…und wie ich mit einem bekannten Neurologen über einen besseren Rausch mit Tilidin Tropfen philosophiere…
„Wie weit ist es noch bis Kelowna?“, frage ich Jutta als wir durch Penticton fahren. „Nur noch eine knappe Stunde!“, sagt sie. „Ab jetzt fahren wir fast die ganze Zeit entlang des Okanagan Lakes, da erwarten uns unterwegs tolle Ausblicke!“
„Hat sich Omi Hans oder Mary Summer schon gemeldet?“, will ich wissen. „Nee, kürzlich noch nicht, ich schreibe Beiden heute Abend eine Nachricht. Dann können wir langsam mal über einen Treffpunkt nachdenken.“
„Das mach auf jeden Fall, wir kommen uns immer näher und hinter Calgary sollte sich zeitnah irgendwo ein Treffen ergeben.“ Mary und Peter treffen wir vor Hans und Christina, oder?“ Jutta bestätigt: „Ja, sie sind ihnen ungefähr zwei oder drei Tagesetappen voraus.“
Wir sind auf dem Weg nach Calgary. Ich habe in der Wüste von Osoyoos mein „NOLA“ New Orleans (New Bordeaux/Lincoln Clay) Chapter abschließen können. Mr. Lincoln Clay hat sich wieder verabschiedet und mir das Steuer überlassen.
Bis Calgary ist es weit und wir wollen keine neun Stunden am Stück fahren, deshalb haben wir Revelstoke für eine Zwischenübernachtung ausgewählt. In Kelowna wollen wir Vorräte auffüllen und danach auf den Mt. Revelstoke fahren. Eine Straße mit einer Menge Steilkehren windet sich auf den Berg und es sollen fantastische Viewpoints an dieser Panoramastrecke liegen. Aber so weit sind wir noch nicht. Glücklicherweise können wir jetzt die Strecke über Kelowna, Revelstoke und Golden fahren. Auf dem Weg zum Haynes Point vor ein paar Tagen war die Route gesperrt und nun wissen wir auch warum. Die Lawinengefahr war zu groß und es sind einige Lawinen abgegangen, die manche Pässe blockiert haben. Jetzt ist die Strecke wieder freigegeben und wir nutzen die Gelegenheit. In Kelowna angekommen finde ich nur mit Mühe einen Parkplatz. Es ist gerade ein Volksfest im Gange und um das Einkaufszentrum tummeln sich eine Menge Leute, die ihre Kinder in die Karussells setzen, während die Erwachsenen eher zu den Fressbuden strömen.
Wir kommen aus der einzigen kanadischen Wüste und nach wundervollem T-Shirt Wetter in den letzten vier Tagen sind nun wieder dicke Pullover angesagt. Für einen Bummel über den Rummelplatz ist es uns zu kalt, obwohl ich Lust auf eine dieser Fressbuden habe. Wir belassen es bei einem großzügigen Einkauf. Bis wir unsere Tagesetappe erreichen sind es auch noch 2,5 Stunden zu fahren, ohne den Abstecher zum Mt. Revelstoke wohlgemerkt.
Im Supermarkt bekommen wir alles was wir brauchen und noch ein bisschen mehr. Nachdem die Einkäufe verstaut sind geht es weiter, hoch in die Rocky Mountains. Noch vor wenigen Tagen sind wir dem Schnee entflohen und haben uns eine kurze Sommerpause gegönnt, jetzt geht es zurück in die Berge, zurück in den Schnee, in die Kälte.
„Du musst gleich links abbiegen!“, sagt Jutta als wir den Columbia River überquert haben. „Dann schlängelt sich eine schmale 27 Kilometer lange geteerte Straße den Berg hinauf.“ Ich biege ab und der Fahrspaß beginnt. Nach wenigen Minuten ist ein Gate auf dem Weg und im kleinen Häuschen sitzt eine nette Dame, die uns ein paar Dollar abverlangt, mit dem Hinweis, dass wir nur die halbe Strecke befahren können, da der höhere Streckenabschnitt noch gesperrt ist. Wie ärgerlich, aber nicht zu ändern. Wir zahlen und fahren bis zur Absperrung, genießen den Blick, der sich uns hier bietet und sind einigermaßen zufrieden.

Der Campingplatz in Revelstoke am Williamson Lake gefällt uns nicht so gut, was vermutlich auch daran liegen mag, dass wir aus der Wüste kommen, aus dem Sommer, vom grandiosen Haynes Point in Osoyoos und jetzt ist es kalt, regnerisch und ungemütlich. Und wo zum Teufel steckt Lincoln Clay?
Außer Kochen und Netflix schauen sind alle anderen Aktivitäten für heute gestrichen. Wir drehen die Heizung auf 23° und machen es uns gemütlich. Vor dem „Zubettgehen gehen“, gibt es nur noch eins zu erledigen, Jutta will Omi Hans und Mary Summer anschreiben.
„Du, Jutta und Jürgen sind rüber nach Canada!“, sagte Christina zu Hans, als sie mitbekommen hat, dass wir unser kleines Expeditionsmobil verschifft haben. Christina hat unsere bisherige Reise verfolgt und ihr Mann Hans ebenfalls. „Wollen wir das nicht auch machen?“ Der Gedanke war geboren und pflanzte sich in beiden Köpfen fort.
Wir kennen die Beiden von einem „Oman-Camper“ Treffen, so wie LEMMY ursprünglich hieß. Warum auch immer, aber der Hersteller nennt diese Fahrzeugreihe OMAN, wie das Land. Wir haben ihn umgetauft in LEMMY von Motörhead, in eine Rocklegende. Jetzt ist es ein Auto mit Seele, aber ich schweife ab. Wir waren bisher auf zwei „Oman“ Treffen. Eines war im Odenwald, kurz nachdem wir unseren Camper vom Hersteller abgeholt hatten (März 2019) und das andere Treffen war im Sauerland, etwa ein Jahr später. Auf dem ersten Treffen lernten wir Mary Summer und ihren Mann Peter kennen und auf dem 2. Omi Hans und Christina. Irgendwann lernten sich auch Hans & Christina und Mary & Peter kennen. Was soll ich sagen? Beide Teams haben beschlossen es uns nachzutun und ihre Fahrzeuge in Hamburg auf ein Schiff nach Halifax verladen zu lassen. Sie sind relativ zeitgleich gestartet. Sie haben sich bereits in Halifax getroffen und einige Tage gemeinsam verbracht. Nun sind sie unterwegs auf dem langen Trans Canada HWY von Ost nach West und fahren uns entgegen.
Jutta schreibt Hans und Mary an, mit denen die Konversation überwiegend läuft und teilt unsere weiteren Reisepläne mit. Morgen am 21.05.2022 werden wir Calgary erreichen und dort für 2 oder 3 Tage bleiben. Wir kommen uns immer näher.
Die heutige Etappe fasse ich nur kurz zusammen, sie ist beeindruckend, dauert etwa viereinhalb Stunden, ist aber weniger spektakulär als der IFPW. Wir kommen durch den Revelstoke N. P., vorbei an den Canyon Hot Springs, über den Rogers Pass, durch den Glacier N. P. of Canada nach Golden. Wir befinden uns die ganze Zeit schon auf dem Trans Canada Hwy und sehen sehr viel Schnee links und rechts und auch die Pässe, an denen Lawinen abgegangen sind. Die Schneemassen wurden bereits geräumt. Die Schneisen sind noch deutlich zu erkennen, wo der Schnee vom Berg abging und auf der anderen Straßenseite weiter seine Spur der Verwüstung zog. Wir passieren Gipfel mit Namen wie Mt. Klotz, Wolverin Peak, Mt. Sir Donald und Mt. Hennessey. Dann sind wir bald in Golden und wenig später auf der uns bekannten Route zum Lake Louise. Alle kurzen Trails, die sich als Verschnaufpause am Wegesrand angeboten hätten, sind gesperrt. Einen Kaffee bereiten wir uns trotzdem noch in dieser wahnsinnigen Kulisse, denn in weniger als zwei Stunden werden wir die Rockies nur noch im Rückspiegel sehen. Und bis wir zurückkehren werden vermutlich Jahre vergehen…
Zwischen Lake Louise und Banff kommen wir zügiger voran und freuen uns erneut über die vielen Brücken, gebaut ausschließlich für den Wildwechsel. Hinter Canmore und Dead Man`s Flats geht es immer weiter abwärts, die hohen Berge bleiben zurück und die weite Ebene rückt näher in unser Blickfeld. Calgary, wir kommen!

Die Strecke wird gerader. Links und rechts vom Highway sehen wir überwiegend gelbes, flaches, abgeerntetes Land. Die Ausläufer der Rocky Mountains in meinem LKW- Rückspiegel werden immer kleiner, bis sie fast vollständig verschwinden. Wir haben es fast geschafft bis zum Ziel, dem Eagle Creek Casino. Damals standen wir mit einem Leihcamper auf dem teuren stadtnahen KOA Campingplatz. Heute werden wir schöner stehen und völlig kostenlos, auf einer Wiese neben dem Casino. Wir verlassen den Trans Canada Hwy und fahren durch die Vorstadt von Calgary und sind wenig später am Ziel. Ich parke auf der Wiese, wo schon einige andere Camper stehen und Jutta meldet uns im Casino an. So ist es erwünscht, damit wir hier kostenfrei übernachten dürfen. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Sie wollen wissen, wer auf ihrem Grund und Boden stehen möchte und wie lange man bleibt. Als Jutta zurück ist, genießen wir den Sonnenuntergang mit einem eiskalten Pabst Blue Ribbon und freuen uns auf morgen, wo wir Calgary besuchen werden. Und ich freue mich auf das „Broken City. Yes!

Ich stöbere noch im Internet nach Konzerten und werde fündig. Im „The Ship & Anchor“ spielen lokale Metalbands und im Broken City ist jeden Sonntag Karaoke Night. Morgen ist Sonntag, also können wir beruhigt schlafen gehen, der kommende Abend in der Stadt ist gerettet. „Cheers!“
Der Sonntag kommt und beginnt mit einem sehr entspannten Frühstück. Wir diskutieren beim zweiten Kaffee, wann wir aufbrechen wollen, um welche Uhrzeit wir uns auf den Weg in die City machen werden. Es gibt eine Bushaltestelle in der Nähe des Casinos, direkt auf der anderen Straßenseite, hat Jutta gestern Nacht rausgefunden, während ich nach Nightlife Spots geschaut habe. „Mir reicht es am späten Nachmittag!“, sagt Jutta mit ihrem mit Avocado belegten Knäckebrot in der Hand. Ich schlürfe an meinem Kaffee, schaue rüber zu ihr und überlege. Noch vor einigen Jahren hätte ich mit ziemlicher Sicherheit geantwortet: „Das ist doch viel zu spät, dann haben wir nicht genug Zeit, wie sollen wir das alles schaffen?“ und so weiter. Stattdessen sage ich: „Alles klar, meinetwegen.“
Durch die vielen Reisen und Erlebnisse bin ich ruhiger geworden und wenn ich früher immer Angst hatte etwas zu verpassen, dann sehe ich das heute entspannter. Mittlerweile gibt es einen Begriff dafür: The Fear Of Missing Out (FOMO), was genau DAS bedeutet. Die Angst etwas nicht zu erleben, etwas zu verpassen. Noch kann ich mich nicht gänzlich davon frei machen, aber es ist viel besser geworden mit den Jahren und Jutta überrasche ich gelegentlich immer noch, so wie heute morgen.
„Alles klar?“, fragt sie kopfschüttelnd. „Ja, alles klar, bin einverstanden. Wann geht der Bus?“
Nach dem Frühstück machen wir mal wieder ein bisschen Car-Service, räumen die Staufächer auf, checken die Bikes, machen das Cockpit sauber und lernen einige Nachbarn kennen. Es sind gerade mal 10,6°, aber die Sonne scheint und gefühlt ist es wärmer. Wir sind, wie üblich, die Exoten mit unserem Offroader. Ein Paar aus Montana spricht uns an, sie stehen neben uns mit einem riesigen Wohnwagen. Zuhause betreiben sie eine Pferderanch und beherbergen auch oft Gäste aus Deutschland. Jetzt machen sie einen Kurzurlaub in Alberta, schließlich liegt Montana genau gegenüber auf der US – Seite. Wir tauschen uns aus und sie begutachten LEMMY ganz genau von innen und außen. Wir sollen unbedingt vorbei kommen, sollten wir mal durch Montana fahren und wir sagen: „Sure, why not?“
Nach dem Lunch machen wir einen ausgedehnten Mittagsschlaf, gönnen uns eine heiße und erfrischende Dusche, um uns zu rüsten für das Nachtleben von Calgary.
Kurz vor fünf stapfen wir über die Wiese in Richtung der vermuteten Bushaltestelle. Wir überqueren eine neu geteerte Straße, sehen neu gebaute Häuser mit grünem Rasen davor und zwei blitzsaubere Bushaltestellen. Aber welche von Beiden führt uns von dieser Neubausiedlung am Stadtrand in die City? Aus den Busplänen hinter Glas werden wir nicht so recht schlau, also fragen wir einen indischen Vater, der mit seinem Sohn im Vorgarten bolzt. Er weist uns genau die Haltestelle zu, die wir nicht gewählt hätten, denn sie führt aus unserer Sicht stadtauswärts. Der Vater erklärt uns, dass beide Haltestellen vom selben Bus angefahren werden. Aber er dreht eine Schleife am Ende der Runde und kommt danach wieder vorbei, bevor er dann nach Downtown fährt. Wir bedanken uns und sehen noch, wie der clevere Sohn die Geistesabwesenheit des Vaters ausnutzt und den Fußball ins Tor schießt. Der Junge grölt laut: „Goaaaal!“
Umsteigen müssen wir nicht. Vorbei geht es an vielen prächtigen Häusern, hinter schützenden Zäunen und Mauern, aber auch an normalen Mittelstandswohngebieten. Der Bus hält alle naselang. Wo ich es überhaupt nicht vermutet hätte, steigt ein Junkie zu. Ich mache ihn jedenfalls zu einem, mit meinen Vorurteilen, schließe von seinem Äußeren darauf, was er ist oder in meinen Augen zu sein scheint. Ob ich richtig liege, weiß ich nicht und ich werde es auch niemals erfahren. Mit den lebenden Toten von Vancouver ist er nicht zu vergleichen. Und das, was wir dort in der East Hastings Road gesehen haben, wird sich hier nicht wiederholen. Hier nicht und auch sonst nirgends. Ich ermahne mich selber, nicht so voreilig Schlüsse zu ziehen und jemanden einfach so abzustempeln und schäme mich ein bisschen dafür.
Wir sind uns nicht ganz sicher, wo die beste Haltestelle in Downtown ist, um auf dem kürzesten Weg ins Ship & Anchor zu kommen. Jutta verfolgt alles auf Google Maps und so entscheiden wir uns schnell, auch auf die Gefahr hin, etwas weiter laufen zu müssen. Der Typ, den ich vorverurteilt habe, steigt hier ebenfalls aus und ich werte das als gutes Zeichen an der richtigen Stelle zu sein. Irgendwie bin ich wieder verblüfft über meine eigenen Gedankengänge und versuche es damit auf sich beruhen zu lassen. Jutta ist weiter damit beschäftigt auf Google Maps zu schauen, wie wir am besten laufen sollten. „Da lang!“, heißt es dann knapp, mit einem Fingerzeig.

Wir finden die Kneipe und viele Leute sitzen noch draußen auf Bänken und Tischen mit ihren Drinks. Etliche haben nur ein T-Shirt an, trotz der kühlen Temperaturen. Na ja, die Sonne scheint noch. Das sind wohl die ganz harten Kanadier. Wir gehen lieber rein und finden einen freien Fensterplatz in der Ecke. Beim ersten Bier, einem Duke American Lager, bemerken wir, die Kneipe ist viel zu klein für ein Konzert. Aber da neben dem Tresen ist ein Vorhang, wo laufend Musiker mit Gitarrenkoffern und anderen Instrumenten durhgehen. Ich trinke einen kräftigen Schluck von meinem Pint und sage: „Ich guck da mal eben durch!“

Die Bühne ist hinter der Bar des Ship & Anchor und das Konzert hat am Nachmittag stattgefunden. Es ist schon vorbei, wir sind zu spät. Da hat wohl einer nicht gut recherchiert. Myself! Naja egal, die Musik in der Kneipe ist auch gut und das Bier lecker. Noch ein Pint wird bestellt, jetzt ein Big Rock Grasshopper und dann gehen wir weiter ins Broken City, in die Bar, in der ich vor unendlichen Jahren die „Horror Pops“ für mich entdeckt habe.
Im Grunde habe ich sie indirekt entdeckt. Wir waren auf einem Rockabilly Konzert dort und als ich später zuhause versuchte, online rauszufinden, welche Band wir eigentlich gesehen haben, da stieß ich auf die Horror Pops, die einen Tag zuvor aufgetreten sind. Nach dem Konzert hatte ich sogar noch den Leihcamper an einer Parkuhr beim Ausparken beschädigt, was an einem Service Point repariert werden musste. Glücklicherweise wies der Camper dort schon einige Macken auf, die bei der Übergabe dokumentiert worden sind. Und so konnte ich bei der Abgabe sagen: „Da war doch schon vorher Einiges an Schäden markiert.“ Wir mussten keine Selbstbeteiligung zahlen.
“Da vorne links um die Ecke muss die Electric Avenue sein und das Broken City!“, sage ich zu Jutta. Die Navigation im Auto ist ihre Sache, wenn wir allerdings zu Fuß oder per Bike in den Städten unterwegs sind, dann schalte ich mich manchmal ein. Es ist noch immer hell und ich erkenne die Straße wieder, als wir um die Ecke biegen. „Schau mal, da ist es.“ Zwei Mädels kommen auf uns zu und sie wollen offensichtlich ins Broken City, während ich vor dem Fenster stehe und die Plakate mit dem Programm studiere. Eine von den beiden Psychobilly Girls kommt auf mich zu und spricht mich an: „I love your style!“, sagt sie, als sie mir gegenüber steht. Sowas bekomme ich nicht alle Tage zu hören und fühle mich recht geschmeichelt und erwidere: „Thank youuuu, I like your style too!“ Dann verschwinden die beiden Beauties im Broken City und ich habe mittlerweile auf dem Plakat im Fenster herausgefunden, dass heute keine Karaokenacht stattfindet.

„Scheiße!“, sage ich zu Jutta. „Ich versteh das nicht, im Internet habe ich gelesen, dass jeden verdammten Sonntag Karaokenight ist.“ Heute legt DJ Rice Sunday Skool auf, glaubt man dem Plakat im Fenster. Das ist definitiv nichts für uns, also gehen wir in einen anderen Pub in der Nähe. Ich gestehe Jutta meine zweite Fehlrecherche heute und versuche sie irgendwie zu erklären.

Bei einem frisch gezapften Bier in irgendeiner Bar in Downtown Calgary finde ich den Fehler. Gestern war Samstag, der 21. Mai 2022, der Armed Forces Day. Das ist der dritte Samstag im Mai, der in jedem Jahr zu Ehren der Frauen und Männer des Militärs zelebriert wird. Und durch diesen Tag hat sich die Karaoke Nacht, die üblicherweise an jedem Sonntag stattfindet, auf Montag verschoben. Was soll ich sagen? Jutta wirft mir schlechte Recherche vor und recht hat sie. Ich diskutiere und argumentiere, aber letztendlich muss ich mich geschlagen geben. Wenn es sonst an jedem verdammten Sonntag Karaoke im Broken City gibt, aber in dieser dritten Nacht im Mai eben nicht, dann habe ich meine Hausaufgaben nicht richtig gemacht. Punkt.
Wir haben trotzdem eine fantastische Nacht in Calgary und planen morgen durch die Badlands zu fahren, durch das sehenswerte Red Deer Valley, das Royal Tyrrell Museum in Drumheller zu besuchen und am Abend Mary Summer und Peter zu treffen. Mit diesem Plan, einem weiteren Pint und dem Nachtbus zum Eagle Creek Casino, verabschiede ich mich von einem großartigen Besuch in der Stadt.
Jutta weckt mich zeitig am nächsten Morgen. „Kaffee ist fertig, steh auf Langschläfer!“ „Mmmmhhhhh, komm ja schon!“
Es ist der 23. Mai 2022 und unsere Freundin Maddi hat heute Geburtstag. Beim zweiten Kaffee setzen wir uns mit den Campingstühlen auf die Wiese und nehmen ihr eine kleine Videobotschaft auf. Nachdem wir den Gruß abgeschickt haben, mit dem Bedauern, dass sie ihre Party im Village dieses Jahr ohne uns feiern, machen wir uns und LEMMY startklar.
Wir reisen weiter, ohne im Casino gespielt zu haben, ohne eine Show besucht zu haben, verabschieden uns von interessanten Mitcampern, von Cowboys aus Montana und von einer kanadischen Großstadt, in der der erste Eindruck nicht unbedingt immer richtig ist.

Bevor wir allerdings die Stadt verlassen, müssen wir noch in den Waschsalon, denn es ist mal wieder an der Zeit, eine Ladung Klamotten, Handtücher und die Bettwäsche in die Waschmaschine zu verfrachten. Stadtauswärts kommen wir an der Glenmore Laundry vorbei. Das ist nicht mal ein Umweg und nebenan ist ein vietnamesisches Restaurant, das Le La Vietnamese. Besser geht es doch gar nicht. Jutta kümmert sich um die Maschine und ich versuche verzweifelt in das freie WIFI zu kommen, aber es gelingt nicht. Nach diversen erfolglosen Versuchen gebe ich auf. Jutta ist derweil fertig mit dem Einräumen der Waschmaschine. Um die Wartezeit zu überbrücken, bummeln wir kurz über den Parkplatz zum Vietnamesen, Mittag essen. Das Essen ist nicht ganz günstig, aber sehr lecker. Am Nebentisch feiert lautstark eine größere Gruppe wohl einen Geburtstag oder ein Familientreffen.
Beim Lunch besprechen wir den weiteren Tagesverlauf. Gelegentlich schlürfen wir an einer köstlichen Home Made Lemonade. Als erstes wollen wir uns ein Bild von den Badlands machen, von endloser Prärie, von Hügeln und Canyons in die sich nur sehr wenig Touristen verirren. Zu nah sind die spektakuläreren Ziele wie etwa der Ice Fields Park Way, Banff, Jasper und die übermächtigen Rocky Mountains. Sehenswert ist diese Region trotzdem oder gerade deswegen? Man wandelt hier stets auf den Spuren der Dinosaurier. Und so steht ebenfalls ein Besuch im Royal Tyrrell Museum bei Drumheller an, welches sich dem Thema der Urzeit, der Saurier widmet und den Ausgrabungen in der Region.
Nicht zu vergessen, heute Abend wollen wir Mary und Peter treffen. Ob das gelingen wird, ist allerdings noch ungewiss, da sie Internetprobleme haben. Der letzte Kontakt per Email war vor ein paar Tagen. Wir haben unsere Pläne deutlich erklärt und sie wissen, dass wir heute, nachdem wir mit dem Museum fertig sind, irgendwann einen Campingplatz am Rande des Trans Canada Hwy aufsuchen werden, südlich von Drumheller. Wir hingegen wissen, dass sie morgen Drumheller erreichen wollen. Es wird sich zeigen, ob wir uns finden, in dieser endlosen Weite, mit nur wenigen konkreten Angaben.
Wir zahlen einen fairen Preis für ein vorzügliches Essen und sehr süffige, hausgemachte Limonade. Dann bahnen wir uns den Weg raus aus dieser Millionenmetropole, Canadas viertgrößter Stadt.

Die Wolkenkratzer bleiben zurück, der Verkehr ebbt ab und die Prärie scheint uns willkommen zu heißen. „Kommt nur herein, wir haben viel Platz, kommt und seht meine schönen Hoodoos!“ Wir folgen diesem Ruf und machen unseren ersten Stopp beim Horse Thief Canyon. Einige dieser bizarren Steinformationen, geformt aus Wind und Wasser, können wir hier schon bestaunen. Ein wenig fühlen wir uns an Kappadokien in der Türkei erinnert. Viel los ist wirklich nicht. Eine indische Familie genießt die Sonne und den blauen Himmel am Red Deer River bei angenehmen 21° Celsius. Auch einige Pärchen liegen auf dem, zwischen grün und gelb changierenden, Rasen und blicken verträumt in die vorüberziehenden Wolken.

Nach einem kleinen Spaziergang machen wir uns auf den Weg zum Auto und sehen einen großen Pickup, der sehr langsam an LEMMY vorbei fährt. Ein Mann schaut aus dem Fenster und begutachtet unser Auto. Er wird schneller und fährt runter vom Parkplatz, bis er uns im Rückspiegel am Camper sieht. Seine Bremslichter leuchten grellrot auf und er wendet und kommt zurück. „Hi!“, begrüßt er uns durch das offene Fenster. „Are you from Germany?“ Es stellt sich heraus, er selber ist gebürtiger Deutscher. Unser Wagen ist ihm aufgefallen und er hat ihn sich etwas genauer angesehen. Als er gerade los wollte, kommen wir um die Ecke, was ihn zum Umdrehen veranlasst.


Er lebt seit bald 30 Jahren in Alberta und arbeitet bei einer großen Spedition als Trucker. Seine Muttersprache hat er schon fast gänzlich verlernt, also plaudern wir auf Englisch. Er liebt diese Abgeschiedenheit und die Weite seiner neuen Heimat, was ich nicht so ganz nachvollziehen kann. BC oder Ontario würde ich mir gefallen lassen, aber ein Leben in Alberta? Ausgeschlossen. Diesen Gedanke behalte ich natürlich für mich, stattdessen berichten wir von unserer geplanten Route gen Osten über den Trans Canada Hwy. Er bereitet uns mental auf einen langen, eintönigen Weg vor. Das ist allerdings nichts Neues für mich. Dass Saskatchewan und Manitoba nicht vor Abwechslung und landschaftlicher Vielfalt sprühen, ist mir klar. Einen Tipp hat er dann aber doch für uns.
In Ontario gabelt sich der TC Hwy und wir sollten dann die 11 vermeiden und auf der 17 weiterfahren. Die Route auf der 11 sei „boring“, sagt er. Im Reiseführer steht es anders geschrieben, wenn ich mich recht entsinne. Wir wollen seinen Hinweis beherzigen und die langweilige 11 auslassen, um auf der nördlicheren 17 zu fahren. Bis dahin sind es allerdings noch weit über tausend Kilometer schwarzen Asphalts. Nach einem netten Plausch verabschieden wir uns schließlich und machen uns auf den Weg zum Royal Tyrell Museum. Unterwegs sehen wir mal mehr, mal weniger beeindruckende Hoodoos, und überall sind Saurier präsent. Kein Wunder, wir fahren den Dinosaur Trail. So wie in Roswell in New Mexico/USA alles im Zeichen der Aliens war, so sind es hier die Dinos. Selbstverständlich fehlt auch „The Worlds Largest Tyranno Saurus Rex“ aus Pappmaché nicht am Straßenrand.

Der Parkplatz am Museum ist proppevoll, doch weit hinten sind einige freie Flächen. Der Komplex ist ziemlich groß, aber das muss auch so sein, denn schließlich ist es ein Dinosaurier Museum. Wir sind von Anfang an begeistert und lassen uns Zeit an den einzelnen Exponaten. Durch eine riesige Fensterscheibe sehen wir die Werkstatt, in der Experten die Knochen aus den freigelegten Sedimentschichten kratzen. Über den Werkbänken hängen riesige Absaugvorrichtungen. Noch immer werden zahlreiche Fossilien in Alberta gefunden und ausgegraben.
Wir blicken bis zu 70 Millionen Jahre zurück in die Vergangenheit. Aufgrund der Größe der Ausstellungsfläche verteilt sich der Besucherstrom ganz gut und wir können alles ohne Gedränge bestaunen. Wir sehen eine wahnsinnige Artenvielfalt in Lebensgröße, zum Teil mit originalen Knochen rekonstruiert, zum Teil künstlich erschaffen. Ausgestellt und beschrieben wird die Flora und Fauna zu Wasser, Land und in der Luft über viele verschiedene Zeitalter, die wir uns als moderner Mensch nicht ansatzweise vorstellen können. Vor 66 Millionen Jahren schlug ein Asteroid mit 15 Kilometer Durchmesser auf der Erde ein. Das brachte Chaos, Dunkelheit, Tsunamis und Vulkanausbrüche mit sich und dezimierte ganze Ökosysteme und Gruppen verschiedener Arten.

Hin und wieder verlieren Jutta und ich mich kurz aus den Augen, jeder hat sein eigenes Tempo, kurz darauf finden wir uns aber schnell wieder. Manchmal staunen wir gemeinsam vor den Schaukästen, manchmal alleine oder mit anderen Besuchern. Schön ist es die begeisterten Kinder zu beobachten, deren Entdeckergeist ich gut nachvollziehen kann. Der Tyranno Saurus ist selbstverständlich auch in Originalgröße aus Knochen auferstanden. Hinter Glas sehen wir verschiedene Ammoniten, groß wie Autoreifen und bis zu 400 Millionen Jahre alt. Ich selber bin bereits über 50 und habe eine Lebenserwartung von vielleicht 70 oder 80 Jahren? Wenn es gut läuft auch etwas mehr. Unter hundert Jahren kann ich mir was vorstellen, Tausend meinetwegen auch noch, aber Millionen von Jahren? Nee, da muss ich passen, das geht nicht rein in meine Birne.

Es ist bereits später Nachmittag und wir sind seit fast 3 Stunden in einer Welt vor unserer Zeit. Von Mary und Peter haben wir leider noch keine Nachricht erhalten. Sie haben ihr Internetproblem offensichtlich noch nicht lösen können. Wir haben vor, uns an den angekündigten Ablauf zu halten und nach dem Museumsbesuch in Drumheller einen nahegelegenen Campingplatz aufzusuchen. Wenn Mary und Peter morgen Drumheller und das Museum besuchen wollen, dann sollten sie hier ebenfalls bereits in der Nähe sein.

An den letzten Exponaten sind wir etwas zügiger unterwegs und nach mehr als 3 Stunden verlassen wir mit neuen Erkenntnissen das Royal Tyrrell Museum, um Juttas favorisierten CP am TC Hwy anzusteuern.


Zunächst fahren wir ca. 80 Kilometer straight nach Süden, um vor Crowfoot nach links Richtung Osten abzubiegen. Jetzt sind wir wieder auf dem TC Hwy und Jutta navigiert mich zu dem angestrebten Campingplatz, auf dem wir auch Mary und Peter vermuten. Nach einer weiteren halben Stunde verlassen wir den TC Hwy um zum CP zu fahren. Ich weiß nicht mal genau, wo wir sind, ich reagiere nur auf Juttas Anweisungen. „Gleich links und danach wieder rechts!“ Ich sehe nur Prärie und sonst nichts. Keine Häuser, kaum andere Autos, nur Felder und Straßen, wie auf einem Schachbrett mit unterschiedlichen Feldgrößen. Diagonale Wege gibt es kaum, es geht senkrecht nach Norden oder Süden und waagerecht nach Westen und Osten. Endlose Weite. „Gleich musst du wieder links abbiegen!“, sagt Jutta. „Ok!“
„Fahren wir nicht gerade in die falsche Richtung?“, frage ich. „Wir sind jetzt so oft abgebogen und mir kommt es so vor, als fahren wir wieder Richtung Westen.“
„Ja, kann sein!“, sagt Jutta. „Das ist aber die Richtung zum Campingplatz.“ Ich glaube ihr und bei den schachbrettartigen Straßen wundert es mich auch nicht wirklich. Bei dem wenigen Verkehr und der freien Sicht in alle Richtungen bin ich relativ schnell unterwegs. Links, etwa 100 Meter vor uns sehe ich zwei Camper abseits der Straße auf einer Wiese stehen. In dem Moment als ich vorbeidüse, kann ich es nicht fassen. „Hast du das eben auch gesehen?“, frage ich Jutta. „Nee, was soll ich gesehen haben?“
„Da stand gerade ein Oman Camper!“ „Du spinnst, die gehören bestimmt dort zu der Ranch.“, meint Jutta.
Ich trete auf die Bremse und drehe um. Dann erkennt Jutta es auch. Dort steht eine Leihcamper von „Adventurer“ und ein Oman. Das müssen Mary und Peter sein! Ich fahre rechts runter von der Straße auf die Wiese und wir werden schon erwartet. Aus dem Fenster hat Peter uns vorbeifahren sehen und zu Mary gerufen: „Da ist gerade ein Oman Camper vorbei gefahren. Das müssen Jutta und Jürgen sein!“
Wir haben uns gefunden. War es Glück, Zufall, Bestimmung? Keine Ahnung, spielt auch keine Rolle. Wir lernen kurz noch die beiden anderen Camper kennen, dann parke ich zwischen den zwei Pickups ein. Jutta und ich machen eine kurze Pause. In einer Stunde sind wir dann vor unserem Wagen verabredet. Jeder bringt mit, was er braucht.

Ich haue mich kurz aufs Ohr und nur einen gefühlten Augenblick später vernehme ich Stimmen vor dem Fenster. „Muss wohl eingeschlafen sein.“, stelle ich fest und klettere aus dem Bett.
Nach zehn Minuten steht der Stuhlkreis und jeder hat seinen Lieblingsdrink dabei. Es gibt Wein, Bier und Knabbersachen. Das Abendessen lassen wir ausfallen. Wir quatschen bis spät in die Nacht hinein, bis es uns allen zu kalt wird. Jutta und mir wäre der CP für ein Treffen lieber gewesen, mit einer Feuerstelle, die nicht nur gemütliches Licht spendet, sondern auch Wärme. Aber Mary und Peter versuchen so oft es geht frei zu stehen. Egal, wir sind froh uns im zweitgrößten Land der Erde gefunden zu haben, ohne vorher einen konkreten Treffpunkt abgemacht zu haben.
Sie berichten von ihrer Ankunft in Canada und der Begegnung mit Omi Hans und Christina in Halifax. Wir erfahren, dass Peter bereits seine erste Reisemüdigkeit durchgemacht hat, als er sehr erkältet war und überhaupt keine Lust mehr hatte weiter zu fahren. Sie erzählen von den Schwierigkeiten, die Hans hatte, einen Leihwagen in Halifax zu bekommen und wie ihre bisherige Reise bis hierher verlaufen ist. Sie sind übrigens, wie im Reiseführer empfohlen, die 11 in Ontario auf dem TC Hwy gefahren. Wir berichten von dem Insider-Tipp, den wir heute bekommen haben, auf keinen Fall die 11 zu nehmen, sondern stattdessen auf der 17 zu fahren. Die Zeit schmilzt dahin.
Wir reden eine Menge Zeug über unsere Autos, wie zufrieden oder unzufrieden wir mit dem Fahrzeug und dem Hersteller sind. Mary und Peter berichten über ihre Pläne bis nach Mittelamerika, eventuell Südamerika zu fahren und wir lauschen gespannt. Wir erzählen natürlich von unseren Erfahrungen, vor allem in den USA, aber auch von Südosteuropa, Asien und den letzten Wochen in Canada.
Aber da gibt es ja auch noch die beiden anderen Camper, über die ich bisher nichts gesagt habe. Sie sind verheiratet und kommen aus Deutschland. Alle beide lieben Canada so sehr, dass sie sich dieses großartige Land Stück für Stück und Jahr für Jahr erobern, bereisen und immer weiter erkunden. Mal verbringen sie drei Wochen in Alberta, mal in BC oder in Quebec. Seit Jahren kommen sie immer wieder her und leihen sich einen Pickup Truck mit Kabine. Wir sehen ihnen ihre Leidenschaft an. Sie packen vor der Reise alte, abgetragene Kleidung ein, kaufen sich am Ziel neue Klamotten und lassen ihre alten Sachen zurück. Wir erfahren von ihnen viel Privates und so geben wir heute Abend irgendwie alle etwas preis von uns, wie es unter eigentlich Fremden nur auf Reisen möglich ist.

Irgendwann frösteln wir alle und beschließen diese wundervolle Nacht voller schöner Gespräche, witziger und ernster Anekdoten und unterschiedlicher Gedanken zu beenden.

Nach dem Frühstück am nächsten Morgen trennen sich unsere Wege. Bei Mary und Peter steht jetzt in Canada der spektakulärste Teil der Reise an, die Rocky Mountains, BC, Vancouver Island usw. Die beiden Adventurer beschränken ihre drei Wochen in diesem Jahr auf Alberta und nächstes Jahr, mal sehen wohin es geht… Ich empfehle ihnen Nova Scotia, denn BC kennen sie bereits. Für uns wird es jetzt eintönig, für hunderte von Kilometern. Heute für etwas über 300. Wir wollen einen Abstecher in die Cypress Hills machen und nehmen dafür einen Umweg von 90 Kilometern in Kauf, aber Umwege gibt es nicht…., ihr kennt das bereits. Jutta hat auf „iOverlander“ einen gut bewerteten freien Stellplatz am Cypress Lake rausgefunden, der den Weg wert sein soll. Das wollen wir mal abchecken. Leider findet sie online keine Informationen, ob der Park geöffnet ist, ausgebucht oder überhaupt zugänglich. Die Saison hat begonnen und es könnte jetzt überall voll sein. Andererseits könnte auch geschlossen sein, weil dort erst im Juni eröffnet wird oder eine große Baustelle die Durchfahrt versperrt.
Wir verlassen heute Alberta und werden Saskatchewan erreichen. Unsere Erfahrungen in diesem kanadischen Bundesstaat beginnen bei Null. Auf so einer gewagten Expedition in unbekanntes Gebiet gehe ich kein Risiko ein. Ich sage zu Jutta: „In Brooks muss ich noch kurz in den Beerstore, Nachschub holen! Ok?“

An der Ampelkreuzung biege ich ab, fahre rechts rüber und parke vor einem mittelgroßen Schnapsladen. Ich kaufe den üblichen Vorrat an Bier und schon kann es weiter gehen. In Medicine Hat machen wir Lunchpause in einem tollen Diner, einem Roadhouse am TC Hwy. „Wow!“, rufe ich begeistert, sitzend auf einem roten Ledersofa mit der Speisekarte vor mir. „Die haben hier Poutine!“ „Das nehme ich auch!“, sagt Jutta. Ich bekomme French Fries mit Gravy serviert, Jutta erhält dazu noch geschmolzenen Schafskäse in der vegetarischen Bratensoße. Dazu gibt es köstliche hausgemachte Zitronenlimonade. Wir beobachten, wie die drei Kellnerinnen hinter dem Tresen tuscheln und uns im Auge behalten. Beim Zahlen spricht uns die Chefin an. Ob wir aus Deutschland kommen, will sie wissen. „That`s right, we are from Germany. Look over there, that`s my car, that we travel around with.“ Sie sagt, sie hätten sich so was schon gedacht, waren sich aber nicht sicher, ob sie unsere Sprache richtig zugeordnet haben. Gut gelaunt, mit einer weiteren überaus netten Begegnung, verlassen wir dieses Diner und begeben uns über einen geschotterten, mit Pfützen übersäten Parkplatz zu unserem Auto.
Irgendwo am TC Hwy zwischen Irvine und Maple Creek sehen wir eine Touristeninformation. „Wollen wir da nicht mal nachfragen, ob die in den Cypress Hills geöffnet haben?“, schlage ich vor. „Nicht das wir da 90 Kilometer reinfahren und feststellen, wir können nicht bleiben und müssen sofort wieder umdrehen. Das wäre dann schon ärgerlich.“
„Können wir machen.“, sagt Jutta. Ich halte an der Touristeninformation, zwei junge Leute stehen hinterm Infotresen, aber sie wissen es auch nicht. Er telefoniert und fragt irgendwo nach, sie stöbert in einem Prospekt. Eigentlich müsste dort alles zugänglich sein, bekommen wir als Antwort. Na gut, das soll uns reichen, um an der Esso Tankstelle bei Maple Creek rechts abzubiegen. Eine Stunde Fahrt durch die Cypress Hills steht uns bevor. Der Biervorrat ist in Ordnung und auch der Dieseltank ist gut gefüllt. Nach dem kleinen Maple Creek fahren wir durch Ödland, fahren dicht an die US amerikanische Grenze, aber was soll hier so toll sein? Jetzt auch noch eine Baustelle, aber die stört nicht weiter, im Gegenteil, ab hier fahren wir Piste und keine Straße mehr. Kein Mensch ist unterwegs, nur gelegentlich ein Straßenbauer-Pickup oder ein Lastwagen mit Schotter auf der Ladefläche. Auf halber Strecke ist ein Campingplatz ausgeschildert: Aspen Grove, im Cypress Hill Interprovincial Park Saskatchewan. „Was machen wir denn jetzt?“, frage ich Jutta. Eigentlich müssen wir noch 40 Kilometer weiter bis zum Cypress Lake, dem Geheimtipp auf iOverlander. „Ich weiß es auch nicht!“, sagt Jutta.
Eine Entscheidung muss getroffen werden und ich sage: „Scheiß drauf, wir fahren da jetzt hin. Und wenn es dort blöd ist, fahren wir zurück in diesen Interprovincial Park.“
Begeistert bin ich so ganz und gar nicht von dieser Ödnis. Das Einzige was mir Spaß macht, ist die Fahrt auf dem Schotteruntergrund. „In zwei Kilometern musst du rechts abbiegen und etwas später noch einmal rechts, dann sind wir am Lake.“, verkündet Jutta.
Nach dem zweiten Abbiegen sehe ich einen trostlosen und verlassenen Platz. Ich rolle langsam auf den Cypress Lake zu und denke mir: „Was machen wir hier nur?“ Dann sage ich zu Jutta: „Ich muss mal pissen!“ Etwas genervt verlasse ich das sichere Cockpit und stelle mich an einen Busch neben dem Auto, um meine Blase zu entleeren und werde umgehend von Millionen Fliegen attackiert. Ich schlage wild um mich. So gut es geht halt, während ich versuche mein Bedürfnis zu einem Ende zu bringen. Ich verliere fast die Orientierung vor lauter Fliegen und sogar die Kabinenwand von LEMMY ist nicht mehr in beige (RAL Ton 1001) zu erkennen, wie wir sie bestellt haben, nein, sie ist schwarz, Vanta Black. Das schwärzeste Schwarz der Welt. Ich packe alles wieder ein, wo es hingehört und fliehe vor einer Invasion von Mistviechern.
Warum sind diese Scheißfliegen nicht vor 66 Millionen Jahren ausgestorben, sie haben eh keinen Nutzen, außer als Spinnenfutter. Und die Spinnen können mich im Übrigen auch am Arsch lecken. Irgendwie gelingt es mir instinktiv die schwarze Wand zu durchbrechen und die Fahrertür, in Royal Grey lackiert und damit fast unsichtbar, wiederzufinden und zu öffnen. „Lass uns bloß hier verschwinden!“, schreie ich heraus und speie dabei eine tote Fliege aus meinem Mund. Dann frage ich entsetzt dreinblickend: Weißt du eigentlich was da draußen los ist?“ Jutta guckt mich nur verwundert an.
Auf der Windschutzscheibe sitzt ebenfalls eine ganze Meute dieser Drecksviecher. „Na warte!“, denke ich mir. Ich drehe den Zündschlüssel um, der Motor startet und ich aktiviere die Scheibenwaschanlage. Dann fahre ich lachend los. „Guckt euch jetzt an ihr verdammten Arschgeigen!“
„Wir fahren jetzt nach Aspen Grove in den Interprovincial Park!“, sage ich zu Jutta. Sie antwortet ein wenig irritiert: „Ok!?“


Auf dem selben Weg geht es zurück, bis wir dann links abbiegen. Insgesamt sind es nur 44 Kilometer und etwa eine halbe Stunde zu fahren. Wir checken ein und glücklicherweise gibt es reichlich freie Plätze. Für heute bin ich echt bedient. Diesen Campingplatz haben wir im Nieselregen erreicht und er ist gigantisch groß. Jutta versucht mich, mit der von der Rezeption ausgehändigten Map, auf unseren Stellplatz zu lotsen, aber es gelingt ihr nicht. Wir kurven rum und drehen uns im Kreis. Es wird mir schon langsam echt peinlich, bei manchen anderen Campern bereits zum dritten Mal vorbeizufahren, immer noch auf der Suche nach dem eigenen Stellplatz. Jutta verzweifelt langsam, ich auch und wir sind kurz davor uns einfach irgendwohin zu stellen. Gemeinsam schauen wir auf den Plan und mit mehr Glück als Verstand finden wir unseren Platz.
Jetzt ist die Welt wieder in Ordnung. Wir sind angekommen in Saskatchewan, auf einem Campingplatz, der uns wieder versöhnlich stimmt. Die Sonne kommt raus und die Aussicht von hier ist hervorragend. Ich habe Feuerholz für ein Barbecue, Bier, Maiskolben, Kartoffeln und Marshmellows. That`s all we need.



Wir verbringen einen klasse Abend am Lagerfeuer und unterhalten uns über die schöne letzte Nacht mit Mary und Peter und die anderen beiden Canada Fans. Im Gegensatz zum Cypress Lake sind wir hier von einigen Bäumen umgeben und etwas höher gelegen. Nicht eine einzige Fliege belästigt uns.
Wir besprechen, dass wir uns morgen mit Omi Hans und Christina in Rosetown treffen werden. Mit ihnen können wir ohne Problem kommunizieren, sie haben einwandfreies Internet. Wer jetzt genauer auf unsere Route schaut, wird sich vermutlich fragen, wieso fahren die so einen merkwürdigen Zickzack-Kurs? Ich sage es euch, auch wenn ich mich wiederhole: „Es gibt keine Umwege, nur Abstecher!“ Jutta geht irgendwann schlafen, ich mache mir noch ein Bier auf und lege etwas Feuerholz nach.

Das Frühstück genießen wir draußen in strahlendem Sonnenschein. Zu Fahren habe ich heute etwas über dreihundert Kilometer, ein Klacks für kanadische Verhältnisse und für mich erst recht. Zuerst geht es nach dem Auschecken und einer ausgiebigen heißen Dusche ca. 40 Kilometer nach Maple Creek, dann auf den TC Hwy nach Osten, um in Swift Current links hoch, geradewegs nach Norden zu fahren. Unterwegs verabreden wir mit Omi Hans, dass ich mich um das Feuerholz für den bevorstehenden Abend kümmere. Wir freuen uns auf eine weitere Begegnung mit anderen Oman Campern, die wir bisher ja nur einmal kurz und flüchtig getroffen haben.
Bevor wir den Präirie View Park Mobile Home and Campground erreichen, kaufe ich zwei Bundle Firewood an einer Tankstelle in Rosetown und dann fahren wir zu unserem Tagesziel. Hans und Christina sind bereits angekommen und erwarten uns.
Ich parke direkt auf einem freien Stellplatz neben ihnen und sie kommen sofort her. „Der Platz ist für euch bereits reserviert!“, sagt Hans, als ich gerade aus dem Auto steige. Wir begrüßen die Beiden und freuen uns auf den bevorstehenden Abend. Wir fühlen uns wohl und ich bereite die Feuerstelle vor. Hans und Christina kommen zum Dinner rüber. Zur Feier des Tages schmeiße ich deutsche Bratwurst auf den Grill. Alle bringen etwas mit, Jutta hat Gemüse mariniert, Hans und Christina bringen Käse und Trauben mit und frisches Baguette.
Zu meinem Entsetzen offenbart Hans sofort, dass er keinen Alkohol trinkt. „Oje.“, denke ich. „Was wird er von mir halten, wo ich Bier doch so sehr liebe und es auch reichlich konsumiere?“ Na ja, Scheiß drauf, was habe ich zu verlieren?“ Ich kümmere mich ums Feuer und das Grillgut und wir unterhalten uns. Jutta und Christina schenken sich Wein ein, so bin ich nicht der Einzige, der etwas trinkt. Später kommen wir auch noch auf unsere Berufe zu sprechen und Omi Hans berichtet von seiner Karriere als Neurologe. Er war lange Jahre Chefarzt in der Neurologie im Klinikum am Rosengarten in Bad Oeynhausen. Rosengarten? Fuck, wir sind hier in Rosetown, was hat das zu bedeuten…? Kann das Zufall sein?
Wir verstehen uns alle super untereinander. Ich unterhalte mich prima mit Christina und Jutta mit Hans, umgekehrt funktioniert es sogar noch besser. Meistens quatschen wir durcheinander. Hans unterhält sich mit mir und Jutta redet mit Christina. Der Redeschwall ebbt eigentlich niemals ab und Hans und ich erkennen erstaunlicherweise eine Menge Parallelen zwischen unseren Berufen als Neurologe und dem des Pyrotechnikers und Requisiteurs. Es stört mich kein bisschen, dass er nichts trinkt und ihm ist es völlig egal, wenn ich mir zwischendurch ein weiteres Bier genehmige. Jedenfalls reden wir viel über die Arbeit und die Qualität unserer Arbeit, über eigene Ansprüche, über Befindlichkeiten der Kollegen, über Künstler, Diven und Patienten. Wir lachen oft, wenn wir feststellen, wie ähnlich unsere Probleme sind und obwohl es im Theater nie darum geht Menschenleben zu retten, so geht es schon darum, unsere Akteure auf der Bühne zu schützen, insbesondere dann, wenn Pyrotechnik im Spiel ist. Denn es hat von leichten bis schweren Verletzungen auch schon tödliche Unfälle an Theatern gegeben.
Wir reden auch über meinen Burnout, zu dem eine unfähige Abteilungsleitung beigetragen hat, eine Vollzeitstelle, die ersatzlos weggefallen ist (Karl ist in Rente gegangen) und sechs, zum Teil enorm fordernde Premieren, die fast gleichzeitig anstanden. Es gab noch andere Zutaten, die eine Rolle spielten und die Speise verdarben, näher kann und will ich da jetzt nicht drauf eingehen. Das würde zu sehr ins philosophische abdriften und/oder es würde die grausame Wahrheit ans Licht bringen, die ein eigenes Kapitel für sich beansprucht. Nein, mehr als das…, viel mehr!
Hans erzählt von seiner Augenkrankheit und ich erinnere mich. Stimmt ja, Christina fährt immer, weil Hans fast blind ist und kein Auto fahren darf. Er leidet an Retinitis Pigmentosa und ist schwer beeinträchtigt. Sein Gesichtsfeld wird immer kleiner und er braucht viel Licht, um überhaupt noch etwas sehen zu können. Deshalb kann er auch nicht mehr als Neurologe arbeiten. Das haben sie uns damals schon erzählt, auf dem Treffen bei Detmold. Jetzt kommt die Erinnerung zurück. Jahre später. Corona dazwischen. Auf einem anderen Kontinent. Ich finde es bewundernswert, das sie beide trotz dieser Einschränkungen solche großen Reisen machen. Beim Fahren ist Christina auf sich gestellt, aber Hans kümmert sich um viele andere Dinge vor und während der Reise. Recherche, Organisation und Abwicklung gehören unter anderem zu seinen Aufgaben.
Ich frage Hans, wie er zu seinem Namen kommt. Ist ja schon irgendwie speziell sich selber als Omi Hans vorzustellen. „Na, weil sie den Oman Camper zunächst Omi nannten, bevor er in Idefix umgetauft wurde. Daraus ist dann Omi Hans entstanden.
Sie berichten auch vom Ankommen in Canada, was bei Ihnen unproblematischer verlief, als bei uns. Wir hatten ja den Anschlussflug von Montreal nach Halifax verpasst, wurden umgebucht nach Ottawa, um von dort ans Ziel zu kommen, aber zu dem Zeitpunkt tobte ein Wintersturm mit Eisregen in Halifax und wir bekamen keine Starterlaubnis. Als es dann Stunden später doch noch losging, entschied der Kapitän auf halber Strecke umzudrehen, da er nicht sicher landen könne in Halifax, bei den aktuellen Wetterbedingungen. Nach einem ungeplanten Hotelaufenthalt in Ottawa mussten wir dann Tags darauf wieder stundenlang am Airport warten, weil das Wassersystem an Bord der Maschine vereist war, bei minus 26°. Und als wir dann doch noch mit über einem Tag Verspätung im Residence Inn by Marriott angekommen sind, waren wir nicht mehr im Buchungssystem zu finden. Hans und Christina lauschen gespannt dieser kleinen Lagerfeuergeschichte.
Sie hatten andere Probleme. Hans konnte keinen Mietwagen leihen, weil er derjenige mit der Kreditkarte ist, aber nicht derjenige mit der Fahrlizenz. Sie bekamen keinen Wagen, weil Kreditkarteninhaber und Fahrer nicht übereinstimmten. Mit Mary und Peter haben sie dann zusammen einen Wagen gemietet. Peter hat einen Führerschein und eine Kreditkarte. So sind sie zu viert einige Tage auf Nova Scotia gecruist, während zwei Omans (Idefix & das Kischdle) im Bauch eines riesigen Containerschiffes den Atlantik überquert haben.
Wir unterhalten uns prächtig, knabbern nach dem Dinner am leckeren Käse, dem frischen Baguette und den Weintrauben. Das Lagerfeuer spendet angenehme Wärme und wir quatschen und quatschen…., es gibt Wein und Bier, Hans begnügt sich mit Wasser. Ich mag nicht fragen, ob er wegen seiner eingeschränkten Sicht keinen Alkohol trinkt oder aus Überzeugung als Arzt.
Das ein und andere Abenteuer wird noch zum Besten gegeben, so auch natürlich die Geschichte in Albanien, als wir fliehen mussten und Angst hatten alles zu verlieren, von unseren ersten richtigen Offroaderfahrungen in Georgien im Vashlowani N. P.. Und natürlich fehlt auch die Story nicht, als wir in Kalifornien in Desert Center, einer Geisterstadt, gestrandet sind, weil ich in der Wüste nicht rechtzeitig getankt habe.
Das Lagerfeuer ist schon fast komplett runter gebrannt, das Holz aufgebraucht. Es ist Zeit ins Bett zu gehen. Wir wollen uns morgen nach dem Frühstück verabschieden. Christina und Hans werden ihr Frühstück viel früher einnehmen, wenn wir noch im Bett liegen.
Als ich aufwache, Jutta tüdelt schon mit ihrem Handy rum, liegt aber noch im Bett, da regnet es bereits leicht und ein Frühstück draußen macht keinen Sinn. Hans und Christina sitzen gemütlich in der Kabine und wir winken uns kurz zu. Nun haben sie mitbekommen, die Godts kommen langsam in die Puschen. „Machst du schon mal Kaffee? Ich überlasse dir das Bad zuerst.“, biete ich großzügig an. Jutta mustert mich streng, kann sich aber ein kleines Lächeln nicht verkneifen.
Es gibt ein schnelles und kurzes Frühstück, dann wagen wir uns bei leichtem Nieselregen vor die Tür. Den zweiten Kaffee nehmen wir mit raus. Hans ist bereits an seinem Staufach zugange. „Guten Morgen!“, rufen wir rüber.
Christina steigt aus der Kabine und schon sind wir wieder am schnacken wie die Weltmeister. Hans zeigt mir seine Staufächer, Jutta und Christina haben andere Themen. Er hat sein großes Fach strukturiert angelegt, durchdacht und mit praktischen Schubfächern. Ich habe ein anderes System, was auf den ersten Blick wohlmöglich nicht so praktisch erscheint, mir aber doch mehr Möglichkeiten, mehr Spielraum und unendliche Variablen erlaubt. Ich habe Kisten, die ich hin und her schiebe, aber auch mal rausnehmen muss, um an die Kiste dahinter zu kommen. Ich nehme an, es gibt zu diesem Thema ebenso viele Meinungen und Vorlieben, wie es Fahrer gibt. Jutta wäre ein System am liebsten, bei dem immer alles das ganz vorne und griffbereit liegt, was man gerade benötigt. Ich arbeite noch daran.
Als ich meine Werkzeugkiste präsentiere, fallen sofort die Scheibenpflaster von Carglas in mein Blickfeld. Die habe ich nach meinem ersten reparierten Steinschlag bekommen. Leider ist es nicht so wie in der Radiowerbung immer versprochen wird, dass nach vollendeter Reparatur nichts mehr vom Schaden zu sehen ist. Ganz im Gegenteil, es ist keine Reparatur zu erkennen. „Aber die Stabilität der Scheibe ist wiederhergestellt!“, wurde mir versichert und eine Menge Scheibenpflaster in die Hand gedrückt.
„Hey Hans, ich kann dir gerne zwei, drei Pflaster abgeben. Ich habe mehr als genug.“ Hans zeigt sich erfreut, da er selber keine dabei hat. „Oh ja, die nehme ich sehr gerne mit, man kann ja nie wissen.“ Ich drücke ihm drei oder vier in die Hand und sehe wie es in seinem Kopf rattert. „Jetzt muss ich dir aber auch was geben!“, sagt er mit Nachdruck. „Ach was, nicht doch. Ich habe wirklich genug davon und das war mein erster Steinschlag, nach über 30 000 Kilometern mit LEMMY.“
„Nein, trotzdem!“ Ich sehe wie er überlegt, was er mir anbieten kann. Ich sage aus Quatsch, was mir gerade einfällt, weil er doch Arzt ist: „Hey Hans, ich weiß was, gib mir einfach ein kleines Fläschchen Tilidin Tropfen für meine Rückenschmerzen, dann ist das für mich erledigt.“ Er lacht laut auf. Ich bin mir sicher, er kann meinen Humor händeln. „Tilidin Tropfen habe ich leider nicht mit.“, sagt er. „Wie wäre es mit einem Blister Tabletten?“, frage ich. „Die habe ich auch nicht mit.“ Ich sage: „Macht nichts, die habe ich selber dabei, für Notfälle. Aber die Tropfen sind viel besser, als die Tabletten!“
Dann erzähle ich ihm von meinen Erfahrungen mit den Tropfen, als ich eine Zeit lang kaum laufen konnte und mein Orthopäde mich schon an der Lendenwirbelsäule operieren wollte. Ich lehnte die Operation zunächst ab und sagte meinem Orthopäden, dass ich mich zuerst mit meinem Physiotherapeuten Herrn Becker aus Syke besprechen muss, denn der hat magische Hände und ist für mich ein Wunderheiler. Herr Becker sagte mir nach einer persönlichen Konsultation: „Wir kriegen das ohne OP hin, konservativ.“ Ich bekam dann im Krankenhaus in Vechta zwei Spritzen unter CT ins Rückenmark gespritzt, machte konservative Physiotherapie und bald war es mir wieder möglich einigermaßen schmerzfrei zu laufen. Unterstützt wurde das Ganze mit Tilidin Tropfen.
Wochen später, als es mir viel besser ging und der Bewegungsapparat größtenteils wieder hergestellt war, da erinnerte ich mich. Es müsste noch etwas Rest in der kleinen Tilidin Flasche sein. Jutta war schon im Bett und ich hatte bereits ein paar Bier getrunken und wollte noch einen Spätfilm schauen. Ich hatte Bock auf einen Gaspar Noè Streifen. „Enter The Void“ kam mir in den Sinn. Ich liebe Noès Filme und den kannte ich noch nicht. Als dann der Vorspann begann, war ich schon begeistert, der Film spielt in Tokyo. Ich dachte: „Genehmige dir doch noch eben 30 Tropfen aus dem Zauberfläschchen, es ist noch was übrig. Wäre doch schade, es verkommen zu lassen.“ Gedacht, getan. Ich habe keinen Film geschaut, nein, ich war im Film, auf einem zweieinhalbstündigen Trip durch die Tokyoter Nacht. Ich bin geflogen durch die Häuserschluchten, es gab keine Kamera die hier gedreht hat, ich war die Kamera. Das war ein sensationelles Erlebnis und mir war schon klar, das sollte ich nicht zu häufig machen. So dosierte ich es in größeren Abständen auf maximal 30 Tropfen, direkt aus der Flasche auf die Zunge. Jutta schlief immer schon, wenn ich mich auf diese spezielle Reise begab. Ein anderes Mal schaute ich den Film „Hachiko“ und musste heulen dabei wie ein Schlosshund. Jetzt rede ich mit Hans über all das und er berichtet mir, die Tabletten kann ich ruhig mitführen, nur die Tropfen sind ein Opiat, höher dosiert, als Droge eingestuft und selbstverständlich nicht erlaubt im Reisegepäck. Das wusste ich allerdings schon vom Apotheker, der mich als Patient registrierte, als jemand, der ein Opiat verschrieben bekommen hat.
Dann erzählt Hans, er habe gehört, dass es vollkommen wahnsinnig sein soll, wenn man 30 Tilidin Tropfen auf ein Stück Toast träufelt und das für eine halbe Minute in die Mikrowelle legt und anschließend verzehrt. Ich schreie innerlich auf: „FUCK! Hätte ich das doch nur früher gewusst!“
Jutta und Christina machen sich plötzlich von hinten bemerkbar. „Na, worüber redet ihr da so amüsiert. „Ach, nix besonderes, ich habe Hans nur meine Werkzeugkiste gezeigt und ihm ein paar Steinschlagpflaster für die Windschutzscheibe gegeben.“, sage ich. Dann mach ich die Staufachklappe wieder zu.
„Jetzt weiß ich was!“, sprudelt es aus Hans heraus. „Hast du Sicherungen für die Truma Heizung?“ „Nöö, habe ich nicht.“ Er eilt zu Idefix, kramt irgendwo und drückt mir zwei kleine Glasröhrchen in die Hand. „Jetzt sind wir quitt!“, sagt er. Wir müssen beide lachen.
Für das Abschiedsfoto arrangiere ich beide Autos auf dem Hauptweg von diesem beschaulichen Campingplatz am Rande von Rosetown und Jutta, Christina & Hans posieren davor. Klick.

Zeit Abschied zu nehmen. Für uns geht es weiter nach Osten, den 7821 Kilometer langen TC Hwy entlang. Hans und Christina fahren nach Westen, in den Yukon, nach Alaska und danach (erneut durch Canada) in die USA. Wir behalten uns im Auge.
Heute wird ein langer Road Day. Aber so schlimm wie befürchtet ist es gar nicht. Jedenfalls nicht beim ersten Mal. Für unseren deutschen Auswanderer, den wir am Horse Thief Canyon getroffen haben, sieht es vermutlich anders aus, weil er diese Strecke bereits einige Dutzend Mal gefahren ist und jeden Grashalm kennt. Jutta würde am liebsten schon einen Platz festlegen, wo wir heute Abend stehen werden, aber ich will heute lange fahren und mich nicht festlegen. Noch nicht, noch lange nicht.
Wir haben Musik im Auto, Hörbücher, Hörspiele und wir nutzen das volle Programm. Misery, geschrieben von Stephen King, gelesen vom Godfather of Hörbücher David Nathan, (deutsche Synchronstimme unter anderem von Johnny Depp) hören wir komplett durch. Auch Needful Things lassen wir uns von David Nathan vorlesen und die endlose Fahrt vergeht irgendwie ganz schnell. Natürlich hören wir nicht alles am Stück, aber immer wieder und das verkürzt die Zeit enorm, besonders wenn die Landschaft eintöniger ist.

An einer gigantischen Kaffeekanne halte ich an. Pinkel- und Kaffeepause. Ich parke so, dass es so aussieht als ergieße sich der Kaffee direkt aus der Kanne in LEMMY. Nach einigen Fotos gehe ich pinkeln. Beim anschließenden Kaffee diskutieren wir. Jutta möchte ein Ziel haben für heute Abend und ich möchte den Endpunkt offen lassen. Ich argumentiere: „Wenn wir auf dieser endlosen Strecke mal wieder mehr Kilometer fressen, wie vor Monaten an der Ostküste, als wir dem kanadischen Winter nach Florida entkommen wollten, dann haben wir später mehr Zeit für längere Stopps an attraktiveren Orten!“ Jutta kontert: „Ja, aber wenn du müde wirst und zu lange fährst, dann wird es gefährlich und außerdem müssen wir uns um die Sache mit der Umbuchung kümmern!“ „Das mit der Umbuchung stimmt,“ sage ich und zu diesem Thema komme ich später noch. „Aber das müssen wir heute und morgen auch nicht unbedingt machen und mir geht es gut. Ich kann noch ewig weiterfahren. Ich will jetzt schnell nach Ontario, nach Killarney, weißt du noch? Wir finden immer einen Platz, an dem wir über Nacht stehen können und einen Mittagsschlaf machen wir meinetwegen auch noch, wenn du willst.“

„Killarney war schon geil.“, sagt Jutta. „Denk nur mal an das Fish Fry Festival!“ Ich schaue sie an und nicke ihr zu. „Na gut.“, sagt sie, „wenn wir einen Mittagsschlaf machen und du Bescheid sagst, wenn du zu müde wirst, dann fahren wir weiter solange du kannst.“

Wir kommen an einsamen Truck Stopps vorbei und an Highway Cannabis Stores. Die Landschaft ist nicht besonders vielfältig, aber in dieser Eintönigkeit liegt auch ein Reiz. Die Sinne sind geschärft für besondere Eindrücke, wie vorüberziehende Wolkengebilde oder verfallene Scheunen am Wegesrand. Nach einigen Stunden Fahrt denke ich, ein Mittagsschlaf wäre doch ganz nett, dann können wir danach noch Einiges an Strecke abreißen. Ich fahre rechts ab vom Highway, suche eine kleine Nebenstrecke, parke und wir machen etwas Powernapping mit einer Folge von den Drei Fragezeichen, „Die Drei und der unheimliche Drache“.

Regina liegt bereits hinter uns und wir steuern auf einen neuen Bundesstaat zu, Manitoba. Noch nicht ganz in Reichweite, aber als Etappenziel haben wir es auf dem Monitor, Winnipeg. Ich fahre seit Stunden, es ist längst dunkel geworden und mein Vorrat an Energie Drinks ist aufgebraucht. „Jetzt können wir bald Feierabend machen.“, melde ich an. Es geht auf halb zehn zu. Jutta hat, wie üblich, einen Platz in der Nähe im Visier. „Da kommt gleich ein Walmart, in ca. 35 Minuten. Kannst du noch?“
„Machst du Witze?“, frage ich. „Ich kann immer!“ Dann füge ich lächelnd hinzu: „Fahren, meine ich!“

In Kemnai verlassen wir den TC Hwy und fahren auf der 1A, der kleineren Nebenstrecke bis Brandon weiter. Im Ortskern biegen wir einmal links ab und kurz darauf rollen wir auf den großen Walmart Parkplatz, auf dem schon einige andere Camper eine Ruhepause einlegen.
Ziemlich ausgepowert, aber zufrieden mit der absolvierten Strecke von knapp 700 Kilometern, kommen wir an. British Columbia, Alberta und Saskatchewan liegen hinter uns. Brandon in Manitoba haben wir erreicht. Es ist nach 22 Uhr und noch immer 25° Celsius. Der Frühling hat sich hoffentlich nun endgültig verabschiedet. Wir wollen Sommer. Heute Abend gehen die Lichter früh aus und bei einer Folge Sherlock Holmes schlafen wir schnell ein.

Zehn Stunden später duftet und blubbert schon der Kaffee. Sogar ich bin um halb neun fast ausgeschlafen. Wir können es ganz gemütlich angehen lassen heute Morgen, denn weit werden wir nicht fahren. Es geht nur ca. 80 Kilometer bis zum Kiche Manitou Campground bei den Spirit Sands. Wie üblich verlasse ich mich auf Juttas Stellplatzwahl. Was sie mir diesbezüglich erzählt, klingt sehr überzeugend. Wir trödeln und kommen erst am späten Vormittag los, aber egal, laut Navi dauert die Fahrt weniger als eine Stunde.
Vorbei geht es am Sand Hills Casino, betrieben von den First Nation People, aber wir lassen es links liegen. Kurz darauf erreichen wir den Spruce Woods Provincial Park und unseren Campingplatz. Ich parke vor der Rezeption und wir hoffen auf einen freien und schönen Stellplatz. Gemeinsam gehen wir rein. Die meisten Sites sind bereits ausgebucht, aber ein paar freie Plätze gibt es noch. Puh, Glück gehabt. Auf einer Karte wird uns gezeigt, wo diese Plätze sich befinden. Wir wollen am Fluss stehen, so dass sich die Auswahl drastisch reduziert. Vier Sites bleiben, die wir uns anschauen dürfen, um dann zu entscheiden. Wie gut das wir so frühzeitig angekommen sind (für unsere Verhältnisse), es ist kurz vor Mittag. Nichts wie rein ins Auto und los, hinter uns kommen schon die nächsten Besucher. Jutta navigiert mich mit der Map auf ihrem Schoß. Die Ranger, die uns entgegen kommen, winken freundlich und alle anderen, die Bäume beschneiden oder Rasen mähen, grüßen ebenso freundlich. Wir fühlen uns sofort willkommen und auch das Drumherum gefällt uns super. Dann kommen wir in die selbstgewählte Zone Bay 1. Wir fahren einmal den Parcours ab und ich habe mich sofort entschieden. „Was meinst du?“, frage ich Jutta. „Der dritte Platz, der ist es!“ „Yes, auch meine Wahl.“ Wir lassen unsere Stühle dort stehen, damit für alle Nachfolgenden klar ist, diese Site gehört den Godts.

Jetzt schnell zurück zur Rezeption, um unsere Wahl zu verkünden und fest zu reservieren, dann noch etwas Feuerholz aus dem Lagerschuppen mitnehmen und ab geht es zu unserem Platz für die nächste Zeit.
Ich bereite das Lager vor und spanne auch mal wieder das Tarp zwischen LEMMY und den vielen Bäumen auf. So können wir wählen: Sonne oder lieber Schatten. Die Bäume um uns herum bieten noch kein dichtes, schattenspendendes Blattwerk, es befindet sich alles im Wachstum. Die Feuerstelle wird präpariert und die kleinen Campingstühle zur Sonne hin ausgerichtet.


Das Camp steht und ich bin sehr zufrieden mit meiner Arbeit und unserer Platzwahl. Jetzt gibt’s ein kaltes Bier und wir warten auf den Sonnenuntergang, mit dem Lagerfeuer im Rücken. „Cheers!“
Irgendwann zieht Jutta sich zurück und es ist schwarze Nacht um mich herum. Die Geräusche des Dschungels erwachen, das Lagerfeuer knistert leise und spendet ein wenig Licht in der Dunkelheit. Ohne Musik lausche ich dem Konzert der Grillen, Frösche und was da sonst noch so in der Wildnis ertönt. Als das Feuer endgültig erlischt, begebe ich mich ins Bett.
Unsere Nachbarn auf der anderen Seite sind ein junges Paar mit einem kleinen Kind, vielleicht 3 oder 4 Jahre alt. Sie haben einen großen Wohnwagen und davor steht ein schwarzer Dodge Ram 3500. Lodernde Flammen kleben an seinen Flanken. Der Nachbar kommt rüber zu uns um „Hallo“ zu sagen. Er hat am Kennzeichen erkannt, dass wir aus Deutschland kommen. Wir unterhalten uns eine Weile. Seine Frau und die kleine Tochter winken uns von gegenüber zu. Er zeigt auf LEMMY und beteuert, wie geil er unseren Camper findet. Ich schaue rüber zum Ram und versichere ihm, wie geil ich seinen Pickup finde.
Dann sagt er noch, er will gar nicht lange stören, aber morgen Abend erwarten sie seine Eltern zu Besuch und wir müssen unbedingt zum BBQ kommen und etwas von unserer Reise erzählen. Sie bringen immer viel zu viel Essen mit und wir müssen einfach kommen. Wir haben keine Möglichkeit uns abzustimmen, werden ein wenig überrumpelt, finden ihn aber auch echt sympathisch, also sagen wir zu. Ich baue mir allerdings ein kleines Hintertürchen ein und sage ihm, dass wir nicht sehr lange können, denn ich arbeite an einem neuen Chapter von meinem Reiseblog. Das ist nicht mal gelogen, denn ich werde heute noch anfangen und meine Sitzung morgen fortsetzen.
Das nächste Chapter hat also hier in den Spirit Sands seine Anfänge und wird mich zurückbringen nach Texas und New Mexico, zu Außerirdischen in Roswell und einer Sichtung unbekannter Flugobjekte über Santa Fe.
Das sei alles kein Problem, Hauptsache ihr kommt rüber. Mit den Worten: „See you tomorrow!“ verabschiedet er sich.
In meinem Kopf rattert es kurz. „BBQ ist eigentlich eine super Idee, wir haben doch auch noch einiges für den Grill dabei, oder?“ „Ja, wir haben frische Champignons, Zucchini, Maiskolben, Baguette und Hühnchen am Spieß.“, sagt Jutta. „Na dann her damit, das Feuer brennt schon!“ „Auch einen kleinen Salat dazu?“, will Jutta wissen. „Meinetwegen, aber nur einen Kleinen. Kriege ich auch noch ein Bier zum Grillen?“

Nach einem soliden Abendessen mache ich mich an die Arbeit. Mit meinem Laptop ausgestattet, nehme ich Platz unter dem Tarp. Neben dem Laptop stehen ein frisches Bier und ein White Russian on the rocks. Jutta macht es sich am Feuer gemütlich. Irgendwann wird ihr kalt und sie verabschiedet sich ins Bett. Ich höre Musik über meine Bluetooth Kopfhörer, um Jutta nicht zu stören. Dann schreibe ich und schreibe und schreibe….
…..und schreibe, bis auch mir kalt wird und ich mich in die warme Kabine zurückziehe. An Feierabend ist noch nicht zu denken, es läuft zu gut. Wie spät es ist? Spielt keine Rolle. Ich habe morgen nichts anderes zu tun als Schreiben und zum Dinner sind wir sogar eingeladen. Ein weiteres Bier muss her und warum nicht noch einen White Russian? Meine Finger fliegen über die Tastatur, ich muss nicht so sehr auf die Rechtschreibung achten, wenn ich einen Lauf habe. Das ist für Jutta ok, denn wenn ich mich im Flow ständig selber kontrolliere und Fehler korrigiere, dann bremst das meinen Schreibfluss.
Ich genehmige mir einen großen Schluck Pabst Blue Ribbon und nippe etwas am White Russian, dann konzentriere ich mich wieder auf den Bildschirm. Texas liegt hinter uns und wir haben den Staat New Mexico erreicht. Dann passiert etwas Typisches. In meinem Kopf sprühen Funken zwischen den Synapsen, meine neuronalen Verknüpfungen arbeiten auf Hochtouren. Mir fällt ein Song ein, den ich vor einer Weile beim Stöbern in YouTube entdeckt habe, der mich sofort in seinen Bann zog, den ich nie zuvor gehört hatte. Es war Johnny Hobo & The Freight Trains. Der Song heißt „New Mexico Song“. Ich suche und finde ihn auf meinem Streaming Kanal und drücke auf Play. Beflügelt schreibe ich bis zum Morgengrauen, während Johnny Hobo singt….
Am späten Vormittag komme ich langsam zu mir. Zuerst ein wenig frisch machen im Bad und dann brauche ich dringend Kaffee. Jutta sitzt bereits draußen und liest. „Morgen!“, begrüße ich Jutta etwas verkatert. „Is noch Kaffe da?“, frage ich, obwohl ich weiß, dass noch zwei Becher für mich in der Kanne sind.

Den Tag verbringen wir herrlich ruhig und gechillt in unserem Camp. Einen kleinen Spaziergang machen wir, um die Gelenke geschmeidig zu halten, ansonsten wird geschrieben, gelesen und geschlafen. Die nahegelegenen Spirit Sands wollen wir uns morgen auf der Weiterreise anschauen. Wir werden daran vorbei kommen, auf dem weiten Weg nach Osten.
Beim Nachmittagskaffee beobachten wir das Treiben gegenüber. Die Eltern bzw. Großeltern sind angekommen und haben sichtlich Spaß mit der Enkeltochter. Wir winken und prosten uns mit den Kaffeebechern zu. Der Umgang mit dem Kind ist liebevoll und die Kleine scheint an Opa und Oma zu hängen. Wir sehen dem Abend optimistisch entgegen. Ein anderer, etwas beleibter Camper, dreht eine Runde auf seinem alten Damenrad und hält vor unserem Platz. Er schaut sich LEMMY an, sieht uns draußen unter dem Tarp sitzen und schon wieder ist eine nette Plauderei unter Campern im Gange. Woher kommt ihr? Wow, aus Deutschland! Was folgt als Nächstes und wohin hat es euch bisher verschlagen? Die Fragen ähneln sich, aber wir erzählen immer wieder gerne vom Verlauf unserer Reise und dem Plan, wie es weiter gehen soll. Nach etwa zehn Minuten radelt er dann zu seiner Campsite und wir nehmen wieder Platz im Schatten, schlürfen den restlichen Kaffee und knabbern Kekse.

Dann kommt der Zeitpunkt unserer Verabredung zum BBQ. Kurz vor sieben machen wir uns fertig und nehmen eine Flasche Wein als Gastgeschenk mit und ich mir dazu noch ein Bier. Der Empfang ist sehr herzlich und das Essen der Großeltern ist, wie vom Junior angekündigt, enorm reichhaltig und vielseitig. Der Gastgeber kümmert sich um den Grill und wir plaudern hauptsächlich mit Opa und Oma. Sie sind sehr interessiert an unserem Trip durch Europa, besonders aber natürlich auch daran, wie es uns in den USA gefallen hat und jetzt in Canada.
Mit unserer Nachbarin werden wir nicht so richtig warm, was allerdings auch daran liegen könnte, dass sie überwiegend mit ihrer Tochter beschäftigt ist. Sie verrät uns, wie sehr sie Hotels liebt und „all inklusive holidays“, Camping ist eigentlich so gar nicht ihr Ding, aber ihrem Mann zuliebe macht sie halt mit. Auch ihre Tochter sei noch in der „Campinggewöhnungsphase“, was das Ganze für alle ein bisschen stressig macht. Wir verbringen sehr angenehme zwei Stunden bei einem schönen amerikanischen BBQ, mit wirklich leckerem Essen (Hühnchen, Steaks, verschiedenes Gemüse, erstaunlich leckerem Brot, Kartoffeln, Nudeln…) netten Nachbarn und tollen Großeltern. Kurz nach neun Uhr verabschieden wir uns dann, weil ich tatsächlich noch einige Stunden schreiben will. Der Junior notiert sich meine Homepage und verspricht mal reinzuschauen. Ob es Sinn macht, mit dem Google Übersetzer meinen Block zu lesen, kann ich nicht beurteilen. „Wenn ihr morgen aus den Federn kommt, dann sind wir schon weg!“, kündigen sie an, denn selbstverständlich haben wir auch über liebgewonnene Gewohnheiten gesprochen. Und eine meiner liebsten Gewohnheiten ist das Ausschlafen.
Morgens nach dem ersten Aufwachen öffne ich mein Rollo und schaue mit verkniffenen Augen aus dem Bett durchs Fenster auf den Platz gegenüber. Sauber und verlassen. Sie müssen wirklich früh aufgebrochen sein, ich schließe das Rollo, trinke einen großen Schluck Wasser, drehe mich um und schlafe schnell wieder ein.
Zum Frühstück erreicht mich eine Nachricht von Omi Hans. Es ist üblich bei uns, dass wir morgens am Tisch erstmal unsere Mails und Kurznachrichten checken, während wir den zweiten Kaffee genießen. Vorher reden wir schon und schmieden Pläne für den Tag oder den Verlauf der weiteren Reise und besonders über Probleme, die wir lösen müssen.
Da gibt es tatsächlich ein Problem über das wir uns seit einer Weile Gedanken machen. Unser Rückflug wurde um zwei Tage vorverlegt. Wir haben jetzt die Option den früheren Flug am 12.07.22 zu nehmen oder einen Flug nach dem 14.07.22, was aber unsere maximale Aufenthaltsdauer von 180 Tage überschreiten würde. Eine frühere Abreise finde ich grundsätzlich schon mal Scheiße. Ich hasse es abzureisen, jedenfalls wenn es in Richtung Waterhole geht. Ich liebe es nur abzureisen, wenn es in die Fremde, in die Ferne geht. Dieses Problem werden wir unterwegs besprechen, im Auto auf der Fahrt ist reichlich Zeit für Problemanalysen. Wir werden auch andere Leute mit einbeziehen, unsere Reiseagentin Frau Docke, unseren Freund Erdal und die diplomatischen Vertretungen von Canada in München, Düsseldorf und Frankfurt. Aber nicht jetzt.
Jetzt wird erst mal die Nachricht von Hans gelesen. Ich lache laut und pruste fast den Schluck Kaffee wieder aus, den ich gerade getrunken habe. Mit einer Hand vor dem Mund (in der Anderen ist mein Handy) bekomme ich wieder Kontrolle über meinen Lachanfall. „Omi Hans hat geschrieben.“, stammele ich vor mich hin. Jutta guckt mich mit großen Augen verwundert an. Ich erkläre ihr was los ist: „Sie hatten, zwei Stunden nachdem wir uns in Rosetown getrennt haben, einen Steinschlag abbekommen. Er verflucht mich und meine verdammten Steinschlagpflaster. Noch nie zuvor hatte er einen Schaden in der Scheibe, aber zwei Stunden nachdem ich ihm die Pflaster gegeben habe, knallt eine Stein vom vorfahrenden LKW in die Windschutzscheibe.“ Auch Jutta kann sich das Lachen nicht verkneifen. Ich schreibe zurück: Na, dann hast du ja immerhin noch drei Pflaster übrig. Hättest du mir ein Tilidinfläschchen, anstelle der Sicherungen gegeben, wäre das nicht passiert!
Gut gelaunt und immer noch amüsiert, baue ich das Camp ab. Es ist etwas bewölkt heute Morgen, aber trocken und somit eigentlich ganz gutes Wetter für eine Wanderung durch die Spirit Sands. So holen wir uns wenigstens keinen Sonnenbrand. Wir checken aus und fünf Minuten später stehen wir schon auf dem Parkplatz vom „Self-Guiding Trail“ durch die heiligen Sanddünen der First Nations.

Die etwa 4 km² großen Spirit Sands sind das Einzige noch unbewachsene Gebiet des Assiniboine Deltas. Seine Sanddünen wandern durch die nordwestlichen Winde und bedecken alles, was ihnen in den Weg kommt. Sie liegen im Nationalpark Spruce Woods, der nach dem einzigartigen Reliktwald, den er schützt, benannt wurde. Er wurde 1964 gegründet und ist ein Teil eines viel größeren Gebietes, in dem bis heute Militärübungen durchgeführt werden.

Gleich zu Beginn unserer Wanderung werden wir vor Bomben und explosiven Hinterlassenschaften des Militärs gewarnt. Wir sollen nichts Verdächtiges oder Fremdartiges berühren, es könnte schwere Verletzungen oder den Tod bedeuten. Das geht ja gut los. Wir werden auf dem Weg bleiben, dann wird schon nichts passieren. Es geht auf und ab durch Wald und Dünen, die Ausblicke von den Hügeln sind sehenswert, wenig spektakulär. Aber wir wandern auf heiligem Sand der Ureinwohner und das macht uns nachdenklich.
Teilweise ist der Weg beschwerlich und um einen weiteren Hügel zu erklimmen, müssen wir eine Art Strickleiter aus Seil und Holzpflöcken benutzen. Niemand außer uns ist hier. Die Stimmung ist irgendwie besonders. Ich fühle mich wie in einem Niemandsland. Und dann sehe ich Spuren im Sand. „Ist das ein Grizzly oder ein Schwarzbär?“ Ich vermute es ist ein Schwarzer, keine Ahnung, ob es hier in Manitoba überhaupt noch Grizzlys gibt, ich glaube eher nicht.

Ich nutze noch die Gelegenheit einen weiteren Aussichtspunkt zu erklimmen, Jutta wartet bis ich zurück bin. Danach machen wir uns auf den Heimweg. Am Ende des Trails besuchen wir noch eine kleine Hütte mit diversen Informationen und Bildern zu den Ureinwohnern. Überaus zufrieden können wir uns nun auf den Weg machen `gen Osten, mal wieder mit einem ungewissem Ziel für heute Nacht.

Weil wir morgens immer so spät in die Hufe kommen und meistens die erlaubte Check Out Time vollständig ausnutzen, ist es mittlerweile schon wieder Nachmittag. Ich möchte aber trotzdem gerne heute noch vier bis fünf Stunden am Lenkrad sitzen und fahren. Jutta recherchiert sofort, was dann als Ziel in Frage kommen könnte. Ich fahre den Provincial Trunk Hwy 5 zurück auf den TC Hwy, um dann rechts abzubiegen, Richtung Winnipeg. The long way east continues.

Über die nächsten 412 Kilometer und viereinhalb Stunden bis Kenora, wo wir im Unwetter stranden werden, gibt es nicht viel zu sagen. Wir umfahren Winnipeg über die Umgehungstraße 100, diskutieren verschiedene Möglichkeiten wegen der Rückflugproblematik, kommen aber noch immer zu keinem endgültigen Ergebnis. Ich habe vor kurzem Frau Docke angeschrieben und um Rat gefragt und meinen Freund Erdal gebeten, mal bei den kanadischen Konsulaten in Deutschland nachzufragen, was für Optionen wir haben. Das Problem wird vertagt, bis wir Neuigkeiten aus der Heimat erhalten, weitere Diskussionsgrundlagen werden während der Fahrt erörtert. Jutta vertritt den Standpunkt zwei Tage früher zurückzufliegen, ich will jede erdenkliche Möglichkeit prüfen, zwei Tage später abzureisen. Es bleibt spannend.
Wir lauschen David Nathan und wie er auf seine unbeschreibliche Art und Weise Misery performt. Dunkle Wolken ziehen auf und es fängt zu regnen an. Annie Wilkes hackt Paul Sheldon gerade den linken Fuß mit einer Axt ab und brennt die Wunde mit einem Propangasbrenner aus, weil er unartig war und mit seinem Rollstuhl eine Exkursion durch ihr Haus gewagt hat, in ihrer Definition einen Fluchtversuch. Sie erklärt ihm, dass so mit den Sklaven in Afrika verfahren wurde, wenn sie in den Diamantminen beim Stehlen erwischt wurden. So konnten sie weiterarbeiten, aber nicht mehr fliehen. „Hobbeln“ nennt man diese Operation.
„Wollen wir nicht bald mal halten?“, fragt Jutta. „Das Wetter wird immer schlechter!“ „Ja, meinetwegen, hab auch keinen Bock mehr!“, sage ich. „In Kenora gibt es eine Möglichkeit direkt an der Straße, nur noch eine Dreiviertelstunde von hier!“ „Ok, klingt gut, bin dabei. Macht keinen Spaß mehr zu fahren bei dem Wetter.“
In Kenora fahre ich auf einen Parkplatz am Highway und finde mit Mühe eine Lücke zwischen zwei LKWs. Ich parke und wir legen uns hundemüde ins Bett, nachdem wir nur kurz die Zähne geputzt haben. Es brummt vor und hinter uns. Blitze erhellen den Himmel und der Wind zerrt am Auto. Hin und wieder Donnerknall. Ich zähle die Sekunden bis zum nächsten Donner. Eine halbe Stunde später fragt Jutta: „Kannst du schlafen?“ Ich sage: „Nee, die Arschgeigen schalten ihre verdammten Motoren nicht ab.“ Gemeint sind die LKW Fahrer. „Soll ich umparken?“ Jutta sagt: “Ja bitte, wenn es dir nichts ausmacht.“
Ich ziehe mir notdürftig was über und steige aus der Kabine ins Auto, um einen ruhigeren Stellplatz zu finden. In einer vorderen Reihe, etwas näher am Highway, aber weiter entfernt von den LKWs, finde ich einen besseren Platz. Jutta macht sich Sorgen, weil wir in der Kabine keinen faradayschen Käfig um uns haben, wie es im Auto der Fall wäre. Ich versuche sie zu beruhigen: „Wir sind hier umringt von Bäumen und wenn der Blitz einschlagen sollte, dann trifft er nicht uns, sondern einen höheren Baum neben uns. Dann sterben wir nicht durch Blitzschlag, sondern höchstens durch einen Baum, der auf uns fällt!“, füge ich scherzhaft an. Ich denke, jetzt ist Jutta sicher beruhigt.
Schnell wieder ins Bett und zurück nach Sidewinder, Colorado, zu Annie Wilkes und Paul Sheldon ……in meinen Träumen. Paul schmiedet einen Plan, wie er Annie überlisten kann aus diesem Albtraum zu entkommen. Er sammelt Novril Tabletten, immer wenn er eine entbehren kann, dann versteckt er sie in seiner Matratze. Er hat Miserys Rückkehr fast fertiggestellt und Annie kann es kaum erwarten das Finale zu lesen. Sie haben ein Date zum Dinner, wenn Paul sein Werk in wenigen Tagen vollbracht hat. Paul plant Annie mit seinen Tabletten in ihrem Wein zu betäuben und dann zu töten. Annie erwartet ein grandioses Dinner mit ihrem Lieblingsautor und die Wiederkehr Miserys in Pauls Roman. Sein Plan geht ganz gut auf, er kann seine Drogen in ihrem Weinglas unterbringen, aber Annie ist ungeschickt und verschüttet ihren Drink…
Real sind wir angekommen in Ontario. Zwei weitere Bundesstaaten liegen hinter uns. Saskatchewan und Manitoba. Der nächste Tag beginnt früh, sehr früh. Wir waren aber auch zeitig im Bett letzte Nacht. Heute steht ein echter Marathon an. Ich will mindestens bis Thunder Bay kommen, was eine Strecke von 489 Kilometer bedeutet und eine Nettofahrzeit von fünfeinhalb Stunden. Wenn möglich, will ich auch noch weiter fahren. Der Trans Canada Highway fordert uns, fordert LEMMY, verschleißt Material, aber er ist nicht so endlos wie befürchtet. Wir kommen voran, weiter und weiter. Wir besprechen, diskutieren und streiten. Wie regeln wir das mit der Flugänderung? Ich bringe meine Argumente, Jutta die Ihren. Ich schlage vor in Sault Ste. Marie direkt an der USA/Canada Grenze zu fragen, was wir für Optionen haben und dabei belassen wir es fürs Erste. Mal abwarten, was wir von Erdal und Frau Docke erfahren. Vielleicht bringt uns das weiter.
David Nathan versüßt uns die Fahrt. Er erweckt die Geschichte zum Leben, Bilder entstehen in unseren Köpfen, vor unseren Augen. Wir hören ihm nicht nur zu, wir sehen alles klar und deutlich vor uns, in Farbe und das geschriebene Wort erwacht und lebt.
Paul Sheldon ist mächtig auf Entzug von seinen liebgewonnenen Novril Tabletten, er muss immer mal eine Dosis auslassen, um sie für seinen perfiden Plan zu nutzen. Die Geschichte nähert sich unaufhaltsam seinem Ende und die verrückte Annie schneidet Paul den linken Daumen mit einem Elektromesser ab, weil er ihr nicht das Ende von Miserys Rückkehr erzählt. Mehr verrate ich nicht von diesem großartigen Buch. Lest es oder lasst es euch vorlesen, es lohnt sich.
Wir reißen Kilometer ab, einen nach dem anderen. Stunden später erscheint der Lake Superior in unserem Blickfeld. Er ist der größte der fünf großen Lakes, des größten Süßwassersystems der Erde. Von Anfang an bin ich fasziniert von dem Anblick und dem Ausmaß des Sees. Ich weiß aus TV Reportagen, dass der See sich für Schiffe wie ein Weltmeer verhalten kann. Er verschlingt ganze Schiffe, als wären es Spielzeuge. In Thunderbay angekommen, will ich noch weiter fahren. Es bleibt noch hell für ein paar Stunden und wir sind früh aufgebrochen heute. Jutta ist auf meiner Seite und bereit mit mir weiter zu fahren. An einer Haltebucht stoppe ich kurz, um die Dimensionen des Sees zu ergründen, aber es gelingt nicht. Er ist zu riesig, zu gigantisch, um das Ausmaß auch nur zu erahnen.
„Lass uns weiter fahren, ich hab noch Bock und will nach Killarney!“; sage ich zu Jutta. „Ok!“, sagt sie „Dann los!“
Ich fahre und wir erreichen nach 811 Kilometern und weit mehr als zehn Stunden unser Ziel, den Pukaskwa Hattie Cove Campground. Wir sind am Lake Superior angekommen und nachdem wir die Mücken als nicht abwendbares Übel akzeptiert haben, freuen wir uns über den Stellplatz. Wir sind nach endlosen Stunden auf der Straße am Ziel und ich sehne mich nach nichts mehr, als nach einem kalten Bier, an diesem langen Tag.

Es ist der 30.05.2022, wir sind in Ontario am Lake Superior, im Pukaskwa National Park. Ich habe ein kaltes Bier zwischen den Knien und wir genießen den Sonnenuntergang über den See. Es ist mehr als nur ein See, es ist ein vollständiges Ökosystem.

Auf unseren kleinen Campingstühlen sitzen wir nun hier an der Horseshoe Bay. Das Wasser des Lakes eiskalt, ebenso wie unsere Biere. Wir machen Pläne. Nach Toronto wollen wir und zu den Niagara Falls, vorher aber steht Killarney an, am Huron Lake. Dort waren wir 2006 bereits einmal. „Weißt du noch, die Betrunkene beim Fish Fry Festival der Ortsfeuerwehr?“, sage ich. Jutta grinst: „I´m so off!“, erwidert sie. „Die wollte doch unbedingt mit dir Tanzen, erinnerst du dich?“ Nö, wirklich? Muss ich verdrängt haben!“
Wir machen uns ein weiteres Bier auf und genießen die letzten Sonnenstrahlen. Helios verabschiedet sich am Ende des Strandes hinter den Bäumen von diesem Tag und ich verabschiede mich von diesem Chapter. Cheers!

….und was als nächstes geschieht….
CHAPTER IV – Vom besten Schreibtisch der Welt an der Georgian Bay, hinter die Fälle und hinauf in schwindelerregende Höhen…
…und wie ich unbeabsichtigt eine ganze Kneipe zum Lachen bringe…