wir öffnen also den Zaun, fahren hindurch und schließen ihn dann wieder. Einfacher wird die Strecke nicht und Jutta steigt hin und wieder aus um zu schauen. Wie geht es hinter der nächsten Biegung weiter? So arbeiten wir uns eine Weile voran, ohne wirklich viel weiter zu kommen. Nur sehr langsam zwar, aber ich traue mir mehr zu und auch das, was der Ranger alles so macht beeindruckt mich immer wieder. Ich brauche viel mehr praktische Erfahrung und das absolut wörtlich genommen. Das wird auch mein Selbstvertrauen und meine Sicherheit steigern. Dann sind wir hier genau richtig, denke ich. Da muss Jutta wieder mal die Strecke checken und aussteigen. Ich warte im Auto und warte und warte. Ich stehe am Hang mit starkem Gefälle rückwärts und auch mit Gefälle nach links. Vor mir eine Y Gabelung. Links geht es nicht weiter. Dead End am Meer. Jutta erkundet den rechten Weg aus dem Y raus und ist aus meinem Sichtfeld längst verschwunden. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt sie um die Ecke und schüttelt den Kopf. Shit, ich habs befürchtet. Da geht es auf keinen Fall weiter und außerdem ist die Durchfahrt verboten. Da steht ein Schild. Mist, auf der Karte von Lars schien die Piste befahrbar zu sein. Vielleicht nur von der anderen Seite, reimen wir uns zusammen. Als Einbahnstraße? Später werden wir es erfahren. Aber was jetzt? Verdammt. Kann ich da irgendwo drehen? Ausgeschlossen! Meine Nervosität steigt etwas, aber ich bleibe ruhig und gelassen und lasse mir nichts anmerken. Wenn ich nervös wirke, dann wird Jutta es erst recht. Nun müssen wir hier unter äußerst unbequemen Umständen drehen, auf engstem Raum. Rechts von mir Felsen, links steil abwärts in die Ägäis. Erschwerend hinzu kommt das starke Gefälle rückwärts und auch nach links zum Meer hin. Der Plan und eigentlich eh die einzige Möglichkeit: In den linken Arm vom Y rein fahren und mit dem Heck versuchen rückwärts in den rechten Arm vom Y zu kommen. Mit 3,5 Tonnen Gewicht und knapp 6 m Länge kein Vergnügen auf engstem Raum. Jutta wirkt sehr zuversichtlich auf mich, was mich etwas entspannt. Also los, in den linken Arm rein und zurücksetzen. Jutta schaut von außen und gibt mir Zeichen, wann ich halten soll. Wir wiederholen dieses Manöver einige Male, bis ich fast quer im Y stehe. Immer vor und zurück. Wenn ich vor fahre sehe ich nur Haube und Himmel und das ägäische Meer. Ich sehe nicht wieviel Abstand die Vorderräder zum Abgrund haben, aber es fühlt sich an für mich, als ob die Haube in der Luft schwebt. Aber Jutta sieht die Räder und wie weit es ist bis zur Abbruchkante und ich vertraue ihr blind. Scheitelpunkt ist erreicht. Jetzt merke ich den Zug nach unten, wenn ich an der Kante stehe und zurücksetzen will. Handbremse ist bis zum Anschlag angezogen und ich merke wie es LEMMY nach vorne zieht Richtung Abgrund. Während ich die Kupplung schleifen lasse, die Handbremse löse und Gas gebe um mich rückwärts vom Abgrund zu entfernen. Nur ein paar Zentimeter, dann kommt hinter mir die Felswand. Dann wieder vorwärts auf den Abgrund zu. Ja, kannst noch etwas weiter, noch etwas mehr. Wirklich? Ja, geht noch etwas, langsam. STOP. Nach etlichen Wiederholungen ist es endlich geschafft und ich komme rum und habe die beiden Arme vom Y hinter mir. Leck mich am Arsch, geschafft. Und jetzt den selben Weg zurück. Schön langsam. Die Steigungen mit Allrad, den Rest des Weges ohne Zusatzunterstützung. Da kommt der Zaun gleich wieder, machst du das? Dann sind wir durch.

VON DIESEM TRIP GIBT ES KEINE FOTOS. WIR WAREN ZU BESCHÄFTIGT!

Wir fahren dieselbe traumhafte Küstenstraße jetzt nach Norden zurück, nehmen nicht die Offroadabkürzung und sind bald am Hafen von Naxos Stadt angelangt. Wir bummeln etwas und überlegen, wo wir diese Nacht stehen werden. Du hattest da doch was bei park4night gefunden. Ja genau, da wo wir mit S&L schon waren, am Glyfada Beach. Ok, das sah gut aus, da fahren wir jetzt hin. Angekommen und einen tollen Platz ausgeguckt. Aber zur Vorsicht frage ich bei der Dame mal nach, die da geradewegs über den Platz läuft. Das sei hier privat und nicht erlaubt, teilt sie mir mit. Ob sie denn was Anderes wisse, frage ich sie. Ja, am Alyko Beach, da geht das. „Prima!“, denke ich mir. „Da wollte ich doch sowieso noch mal hin, wegen der geilen Hotelruine.“ Und außerdem ist es eh die richtige Richtung, wenn wir noch von dieser Seite der Insel nach Süden fahren wollen, zum Darling Beach und Dollys Cove. Mal sehen, ob es von hier möglich ist die Offroadpiste an den Palmenstrand zu befahren. Aber zunächst auf nach Alyko Beach.

Nach nur wenigen Minuten Fahrt kommen wir an, sehen schon die Hotelruine, biegen aber vorher links ab durch die Dünen zum Strand. Wir machen einige Surfer aus, zwei Bullis am anderen Ende und fahren entgegengesetzt. Dort steht schon ein großer Jeep in einer Dünenbucht, wir fahren auf der gegenüberliegenden Nische rein. Versteckt durch Buschwerk von drei Seiten stehen wir perfekt mit Blick auf das Meer. Der Jeep verschwindet da heute Abend, der schläft ja nicht im Auto. So sollte es auch kommen. Schnell noch auf die Keile mit den Vorderrädern, damit LEMMY gerade steht und dann ein eiskaltes großes Bier aus dem Kühlschrank. Ausgerüstet mit den kleinen Campingstühlen und den großen Bieren geht es an den Strand. Jetzt habe ich noch etwas Redebedarf. Es war schließlich ein ereignisreicher, sogar etwas abenteuerlicher Tag. Es geht ums Offroadfahren. Ich frage Jutta, ob sie mir denn auch eine Reserve einbaut beim Einweisen? Eine Reserve? Erstmal weiß sie nicht genau, was ich meine. Ich versuche es zu erklären. Naja, wenn ich mal einen Fahrfehler mache oder so. „Du machst doch keinen Fehler!“, sagt sie und meint es ernst, scheint mir. Ich fühle mich geschmeichelt. Doch natürlich kann ich einen Fehler machen. Er kann klein sein, aber verheerende Folgen haben. Obwohl es dann wohl kein kleiner Fehler wäre bei verheerenden Folgen. Bleiben wir mal bei unserem heutigen Wendemanöver, als es nicht weiter ging und wir drehen mussten. Auf einem Parkplatz beim Einkaufen mache ich aus versehen den Vorwärtsgang rein, obwohl ich rückwärts fahren will. Ich fahre und gebe etwas Gas, schaue rückwärts, aber das Auto fährt vorwärts, nur ein kurzes Stück. 10 cm vielleicht nur und es passiert nichts, oder aber es gibt einen geringen Blechschaden. Aber wenn sowas vorhin passiert wäre? Ohne Reserve wäre ich mit den Vorderrädern über den Abhang gerollt und ab in die Ägäis. Oder aber ich will rückwärts fahren, habe den richtigen Gang drinnen, aber der Wagen, mit 3,5 Tonnen Gewicht, rollt beim Lösen der Handbremse etwas nach vorne, weil ich am Hang stehe und beim Schleifen lassen der Kupplung nicht genau das richtige Spiel habe.

Jetzt weiß sie genau, was ich mit Reserve meine und ich frage nicht weiter nach, ob ich eine Reserve hatte, heute am Abgrund hoch über der Ägäis im südlichen Zipfel von Naxos….

Später gibt es noch ein leckeres Abendessen und draußen ist es bereits stockdunkel. Die Tagestouristen sind längst weg und was mit den Bullis am anderen Ende des Strandes ist, wissen wir nicht. Wir haben die Rollos alle fast bis oben hin zu, aber nicht ganz. Es sieht so aus, als ob da jemand mit einer Taschenlampe unterwegs ist. Man sieht es immer nur so zwischendurch. Na ja, was soll schon sein, beruhigen wir uns. Der Jeep von Gegenüber ist längst weg. Geräusche draußen. Hast du das auch gehört? Etwas unheimlich ist es schon hier, aber wir stehen sehr gut und sind nur vom Strand aus zu sehen, nicht von hinten. Das Buschwerk gibt uns ja Deckung von drei Seiten. Wir denken nicht weiter drüber nach und reden über alles mögliche.

Ich genehmige mir ein drittes Bier und habe plötzlich eine verrückte Idee. Lass uns doch jetzt mal in die Hotelruine gehen, schlage ich vor. „Bist du verrückt, es ist stockduster!“ „Wir haben doch eine Taschenlampe.“ „Du kannst ja gehen, ich bleibe hier. „Hat sie da gerade gesagt, du kannst ja gehen? War das nicht schon öfter Thema? „Wir müssen doch nicht alles zusammen machen!“ Ok, höre ich mich sagen, dann gehe ich alleine. Im gleichen Augenblick bereue ich es bereits, will aber nun keinen Rückzieher mehr machen. Die Blöße gebe ich mir nicht, da wartet sie doch nur drauf, denke ich bei mir und ziehe mich an, schnapp mir die Taschenlampe und marschiere los. Die Tür vom Camper schließe ich von außen zu, da habe ich ein besseres Gefühl. Was machst du da nur wieder für einen Scheiß? geht mir durch den Kopf, so alleine ist das viel weniger unterhaltsam als zu zweit. „Bleib nicht zu lange!“, ruft Jutta mir durchs Fenster nach. Nee, nur ne halbe Stunde.

Warum ich sowas mache? Die Exfreundin von meinem alten Kumpel Kiste hat Psychologie studiert und Kiste hat mich mal gefragt, ob ich Tanja nicht einen Gefallen tun könnte? Klar, was denn? Nichts Wildes, nur Fragen beantworten, sie hat da so ein wissenschaftliches Projekt abzuliefern und braucht noch einige Probanden. Tanja hat mich dann persönlich befragt, um welches Thema es ging bzw. was denn dabei raus kommen könnte, wollte sie mir nicht verraten. Na toll, dachte ich, nachher stehst du wohlmöglich wie ein Vollidiot da. Das könne auf keinen Fall passieren, versicherte sie mir. Einige Fragen beantworten war reichlich untertrieben, es war ein ganzer Katalog an Fragen und ich weiß nicht mehr genau wie lange es dauerte oder was es für Fragen waren, aber an das Ergebnis kann ich mich ganz genau erinnern, obwohl es inzwischen über 30 Jahre her ist. Es dauerte Wochen, bis alles ausgewertet war und ich endlich erfahren durfte, was denn nun dabei rausgekommen ist. „Du bist ein „Sensation Seeker“! , sagte Tanja mir und fügte auch ein paar Worte der Erklärung hinzu. Das Wort hatte ich zuvor nie gehört und auch danach nicht wieder. Was sie mir dazu erklärt hat, habe ich vergessen, aber jetzt denke ich, deshalb mache ich diesen Scheiß!

Wegepunkt

Ich höre und sehe, dank des hellen Mondes, das Meer links neben mir. Ich marschiere einen Dünenpfad entlang in Richtung der Hotelruine. Die Taschenlampe in der einen Hand, das Handy in der anderen Hand. Ich könnte doch einen kleinen Film machen, dachte ich mir. Gute Idee. So tapere ich, bedacht darauf nicht zu stolpern immer weiter. Ich versuche die Handycam immer in den Lichtkegel der Taschenlampe zu halten und nehme auf, was ich live sah. Da vorne eine kleine Einraumkirche, wie es sie sehr oft gibt überall auf der Insel. Weißes Gebäude, blaues Kuppeldach. Einprägen für den Rückweg, aber weiter voran erstmal. Da erkenne ich das Hotel wieder, das bei Tag doch so viel vertrauenswürdiger aussah, so viel weniger bedrohlich. Das Handy muss aus. Ich muss mich jetzt konzentrieren. Ich finde eine kleine Rampe zwischen zwei Gebäuden, da kann ich hoch und in die Ruine einsteigen. Hier, nehme ich mir vor, kehre ich auch zurück. Die Rampe runter, dann vor dem Meer links den Pfad entlang zur Kirche. Dahinter kommt dann fast die Düne in der Jutta und LEMMY in ihrem Versteck warten.

Da ist der große Hof, dort waren zwei riesige Löcher. Also bloß aufgepasst, wo du hin tritts. Ich sehe den langen Flur des Südflügels vom Hotel und gehe rein. In einem der abzweigenden Zimmer habe ich das tolle Foto mit einem alten Blecheimer gemacht. Da ist der Eimer, er liegt noch immer so da, wie ich ihn arrangiert habe für den Schnappschuss. Aber die Sonne scheint nicht, der Mond nur. Mir wird unheimlich zumute. Waren hier nicht auch zwei große Löcher, die eine Etage tiefer blicken lassen? Genau, zwei Räume weiter finde ich sie. Pass bloß auf hier, sage ich zu mir selber. Nicht fallen oder stolpern. Ich gehe erstmal raus hier, habe echt ein bisschen Schiss. Was machst du, wenn du plötzlich eine andere Taschenlampe siehst? Wer sollte schon so blöd sein hier mitten in der Nacht, im Stockdunkeln rumzulaufen? Höchstens die Graffitikünstler, versuche ich mich zu beruhigen. Aber es will mir nicht gelingen.

Wie lange bin ich schon weg? Ich habe kein Zeitgefühl mehr. Was, wenn du jemanden hörst oder siehst? Was machst du dann? Ich weiß es nicht. Strahlst du ihm (ihr?) die Taschenlampe ins Gesicht? Läufst du weg? Den Fluchtweg habe ich im Kopf abgespeichert. Ich weiß genau wo es lang geht zur Rampe, runter in Richtung Meer und dann links.

Ich erwähnte es bereits, ich liebe Horrorfilme und amüsiere mich königlich, wenn wir auf der Couch liegen, einen Gruselfilm schauen und Jutta zusammenzuckt, weil plötzlich jemand im Spiegel erscheint oder eine Gestalt vorbei huscht. Sogar, wenn ich selber zucke, mich erschrecke, dann gefällt es mir besonders. Vielleicht, weil ich nach psychologischen Erkenntnissen, ein „Sensation Seeker“ bin? Aber hier bin ich nicht auf meinem Sofa, hier bin ich in einem fremden Land, auf einer Insel, in der schon Dörfer unter mysteriösen Umständen verlassen wurden. Was verdammt nochmal mache ich, wenn mir jemand entgegen kommt. Ich bin mittlerweile im Nordflügel und suche das eine geile Graffiti, das Sonja aufgenommen hat. Das, wo das Gesicht durch die Sonne in zwei Hälften geteilt wurde. Aber ich vermute es weiter hinten und ich mag nicht weiter gehen. Ich vermute hinter jeder Ecke eine Fratze, die plötzlich auftaucht und mich angrinst. Ich sehe in meiner Fantasie die Gestalten, die ich aus den Filmen kenne. Kauert da hinten in der Ecke jemand? Springt er gleich auf und rennt auf mich zu. Höre ich irgendwo Schritte? Nur meine Eigenen.

Wenn ich in eines der Löcher falle, was ist dann? Es geht nur 2,50m oder etwas mehr abwärts, aber tief genug um sich zu verletzen. Was aber noch schlimmer ist, ich kenne keinen Weg hoch, weil ich auch keine Treppe nach unten gesehen habe. Dann hockst du da mit einem gebrochenem Bein im Untergeschoss, oben lauert irgendein durchgeknallter Psychopath und du weißt nicht, was du machen sollst. Und was macht Jutta dann? Wenn ich nach einer Stunde nicht zurück bin. Nach zwei Stunden auch nicht? Meine Gedanke werden wirrer und meine Panik nimmt zu. Ich hatte bei Tag die Treppe auf das Hoteldach gefunden, aber da will ich auch nicht mehr hin, ich will hier nur noch weg. Scheiß auf das Graffiti, scheiß auf diese verrückte Idee hier mitten in der Nacht mit einer Taschenlampe rumzulaufen. Fotos zu machen und ein zweites wackeliges Video haben mich wohl kurz abgelenkt, aber die Angst und das Unwohlsein nehmen stetig zu. Sonja hat später auf Instagram zum Video geschrieben „Blair Witch Project“ und ich glaube, das trifft es ganz gut. Ich mache mich vorsichtig, aber zügig auf den Rückweg.

Ich erahne nun, wie sich Jutta damals auf Phuket am Patong Beach, im House Of Horror gefühlt haben muss. In den 90er Jahren waren wir mal wieder in Thailand. Und Phuket kannten wir noch nicht. Also mal hin da und zur Unterhaltung dachte ich, gehen wir ins House Of Horror. Jutta war nicht begeistert, sie gruselt sich nicht so gerne wie ich mich, aber war bereit mitzugehen. Und ich muss eins sagen, das war keine blöde Jahrmarktsbude. Das war alles richtig gut gemacht. Von außen sah es schon einschüchternd aus. Nachdem wir das Ticket gekauft hatten, gab es Instruktionen. Es war nicht viel los. Das fanden wir zunächst total super.

Es wurden in verschiedenen Räumen Szenen aus Horrorfilmen mit echten Menschen nachgestellt. Man konnte in eigenem Tempo durch die Räume gehen. Die kleine, entzückende Instruktorin wies uns an immer auf dem Weg zu bleiben, es gibt ohnehin nur einen. Die Räume selber sollten wir nicht betreten. Wir sollten uns auch keine Sorgen machen, denn niemand würde uns anfassen, oder berühren. „Sie“ würden uns nahe kommen, aber garantiert nicht berühren. Mit dieser Gewissheit wurden wir durch einen roten Vorhang in einen dunklen Flur geführt und uns selbst überlassen. Immer dem Weg folgend, manchmal nur tastend ging es langsam los. Sehen konnten wir zunächst nicht viel. Jeder „Horrorraum“ hatte eine eigene Beleuchtung, Geräusche und Spezialeffekte und immer noch einen zusätzlichen Schreckmoment eingebaut, wenn man gerade wieder dabei war kurz durchzuatmen und sich auf den nächsten Raum vorzubereiten.

Und nein, sie haben uns tatsächlich nicht angefasst, liefen aber immer direkt hinter uns her. Langsam, wenn wir langsam gingen, schneller, wenn wir schneller wurden und immer mit einem leisen „help me“ immer wieder „heelp meee“. Wir konnten nicht weit sehen, immer nur ein oder zwei Meter, es war alles so finster. Und dann ging es auch ständig um eine Ecke rum, mal links, dann rechts, wieder zweimal links. Die Orientierung war komplett verschwunden. Wir waren lost. In der Dunkelheit. „Help me“, jetzt deutlich lauter. Auch das schlurfen hinter uns kam näher. Sie fassen uns nicht an, beruhigten wir uns. Die nächste 90 Grad Biegung kam, und die Schreckgestalt tauchte direkt vor uns auf. Jutta war einem Nervenzusammenbruch nahe. Das ist nicht übertrieben. Sie wollte nicht mehr. Immer wieder Rufe, „help me“, wir immer weiter vorwärts, darauf bedacht nicht zu fallen, wir sahen ja kaum etwas. Dann der nächste Raum vor uns, der näherkommende Zombie hinter uns. Auch ich hatte Schiss. Obwohl wir wissen, das ist alles Illusion, keiner wird dich anrühren, nichts davon ist echt. Das Gehirn nimmt diese Illusion für Wahr und der Überlebensinstinkt springt an. Wir gehen an der Wand lang, ganz weit links, sage ich zu Jutta. Der Raum war etwas ausgeleuchtet. Ein Bett sahen wir und ich erkannte die Szene wieder, „Der Exorzist“. Im Bett saß der kleine Satansbraten sabbernd und fluchend. Plötzlich kippte das Bett nach vorne, genau auf uns zu, mit dem keifenden Mädchen darin. Wir liefen ohne zu sehen wohin, egal, nur weg hier. Jetzt war der Spaß gänzlich vorbei und Jutta drauf und dran sich heulend hinzuhocken und zu streiken, bis das Licht angeht.

Ich dachte nur, was machst du denn jetzt, wie bekommen wir das zu Ende gebracht? Da hörten wir Gelächter, von weiter vorne und Jutta rannte los. Da waren andere Touristen, in einer Gruppe von mehreren Leuten. Ich ging schleunig hinterher. Was noch so rechts und links von uns übersehen wurde, kann ich nicht sagen, aber der Zauber war vorbei, als wir die Gruppe erreicht haben. Ab jetzt war nichts mehr gruselig und die Illusion dahin, aber Juttas Welt war wieder in Ordnung. Sowas hat sie seitdem nie wieder mit mir gemacht und alleine würde ich es auch nicht machen.

Also was zum Teufel mache ich hier ganz alleine? Die Illusion nimmt Gestalt an und ich fantasiere rum. Da kommt gleich einer um die Ecke. Da waren doch Schritte, oder nicht. Was war das für ein Geräusch? Ich bewege mich sehr zügig zurück durch diesen endlos wirkenden Korridor, immer damit rechnend, das gleich eine Gestalt aus einem der Zimmer mitten auf den Flur springt, mitten vor mir auftaucht und mich zu Tode erschreckt. Ich habe auch keine Lust mehr, aber ich muss zurück. Durch den Schein der Taschenlampe sehe ich das Ende des Flures. Ich erreiche den Hof und umgehe die Löcher. Da ist die Lücke zwischen den Gebäuden und die Rampe. Nur noch da runter und dann links zur Kirche. Ich höre das Meer wieder, die Wellen die auf den Strand klatschen und nehme dies als sehr beruhigendes Geräusch wahr. Nicht mehr weit, dann taucht die Kirche auf. Jetzt verlangsame ich mein Tempo, will nicht außer Atem sein, wenn ich Zuhause ankomme. Dann sehe ich die sandfarbene Kabine von LEMMY und bin irgendwie erleichtert. „Na, wie war es?“, fragt Jutta. „Ganz schön gruselig!“, sage ich. Dann gehen wir schlafen.

Zwei Tage haben wir noch, bis wir mit der Fähre wieder nach Piräus fahren. Wir beschließen beim Frühstück zum Maragas Campingplatz zurückzufahren, um dort die letzte Zeit zu verbringen. Allerdings steht noch ein Ausflug an. Vom Alyko Beach zum Darling Beach und zu Dollys Cove. Das ist das Tagesprogramm für heute. Und wir bzw. ich will gucken, ob und wenn ja, wie weit es geht die Insel im Süden zu umrunden. Wir fahren dort weiter, wo Lars mit dem Mietwagen umdrehen musste. Es ist eine schlechte Piste, geht aber nirgends auf oder ab. Nur geht es recht holprig zur Sache. Am Darling Beach sind wir gerade eben vorbei gefahren, ruft Jutta mir zu und drängt zum Umdrehen. Ja, kann sein, aber ich wollte doch sehen, wie weit man hier kommt. Ob es von hier eine Verbindung gibt zum Palmenstrand. Da hab ich keinen Bock drauf, das dauert ja Stunden in dem Tempo und nachher stehen wir wieder da wie auf der anderen Seite und müssen sowieso umdrehen. Ich gebe klein bei und habe ganz vergessen, dass da ja noch Dollys Cove kommen muss. Als ich gerade zum Wenden ansetze und mir rückwärts den Weg bahne, kommt ein Mountainbiker auf uns zu und sagt: „In 50 Metern kommt eine unglaubliche schöne Bucht, die müsst ihr sehen.“ Ich breche das Wendemanöver ab und bin überglücklich, dass gerade zur rechten Zeit dieser Biker kommt, um mich zu erinnern, dass da doch noch was war. „Ach ja, hatte ich auch ganz vergessen.“, sagt Jutta. Ich parke LEMMY in einer tollen Position für großartige Fotos aus allen möglichen Perspektiven und wir sind begeistert über diese Hollywood Kulisse.

Dollys Cove

Dann sehe ich da hinten ein Schild stehen. Ich gehe näher ran. Durchfahrt verboten bedeutet dieses Verkehrszeichen in Deutschland und wohl auch in Griechenland. Ich bin im Grunde sehr zufrieden damit, dass es nicht erlaubt ist die Insel unten im Süden zu umrunden. Ich hatte also gar keine Chance auf legalem Weg diese Strecke zu fahren. Weder von der anderen Seite, vom Palmenstrand aus, noch von dieser Seite, von Dollys Cove. Möglicherweise war es früher mal erlaubt. Die Piste ist ja als Dirtroad auf der Karte von Lars verzeichnet. Aber was solls?

No entry

Wir schauen uns noch den einsamen Strand an hinter dem Verkehrszeichen, denn für Fußgänger ist es nicht verboten diesen Weg zu passieren und entdecken einen noch ursprünglicheren Strand, an dem nur ein junges Pärchen unter einem Sonnenschirm den Blick auf das Wasser genießt. Wir wollen diese traute Zweisamkeit nicht länger stören, freuen uns die wohl beiden einsamsten Strände von Naxos besucht zu haben und fahren wieder gen Norden. Am Maragas Campingplatz werden wir herzlich empfangen, man kennt sich ja bereits.

Wir stellen LEMMY weiter vorne ab, mit Blick auf das Meer. Hier werden wir die nächsten zwei Nächte stehen. Eine davon schreibe ich das Kroatien Kapitel fertig. Während dieser Nacht höre ich viele schöne Songs aus der Taverna vom CP und habe auch noch eine nette Begegnung mit vier jungen Damen. Sie gehen an der Beachroad entlang, sehen Lemmy, Mr. Kilmister zwischen den beiden Alkovenfenstern aufgeklebt und wollen dieses Motiv fotografieren. Sie fragen höflich, machen ihre Fotos vom Camper und wir plaudern eine Weile, dann ziehen sie weiter. Ich schreibe weiter. Wie lange ich in der Nacht geschrieben habe weiß ich nicht mehr genau.

Wieder eine Nachtschicht

Jetzt, auf dem Kaya Campingplatz in Cappadocia (13.10.2021) ist es bereits 4:15 a.m. und ich brauche sicher noch eine halbe Stunde um mein letztes Bier zu leeren. Davor in Egridir hat meine Nachtschicht auch bis fünf Uhr früh gedauert, danach sind wir dann hierher gefahren und hier sind wir immer noch. Das ist heute die zweite und vorletzte Sitzung mit Griechenland – Chapter One. Es folgt eine dritte Sitzung an anderer Stelle mit Griechenland – Chapter two. Aber das nur am Rande.

Meine erste Begegnung mit Petra, der Maragas CP Chefin hatte ich nach nur wenigen Tagen, als wir noch mit S&L hier waren. Wir hatten den laundry service genutzt und ich sollte die Wäsche holen, bat Jutta mich. Also stiefelte ich los und fragte nach meiner Wäsche. „Is my laundry ready?“ Petra war an der Rezeption und fragte mich: „Are you god?“ Sofort lachten wir beide los und uns war klar, warum. „Yes I`m god“, scherzte ich, um sofort danach aufzuklären, dass mein Name Godt sei und mir das auch häufig in Deutschland passiert und ich mit Herr Gott angesprochen werde. Woher sollten sie wissen, dass mein Name mit einem lang gezogenem O wie in Boot gesprochen wird und nicht anders?

Den letzten Tag wollten wir nur chillen und nichts weiteres unternehmen. An den Strand wollten wir gehen, ein letztes Mal baden und an die schöne Zeit mit S&L denken. Lecker essen bei Manoli war noch angesagt, den Sonnenuntergang über Paros genießen und nicht zu spät ins Bett. Die letzte Nacht ging wohl schon lange genug….

Last dinner by Manol

…und was als nächstes geschieht…

Greece – Chapter 2

…und warum mir das Oracle von Delphi die Zukunft verrät…

Chapter 4 – Albanien

…und was, wenn man einen kleinen Hund verliert?

Immer mal wieder war von Abschied die Rede und so langsam wurde es ernst. Die Defender Family hatte nicht mehr viel Reisezeit übrig, wollte aber noch nach Griechenland und von dort die Fähre nach Ancona nehmen. Wir redeten davon, uns alle in Griechenland wieder zu treffen, denn auch unsere Wege (Polarvux und TWIY) würden sich zunächst bald trennen. Wir waren am 04.09.2021 mit Sonja und Lars auf Naxos verabredet. Sonja ist Juttas Schwester und Lars ihr Mann.

Aber noch wollten wir gemeinsam etwas Offroad fahren. Martina hatte natürlich wieder eine tolle Strecke ausgearbeitet. Die fahren wir noch gemeinsam und danach fährt die Defender Family weiter zum Ohrid See, der zwischen Albanien und Nordmazedonien liegt. Was wir danach machen war zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Ich weiß noch, dass es nach Peshkopie ging, aber nicht mehr den Einstieg in die Offroad Strecke. Martina war unser Navigator und ich konnte es genießen, mich um nichts kümmern zu müssen, außer hinterher zu fahren. Das ging bis zum Einstieg auf die Piste auch ganz gut, denn auf Asphalt war ich von uns dreien der Schnellste.

Das sollte sich sehr bald ändern, denn als wir abbogen und die Straße keine Straße mehr war, sondern nur noch eine von Schlaglöchern übersäte Piste. Mal mehr Sand, mal mehr Geröll und die Löcher meist voll von Wasser, was den Schwierigkeitsgrad erhöhte, da man nie wusste, wie tief diese Löcher waren. Da verlor ich an Tempo.

Jutta bemerkte wieder mal, das sie sowas nicht freiwillig fahren würde, wenn es denn eine alternative, bessere Route geben würde und dass sie keinen Bock hat über einen längeren Zeitraum auf so einer Piste zuzubringen. Diese Einstellung änderte sich zum Glück sehr bald.

Offroad

Schritt halten konnte ich erstmal nicht mit HP, vorweg mit dem 10 Tonnen LKW und auch mit Rafa und seinem Defender nicht. Erstmal sehen was sich hinten in der Kabine so tut auf dieser Strecke, wie sich LEMMY macht und wie es sich für mich als Fahrer und damit Verantwortlicher für Sicherheit der Insassen und des Fahrzeugs, anfühlt. Ich muss sagen, es fühlt sich gut an und besser mit jedem weiteren Kilometer.

Sogar Jutta wird immer entspannter und ich kann das Tempo etwas steigern. Schau mal, da vorne sind auch die Anderen wieder zu sehen. Die Strecke ist mal wieder traumhaft und Jutta wird entschädigt mit grandiosen Ausblicken auf die albanische Bergwelt, weitab der Zivilisation. Wir sind ziemlich hoch, sehen nur andere Berge, Wolken und keine Menschenseele. Hier und da ein kleiner Bunker, hin und wieder ein kleiner Minibus, der die Leute von A nach B bringt, die wirklich abseits leben.

Langsam wird es Zeit für eine kleine Kaffeepause. HP kümmert sich um den Kaffee, wir anderen machen ein paar Fotos und schauen uns einen dieser Bunker am Wegesrand hoch oben in den Bergen an. Die beiden Hunde, Padme und Lupo genießen den kleinen Aufenthalt für etwas Bewegung und einer Pinkelpause. Mehr Platz als für ein paar wenige Menschen bietet so ein Bunker nicht. Solche Schutzräume sehen wir sehr häufig auf unseren abseitigen Routen. So, Kaffeepause ist vorbei und wir starten wieder durch.

Verabredet ist, an jeder Gabelung, wo unklar ist, in welche Richtung es weiter geht, wird gewartet. Defender vorweg und LEMMY als nächstes hinterher. HP holt uns sowieso wieder ein. Da hält Rafa plötzlich, wir warten hinter ihm. Er steigt aus und tauscht mit Mariella den Platz, jetzt fährt sie wohl weiter. Was ist das? Plötzlich fährt der Defender weiter und eine Drohne steigt auf, während der Fahrt. Rafa filmt. Wir fahren hinterher. Die Drohne fliegt auf uns zu. Mariella fährt vorweg, nicht ganz so schnell wie Rafa, aber dennoch zügig. Guck dir das an, sie filmen auch uns. Wie geil ist das denn! Kurz darauf fliegt die Drohne zum fahrendem Defender, Rafa nimmt sie durch das geöffnete Fenster entgegen. Dann halten sie wieder. „Lass uns weiter fahren“, sage ich zu Jutta. „Sie sind eh schneller als wir und kriegen uns wieder ein.“ Ok!

Wir fahren weiter, nun an erster Stelle und ich sehe nichts im Rückspiegel. Das kommt uns langsam komisch vor. Wo bleibt der Defender, wo HP mit dem LKW? An einer breiten Ausbuchtung der ansonsten sehr schmalen Piste halte ich an.

Warten und Hoffen

„Wie wäre es mit einer eiskalten Limo und mal nachfragen was da los ist?“,sage ich zu Jutta. Gute Idee. Ich trinke die letzte Lemon Soda, das beste Kaltgetränk (außer Bier) in Albanien und höre nur „Ach du Scheiße, oh nein!“ und denke „Fuck, was ist jetzt los?“ Jutta hat bereits Nachricht erhalten über Whatsapp.

Padme, der kleine Hund der Defender Family ist weg. Wie sich später herausstellt, hat sich Rafa beim Annehmen der Drohne verletzt und muss von Mariella an der Hand verarztet werden. Deshalb hatten sie den Wagen gestoppt und Sophie und Padme sind aus dem Auto gestiegen. Eingestiegen ist neben Rafa und Mariella nur Sophie. Padme nicht. Niemandem ist es aufgefallen. Wir litten total mit, schickten Stoßgebete gen Himmel und dachten nur, hoffentlich geht das gut aus.

Wir haben bereits zwei Katzen verloren und wissen, was es heißt ein geliebtes Tier zu verlieren. Noodles, unsere erste Katze hat den Umzug in unser neues Heim nicht überlebt, wegen einer stark befahrenen Straße. Wir fanden sie, nachdem sie tagelang vermisst wurde und wir noch hofften, sie sei in irgendeiner Garage eingesperrt, auf einem Feld, jenseits der Straße von unserem Haus. Sie war bereits hart gefroren und wir heulten uns die Augen aus, weil wir ahnten, wie sehr sie wohlmöglich noch gelitten hat. Denn offensichtlich konnte sie sich noch auf das Feld schleppen, bevor sie einsam dort in der Kälte starb. Verletzungen äußerlich sahen wir nicht. Zoe, unsere zweite Katze wurde 15 Jahre alt. Sie hatte ein super Leben und sogar die Straße überlebt, mit einem Beckenbruch zwar, aber der verheilte, nachdem wir sie in einem Karton mit einem Gitter als Deckel einsperren mussten, damit sie sich nicht auf die Hinterbeine stellen konnte. Aber irgendwann begann der Prozess des Alterns und sie wollte nicht mehr. Sie fraß nicht mehr richtig und wurde immer dünner. Nach diversen Arztbesuchen und einigen Versuchen mit Medikamenten und Aufputschnahrung verkroch sie sich nur noch unter unserem Bett im Schlafzimmer. Sie kam kaum noch zum Kuscheln, obwohl sie früher immer kam, wenn ich nach der Spätschicht zur Tür rein bin und noch mit einem Bier auf der Couch Fernsehen schaute. Ich spürte wie ihr Herz immer langsamer schlug, als wir sie bei unserer Tierärztin einschläfern ließen, hielt sie fest und hatte meine Hand bis zum zum letzten Herzschlag bei ihr. Waren bei ihr bis sie starb. Wir waren todunglücklich, aber doch auch hatten wir Frieden und etwas Trost mit der Tatsache gefunden, dass wir sie auf diesem letzten Weg begleiten konnten. Nun liegt sie mit Noodles zusammen in unserem Garten begraben und für uns sind sie beide gemeinsam glücklich im Katzenhimmel.

Wir warteten. Ich weiß nicht genau wie lange, wir tranken noch eine Limonade, kein Lemon Soda mehr. Wir haben einen 80 Liter großen Kühlschrank, da geht schon ein bisschen was rein, wenn man es vernünftig organisiert und gut packt. Dann passen auch einige Biere rein, worauf ich immer besonders Wert lege. Nichts geht über ein eiskaltes Bier nach einem langen oder anstrengendem oder besonders schönem, oder nervigen Reisetag. Heute war es ein sehr aufregender Reisetag und ich hätte wohl Lust auf ein eiskaltes Bier, aber ich fahre noch. Also besser nicht. Rafa fährt zurück, dorthin wo sie zuletzt gehalten haben, hören wir vom Polarvux Team. Sie suchen Padme. Wie wollen sie die Kleine nur finden? Wird Padme dort warten, wo sie zurück gelassen wurde? Wie wahrscheinlich ist es, dass der Hund wartet und nicht einfach irgendwohin läuft? Das Padme selber anfängt zu suchen und umherirrt?

Nach einer Weile sehen sie ein kleines Mädchen mit einem großen Hund an der Piste stehen. Mariella beschreibt sie später als einen Engel. Sie fragen das Mädchen, ob sie einen kleinen Hund gesehen hat. Das kleine Mädchen zeigt nach oben, einen kleinen Berghang hinauf und dort sitzt Padme und wartet darauf abgeholt zu werden. Wir alle sind überglücklich, als uns diese Nachricht erreicht.

Alle wieder da, Gott sei Dank!

Jetzt wird diese fantastische Offroadpiste noch zu Ende gebracht und nur noch genossen. Die Ausblicke, die gut ausgegangene Geschichte mit Padme und auch das mittlerweile erlangte Vertrauen in das Material von Kabine und von LEMMY. Wir fühlen uns immer wohler, trauen uns immer mehr zu und sind auch bald, wenn wir auf uns allein gestellt sind, gut gerüstet, denken wir. Was jetzt noch fehlt, ein Platz für die Nacht. Mariella und Rafa brauchen Wlan und haben einen kleine Campingplatz rausgesucht. Den steuern wir an. Die erste kleine Flussdurchfahrt steht an, dann sind wir da. Nicht viel los hier. Nur noch ein anderer Camper, mit Dachzelt. Ein Schweizer Pärchen mit zwei Kindern.

Grüner Rasen, Bäume außen rum und eine kleine Feuerstelle. Sogar ein Bächlein fließt vorbei. Netter Platz hier, aber HP ist schon wieder unterwegs mit Lupo. Rafa steht schon, Jutta ist auch schon klar wie wir stehen sollten. Da kommt HP zurück. „Hey Leute, da unten direkt am Fluss ist es perfekt!“ Wir schauen es uns an. Ich bin ebenso begeistert wie HP, Jutta teil meine Freude nur mäßig. Ist doch gut hier, wo wir sind. Eine zweite, etwas tiefere Flussdurchfahrt würde anstehen und der viele Müll, von alten Schuhen, Knochen und dem üblichen Plastiktüten, Verpackungen, Flaschen und Kleinteilen kann Jutta kaum ertragen. Trotzdem fahren wir rüber an den Fluss, durch die Furt, über Geröll und finden unseren perfekten Stellplatz.

HP ist noch mit Lupo unterwegs und Martina fragt mich, ob sie denn wohl den LKW schonmal rüberfahren soll? „Klar! Ich fahre ja vorweg, folge nur meiner Spur“, sage ich. Sie tut wie geheißen und bringt den LKW heile rüber. HP sieht auch schon, was vor sich geht und gibt letzte Kommandos an Martina vor der Furt und dann steht auch der LKW. Rafa scheint hinten zu bleiben und wir denken: „Vielleicht wollen sie einfach mal für sich sein.“ Plötzlich entfaltet sich der Charme des neuen Stellplatzes sogar bei Jutta und ich vernehme: „Wow, geil ist das hier!“ Wir stehen zwar auf Stein und Geröll, aber die Nähe zum Wasser und die Berge in der Ferne drumherum, das hat schon was. Das Wasser ist klar und eine Feuerstelle ist auch schon ausgemacht. HP und ich sammeln schon mal Feuerholz für den Abend. Wir schleppen Treibholz an, sägen, hacken und stapeln. Werkzeug haben wir beide. Da kommt Rafa mit seiner Family. Auch sie haben sich entschlossen bei uns am Fluss zu stehen.

Camp by day
Camp by night (fotografiert von @rafalanus)

Ich nehme noch kurzentschlossen ein Bad im eiskalten Fluss und wasche mir die Haare und mich selbst. Sophie kommt mit und findet Gefallen an der Idee sich im Fluss zu waschen und überredet Mariella. So widmen sich die Beiden nach mir der Körperhygiene im Fluss.

Die Defenders wollen noch Essen und etwas Trinken in der Bar am Campingplatz. Wir sind alle damit einverstanden. Jutta geht schon mit, HP und ich bereiten noch das Lagerfeuer vor, es soll ja ein paar Stunden brennen. Ich habe vor, heute Nacht etwas Musik mit meiner JBL Boombox am Lagerfeuer zu spielen. In der Bar essen wir lecker, trinken ein paar Bier und plaudern etwas mit den Schweizern. Sie spricht fließend griechisch, warum habe ich vergessen und auch der Bar- und Campingplatzbetreiber spricht griechisch.

(Wir sind mittlerweile in der Türkei, in der Nähe von Ephesus auf dem Deleri Motel & Campingplatz)

Sie sind fast seit einem Jahr unterwegs, mit VW Caddy und Dachzelt und zwei kleinen Kindern. Erstaunlich für uns, zu viert so zu reisen, mit so wenig Komfort. Naja, egal!

So nice!

Sie erzählen uns, es wäre doch besser, wenn wir vom Fluss dort, wo wir stehen, weiter zurücksetzen und mehr Abstand halten. Der Wirt sagt, hin und wieder, in unregelmäßigen Abständen werden die Schleusen des Staudammes geöffnet und dann würden wir unter Wasser stehen. Es wäre nicht gefährlich, aber die Reifen und Autos wären ca. 40-50 cm unter Wasser. „Wann würde denn das immer passieren?“, bitten wir die Schweizerin den Wirt zu fragen. Das wisse er nicht, denn die Schleuse ist in Nordmazedonien.

Lagerfeuer am Fluss

Wir lassen es darauf ankommen. Was wir dann erleben ist ein wunderschöner Abend am Lagerfeuer. Ich genieße es ungeheuer meine Musik zu spielen. Ich spiele meine Lieblingssongs von Spotify in einer bestimmten Reihenfolge und nicht zu hart. Hin und wieder spiele ich Wunschsongs von Allen in der Runde. So gehen einige Stunden hin und es wird ein unvergesslicher Abend. Das Lagerfeuer brennt, abwechselnd legen wir nach, HP und ich. Einige Biere fließen, eine Menge Holz wird verbrannt und als letzten Song spiele ich laut und etwas wehmütig der drohenden Trennung dieses perfekt harmonierenden Dreiergespanns „Do you realize“ von den Flaming Lips.

(Kennenlernen durfte ich diesen wunderschönen Song durch meinen Job als Requisiteur am Theater Bremen, wo ich seit 1992 beschäftigt bin. Das war vor 2 Jahren, als wir die LULU Produktion aus Stuttgart eingekauft haben mit den wundervollen Darstellern, u. a. dem begnadeten Musiker Miles Perkin, der eben diesen Song coverte und bei jeder Lulu Aufführung am Ende jeder Vorstellung spielte.)

So endete auch dieser Abend, mit einem wunderschönem Song, mit einem guten Gefühl, mit einem abgebranntem Feuer, mit einer Umarmung und mit einer einigermaßen betrunkenen Bettschwere.

Danach ging alles viel zu schnell. Wir fuhren weiter, zu dritt, Ziel sollte der Ohrid See sein. War es auch. Noch eine tolle Offroad Piste, kein Problem für Jutta. Mittagspause. HP hatte den Stop für die Pause gewählt, er hat halt einen guten Blick dafür, das kann ich bestätigen.

Kaffeepause

Aber hier liegt viel Müll. Ich denke, hier wäre eine gute Gelegenheit, den Platz deutlich sauberer zu hinterlassen, als vorgefunden. Sophia, magst du mir helfen, frage ich? Sie ist gleich begeistert und bekommt meinen zweiten Greifer und wir sammeln den ganzen Müll in einer großen Tüte.

Clean the planet!

Wir finden eine Menge Plastikflaschen, Dosen, Kippen, Tüten, Zigarettenschachteln, Deckel von Flaschen ohne Ende und so allerlei Shit und da fragt sie mich, ein siebenjähriges Mädchen: „Warum schmeißen die Leute ihren Müll einfach so hin, wir haben doch nur diese eine Welt?“ Ich wusste nicht was ich ihr sagen sollte. Nach einer Weile, die ich mir zum Nachdenken nahm, da sagte ich ihr, das ich es nicht weiß, warum die Menschen das tun. Hier und jetzt beschlossen wir noch gemeinsam am Ohridsee eine weiter Nacht zu verbringen.

Die Defenderfamily

(Notiz am Rande, gerade läuft „Helter Skleter von „Rob Zombie“ auf meiner Boom Box und ich sitze auf dem DERELI BEACH MOTEL & CAMP und Jutta sagt ich bin zu laut)

Jetzt sind wir wieder on the road again, das heißt auf Asphalt unterwegs und dementsprechend kommen wir, für albanische Verhältnisse, zügig voran. Am Ohridsee angelangt essen wir zusammen. Die Wahl ist fish or meat. Wir wählen Fisch und sind sehr zufrieden mit der Wahl. Danach gab es den obligatorischen Raki und wir trinken noch etwas, bevor wir erschöpft, nach einem langen Tag ins Bett fallen. Nun ist es tatsächlich soweit und unsere Wege trennen sich. Wir hatten eine tolle Zeit zusammen mit Rafa, Mariella, der kleinen Miss Sophie, dem Hündchen Padme und dem Defender. Ein Abschiedsfoto und ab dann sehen wir uns nur noch über Instagram. Aber immerhin. Es war fantastisch mit euch. Bye bye….

The Dream Team!

The Defender Family auf dem Weg nach Griechenland und wir auf dem Weg Richtung Küste in Albanien. Martina ging es nicht gut. Die Route aber stand. Jutta hatte einen Campground bei Vlores ausgeguckt, Martina einen Platz weiter nördlich. Erstmal ging es aber gemeinsam Richtung Küste. Und wieder, wie immer, hat Martina eine tolle Offroad Strecke erarbeitet, die ihr absolut gerecht wurde. Sie war nicht zu anspruchsvoll für mich, sie war schön und auch nicht zu lang für Jutta. Den Abend zuvor, am Ohrid See hatte ich Ihr gesagt, sie möchte nicht zu lange Strecken wählen, die sehr unbequem sind, das würde Jutta nicht sehr gefallen. Und auch dieses mal hat sie die perfekte Strecke gewählt.

Offroadausblicke

Leider ging es ihr wirklich schlecht und wir verständigten uns nach der Mittagspause darauf, nach Vlores zu fahren, dem Platz, der Jutta und mir entgegen kam, da er südlich lag und wir eh nach Süden wollten. Mal wieder ging es über Stock und Stein, langsam bergauf und bergab, hin und wieder Gegenverkehr, der mal passiert werden musste und mal passieren lassen musste und dann wieder Asphalt. Pause. Jetzt müssen wir entscheiden, Norden, oder Süden. Bisher war Martina immer unser Navigator. Diesmal sagten wir, wir fahren nach Süden, nach Vlores. Polarvux stimmte zu und kam mit. Die Fahrt war relativ unspektakulär. Irgendwann hielt HP kurz an, um mal eben die vier Reifen mit den vier installierten Reifendruckluftpumpen aufzupumpen. Dann ging es weiter.

Camping Vlores

Der Platz war perfekt, wir stehen in der ersten Reihe, die Sonne geht gerade unter. HP ist zu weit gefahren und muss umkehren. Die erste Reihe ist voll. Sie finden trotzdem einen guten Platz in zweiter Reihe und wir trinken und genießen den Abend und den Sonnenuntergang gemeinsam direkt am Meer. Morgen könnt ihr umparken und nach vorne in die erste Reiher fahren, sagt der deutsch sprechende Camp Betreiber. Aber ich mache einen schlechten Scherz und kreide mir anschließend an Verantwortlich zu sein, das Polarvux vorzeitig die Segel gestrichen hat.

Schon vor einer ganzen Weile hatte ich mit Jutta darüber gesprochen. evtl. etwas über das Polarvux Team nach Deutschland zurück transportieren zu lassen. Wir hatten uns nur nie getraut zu fragen. Sie wollten schließlich Ende Oktober zurück nach Deutschland. Lass uns einfach mal fragen. Ich habe festgestellt, dass meine Camera EOS 450 D, mein Stativ und unser Brennstoffkocher nur Ballast ist. Ich habe damit nur Streß, ich will das nicht benutzen. Wenn wir das loswerden können, dann laß uns das versuchen.

Und ich frage und Martina sagt HP muss das entscheiden, er ist der Lademeister beim Lkw. HP sagt:“ Kein Problem.“ Er hat Platz für unseren Stuff und sie nehmen es mit nach Oldenburg. Wir sind sehr glücklich damit und am nächsten Morgen sehr überrascht, als es früh um 8:00 schon an der Tür klopft. HP und Martina wissen, dass ich gerne ausschlafe bis 9:30.

„Hallo, wir fahren gleich weiter Richtung Norden. Martina will noch die Sachen im Norden nachholen, die wir ausgelassen haben. „, sagt Hans Peter. OK, schade. Wow. Damit haben wir überhaupt nicht gerechnet. Ich bin wirklich traurig. Sie fahren vom Platz und wir winken hinterher. Weg sind sie. Das wars, erst waren wir allein, dann zu zweit mit Polarvux, dann zu dritt mit The Defender Family, danach wieder zu zweit und jetzt wieder allein. So what!

Was mich danach beschäftigt hat: Hat es an meinem schlechten Scherz gelegen? Das kann nur Martina beantworten. Ich erlaubte mir den Scherz zu machen: „Wenn ihr zuhause seit, dann kann ja Sonja (Juttas Schwester kommt auch aus Oldenburg) unseren Stuff bei euch abholen, dann bleibt uns das erspart.“ Ich hielt das für witzig in dem Moment, war es aber wohl nicht wirklich.

Wir fahren die Südroute weiter, immer entlang am Meer. Über den Llogara Pass und treffen auf „Dandovueltas“ auf dem Weg nach Griechenland, auf der Schleppfähre…

…aber vorher wollte ich noch kurz was sagen, über die verrückte Fahrweise einiger und das eigenartige Parkverhalten vieler Albaner. Eilig haben sie es alle, wo ist das nicht so? Hier aber hat man das Gefühl, als ob es um Leben und Tod geht. Es wird überall überholt, egal ob vor einer Bergkuppe, vor einer Kurve, oder besonders kurios (allerdings das meist in den Ballungsräumen von Shkodra oder Tirana) aus der eigenen Reihe, wenn sich der Verkehr staut. Dann wird ohne Rücksicht auf Verluste ausgeschert und in den Gegenverkehr gefahren. Ich habe das mehrmals erlebt. So auch, als wir durch Shkodra nach Tirana unterwegs sind. Links, in meiner Gegenrichtung staut sich der Verkehr, ich habe freie Fahrt. Da schert ein Mercedes aus und kommt mir ziemlich schnell auf meiner Spur entgegen. „Was zur Hölle soll das?“, denke ich mir und halte weiter drauf. So ein Vollidiot! Ich sehe wie er bremst und vor mir zum Stehen kommt. Ich fahre ihm dicht vor die Haube und gucke runter zu ihm. Nichts zu sehen, eine schwarzgetönte Scheibe, kein Fahrer zu erkennen. Sein Warnblinklicht geht an und nun staut es sich hinter mir. „Ja, du blöder Idiot!“, denke ich wieder. „Nun seh mal zu wie du da drüben wieder in die Spur kommst.“ Ich sehe ihn in Gedanken vor mir, wie er da sitzt in seinem Mercedes, mit hochgezogenen Schultern, als wolle er sagen: „Ich kann doch auch nix dafür.“ Schnell lässt ihn jemand einfädeln und es geht weiter.

Ich wünschte mir in solchen Situationen manchmal etwas mehr Gelassenheit. Wie ticken diese Leute? Fühlen sie sich nicht völlig bescheuert, plötzlich mit dem Unvermeidlichen konfrontiert zu werden und dann darauf angewiesen zu sein, von denen, die überholt worden sind, wieder in die eigene Spur gelassen zu werden? Ich würde mir mächtig blöd dabei vorkommen. Sind es verzogene Jungs, die denken, die Regeln gelten nur für andere, oder Mafiagören, die meinen sie können eh tun was sie wollen? Im Nachhinein dachte ich mir, was wenn er da hinter seiner getönten Scheibe plötzlich ne Knarre auf mich richtet, weil ich ihm aggressiv entgegenkam? Den Gedanken verwerfe ich schnell wieder. So oder so ähnlich erlebe ich es häufiger.

Eine andere Situation war auf einer wundervollen Passstraße. Wieder ein schickerer Wagen, diesmal mit nur drei Buchstaben. Er genießt die Fahrt mit seiner Freundin und schleicht vor mir her mit ca. 15-20 Kmh. Es geht durch einen schnuckeligen kleinen Ort und ist entsprechend eng zwischen den Häusern, an überholen nicht zu denken. Das geht eine ganze Weile so und ich fahre ihm auch schon zu dicht auf, bemerkt Jutta. „Ja, er soll doch merken, dass ich vorbei will. Vielleicht lässt er mich dann!“, erwidere ich. Irgendwann endet der Ort und ich wittere meine Chance nach ein paar Kurven. Jetzt oder nie! Eine kleine einsehbare Gerade taucht auf und ich setze den Blinker und ziehe vorbei. Im zweiten Gang mit viel Gas. Er gibt auch Gas. Was soll das schon wieder? Ich bin richtig sauer, bleibe auf dem Gas und sehe ein anderes Auto mir entgegenkommen. Er ist neben mir und ich komme nicht vorbei mit meinen 3,5 Tonnen. Ich lasse meine Hand auf der Hupe und ziehe langsam rüber zu ihm. Er sieht es schließlich auch, da kommt was von vorne. Jetzt bremst er und ich ziehe vorbei und wieder auf meine eigen Spur. Ich fluche und schimpfe noch etwas und beschließe nach dieser Situation, da muss ich was zu schreiben. Was soll sowas? Warum macht er das? Will er seiner Freundin was beweisen? Das er das schnellere Auto hat, wissen wir beide. Es wird mir, wie so Vieles was unterwegs geschieht, ein Rätsel bleiben, was da in seinem Kopf vorging. Nach einer Weile habe ich mich wieder beruhigt.

Was das Parken angeht, da frage ich mich auch oft, wieso so? In zweiter Reihe wird ja ständig geparkt. Nichts besonderes hier. Es wird auch überall geduldet, so scheint es zumindest. Aber wenn ich korrekt parke und noch im Auto sitze, während Jutta einkauft und dann in zweiter Reihe zugeparkt werde, obwohl vor mir genug Platz ist für noch zwei PKW, dann frage ich mich wieder, was stimmt mit dir nicht?

So geschehen in Vlores. Rechts stehen einige Autos am Bürgersteig, überall zwischen drinnen große Lücken. Aber, warum in eine Lücke fahren, wenn es doch soviel bequemer ist einfach in zweiter Reihe zu parken? Das dachte der Pickup Fahrer sich wohl auch, der sich schräg vor mich stellt, so dass ich rechts an ihm nicht vorbeikomme mit meinen 2,50 cm Breite und links schon gar nicht, weil die Spur nur noch von kleinen PKW passiert werden kann. Jetzt parkt auch noch einer hinter mir und ich komme auch rückwärts nicht weg. Andere von hinten kommende Autos hupen schon. Der Fahrer ist im Obstladen und denkt sich wohl, wird schon gehen. Er guckt raus und die kleinen Autos fahren im Schritttempo an seinem Pickup vorbei. Jutta kommt auch schon wieder und er ist wieder im Laden verschwunden. Er steht nun also schräg links vor meiner Haube und ich will weiter. Was soll ich tun? Ich hupe laut und unmissverständlich. Er guckt raus aus dem Laden, ich deute auf sein Auto. Er deutet neben seinen Pickup. Die Anderen sind doch auch vorbeigefahren, scheint er signalisieren zu wollen. Er scheint tatsächlich nicht in der Lage zu sein die Situation in Gänze zu erfassen. Er begreift nicht, das ich rückwärts nicht rauskomme und weder links noch rechts an ihm vorbei kann. Ich schüttle verständnislos den Kopf. Er begibt sich zu seinem Fahrzeug und entfernt es dort. Ich kann unsere Reise fortsetzten, einmal mehr ratlos, ob es nur Ignoranz ist oder mangelnde Verkehrserziehung, schlechte Ausbildung oder einfach nur Dummheit. Aber egal jetzt, wir sind auf dem Weg zur Grenze nach Griechenland. Die wollen wir heute unbedingt noch erreichen.

So geht es nun also immer an der Küste entlang und wir erleben wieder unglaublich schöne Ausblicke aus dem Auto. Wir müssen uns gelegentlich bewusst machen, wie schön das alles ist hier und dass es mitnichten selbstverständlich ist, dass wir dieses wundervolle Land bereisen und die tollen Ausblicke genießen dürfen. Man gewöhnt sich so schnell daran und es wird zum Alltag, diese ganzen grandiosen Momente und hinter jeder Kurve ein neues Fotomotiv zu entdecken. Aber es ist nicht selbstverständlich und wir sind dankbar alles erleben zu dürfen.

Irgendwo in Saranda

Irgendwann am Nachmittag erreichen wir Saranda und mir fällt ein, wir brauchen noch einen Albanienaufkleber für LEMMY. Das sollte in diesem Badeort wohl kein Problem sein. Ich parke, nicht ganz korrekt, aber ohne andere Fahrzeuge zu blockieren. Nach ein paar Shops und einen ziemlich netten Eindruck von diesem gut erschlossenem Küstenort werden wir fündig. Die Flagge mit schwarzem Doppeladler auf rotem Grund. Ich bin zufrieden, verstaue den Sticker und weiter geht es.

„Ich glaube da kommt noch eine Fähre vor der Grenze!“, sagt Jutta. „Echt?“, frage ich erstaunt. Tatsächlich, da steht schon ein Camper. Warum fährt er nicht? Ich stehe hinter ihm und sehe, dass er mich vorbeiwinkt. Jetzt erst sehe ich die Fähre, klitzeklein und aus Holz. Ein grüner Van ist bereits darauf. Der Fährmann winkt mich her. Es scheint noch einer draufzupassen. Der andere Camper, der mich vorbei gewunken hat, war wohl anderer Meinung. Ich fahre langsam rauf, am Van vorbei, gucke nach meinen großen LKW-Spiegeln. Passt. Raus komme ich nicht mehr aus dem Auto, zu dicht bin ich am Van dran. Aber es ist nur eine sehr kurze Überfahrt. Ich stehe mit der Haube noch hinter der Beifahrertür des Vans und eine Frau steigt aus und filmt. Die Fähre setzt sich in Bewegung und wird an zwei Seilen, die plötzlich aus dem Wasser auftauchen, gezogen. Wir staunen und freuen uns über diese schöne Fährpassage und denken, dass wir doch sicherlich auch auf dem Film auftauchen müssten. Was steht denn da am Auto bei denen? „Mama-en-ruta mit dem Instagramsymbol steht da. Die schreibe ich an!“, sagt Jutta. So kommen wir später an ein Video mit uns auf der Fähre. Und so bekamen wir Kontakt zu DANDOVUELTAS, die wir noch wiedertreffen sollten, später in Griechenland und auch in der Türkei.

Jetzt ist es nur noch ein Katzensprung bis zur Grenze. Das erste Mal, dass wir wirklich alles vorzeigen mussten. Inklusive einer Onlineanmeldung (Formular PLF), in dem diverse Daten und Informationen eingetragen werden mussten. Die Impfpässe und die Autopapiere, alles wurde gecheckt, sogar in die Kabine wurde geschaut. Wir hatten nichts dagegen, sie machen halt auch nur ihren Job. Ab jetzt geht es auf griechischem Boden weiter.

….und was als nächstes geschieht….

Greece Chapter – 1

…und wie ich das Geheimnis um das verlassene Bergdorf Skeponi lüfte…

Chapter 3 – Albanien

….und wie wir nachts unser Lager verlassen und flüchten müssen…

Da wir uns ja in Dubrovnik mit dem Polarvux für Mittwoch, den 18.08.2021 im Shkodra Lake Resort in Albanien verabredet hatten, wollte ich heute durch Montenegro nur durchfahren (mit einer kleinen Lunch Pause) und auch am Ziel in Nordalbanien ankommen. Montenegro kennen wir auch schon etwas von einer früheren Reise. Also Sachen zusammengepackt, Tarp abgebaut, Tisch und Stühle verstaut, Grauwasser ablassen, drinnen alles klar machen und Pi Tank leeren. Der Feststofftank der Trenntoilette muss nur alle 4-6 Wochen geleert werden. Ich bin für außen zuständig und nenne mich den Lademeister für alle Staufächer am Fahrzeug. Jutta ist verantwortlich für alles was drinnen wichtig ist: Kühlschrank verriegeln, Schubladen und Schränke sichern, Fenster und Dachluke verschließen, Strom und Wasserpumpe aus und dass halt nichts mehr rumsteht und durch die Gegend fliegen kann. Wir fahren ja auch schlechtere Straßen und mit dem Offroadfahren wird es in absehbarer Zeit stetig zunehmen.

Als nun alles erledigt ist, was mittlerweile sehr zügig von der Hand geht und wir ausgecheckt haben, geht es wieder los. On the road again. Wir fahren Küstenstraße und bis zur Grenze von Montenegro kommen wir gut voran. Formalitäten werden schnell und unkompliziert erledigt. Impfpass oder Fahrzeugpapiere will niemand sehen, nur die Pässe. Check.! Ab jetzt wird es richtig langsam, denn auch hier habe ich meinem Navigator gesagt, ich möchte gerne überall wo es geht die Küstenstraße fahren. Die Durchschnittsgeschwindigkeit dürfte ca. 30 kmh betragen. Es ist mega viel Verkehr und überall noch einiges los an den Stränden, was auch immer viel Fußgänger bedeutet, die von oder zu den Stränden pilgern. Also erhöhte Aufmerksamkeit.

Irgendwann erreichten wir die Kemenari Fähre um überzusetzen. Hier war mal erstaunlich wenig los, so dass wir direkt vor der Fähre unser Ticket kaufen konnten und dann ging es eigentlich schon direkt drauf. Sie kam sogar gerade an und alle Autos fuhren runter. Ich stand in der Schlange der Fahrzeuge die rauffahren wollten, aber irgendein offizieller Einweiser zeigte mir an, aus der Schlange rauszufahren und wies mich in eine andere Richtung. Ich (gutgläubig und nichts Böses ahnend) dachte mir: „Der wird es schon wissen. Dann fahre ich hinter der Kurve wohl über einen Schlenker auf die Fähre.“ Nichts da, ich entfernte mich immer weiter vom Terminal und dachte mir: „Was für ein Idiot!“ Ich wendete und fuhr mit meinem Ticket wieder zurück. Die Schlange der Fahrzeuge die rauf wollten auf die kleine Fähre war mittlerweile beträchtlich gewachsen und ich wollte mich nicht hinten einreihen, denn es war nicht mein Fehler. Also fuhr ich kurzerhand in den Gegenverkehr, wedelte zornig mit meinem Ticket und sagte dem Offiziellen, er habe mich an der Fähre vorbei gewunken, obwohl ich rauf wollte.

Wieso er annahm, das ich mit meinem Camper nicht auf die Fähre wollte, obwohl ich in der Linie stand mit einem gerade erworbenen Ticket, wird für immer sein Geheimnis bleiben. Was soll’s, der Ärger verging. Schneller wurden wir nicht, doch irgendwann kamen wir an die albanische Grenze. Hier wurde alles verlangt, bis auf die Impfpässe.

Jetzt ist es nicht mehr weit, aber bevor wir ankommen, will Jutta noch einkaufen. Kein Problem, sie weiß einen Ort vor dem Endziel, wo es einen größeren Supermarkt geben soll. Noch steht das Thermometer auf 38 Grad, aber wir haben Aircon. Wir kommen näher und es wird enger und ich erinnere mich an die Fahrweise und dem Parkverhalten der Albaner (dazu wird es eine extra Artikel geben). In dem Augenblick, wo der Verkehr sich in meiner Gegenrichtung staut, kommt mir ein BMW auf meiner Fahrbahn entgegen. Es kommt natürlich zum Stillstand. Dann lässt ihn jemand rein.

Welcome to Albania!

Die Einkäufe sind schnell erledigt. Ich parke „Albanien Style“, also in zweiter Reihe, da ich mich schnell akklimatisiert habe. Bleibe aber beim Auto, falls ich doch zu sehr im Weg bin. Nur noch ein paar Minuten und wir sind am Shkodra Lake Resort. Vor dem geschlossenem Tor ein Schild mit der Aufschrift „Nicht hupen“, ich hupe. Mist, hatte nur das Symbol Hupe gesehen (nicht das es durchgestrichen war) und ein geschlossenes Tor. Jutta rollt mit den Augen.

Shkodra Lake Resort

„Hey, welcome back!“ , werden wir begrüßt und sogar ich erkenne die beiden jungen Ladies wieder vom letzten Besuch vor 6 Jahren. Wir fühlen uns sofort heimisch, erkennen alles wieder, sind aber erstaunt, wie doll alles gewachsen ist. Da war doch nur eine Wiese 2015, nur ein paar kleine Bäumchen und ein paar Sträucher. Weiter vorne am Lake alles unverändert. Die Bar & Restaurant, das freundliche Personal, die sympathischen Bierpreise. Der wahnsinnig schöne Sonnenuntergang über dem Lake fiel mir wieder ein.

Aber wo war Polarvux? Wir standen mittlerweile auf einem perfekten Stellplatz, beschattet von einem beranktem Blätterdach, diesmal mit Strom und Wasser am Platz. Erstmal ein Bier und dann frag ich mal nach. Derweil hatten wir bereits Telefonnummern ausgetauscht und Kontakt über WhatsApp.

Stellplatz im Shkodra Lake Resort

Hey Polarvux, wo seit ihr, wann kommt ihr an? Hier Polarvux, wir kommen ca. in 2 oder 3 Tagen an. Hä? Sind wir nicht verabredet? Jutta lies du mal nach, was wir uns geschrieben haben. Ja, da steht: „Wir machen uns am 18.08.2021 auf zum Lake Shkodra.“ Nur war es nicht so gemeint, das sie auch am 18.08.21 dort ankommen. Sie schafften es zum 19.08.2021 und das war ein bedeutungsvoller Tag. Da ich rückwirkend schreibe (Standort aktuell auf Naxos am 12.09.2021) kann ich sagen, das wir eine ereignisreiche Zeit gemeinsam verbringen werden.

Vor 6 Jahren schon hatte ich hier ein erstaunliches Erlebnis. Wir saßen hier am Lake in der Bar und tranken Tirana Bier und ich schrieb meiner Freundin Gudo aus Hamburg, dass wir gerade angekommen sind. Sie googelte den Ort und schickte mir eine Whatsapp mit einem Foto, wo ich mich in eben dieser Bar erkannte. Vor ca. einer halben Stunde hatte jemand am Nebentisch ein Foto gemacht, auf dem auch wir mit drauf waren und online gestellt hat, mit Ortsangabe. So fand ich mich auf einem Foto, gesendet aus Hamburg, sitzend in der Bar am Lake Shkodra in Nordalbanien und konnte es kaum glauben wie das zuging.

(In der Taverne am Maragas Camp auf Naxos läuft gerade „Black“ von „Pearl Jam“, als ich dieses schreibe. Die Taverne ist ca. 20 m von meinem Schreibtisch am ägäischen Meer entfernt und ich habe Sichtkontakt. Mal sehen, wie weit ich heute noch komme. Haben viel erlebt bis hier und ich ordne unterwegs immer einige Gedanken, Aber bis ich zum Kapitel Griechenland komme, werden wir wohl bereits in der Türkei sein. Das aber nur am Rande).

Als wir gerade noch ein Schläfchen machen wollten und auf den Polarvux warteten, hörte ich immer auf ankommende Fahrzeuge, während wir im Bett lagen. Nee zu klein, ein LKW klingt anders. Was kommt da denn? Ein Diesel auf jeden Fall. Hey Jutta, ich glaube das war ein Oman Camper. Ich guckte aus dem Fenster und dachte tatsächlich einen anderen Camper mit dem selben Fahrzeugtyp zu erkennen, den wir selber fahren. Der fuhr gerade an uns vorbei auf das Tor zu, wo man nicht hupen soll. Am Abend dann tatsächlich die Überraschung. Pico und seine Freundin, der dazugehörige Hund, seine beiden Kumpels ohne die dazugehörigen Freundinnen kamen bei uns vorbei. Ich hatte recht gesehen. Einen Oman Camper, den wir schon kennenlernten auf einem Oman Camper Treffen und den wir wieder trafen auf der Ohrdruf Offroad Messe. Sie hockten sich eine Weile zu uns, wir schnackten eine Zeit lang, tranken ein paar Bier und dann trennten sich unsere Wege.

Der nächste Tag kam und wir machten gerade noch einen Mittagsschlaf. Wir lieben es Mittagsschlaf zu halten, auch noch um fünf, wenn nötig/möglich. Dann horchte ich auf. Ein großer LKW, das hört man. Jo, das sind sie. Ich habe es aus dem Bett durch mein Fenster gesehen. Den LKW kenne ich bereits von den Instagram Fotos. Los aufstehen, ich will filmen wie sie ankommen! Nach dem Einchecken bauen sie auf und am Abend lernen wir uns kennen.

Lupo (ihr adoptierter Hund aus Griechenland) liegt brav mit am Tisch. Kinder mag er nicht so. Katzen noch weniger. Wenn er in der Richtung etwas sieht, dann wird es turbulent und Hans Peter hat gut zu tun Lupo wieder zu beruhigen.

Wir trinken etwas zusammen, tasten uns ab, erzählen von erlebten Reiseabenteuern und beschließen etwas Zeit gemeinsam zu verbringen.

Jetzt erst erfahren wir, das der Polarvux Martina ist, nicht Hans Peter, wie ich die ganze Zeit dachte. Hans Peter ist der Ivecovux. Hans Peter wird mir mächtig ans Herz wachsen, wie sich später herausstellen sollte. Wir erzählen also, was uns so widerfahren ist. Hans Peter und Martina haben beide langjährige Offroaderfahrung. Wir erfahren, dass sie ihren Mercedes G in Albanien auf einer früheren Reise in einem Fluss versenkt haben, weil die Strömung zu stark war und der G einfach abgetrieben wurde und in dem tieferem Verlauf des Flusses unterging. Wie sie entkamen aus dem untergehendem Auto, mit dem besoffenem Polizisten zurecht kommen mussten, der keinen Bock auf diese Geschichte hatte und der Abwicklung über die deutsche Botschaft. Wir erzählten wie wir mit dem Zug von Nairobi nach Mombasa entgleisten, wie wir fürchteten in Manaus am Amazonas unser ganzes Hab und Gut zu verlieren usw.. Wir plauderten halt über vergangene Reiseerfahrungen. Und wir mochten uns.

Das war also der Beginn unserer gemeinsamen Reiseerfahrung, in der später noch Rafa und die Defender Family eine Rolle spielen werden. Aber dazu komme ich noch.

Große Moschee, Tirana (Namazgja Moschee)

Zunächst trennten wir uns kurz, weil ich nach Tirana wollte, um ein T-Shirt zu kaufen in der Tirana Rock Bar. Die Bar war leider 2015 geschlossen als ich das letzte Mal in der Stadt war. Das war sehr ärgerlich für mich, da ich es liebe in fremden Städten ins Nachtleben einzutauchen und Metal-oder Rockbars zu entdecken, dort zu trinken, eine gute Zeit zu haben und ein Andenken zu kaufen.

Wir kommen also an in Tirana, stehen beim Baron Hotel, weil die immer einen Platz haben für Overnight Camper und begeben uns in die Innenstadt. Tirana Rock Cafe hat dicht. Die Alternative, der ILLYRIAN SALOON hat dicht. Gestern hatte er noch auf, versichert mir jemand von gegenüber. Scheinbar habe ich in dieser Stadt kein Glück mit Rockkneipen. Wir trinken woanders was, essen lecker, haben eine tolle Aussicht auf die Stadt und gucken uns hier und da etwas an.

Tirana by night

Am nächsten Tag, na was soll’s, fahren wir halt zurück zum Base Camp, Lake Shkodra. Wir haben nix gehört vom Polarvux. Wenn wir nix hören treffen wir uns am Lake Shkodra, so war es abgemacht.

Dann ging es gemeinsam los zum Koman Stausee, Das ist eine wunderschöne Passage mit dem Schiff von Koman nach Fierze. Der Weg dorthin hielt eine erste Überraschung bereit, eine erste wirkliche Offroaderfahrung außerhalb der abgesicherten Trainingseinheiten mit Instruktor. Und da begann das Abenteuer und der Spaß für mich und der Stress für Jutta. Aber das sollte sich schnell ändern.

Wie immer sieht es auf den Bildern nur halb so schlimm aus!

Hier ist der Platz wo wir euch eigentlich hätten treffen wollen, hieß es plötzlich. Hans Peter wendete den LKW auf dem Weg zum Koman Stausee, wir folgten. So war es übrigens üblich auf der gesamten gemeinsamen Route. Hans Peter vorweg, wir mit LEMMY hinterher. Ach du Scheiße, was macht der denn da? Er fährt, ohne vorher zu gucken, eine steile Geröllpiste mit extremen Auswaschungen herunter, danach folgt eine Sandpiste mit noch tieferen Auswaschungen. Ich bleibe erstmal oben stehen und warte….Hans Peter kommt zurück, Jutta ist ihm schon entgegengelaufen. Hier können wir Mittagspause machen, verkündet er uns. Das ist der Platz wo wir euch eigentlich nach Tirana hätten treffen wollen. Es war ein stillgelegter oder nicht in Betrieb genommener Campingplatz. Kein Wunder, die Abfahrt ist mit normalen PKW’s nicht möglich.

Hans Peter bespricht mit mir die Abfahrt. Worauf ich zu achten habe und welche Einstellungen zu treffen sind. Wir sind uns einig und ich fühle mich gut dabei. Jutta soll filmen, aber sie macht nur ein Foto, während sie drauf hält und denkt, dass sie filmt.

Ist aber trotzdem gut geworden, oder?

Das ist wohl dem Stress geschuldet. Wir sind unten nach der Sandpiste und machen Pause, trinken Kaffee, essen Snacks. Lupo geht durch und jagt die Ziegen, die vor Ort grasen.

Den Kaffee ham wir uns echt verdient!

Martina geht derweil baden. Dann wird uns klar, es muss weitergehen und wir müssen den Weg auch wieder hoch fahren. Nächste Offroad Lernstunde. Ohne Untersetzung, ohne Allrad geht es auf festem Sand hoch. Keine Traktionsprobleme stehen an, nur extreme Auswaschungen, Probleme mit dicht stehenden Bäumen und evtl. Höhenprobleme mit tief hängenden Ästen.

Jutta soll das leiten, mich führen, in Echtzeit. Das geht komplett schief. Sie steht mir vor der Haube. Ich muss bremsen und kuppeln. Das ist extrem übel in solchen Situationen. Hans Peter steht hinter Jutta, zeigt nach links, Jutta zeigt nach rechts,. Ich fahre einfach intuitiv nach Gefühl und es geht gut. Der nächste Abschnitt wird besprochen, alles rein was geht, auf Schotter mit extremen Auswaschungen und extremer Steigung. Allrad mit Untersetzung und los. Jutta gibt Anweisung und es klappt. Die Räder vorne heben 3 mal ab, abwechselnd, Jutta schnappt nach Luft, aber LEMMY macht seinen Job und Jutta macht ihren Job.

Tunnelcheck vom Dreamteam

Weiter geht es zur Fähre am Koman Stausee. Wir checken die Lage, gehen durch den Tunnel. Hans Peter und ich gucken wie es am Ende des Tunnels aussieht. Wtf! Warum stehen hier Autos in der Kurve? So kommt er nicht vorbei, mit 3,65 m Höhe. Wir denken positiv, am Morgen, wenn wir durch wollen, werden schon alle Parkidioten verschwunden sein. Am Abend, auf dem park4night Platz, auf dem wir die Nacht vorher verbringen, bekommen wir unverhofft Weintrauben geschenkt von kontaktfreudigen und herzlichen Albanern, die uns einfach nur willkommen heißen und begrüßen wollen. Das wird nicht immer so ablaufen….

Früh am nächsten Morgen, nach einer angenehmen und ruhigen Nacht, starten wir nach einem kleinen Frühstück und etwas Kaffee direkt zum Tunnel und hoffen das Beste. Diesmal fahre ich als Erster, damit Hans Peter mich als Maß hat mit exakt 3 m Höhe und er so besser seine 3,65 m einschätzen kann. Wäre gar nicht nötig gewesen, denn ein freundlicher Mitarbeiter geht fast den kompletten Weg durch den Tunnel vorweg und weist Hans Peter den Weg. Selbst an einem parkendem Auto im Tunnel passt es noch gerade so eben.

Gut das wir schon so zeitig gestartet sind, denn das Gewusel und der Trubel (wie auf einem orientalischen Basar) nimmt von Minute zu Minute zu. HP wird als Erster rückwärts auf die Fähre gelotst. Ich werde zum Warten und Parken geschickt. Der Platz hinter dem Tunnel und vor der Fähre ist äußerst begrenzt und ständig kommen neue Fahrzeuge aus dem Tunnel. Private PKW, Vans und unendlich viele Transporter mit Tagestouristen, die die einfachen Bootsausflüge von hier machen. Es wird rangiert, gewendet, gehupt und eingewiesen, dazwischen Obstverkäufer, Getränkelieferanten und so allerlei Fährpersonal. Unsere Fähre ist bald voll, ich frage mal, ob ich auch bald an die Reihe komme. Mach dir keine Sorgen, du hast ein Ticket, ich vergesse dich nicht, bekomme ich als Antwort. Als Letzter werde ich rückwärts auf die Fähre befördert, dann geht es los.

Die nächsten 2,5 Stunden sehen wir einfach nur traumhaftes Panorama. Die Decks oben an Bord sind längst alle voll, also holen wir einfach unsere eigenen Stühle raus und setzen uns bequem in die erste Reihe unten bei den Fahrzeugen und genießen die Fahrt. Alles was wir brauchen ist in unseren Trucks, inklusive kalter Getränke. Nach jeder Kurve ein neues Bild, hohe Berge, mal karg, mal mit Bäumen. Vereinzelt Häuser, mal ein kleiner Strand. Die Sonne scheint und die Zeit vergeht schnell.

Premiumplatz auf der Fähre

Hin und wieder erregt unser LEMMY auch schon mal aufsehen, ein Sunnyboy aus New York mit seiner Freundin bewundert Mr. Kilmister von Motörhead auf der Front unserer Alkove. „Yeah, rock ’n roll!“, sagt er zu mir und deutet die Luftgitarre an. Man plaudert etwas und dann kommt schon der Anleger in Sicht. Tatsächlich sorgen wir weit weniger für aufsehen, während wir mit Team Polarvux unterwegs sind. Der LKW von HP und Martina ist natürlich deutlich beeindruckender, als unser kleiner LEMMY. Beim Verlassen der Fähre (nun vorwärts) bin ich der Erste. Ich warte kurz und lasse HP passieren, im Rückspiegel sehe ich ihn schon kommen. Denn (wie üblich) navigiert Martina und das macht sie großartig. Sie findet tolle Offroadpisten, die echt Spaß machen und zum Teil auch ganz schön aufregend sind, für uns als Rookies (wie Martina uns nennt).

Valbonatal

Ab geht es jetzt ins Valbona Tal, nur kurz vorher noch einkaufen. Das ist oft gar nicht so einfach in den kleinen Dörfern am Rande des Wegs. Meist läuft es so ab, dass HP und ich am Fahrzeug warten und die Ladys den Einkauf erledigen. Kurze Kaffeepause unterwegs, dann geht es weiter und die Landschaft wird immer schöner, die Bergpanoramen immer beeindruckender und das Wasser der Valbona immer türkiser und kräftiger in der Farbe.

So schööön!

Irgendwo hier soll auch Rafa stehen, der Argentinier mit seiner italienischen Frau Mariella, der Tochter Sophie und dem kleinen Hündchen Padme. Sie zusammen sind „The Defender Family“ und er ist professioneller Fotograf. Sie haben das Polarvux Team schon am Shkodra Lake Resort kennengelernt. Über Instagram wird kommuniziert. Hinter dem Wasserfall abbiegen, dann eine kleine Piste rechts rein…

Wir sehen weder einen Wasserfall noch finden wir sie im Valbona Valley. Was wir finden ist ganz am Ende des Tals ein Geröllfeld, bestehend nur aus Steinen, Mittlere, Größere und ziemlich Große. Am Anfang erkenne ich noch sowas wie eine Spur, HP ist schon weit voraus. Wo er lang gefahren ist, sehe ich nicht. Egal, das kann ich auch. Hier lang, nee, doch nicht. Zurück, da geht es nicht weiter. Ich bekomme schnell ein Gefühl dafür was geht und was nicht. Wenn ich unsicher bin, schicke ich Jutta raus zum Schauen. So klappt es hervorragend.

Geröllfeld

Es geht ziemlich uneben zur Sache und ich sehe nicht immer was mich erwartet, wenn es etwas tiefer runter geht. Manchmal sehe ich nur Motorhaube und nicht die ganz dicken Brocken, die hier und dort rumliegen. Aber langsam und stetig schiebt sich LEMMY durch das Geröllfeld und ich sehe in einiger Entfernung HP stehen mit seinem LKW. Er scheint einen Platz ausgemacht zu haben. Nur eine kurze tiefe Passage hinter einer engen Kurve und ein kurzer, aber steiler Anstieg muss noch gemeistert werden. Wir markieren den genauen Streckenverlauf mit Stöckern und Steinen, die wir als sichtbare Wegpunkte bereitlegen und los geht es. Die Schräge mit Untersetzung hoch weist HP mir noch die letzten Meter und die perfekte Parkposition ist gefunden. Vor mir fuhr HP rückwärts die gleiche Strecke, weil der LKW in der finalen Position zum Drehen zu groß ist.

Vor dem Abendessen gehen wir noch einen Spaziergang machen, bewaffnen uns mit zwei Greifern und einer leeren Mülltüte, die nach 30 Minuten gut gefüllt ist. Die Greifer haben wir extra vor der Reise gekauft, damit wir unseren Platz sauberer hinterlassen, als wir ihn vorgefunden haben und auch mal so einfach unterwegs Müll sammeln können, wenn uns danach ist. Danach wird gegessen und anschließend verbringen wir einen sehr schönen Abend, mal wieder in einer Traumkulisse inmitten hoher Berggipfel, verdeckt von Bäumen und abseits der Menschen. Wir werden trotzdem gefunden. Ein alter Herr mit Frau und Tochter, die etwas englisch sprach, kommen vorbei um uns zu begrüßen und willkommen zu heißen. Das wird ein beschwerlicher Weg gewesen sein, trotzdem wollen sie uns diese Höflichkeit erweisen.

Nachdem sie gegangen waren, unterhalten wir uns darüber, ob wir etwas gemeinsame Zeit mit der Defender Family verbringen wollen. Sie haben schon bei Martina angefragt und wir hatten nichts dagegen. Why not?

Wir spielen ein paar Runden „Shithead“, (ein tolles Kartenspiel, was wir immer dabei haben) und trinken etwas zusammen bis wir müde werden und zu Bett gehen. Ich will morgens etwas ausschlafen, was meist um 9:30 der Fall ist. Dann Kaffee, ein kleines Frühstück, mal Müsli, mal Brote, manchmal auch Rührei, frisches Obst und etwas mehr Auswahl. Die „Defender Family“ hatte sogar am Tag unserer Anreise, also gestern, noch versucht uns zu finden. Sie fuhren durch die von Martina beschrieben Geröllwüste und suchten uns. Wir hörten es auch oft knirschen, dachten uns aber nichts weiter dabei, außer „werden wohl andere Offroader sein, oder Einheimische.“ Einen schwarzen Defender sahen wir nicht.

Nach dem Frühstück fuhren wir los und kurze Zeit später, als wir wieder Asphalt unter den Rädern hatten, sehe ich HP rechts blinken und rechts ran fahren. Da steht ein schwarzer Defender und Martina springt schon aus dem LKW und begrüßt Rafa und seine Family, Sophie und Padme bleiben im Auto sitzen. Wir kommen auch dazu und lernen die Defender Family kennen. Ab jetzt fahren fahren wir zu dritt bzw. mit drei Teams: The Defender Family, Team Polarvux und wir, das THE WÖRLD IS YOURS Team. Es begann eine aufregende Zeit.

Wir wollten nach Kukes, das war aber ein ganz schön langer Ritt für die albanischen Straßenverhältnisse. Man kommt nämlich auch onroad oft nur langsam voran. Martina hatte natürlich schon alles geplant mit ihren 3 Kartensystemen, mit denen sie arbeitet und eine nette Strecke ausbaldowert. Wir machten zwischendurch Kaffeepause etwas abseits der Straße und fuhren eine dreckige, kleine Piste hoch an einen See. Dort stellten wir alle 3 Autos ab und machten Kaffee für alle. Es gab etwas Gebäck dazu. HP geht derweil immer gerne mit Lupo los und kundschaftet die Gegend aus. „Ich habe einen tollen Platz entdeckt“ berichtet er freudestrahlend, nachdem er nach ca. 30 min. zurückkam und endlich auch zu seinem Kaffee gelangte. Wollen wir nicht hier bleiben über Nacht? Nur kurz dort den Berg rauffahren, hinter dem Zaun rechts und dann ist da eine tolle Lichtung mit einem 360 Grad Rundumblick. Niemand hatte Einwände, wir waren ja auch schon eine Weile unterwegs. Also Kaffeekram verstaut und hoch ging es zur Lichtung. Es begann alles ganz harmlos.

Rafa fuhr als erster los. HP war vorher vorgefahren, dann waren wir in der Mitte und der Defender folgte als Dritter. Jetzt ging es andersrum. Er erreichte das Plateau und suchte sich gleich einen schönen Stellplatz mit einem Blick runter, wo wir her kamen. Ich stellte mich mit reichlich Abstand hinter den Defender, blickte aber die andere Richtung hinunter. Der LKW kam und stellte sich mittig auf die Lichtung. Ich baute mein Tarp auf, Stühle und Tisch raus und dann ein kaltes Bier. So liebe ich das Ankommen. Es wehte ziemlich stark.

Sehr windig hier!

Rafa baute das Dachzelt auf, das Vordach und richtete sich auch ein, genauso HP und Martina. Lange dauerte es nicht, da kam ein freundlicher junger Mann, so um die 20, schätze ich. Er hatte Angst vor Lupo, der lag aber angeleint auf seiner Decke am LKW. Englisch sprach er kaum. Seine Art war sehr aufgeschlossen und durchaus kontaktfreudig, trotz der Verständigungsprobleme. Er telefonierte viel, ging umher und schien sich ganz wohl zu fühlen zwischen unseren drei Teams. So schnell wie er aufgetaucht ist, verschwand er auch wieder. Aber nur für kurze Zeit, dann war er wieder da, diesmal mit einer Tüte voll mit Pflaumen. Wir bedankten uns, ich bot ihm etwas zu trinken an, da ich gerade selber ein Bier trank, aber er lehnte ab. „No Alkohol!“ ,das konnte er sagen.

Kontaktaufnahme mit Pferd

Kurz darauf kamen drei weitere junge Männer, einer ritt auf einem Pferd. Er bot es Rafa an, um darauf zu reiten. Rafa schien zu überlegen. Ist es ein gutes Pferd, wird es mich auch nicht abwerfen? Der Typ der geritten kam sprach sehr gut englisch. „Ja ja, ein gutes Pferd. Er zeigte was er drauf hat und ritt etwas auf und ab, ließ es auf die Hinterbeine steigen und machte eine kleine Show, Rafa lehnte ab.

Martina kommunizierte mit einem von Ihnen mit dem Google Übersetzer, der trug ein rotes T-Shirt und schien irgendwie nicht ganz dazu zugehören. Ich machte Fotos mit meinem Handy von den Jungs, als sie Rafa das Pferd anboten. Was ich erst später auf den Fotos sah, abgewendete und verdeckte Gesichter. Nur der mit dem roten Shirt wendete sich nicht ab. Noch dachte ich mir nichts dabei.

Irgendwann verschwanden sie alle wieder.

Mein Tarp wehte um, trotz der Weinkorken, die ich zur Sicherung bei starkem Wind oben auf die Stangen steckte, damit die Schlaufen nicht über die Stange rutschen können. Vielleicht war es ganz gut so, denn deswegen baute ich es jetzt tatsächlich ab und verstaute es wieder. Jutta hatte schon von Anfang an Bedenken, wegen des starken Windes. Das sparte uns etwas später wertvolle Zeit.

Mein Bier war so gut wie leer und die Dämmerung setzte ein. Polarvux Team und Defender Family waren in ihren Fahrzeugen zum Essen. Wir saßen noch draußen. Da kam ein alter, weißer Mercedes auf die Lichtung gefahren. Ich scherzte zu Jutta: „Jetzt kommt der Bürgermeister!“ Der war es aber nicht.

Drei Personen stiegen aus. Der Typ der vorher geritten kam und gut Englisch sprach, der Junge, der als Erster zu uns kam und ständig telefonierte und Big Daddy. Sie brachten erneut Geschenke. Diesmal eine große Tüte mit Paprika und Gemüse und eine 0,5 L Flasche mit selbst gebranntem Raki. Big Daddy setzte sich direkt neben mich auf den Rasen, ich bot ihm meinen kleinen Campingstuhl an, er lehnte ab. Ich bestand darauf und klappte ihn für ihn auf. Er setzte sich drauf. Die beiden Jungs standen. Wir wurden zum Trinken aufgefordert. Ich fragte, ob wir zusammen trinken? Nein, kein Alkohol wurde uns übersetzt.

Jutta forderte mich eindringlich auf, mir kein Bier mehr aufzumachen. Mir war klar, was sie meinte. Big Daddy sah etwas fertig aus, hatte schulterlanges Haar, schlecht gestochene Tattoos (unter anderem in der Armbeuge). Ich dachte unwillkürlich „Knastbruder?“. Alles in allem erstmal kein Sympathieträger. Er schien wenig an uns interessiert zu sein. Immer wieder sprachen sie albanisch untereinander. Der mit dem roten T-Shirt war nicht mehr dabei. Es gab wenig Blickkontakt zwischen Big Daddy und mir. Dafür musterte mich der, der englisch sprach umso mehr. Immer mit einem hämischen Grinsen, ich kann es nicht anders beschreiben. Mir wurde immer unbehaglicher. Jutta ruckelte nervös auf ihrem Stuhl hin und her. „Trink bloß kein Bier mehr! “ Ich versuchte gelassen und ruhig zu wirken.

„Kennt ihr hier die Straßenverhältnisse?“, wurden wir befragt, „Fahrt ihr auch nachts“? „Ist der große Hund in der Nacht draußen?“ Das wäre nicht so gut, hier gibt es viele wilde Hunde, die könnten ihm gefährlich werden. Big Daddy findet Ford Ranger scheiße, nur Mercedes ist gut, wird uns übersetzt. Wieder albanisches Gerede untereinander. Ich werde beäugt und angelächelt, ohne das es zum Gesicht passt. Normal sieht Jutta sowas und sagt: „Die Augen lächeln nicht.“ Da habe ich es zum ersten Mal auch gesehen. „Was kosten eure Wagen so?“, will Big Daddy wissen.

„Ich werde mal das Gemüse und die Paprika mit den anderen teilen.“, sagt Jutta und lässt mich alleine mit den drei Albanern. Dann geht sie mit der großen Tüte rüber zu Martina und Hans Peter. Ich werde weiter beobachtet und angelächelt. Mir aber kommt es so vor, als ob sie mich versuchen einzuschätzen, abzuwägen, wie ich wohl reagieren könnte. Ich lächle zurück, meine Augen aber, glaube ich, lächeln nicht. Schweigen eine Weile, dann albanische Worte, die ich nicht verstehen kann. Es wird immer dunkler und ich rechne damit, das in nicht allzu langer Zeit das nächste alte Auto auf unserer Lichtung erscheint.

Bei Polarvux tut sich was. Die Tür geht auf. Jutta kommt mit der Tüte, die nun nicht mehr so voll ist raus und geht zum Defender rüber. HP kommt zu mir und begrüßt Big Daddy und bedankt sich für die Geschenke. Ich bin nur ein kleines bisschen entspannter, viel nicht. Auch bei Rafa und seiner kleinen, bezaubernden Familie kehrt Unruhe ein.

Schließlich kommt Martina aus dem LKW und spricht laut und deutlich zu dem Übersetzer, sie wirkt etwas nervös auf mich, tritt aber wohl selbstbewußt und überzeugend genug auf. „Wir haben morgen früh in Kukes beim Goverment einen Termin und werden erwartet. Wir gehen alle sehr früh zu Bett heute.“ Big Daddy wird mitgeteilt, was sie gesagt hat. Er erhebt sich aus meinem Campingstuhl, schüttelt Martina die Hand und verabschiedet sich. Sie steigen wieder in den alten Mercedes und fahren.

Wir analysieren schnell, was uns eben widerfahren ist. Außer HP sind wir uns alle einig. Abhauen.! Was uns Martina später erzählen wird, lässt mich nicht eine Sekunde daran zweifeln, richtig gehandelt zu haben. Warum haben sie selbst gebrannten Raki, wenn sie das Zeug nicht konsumieren?Weshalb die ganzen merkwürdigen Fragen? Normalerweise kenne ich es so, dass ich gefragt werde, ob ich Kinder habe, wohin ich reisen will, was ich beruflich mache usw…Aber nicht, ob ich im Dunkeln noch fahre, ob ich die albanischen Straßen kenne. Ob der große Hund in der Nacht draußen bleibt?

Ich möchte ganz deutlich darauf hinweisen, das alle anderen Begegnungen mit den Albanern immer von Herzlichkeit, Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft, Gastfreundschaft und Offenheit geprägt waren, in diesem Reisejahr und auch schon 2015.

Aber jetzt hieß es packen und zwar schnell. Das Tarp war ja schon verstaut, jetzt schien es mir eine glückliche Fügung zu sein. Rafa meinte noch, wir sollten erstmal ohne Licht fahren, bis wir von der Lichtung runter sind. Gute Idee sagte ich, bis mir einfiel, das ich Tagfahrlicht habe. Das kann ich nicht abschalten. Rafa hatte auch schon länger heute ein merkwürdiges Gefühl und war sofort dafür zu Packen und zu Flüchten. Er hatte die schlechteste Ausgangsposition für den Fall der Fälle im Dachzelt, mit Frau und seiner kleinen, sieben Jahre alten Tochter. Wir wären in unseren Trucks da schon etwas besser geschützt.

Es war bereits komplett dunkel, als wir startklar waren. Mit Tagfahrlicht, leider, ging es los. Jetzt machten wir ab, das HP vorweg fuhr und notfalls die Bahn brach, dann der Defender in der Mitte und wir am Ende des kleinen Konvois um Rückendeckung zu geben. Wir waren bereits hinter dem Zaun, links runter jetzt diese olle Ruckelpiste. Diesmal wünschte ich mir kein Offroad, sondern eine aalglatte, gut beleuchtete Straße, aber man kann nicht alles haben. Hinter mir Lichter, ein Fahrzeug folgt uns, in einigem Abstand zwar, aber es folgt. Zu weit um zu erkennen was es ist. Ist es ein Mercedes fragt Jutta, Tirana Kennzeichen? Ich erkenne es nicht. Wir machen eine kurze Aufzeichnung mit dem Handy von der nächtlichen Flucht, sind geschockt, aber auch erleichtert, denn Straßenlaternen sind bereits zu sehen und andere Autos. Was wenn sich einer in den Weg stellt? HP schiebt den schon beiseite. Wir erreichen eine Straße, fahren Richtung Kukes und halten an einer gut beleuchteten Tankstelle.

Übernachtungsplatz an der Tankstelle
Wir ganz hinten

Immer wieder zuvor der Blick in den Rückspiegel. Auf der Straße, nach der Piste kein weißer Mercedes mit Tirana Kennzeichen hinter uns. Wir fragen, ob wir die Nacht hier stehen bleiben dürfen. Und wieder erleben wir die unglaubliche Gastfreundschaft und Hilfsbereitschaft der Albaner. Es ist direkt bei der Tankstelle eine Bar und Tische und Stühle stehen draußen davor. Wir verabreden uns, wenn die Autos geparkt sind, noch auf ein paar Drinks. „Runterkommen!“ Ich sage noch zu Martina und Mariella: Wir sollten nicht, wenn das Kind dabei ist über „Die Sache“ reden!“ Sophie hat sicherlich unsere Anspannung bemerkt, wir wollen sie aber nicht weiter ängstigen. Der LKW steht außen an der Straße, der Defender verdeckt dahinter. Wir stehen auf der anderen Seite der Tankstelle, fühlen uns dort aber auch sehr gut aufgehoben und sicher.

Ein paar Minuten später treffen wir uns wieder. HP, Jutta und ich haben schon ein großes Bier aus der Dose vor uns stehen auf dem Tisch, draußen in Albanien an einer Tankstelle. Die anderen kommen nach und nach dazu. Holen sich was aus der Bar. „Wir sind die ganze Nacht offen. Kein Problem!“ Auch der Nachtwächter trudelt ein. Schichtwechsel beim Tankwart, der auch Barkeeper ist. Der neue Barkeeper und Tankwart wird informiert, dass wir mit den drei Fahrzeugen über Nacht bleiben. „Kein Problem, wir die ganze Nacht offen!“

Runterfahren und entspannen

Jetzt, als ich dies hier schreibe (am 15.09.2021, um 00:14) sitze ich wohl mit der weltbesten Aussicht über dem Golf von Korinth, hoch oben am Berg an meinem Schreibtisch auf dem Delphi Campingplatz und blicke in eine tiefschwarze Nacht, die Hunde bellen und die Lichter unter mir funkeln…Dies aber wieder nur am Rande…

Wir reden über dies und das, sind glücklich über den Ausgang dieses kleinen Abenteuers und der kleinen Sophie erklären wir, dass wir uns dort oben auf der Lichtung nicht wohl gefühlt haben. Das wir einen bessern Platz finden wollten und es auch viel zu windig war. Irgendwann ziehen Mariella, Sophie und Rafa sich zurück. Wir bleiben noch sitzen. Heute rauche ich sogar mal Eine. HP kann ich mir eine Zigarette schnorren bei dir? Klar doch! Jetzt erfahren wir von Martina, was HP schon wusste. Was der Typ im roten T-Shirt, der irgendwie nicht dazu gehörte, im Google Übersetzer geschrieben hatte. „IHR MÜSST HIER VERSCHWINDEN!“

Sie dachte, das kann doch nur ein Missverständnis sein. Der wird sich vertippt haben. Und sie ließ es damit gut sein. Nachdem Jutta ihr erzählte, was gerade passiert da draußen, während des Abendessens, als Big Daddy bei mir saß, da dachte sie plötzlich anders darüber….

Martina und Jutta zogen sich auch zurück, HP und ich konnten noch ein Bier vertragen. Ich holte also Nachschub, zwei Peja Biere aus 0,5 L Dosen. Dieses Bier kommt aus dem Kosovo und es schmeckt richtig gut. Der Nachtwächter kam zu uns an den Tisch, Daumen hoch zeigte er uns. Wir die ganze Nacht offen, kein Problem, können mehr Bier trinken…Wir unterhielten uns super, nicht mehr über das was wir erlebt haben, sondern über die Zukunft, übers Reisen und den Ruhestand. Es war eins von vielen sehr netten Gesprächen mit HP und ich bot an noch ein Bier zu holen, doch HP lehnte ab. War wahrscheinlich auch besser so, sonst wäre zumindest ich die Nacht dort versackt. An der Bar einer Tankstelle, sitzend auf Plastikstühlen an einem Plastiktisch, irgendwo im Kreis Kukes, nahe der Grenze zum Kosovo.

…und was als nächstes passiert…

Albania – Chapter 2

…und was, wenn man einen kleinen Hund verliert…?

Chapter 2: Kroatien

… und wie man sich selbst in Schwierigkeiten bringt

Da wir nun das Batterieproblem gelöst hatten, wollte ich gerne noch an diesem Tag bis Kroatien fahren, genauer gesagt bis auf die Insel Pag.

In Slowenien hatten wir ja wegen der Batterieproblematik mehr Zeit als geplant verbracht und durch eine vorherige Reise 2015 kannten wir auch schon einige Ecken dieses traumhaften Landes.

Also erstmal raus aus Österreich. Wir fahren bewusst mit wenig Diesel und nur etwas Frischwasser an Bord. Wir haben gelesen, dass die Österreicher enorme Bußgelder kassieren bei Überladung des Fahrzeugs. Mit 140 Liter Diesel im Tank und 100 Liter Trinkwasser erreichen wir deutlich mehr als 3,6 Tonnen (bei 3,5 Tonnen zGG). Über die Toleranz wussten wir nichts, also lieber auf Nummer sicher gehen. Gleich hinter der Grenze wird voll getankt und ab nach Pag.

Sonnenuntergang auf Pag

Die Fahrt verläuft super und wir überqueren auch die Grenze nach Kroatien problemlos. Niemand will einen Impfpass sehen, keine Fahrzeugpapiere, nur den Reisepass händigen wir aus. Es wird später und wir erreichen gegen Abend die Fähre. Lange müssen wir nicht warten, da taucht die JADROLINJIA auf. LEMMY ist geparkt und wir gehen an Deck um die kurze Überfahrt zu genießen. Schnell erreichen wir Pag, runter von der Fähre, aber noch ist es ein gutes Stück zu fahren. Ganz an der Spitze der Insel soll ein tolles, naturnahes Autocamp sein. Da wollen wir hin.

Es dämmert und nach einer ruckeligen Piste sehen wir den Wegweiser zum Ziel. 200 m bis zur Rezeption. Ich entscheide mich runterzufahren zum Einchecken. Das war der erste Fehler. Der Platz ist schön gelegen keine Frage, aber alles war voll. Und wir sind mit 3 m Höhe zu hoch für die kleinen Olivenbäume. Dies ist eher ein Platz für kleine Campervans und Zelte. Das alles registriere ich, während ich die enge, steile Ruckelpiste zur Rezeption runterfahre. Vor mir erscheint die Adria, links und rechts alles voll mit Campern. Kaum Platz zum Wenden. Uns wird angeboten den Platz zu Fuß zu erkunden und uns einen möglichen Stellplatz auszusuchen. Wir nutzen die Gelegenheit uns umzusehen und durchzuatmen. So richtig gefällt es uns hier nicht. Die Plätze sind fast alle zu niedrig für LEMMY, zu klein und auch ist alles sehr uneben und abschüssig.

Nebenan wissen wir gibt es noch einen Platz, OLEA Camping. Den gucken wir uns an. Mittlerweile ist es dunkel. Auf engstem Raum und mit Hilfe vom Campbetreiber und der Rückfahrkamera gelingt das etwas abenteuerliche Wendemanöver und wir verlassen diesen Platz. Wir glauben fast nicht mehr daran auf dem OLEA Camp so spät noch einen Platz zu ergattern, doch wir haben Glück. Drei freie Plätze gibt es noch.

Premium Pitch Olea Camping

Wieder marschieren wir los, diesmal mit Karte, da es ein ziemlicher großer Platz ist. Zweite Platzkategorie, also ziemlich teuer, aber wir sind müde und wollen endlich ankommen. Wir finden unseren Platz und sind begeistert. Es ist alles terrassiert, wir stehen in der zweiten Reihe, aber auch so hoch, dass wir die Camper vor uns nur von oben sehen. So haben wir freien Blick auf das Meer. Kurz überlege ich schon, wie ich LEMMY hier herunter bekomme, da auch hier die Zuwege alle eng und steil sind. Schnell zum Check In und los mit LEMMY zum Platz.

Da mache ich für heute den 2. Fehler. Ich weiß nicht wieso, aber ich entscheide mich bis nach unten, an die erste Reihe heran zu fahren. Auf den Platz eines anderen Deutschen, um von dort zurückzusetzen auf unseren Stellplatz. Fuck, geht das hier steil runter! Und jetzt auch noch dieser Absatz! Den hatte ich vorher nicht gesehen. Ich schaue aus dem Auto runter auf das Dach eines Wohnwagens in der ersten Reihe. Uns trennen ca. 2 m und ein kleiner Mauervorsprung. Ruhig bleiben, sage ich mir. Rückwärtsgang rein, Handbremse lösen und etwas Gas. Abgewürgt. Nochmal. Wieder abgewürgt. Ich sehe mich schon über die Kante rutschen und mit LEMMY den Wohnwagen unter mir schrotten. Die Knie zittern schon etwas. Der deutsche Urlauber, auf dessen Platz ich nun noch stehe und verzweifelt versuche diesen ollen Absatz auf Schotter rückwärts und im Dunkeln, müde von stundenlanger Fahrt und einem irre langen Tag, der früh begann um die verdammte Batterie von Slowenien aus Österreich abzuholen, um dann wieder durch Slowenien bis zur Insel Pag zu fahren, genau der Deutsche kommt jetzt mit dummen Sprüchen um die Ecke. „Nicht vergessen den Rückwärtsgang einzulegen“ oder „Handbremse lösen wäre gut“ Meine Lacher halten sich in Grenzen. „Mach Allrad rein“ , ruft Jutta und ich denke mir: „Ja so schlau bin ich auch jetzt!“ Also Allrad ohne Untersetzung rein und LEMMY läuft rückwärts über diesen scheiss Absatz und auf unseren Stellplatz, ohne den Wohnwagen unter mir zu schrotten. Ich verlange sofort ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank, bevor ich mich daran mache draußen alles aufzubauen. Da sehe ich eine Sternschnuppe.

Was ich vergessen hatte und was mir, nachdem ich nun Tisch und Stühle draußen aufgebaut hatte, wieder einfiel:

Erdal, unser Freund aus Deutschland hatte doch erzählt, am 12. August ist die Nacht der Sternschnuppen. Die PERSEIDEN Nacht. Heute ist der 12. August! Wir haben das Glück einen ganz klaren Himmel zu haben, keine Stadt, keine Lichter und nichts in der Nähe, was den Blick trüben konnte. Wir sahen viele Sternschnuppen, mehr als je zuvor und drei von ihnen war so lang, als wollten sie gar nicht aufhören zu leuchten, als seien sie irrsinnig lang, bis sie schließlich doch verglühten. Jetzt war die Welt wieder in Ordnung.

Olea Camping

Drei Tage blieben wir. Es war heiß, sehr heiß. 38 Grad am Tag und nachts kaum kühler. Ich begann mit diesem Blog. Abkühlung brachte nur die Dusche oder ein Bad im Meer. Viel mehr unternahmen wir nicht.

Frühstück

Wäsche waschen, baden, Sudoku, mal was spielen. Abends kochten wir lecker oder holten Pizza aus dem Restaurant. Es gab Wein und Bier und die Tage vergingen schnell. Zwischendurch immer mal wieder eine Nachricht vom Polarvux. Seit Slowenien haben wir über Instagram Kontakt.

„Hey ihr, wo geht es hin? Wir haben euch auf Instagram gesehen mit Diepholzer Kennzeichen. Wir kommen aus Oldenburg.“ Der Polarvux ist eigentlich eine Vüxin, Martina. Sie ist mit Ihrem Mann Hans Peter unterwegs, der einen großen Iveco Allrad LKW fährt. Er heißt auf Instagram Ivecovux. Das alles erfahren wir allerdings erst später.

Wir sind für 12 Monate unterwegs, schreibe ich zurück und sind auf dem Weg nach Albanien. Wir können uns ja mal treffen, vereinbaren wir schon in Slowenien. Ja klar, sehr gerne, wie wäre es im Shkodra Lake Resort in Nordalbanien, schlage ich vor. Das ist ein tolles Basecamp, wir kennen es schon von einer Reise vor 6 Jahren. Klar! Oder evtl. schon vorher in Kroatien? Wir müssen allerdings noch auf eine Bordbatterie warten, die wir aus Villach abholen müssen. Keine Ahnung, ob ihr solange dort warten wollt. Ach ihr seit viel schneller unterwegs als wir, das passt schon.

Tatsächlich sind wir uns in Kroatien schon ziemlich nah gekommen, mal war Team Polarvux vorne, also südlicher und mal waren wir es, Team The Wörld Is Yours. Zum Treffen kam es jedoch noch nicht.

Nach Pag sollte Split die nächste Etappe sein. Jutta hat einen großartigen park4night Platz direkt an der Hafenpromenade von Split auserkoren und nach einigen Stunden Fahrt waren wir angekommen. Begeisterung bei mir, Skepsis bei ihr. Was hier wohl nachts los ist? Laut wird es sein, Betrunkene und feiernde Kids werden nerven….Aber das wird noch nicht das Schlimmste sein….

Split ist eine tolle Stadt. Hafenstädte haben immer ein besonders Flair finde ich. Auch die Altstadt kann sich sehen lassen. Erstmal ein Bier, dann erkunden wir die Gegend. Noch ne Menge Touristen unterwegs, doch nicht übermäßig strapazierend, wie es damals in Dubrovnik der Fall war. Auch Dubrovnik steht auf dem Reiseplan, trotz der zu erwartenden Touristenmenge. Denn in Kingsmouth (wie wir es nennen seit wir Fans der Serie GAME OF THRONES wurden) wollen wir Juttas Geburtstag feiern. Und selbstverständlich auch eine geführte GAME OF THRONES- Tour machen.

Promenadenpause Split

In Split wird gebummelt, eingekauft, lecker gegessen und später noch etwas getrunken und hier und da eingekehrt, bis wir beschließen, zurück zum Parkplatz, zurück zu LEMMY zu gehen. Es ist schon spät, deshalb natürlich auch dunkel. Das heißt, es fließt kein Solarstrom. Der obligatorische Blick auf die Batterieanzeige und der Schock: 10,6 Volt, FUCK!!!

Ich könnte schreien, könnte ausrasten. Viel zu niedrig, 13,2 wäre in etwa normal. Aber nicht 10,6, viel zu niedrig und weiter fallend, 10,5, 10,4. Alles schaltet sich aus. Kein Kühlschrank, keine Wasserpumpe, selbst das Bedienpanel reagiert nicht mehr. Das war der Albtraum den ich hatte, die Horrorvorstellung die nicht sein durfte. Wieder hat die Bordbatterie NICHT während der Fahrt geladen. Wir haben doch die neue Batterie für 1700 Euro in Österreich einbauen lassen. War unsere Alte gar nicht defekt? Ist diese jetzt defekt? Was machen wir jetzt. Ich wusste was zu tun war. Bier trinken.

Frustsaufen

Ich setzte mich mit meinem kleinen Klappstuhl neben das Auto, Bier auf die Treppe von LEMMY und da saß ich nun zwischen LEMMY und den Bahngleisen. Der Parkplatz lag zwischen Hafen und Bahnhof. Es kam kein Zug mehr. Aber noch ein paar halbe Liter Dosen Bier.

Park4night Platz Split

Irgendwann bin ich ziemlich müde, betrunken und irgendwie resigniert ins Bett geklettert. Jutta hatte alles vorbereitet. Während ich draußen vor Frust getrunken habe, war Jutta nicht untätig. Morgens erzählte sie mir, was sie noch in der Nacht recherchiert hatte. In Zadar gibt es einen professionellen Expeditionsmobilschrauber, einen Experten. Der wird uns helfen, den wird Jutta ab 8 Uhr morgens anrufen. Hallo, Herr Nottebohm? Ja, der bin ich.

Wieder ging es also zurück. Von Split nach Zadar. Ab 11 Uhr hat er Zeit, vorher ist er noch unterwegs, woanders helfen. Da wir sehr früh wach waren und in Split los fuhren, waren wir pünktlich um 11 Uhr dort. Es war nicht direkt in Zadar, sondern in einem winzigen Ort in der Nähe. Die Ortsbewohner, die es gewohnt waren exotische Offroader zu sehen, deuteten uns unaufgefordert sicher zum Ziel. Er kam kurz nach elf.

Werkstatt Zadar

Kurzer Bericht unseres Dilemmas jetzt persönlich, vorher ja schon telefonisch. Er legte sofort los. Er maß, welche Ströme wo flossen. Was ist das denn? Hm, mal überlegen. Mach mal Motor an. Mist, was ist das? Motor wieder aus. Scheiße. Ich hol mal mein Handy, muss die Kabel fotografieren, damit ich weiß, wo sie wieder hingehören. Motor an, Motor aus. So ging es eine ganze Weile, er kommentierte was er tat, was er dachte. Ich erlebte eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Diese Reaktion ist doch jetzt gut, oder nicht? Es könnte ein Relais im Ladebooster sein, dauert ne Woche, wenn ich es bestellen muss. Batterie scheint in Ordnung zu sein. Könnte der ganze Ladebooster sein, den liefern die nicht nach Kroatien. müsste jemand in Deutschland annehmen und nach Kroatien verschicken. FUCK FUCK FUCK. Er nimmt den Ladebooster auseinander. Was ist das, guck mal hier….ein durchgeschmortes, schlecht abisoliertes Kabel. Das ist der Übeltäter. Fehler behoben und alles wieder verdrahtet. Lass mal Motor laufen. Batterie lädt. YES!

Der Daniel Düsentrieb von Zadar hat uns gerettet. 120 Euro hat’s gekostet. Tausend Dank an Firma Nottebohm. Erneut brechen wir auf gen Süden, hoffentlich ohne zwangsläufige Rückkehraktionen. Ich will heute noch bis hinter Dubrovnik kommen. Bis zu dem Campingplatz, wo die Taxiboote unten vom Anleger nach Königsmund fahren.

Gegen Abend kommen wir an, finden einen schönen Stellplatz und machen nach dem Einchecken und Aufbauen des Tarps, der Stühle und dem Tisch nichts mehr, außer essen und Bier trinken. Cheers.

Auf dem Weg zum Taxiboot nach Dubrovnik
Mlini

Kurz mit Polarvux updaten, was so los war, wo wir jeweils sind und was sonst so ist. In Königsmund verbringen wir einen herrlichen Geburtstag mit einer tollen GAME OF THRONES Tour. Es ist heiß und es sind mega viele Touristen da. Wir verpennen beim Lunch den Kurs umzurechnen und zahlen schließlich 52 Euro für ein Cheese Toast, ein paar Frühlingsrollen, einen zu süßen Milkshake und einer Limonade.

Dubrovnik

Aber am Abend, zurück mit dem Taxiboot aus Kingsmouth, gibt es für viel weniger Geld zwei hervorragende Fischgerichte + Nachtisch + Getränke und das am Anleger, mit einer wunderschönen Aussicht über das adriatische Meer. Insgesamt war es ein etwas anstrengender, aber trotzdem schöner Geburtstag.

The right man on THE IRON THRONE!
Irgendwo in Dubrovnik…

Wieder der Polarvux. Er sagt, er fährt morgen los nach Shkoder. Scheinbar haben wir sie vor Dubrovnik überholt, sie sind noch irgendwo hinter Pag. Ich sage gut, ich auch. Wir sehen uns dann dort. Wieder sollte es etwas anders kommen….

….und was als nächstes geschieht….

Albanien

….und wie wir nachts unser Lager verlassen und flüchten müssen….

1. AKT:

THE WÖRLD IS YOURS

Chapter 1: The Trip

….mit neuen Matratzen und ersten Problemen….

Samstag, den 31.07.2021 ging es endlich los. Gepackt wurde die ganze Woche, zwischendurch immer mal wieder. Klamotten, allerhand Campingausrüstung, Kamerazubehör, Laptop, meine JBL Boombox für Musik und was man alles so braucht.

100 Liter Frischwasser wurde aufgefüllt, d.h. in der Regel, ich fülle 10 x einen 10 Liter Kanister Wasser in den Frischwassertank vom Camper.

Der große Loneranger Tank fasst 140 Liter Diesel, die beiden 20 Liter Reservekanister (GIN / TONIC), bleiben zunächst leer.

Kurz vor Abfahrt wurde wiederholt die Checkliste durchgegangen und sich von den Nachbarn verabschiedet. Goodbye Bramstedt….

Die serienmäßigen Matratzen waren uns etwas zu hart, deshalb wurde kurzfristig ein Termin mit Otts Traumwelten verabredet, die sich spezialisiert haben auf Camper- und Caravan Matratzen in verschiedenen Härte- und Qualitätsgraden. Leider waren wir viel zu knapp dran mit unserer Anfrage,. Es besteht eine Wartezeit nach Terminvereinbarung von 6-8 Wochen. So wurde also nur ein Beratungstermin verabredet, für Dienstag, den 03. August 2021 um 10 Uhr morgens.

Die Zeit bis dahin überbrückten wir mit zwei Zwischenübernachtungen in Würzburg, direkt gegenüber der Altstadt am Main.

Würzburg am Main

Montagabend standen wir bereits am Aichstruter Stausee, um morgens nur noch eine kurze Anfahrt zum vereinbarten Termin um 10 Uhr zu haben.

Pünktlich angekommen wurde kurz besprochen, Härtegrade getestet und auch schnell eine Entscheidung getroffen. Zwei Stunden später waren die Matratzen fertig. Vielen Tausend Dank an Otts Traumwelten, für diese große Ausnahme uns direkt die Matratzen fertig zu machen, damit wir unsere lange, gerade begonnene Reise unverzüglich fortsetzen konnten.

Das nächste Etappenziel war Flachau in Österreich und dort begannen die ersten technischen Probleme.

Mittags in Welzheim aufgebrochen, gegen Abend in Flachau in Österreich angekommen, nach etlichen Stunden Autobahn. Der Stellplatz an einer Berghütte mit Restaurant war in einer schönen Bergkulisse und bot Platz für einige Camper, allerdings gegen eine Gebühr für 10 Euro. Das fanden wir ganz ok.

Flachau

Dann stellten wir fest, etwas stimmt nicht. Die 100 Ah Lithium Bordbatterie hatte nicht geladen. Sie lädt über einen Votronic Ladebooster über 3 Wege. Während wir stehen wird die Batterie über Solarstrom geladen oder über Landstrom per Kabel. Während wir fahren lädt sie über die Lichtmaschine im Motor. Da wir nun viele Stunden gefahren sind, hätte die Batterie voll sein müssen. War sie aber nicht, fast leer. Was nun?

Kühlschrank aus, um die Batterie zu schonen. Wasserpumpe läuft auch nicht mehr. Fuck!!! Schlafen gehen und am nächsten morgen ab in die Werkstatt. Wie es der Zufall so will, in Flachau ist eine. Wir dürfen sofort in die Halle fahren und ein Mechaniker misst alles durch, guckt hier und dort. Motor an, Motor aus. Diagnose: Batterie ist wohl defekt. In Villach ist eine große, auf Camper spezialisierte Werkstatt, dort müsste man uns weiterhelfen können. Also auf nach Villach, es liegt eh auf unserem Weg nach Slowenien. Um kurz vor eins angekommen und um 13 Uhr ist dort die Mittagspause beendet. Check.

Können Sie uns helfen? Wir hofften sie können. .. So ein Scheiß, nach zwei vorausgegangenen Reisen (Tschechien, Ungarn, Slowakei, Polen und Belgien, England, Schottland) keine Probleme. Und auch die ganzen Trips an etlichen Wochenenden, alles lief perfekt. Und nun, gleich am Anfang unseres kleinen Abenteuers solche existentiellen Probleme. Wieder begann die Analyse, allerdings erzählten wir vom Besuch der Werkstatt in Flachau und auch vom Ergebnis. Die Mechanikerin kam zu einem ähnlichen Schluss. Batterie defekt bzw. eine Zelle, was dasselbe bedeutet.

Die neue 100 Ah Lithiumbatterie kostet 1595 Euro + Montage und ist in Österreich nicht erhältlich. Bestellen dauert ca. eine Woche. Shit! Heute ist Donnerstag, der 05.08.21, am Mittwoch, den 11.08.21 soll sie wohl da sein. Also gut, wir fahren ins Triglav Gebirge in Slowenien und warten dort. Über den Wurzen Pass und den Vrisic Pass geht es steil mit 18 % Steigung und Gefälle zum Camp Trenta in den Triglav National Park. Nicht der schlechteste Ort zum Warten. Nach reichlich Steilkehren auf und ab, angekommen am Camp einen freien Platz direkt am Soca Fluss gefunden und nun erstmal ein kaltes Bier, oder zwei….

Vrisic Pass

Am nächsten Morgen sehe ich meine abgeschmolzene Radkappe vom rechten Vorderreifen neben eben Diesem liegen. Die Linke hängt noch lose klappernd zwischen den 6 Schrauben. Ich entferne sie mit Gewalt, damit sie nicht irgendwann unterwegs abfällt und womöglich einem Biker unter die Räder gerät. Die nächsten Tage ist chillen angesagt. Ich lese meinen Roman „Taipan“ von James Clavel zu Ende, mache etliche Sudokus, mittlerweile auch die schweren, trinke viel Kaffee, manchmal Tee und abends auch gerne mal ein paar Bier. Wir shoppen im kleinen Laden in Trenta, wandern zur Soca Quelle hoch und ich bin hocherfreut, als ich noch einen kurzen Klettersteig geboten bekomme, um die beeindruckende Quelle hoch in den Bergen zu bewundern.

Nach einigen Tagen beschließen wir an den Bohinj Lake zu fahren. Wir starten sehr früh morgens, damit wir noch einen schönen Platz bekommen. Es soll dort schon morgens ab 10-11 Uhr sehr voll sein. Wieder über den Vrisic Pass, durch das von Touristen überfüllte Bled und durch eine tolle Berglandschaft, erreichen wir den Lake kurz vor 11 Uhr. Großes Schild in der Zufahrt: FULLY BOOKED

Man rät uns bis morgen zu bleiben und früh um 7 Uhr am Tor zu stehen und zu warten bis Plätze frei werden. NO THANX!

Kurz beratschlagen wir uns während der Lunchpause auf einem der Parkplätze vor dem Camp. Wir beschließen zurück über Bled an die Sava zu fahren und werden nicht enttäuscht. Erneut finden wir einen tollen Stellplatz direkt am Wasser. In der Bar läuft den ganzen Tag Rock Radio, was genau meinem Musikgeschmack entspricht. Es gibt ein paar Wanderwege, eine Zipline zu erreichen über eine Hängebrücke über der Sava, einen kleinen Badestrand und Tinas Wildwasser Rafting. Beim Kaffee am Nachmittag kommen sie bei uns vorbei und winken uns zu.

Tinaraft-Camping
Aussicht auf die Save
Save River

Anruf in Villach: „Ist unsere Batterie in Sicht?“ Donnerstag um 11 Uhr sollen wir da sein.

Wiedermal geht es früh aus den Federn. Obwohl ich eine Nachteule bin, fällt es mir leicht zeitig zu starten, damit wir schnell nach Österreich kommen um die neue Batterie einbauen zu lassen und wir wieder unabhängig sind vom Landstrom. Ab durch den Karawanken Tunnel für 12,50, wenn ich mich recht entsinne und auf nach Villach. Batterie wird getauscht und eine Stunde später kurz in ein Fast Food Laden mit Burger, Nuggets und French Fries stärken und zurück durch den Karawankentunnel, durch Slowenien und nach Kroatien.

Firma Falle in Villach

Es sollte nicht das letzte mal sein, das wir zurück müssen…..

….und so geht es weiter….

KROATIEN

….und wie man sich selbst in Schwierigkeiten bringt….