Chapter 23 – San Francisco, viel mehr als Golden Gate Bridge und Hippie Kult

…und wie wir uns in die Straßen von San Francisco verlieben…

Unser Ziel ist San Francisco, allerdings fahren wir nicht den direkten Weg. Wir wollen uns Zeit lassen und noch Einiges unterwegs mitnehmen. Unter Anderem wollen wir in das wunderschöne kalifornische Weinanbaugebiet um Santa Barbara fahren und die Gegend erkunden, wo „SIDEWAYS“ gedreht wurde. Das ist ein Film, den wir beide gleichermaßen lieben, aber dazu später mehr.

Zuerst wollen wir zu den Miracle Hot Springs an den Kern River fahren. Das sind etwas über 280 Meilen und ca. fünf Autostunden ohne Pausen. Aber dafür geht es noch eine ganze Weile durch die Wüste und dann später über die California State Route 178. Dies ist eine traumhafte Strecke durch die Berge, vorbei am Isabella Lake und immer mal wieder am Kern River entlang. Inmitten hoher Schluchten links und rechts, entschädigt uns das mit tollen Ausblicken für den langen Fahrtag.

Nach einigen Stunden Fahrt wird es deutlich kühler und uns wird klar, die Wüste liegt mittlerweile weit hinter uns. Vor uns liegt der Kern River und Jutta weiß einen Stellplatz der nichts kostet, der schön gelegen ist und wo es Hot Springs gibt, die noch nicht finanziell von irgendeinem Investor ausgebeutet werden.

Miracle Hot Springs

Am späten Nachmittag müssen wir noch eine kurvige Bergstraße rauf fahren und dann sind wir da. Es gibt einen Campingplatz, der jedoch Ende März noch nicht geöffnet ist. Kurz dahinter sehen wir einige andere Camper, die am Uferhang des Flusses verteilt stehen. Direkt vor uns steht ein großer gelber Schulbus, der zum Reisemobil umgebaut wurde. Ich finde hinter ihm ist noch genug Platz, so dass ich LEMMY direkt dahinter abstelle. Dann sehe ich einen Kopf im gelben Bus von unten auftauchen. Unsere Ankunft ist nicht unbemerkt geblieben und vermutlich habe ich da gerade jemanden aus seinen Träumen gerissen. Ich denke mir nichts weiter dabei, rangiere zu Ende, so dass ich einigermaßen in Waage stehe. Für eine Nacht ist das gut so, befinden Jutta und ich. Diverse Schilder weisen darauf hin, das Overnight Parking verboten ist. Wir nehmen allerdings an, dass es geduldet wird, solange der benachbarte Campingplatz geschlossen ist.

Es ist noch nicht zu spät für Kaffee und etwas Gebäck haben wir auch noch im Gepäck. Jutta freut sich über die Temperatur von knapp 20° Celsius. Für mich könnte es gerne wärmer sein, aber da die Sonne scheint, bin ich zufrieden. Ein großer Motor springt an und ich sehe wie der gelbe Bus sich in Bewegung setzt. Ich nehme an, eine imaginäre Grenze übertreten zu haben und in die Privatsphäre eines Anderen eingedrungen zu sein. Das war nicht meine Absicht. Ich fühle mich ein wenig unwohl dabei, jemandem zu dicht auf die Pelle gerückt zu sein, aber ich dachte, hier ist mehr als genug Space für beide Fahrzeuge. So sind die Befindlichkeiten halt bei Jedem anders und mein Unwohlsein hält sich in Grenzen und ist mit dem frischen Kaffee schnell vergessen. Wir genießen den Ausblick über den Fluss und durch die wilde Berglandschaft von unserem Stellplatz aus und freuen uns, so einen tollen Übernachtungsplatz gefunden zu haben, an dem wir frei stehen können.

Ganz in der Nähe gibt es einen anderen Campingplatz, der auch jetzt schon geöffnet ist. Jutta ist nicht wirklich glücklich damit, hier entgegen der Verbotsschilder über Nacht zu stehen, obwohl wir bei weitem nicht die Einzigen sind. So verabreden wir, morgen nach dem Frühstück und einem Bad in den Miracle Hot Springs weiter zu fahren.

Morgenkaffee am Kern River

Die Nacht verläuft ruhig und unbehelligt von irgendwelchen Rangern starten wir in den Tag. Den Morgenkaffee und unser Müsli genießen wir am Fluss und kurz darauf spazieren wir nur wenige 100 Meter zu den Hot Springs. Eine Badehose habe ich mir bereits angezogen, noch eine Flasche Wasser und ein Handtuch über der Schulter, mehr brauche ich nicht.

Nach wenigen Gehminuten sehen wir bereits die kleinen Pools. Die meisten sind bereits besetzt, zum Teil von zwei bis drei Leuten, die wohl zusammen gehören. Aber in einem ist noch niemand. Den beabsichtige ich für mich zu beanspruchen. Jutta will nicht in das heiße Wasser, weil sie Kreislaufprobleme befürchtet. Ich schlüpfe nur schnell aus den Latschen, T-Shirt und Hose aus und nichts wie rein in das heiße Vergnügen.

Ungefähr 38° Badetemperatur

Die anderen Badegäste sprechen alle spanisch und scheinen in einer größeren Gruppe oder Familie hier zu sein. Sie begrüßen uns sehr freundlich und während Jutta es sich auf einem Felsvorsprung bequem macht, steige ich in diesen Jungbrunnen. Es fühlt sich großartig an und ich beginne sofort zu schwitzen und der Schweiß rinnt mir von der Stirn. Schwitzen ist doch was Gutes, denke ich, aber nach einigen Minuten ist mir nach einer Abkühlung. Warum also nicht mal eben in den Fluss wechseln? Ich muss nur kurz über den Rand meines Pools steigen. Dann vorsichtig, ohne abzurutschen, auf der anderen Seite einen Meter weiter runter klettern, um in das erfrischende Nass des Kern River zu gelangen.

Abwechselnd heiß und kalt, mal Wanne mal Fluss

„Wow, fühlt sich das gut an!“, sage ich zu Jutta. Eben noch so um die 38° warmes Wasser, jetzt eine sehr frische, aber angenehme Abkühlung. Diesen Vorgang wiederhole ich drei oder viermal, bis mir dann tatsächlich richtig schwindelig wird. „Jetzt ist es aber Zeit, dass Du da raus kommst.“, meint Jutta und ich gehorche.

Langsam und vorsichtig steige ich aus dem heißen Wasser, trockne mich ab und mache eine kurze Pause bis mir nicht mehr schwindelig ist. Dann machen wir uns auf den Weg zum Auto. Eine andere Gruppe kommt uns entgegen, sie sprechen ebenfalls spanisch. Die Miracle Hot Springs scheinen beliebt zu sein bei den Hispanics. Es werden freundliche Grüße ausgetauscht und ein paar Worte gewechselt, dann geht jeder seines Weges.

Jutta ist der Meinung ich sollte mich besser eine halbe Stunde hinlegen nach dem Wechselbad und ich finde, dass ist eine super Idee. So wurde es auch schon auf meinen orthopädischen Rehas gemacht, von denen ich Einige hinter mir habe, wegen mehrerer Bandscheibenvorfälle und eines üblen Motorradunfalls. Nach der heißen Packung oder dem Entspannungsbad war da auch immer eine Ruhepause im Anschluss verordnet.

Nach der kleinen Pause und dem anregenden Morgenprogramm geht es dann los. Wir fahren nicht mal eine Stunde und erreichen den Kern River Campingplatz. Er ist sehr weitläufig und mit viel grüner Wiese an beiden Seiten des Flusses. Das Einchecken erledigt Jutta online, da die Rezeption noch unbesetzt ist. Mehr gibt es hier nicht zu sagen. Wir machen ein kleines Barbecue am Abend, relaxen und freuen uns auf den Pismo Beach und den Pazifik.

Am nächsten Morgen werden wir an der Dump Station beim Ablassen des Grauwassers von einem anderen Camper angesprochen. Er ist sehr an unserem Fahrzeug interessiert und wie üblich erzählen wir bereitwillig alles, was er wissen will. Er kommt aus Montana und betreibt dort eine große Pferderanch. Als wir auf unsere Route zu sprechen kommen, gibt er uns den Tipp, unbedingt über Brookings zu fahren, dort sei es traumhaft. Brookings liegt direkt an der Westküste hinter der Landesgrenze von Kalifornien nach Oregon. Wir bedanken uns herzlich für diesen Insidertipp und machen uns auf den ca. dreieinhalbstündigen Weg an den Pismo Beach. Dort dürfen wir direkt auf den Strand fahren, um zu campen. Das wollte ich immer schon mal machen. In Florida am Daytona Beach haben wir es versäumt, hier können wir es endlich nachholen.

Pismo Beach, Oceana

Vier Stunden später kommen wir an. Bakersfield und San Luise Obispo liegt hinter uns. Es ist fast egal, wo in Kalifornien man unterwegs ist. Überall gibt es etwas zu sehen und die Strecken, die wir fahren sind nie eintönig oder langweilig. Im Gegenteil, die Abwechslung ist überwältigend und aus gutem Grund ist Kalifornien mein Lieblings-US-Bundesstaat. Wir fahren durch Wüsten, über hohe Bergpässe, durch Canyons, vorbei an reißenden Flüssen oder großartigen Seen. Dann sehen wir wieder endlose Flächen Weideland und auch die ersten Weinanbaugebiete in einer grünen Hügellandschaft werden durchquert.

Und dann ist er wieder da, der pazifische Ozean. Mein Lieblingsweltmeer taucht auf hinter einer Bergkuppe. Kurz darauf stehen wir an einem kleinen Kassenhäuschen, wo wir die Parkgebühr für den Strand bezahlen und damit die Erlaubnis erwerben, hier zu übernachten.

Stellplatz am Strand

Jutta hat etwas Bedenken, weil der Strand für ATVs freigegeben ist und eine richtige kleine Rennstrecke hat. Sie fürchtet es könnte den ganzen Tag sehr laut sein und dass die Kids unkontrolliert zwischen den Campern umherbrettern. Nun, wir werden es jetzt heraus finden.

Zunächst macht alles einen sehr gesitteten Eindruck und wir fahren erstmal etwa 2 Kilometer über den Strand, bis der Abschnitt beginnt, auf dem die Caravans, die Camper und auch Renncrews stehen. Ich will mir einen Eindruck verschaffen und fahre einmal den gesamten Strandabschnitt ab, soweit es eben erlaubt ist. Dabei schauen wir schon, wo wir auf dem Rückweg stehen wollen. Ich sehe eine große Lücke und schlage vor, dort gleich das Lager aufzuschlagen. Jutta ist einverstanden.

Soviel ist hier gar nicht los. Einige Kinder, ich würde sagen alle Altersstufen von 6 – 16 Jahren sind vertreten, fahren mit kleinen Motorrädern, mit Quads oder selbstgebauten Strandbuggys. Die Rennstrecke sind im Grunde zwei Geraden, eine nah an der Wasserkante, dann kommt eine Kurve und zurück geht es bis vor den Dünen. Die sind (Gott sei Dank) aus Naturschutzgründen abgesperrt. An den Dünen geht es dann in die entgegengesetzte Richtung, bis zur zweiten Kurve, die wieder an den Ozean führt.

Genau dazwischen sind die Rennteams und auch wir, die Camper. So laut ist es überhaupt nicht, das Rauschen des Meeres ist viel dominanter als die schwachen Motoren der kleinen Rennkisten. Ich wende, schwer begeister hier fahren zu können, und fahre zurück zu der ausgewählten Stelle, an der wir für zwei Tage bleiben wollen. Auf dem Rückweg nutze ich die ganze Breite des Strandes und fahre über den festen Sand nah am Pazifik und dann wieder hoch zum weichen Sand vor den Dünen. Auf Sand fahren macht mir richtig viel Spaß und ich könnte gut noch zwei Stunden so weiter machen, aber Jutta möchte gerne ankommen.

Im Hintergrund, festgefahrener Caravan

Wir finden die große Lücke und platzieren LEMMY quer zum Meer, so dass wir eine klasse Aussicht haben. Hinter uns steht ein Caravan ziemlich schräg im Sand. Der hat sich wohl festgefahren und es ist niemand in Sicht, der Anstalten macht, den Wohnwagen dort wieder raus zuziehen. Ich denke, vielleicht sind sie unterwegs, um ein größeres Auto zu holen. Aber eigentlich gibt es doch hier genug Leute, die helfen könnten und würden, da bin ich mir sicher. Ich selber würde nicht zögern, sollte man mich um Hilfe bitten. Na egal, wir breiten uns aus und machen einen ausgiebigen Strandspaziergang, bevor die Sonne hinter dem Meer verschwindet.

Teil der Rennstrecke

Am Abend planen wir, vor einer Landkarte sitzend, grob die nächsten Tage. Jutta hat bei „iOverlander“ einen freien Stellplatz gefunden, der als Ausgangspunkt dienen soll für den nächsten Tag, an dem wir Santa Barbara erreichen wollen. Der Arroyo Hondo Vista Point liegt direkt an der legendären Route 1, die später in die 101 mündet. Das ist die Straße, die an der ganze US Westküste entlang führt und oft in weiten Teilen dicht am Ozean verläuft. Häufig geht es dabei auch rauf und runter durch die Berge, vorbei an steilen Klippen und rauen Felsen, die aus dem Meer ragen.

Spaziergang am Pismo Beach

Dabei werden uns immer wieder unglaubliche Ausblicke über das tobende Meer geboten, das wissen wir noch von unserer letzten California Tour.

Wir werden also bis zu diesem Vista Point fahren, dort die Nacht über stehen und am nächsten Tag einen Ausflug durch die südkalifornischen Weingebiete machen, durch das Santa Barbara Wine County. Den Abend und die Nacht verbringen wir dann in Santa Barbara.

Arroyo Hondo Vista Point

Der oscarprämierte Roadmovie „Sideways“ wurde zu großen Teilen in dieser Region gedreht und wir wollen uns einige der Drehorte ansehen und in die wundervolle Landschaft eintauchen. Dazu wird es sicher auch einen guten Wein geben und eine Lunchpause an einem der Weingüter. Der Rundkurs wird uns durch Santa Inez führen, durch Los Olivos, Buellton und Solvang. Letztgenannter Ort wurde 1911 von dänischen Einwanderern erbaut.

Im Film geht es übrigens um zwei Freunde, Miles und Jack. Miles ist Englischlehrer und ein erfolgloser Schriftsteller, der nicht mit der Trennung von seiner Frau klar kommt. Jack ist ein angehender Bräutigam, der noch mal so richtig die Sau raus lassen will, bevor er sich ewig bindet. Sie wollen gemeinsam eine Weintour machen und dabei den Junggesellenabschied feiern. Im Film wird eine Menge Wein getrunken und auch das eine und andere Abenteuer gibt es unterwegs zu bestehen. Miles ist der kultivierte Weinkenner, der versucht Jack in die Kunst des Wine Tasting einzuführen. Doch Jack ist eher daran interessiert betrunken zu werden und Spaß zu haben.

Der Film ist unglaublich gut und alle Jahre wieder schauen wir ihn uns an. Dazu gibt es selbstverständlich eine Flasche guten Wein, Käse und Cracker. Besonders herausragend wird der Film durch die Spielkunst von Paul Giamatti, der Miles als tragisch-komischen Verlierer verkörpert und Thomas Haden Church, als dessen Freund Jack, der unbefangen und das Lebenfeiernd agiert. Ich meine mal gelesen zu haben, dass der Verkauf von Pinot Noir nach dem Filmstart 2004 enorm gestiegen ist.

Soweit, so gut. Die Route für morgen und übermorgen steht. In Santa Barbara hat Jutta auch bereits einen Parkplatz gefunden, der sehr zentral gelegen und trotzdem kostenlos ist.

Der Zeit am Strand vergeht wie im Flug. Wir machen lange Spaziergänge, lesen und leben in den Tag hinein. Davon, dass hier eine Rennbahn um uns herum führt, ist kaum etwas zu spüren. Es sind nur wenige Kids unterwegs mit ihren motorisierten Mopeds und kleinen Quads oder Buggys. Und wenn sie an uns vorbei fahren, dann mit viel Abstand und meistens sehr vereinzelt. Im Sommer und an den Wochenenden wird vermutlich mehr los sein. Aber jetzt am Ende des dritten Monats ist es ruhig hier. Hin und wieder sehen wir Vater und Sohn, wie sie an den Rennmaschinen schrauben.

Einen großen Truck mit allerhand technischem Equipment, mit Fahnen und mit einer Imbissbude gibt es auch zwischen den ganzen Trailern, falls einem das Öl ausgeht oder der kleine Hunger kommt.

Einmal außen herum ist als Rennstrecke gekennzeichnet

Auschecken muss man erst bis 18:00. Das finden wir voll super, so können wir lange schlafen und ganz gemütlich in den Tag der Weiterreise starten. Bevor es allerdings weiter geht zum Arroyo Hondo Vista Point, lasse ich es mir nicht nehmen, noch einmal die gesamte Strecke über den Beach zu fahren, erst nach Süden soweit es erlaubt ist und dann zurück zum Exit Point. Dabei nutze ich wieder die ganze Breite, um den Untergrund zu fühlen, den harten und den weichen Sand, den trockenen und den feuchten Boden. Ich hoffe wir werden wieder einmal die Gelegenheit haben am Strand zu fahren und im Idealfall auch dort zu übernachten. Ich gucke in den Rückspiegel und denke mir beim Abbiegen auf die asphaltierte Straße: „Oceano und Pismo Beach, 10 von 10 Punkten. Check!“

Am frühen Nachmittag sind wir dann nach relativ kurzer Fahrt auch schon am Ziel. Die Strecke führt uns dabei schon mitten durch das Santa Barbara Wine County und die Ausblicke, die wir jetzt schon haben, machen Lust auf mehr. Das letzte Stück verläuft dicht am Pazifik, wo wir jetzt auch schon einen Platz für die Nacht gefunden haben. Andere Camper sind bereits hier und auch wieder einige Menschen, die in ihren Autos leben, stehen hier auf dem Parkplatz. Ein großer langgezogener Erdwall trennt die Parkbucht von der Route No. 1, so dass man gut und geschützt stehen kann. Mit Rückendeckung zur Straße auf der einen Seite und mit dem Pazifik auf der anderen Seite. Vor mir steht ein kleiner Kombi und im Inneren hockt ein junger Kerl. Das kann doch wohl nicht sein, dass so ein junger Mensch schon im Auto leben muss, oder?

Ich stelle unsere Stühle raus, damit wir noch den Sonnenuntergang bewundern können und er klettert aus dem Auto und kocht sich einen Kaffee auf seinem kleinen Gaskocher. Kurzer Blickkontakt, Begrüßung und schon sind wir mitten im Gespräch. Er kommt aus Washington und schwärmt mir vom Mount Rainier National Park vor. Es stellt sich heraus, dass er selber auf Reisen ist, aber dass sein Budget nicht allzu viel hergibt. So übernachtet er im Auto und stellt sich auf Parkplätze, die nichts kosten. Er erklärt, dass es ihm nichts ausmacht so zu reisen, ist doch besser als gar nicht rumzukommen. Viel Komfort brauche er nicht, erzählt er mir. Je weniger Geld er unterwegs ausgibt, desto länger könne er reisen. Was er ansonsten für weitere Zukunftspläne hat, dazu kommen wir nicht mehr, denn er will auch etwas über uns und unsere Reise wissen.

Ich berichte ihm kurz und knapp von den letzten Monaten und von der geplanten Route hoch nach Kanada und zurück an die Ostküste über den Trans Canada Highway. Er ist schwer begeistert, besonders von LEMMY. So etwas gibt es in Amerika selten zu sehen. Ich sage ihm noch wie gerne ich den Mt. Rainier sehen würde, aber auch das ich befürchte, dass der April noch nicht der richtige Monat sei, um den National Park um diesen Berg zu erkunden. Er bestätigt meine Bedenken und ergänzt, dass die Sommermonate sicherlich die bessere Reisezeit dafür ist. Dann trinkt er noch seinen frisch gebrühten Kaffee, packt seine Sachen und verabschiedet sich. Er steigt in seinen kleinen Kombi und fährt weiter, runter in den Süden. Ich bewundere seinen Tatendrang und seinen Mut, alleine aufzubrechen, mit wenig Geld in der Tasche und das Abenteuer zu suchen. Glücklich über diese kleine erfreuliche Begegnung am Straßenrand mache ich fertig, was ich vor dem Gespräch angefangen habe: die Stühle aufstellen. Dann frage ich Jutta, ob sie uns nicht auch noch einen Kaffee kochen mag.

Arroyo Hondo Vista Point

Als es bereits dunkel ist, die Sonne sich rot glühend hinterm Horizont verabschiedet hat, da klopft es bei mir an der Fensterscheibe. Jutta und ich sitzen gerade am Tisch in der Kabine und wir unterhalten uns über das Abendprogramm morgen in Santa Barbara. Ich würde gerne mal wieder Billard spielen und hätte große Lust in eine Open Mic Bar zu gehen. Das haben wir schon einmal gemacht und dabei eine fantastische Zeit gehabt. Ich erinnere Jutta daran, dass nicht viel gefehlt hat und sie selber auf der Bühne einen Song performt hätte. Zwei weitere Biere oder ein starker Cocktail hätte vermutlich gereicht, aber dazu kam es leider nicht mehr. Wer weiß, vielleicht war es auch ganz gut so.

Ich wende mich irritiert zum Fenster und öffne es weit, damit ich sehe wer dort angeklopft hat. Leider ist die Sonne schon komplett untergegangen und der Mond ist nicht besonders hell. „Hallo!“, vernehme ich eine Stimme aus der Dunkelheit. „Ich habe euer Kennzeichen gesehen und wollte nur mal Hallo sagen.“ Einen Augenblick“, sage ich, „ich mache nur kurz die Außenbeleuchtung an.“

Dann setze ich mich wieder auf meinen Platz am Fenster und Jutta kommt zu mir rüber, damit wir beide sehen, wer da so spät bei uns anklopft. Es ist Jan aus Deutschland, der mit einem 29 Fuß langen Leihcamper unterwegs ist. Er hat seine Frau und seinen kleinen Sohn dabei. Und auch seine Mutter, die gerade zu Besuch ist und die kleine Familie einen Teil der Reise begleitet. Sie sind insgesamt drei Monateunterwegs und kommen aktuell aus San Francisco. Sie sind auf dem Weg nach Los Angeles, weil die Reise dort zu Ende geht. Jan erzählt sehr viel von dem, was er so alles erlebt hat auf dieser Reise, wie riesig und luxuriös sein Campmobil ist und von seiner jungen Familie. Er will uns ein paar Stellplatztipps für San Francisco mitgeben, aber Jutta weiß bereits über alles Bescheid. Wir haben eine sehr nette Unterhaltung und nach einer guten Dreiviertelstunde will er mal wieder rüber zu seiner Familie. Wir verabreden, morgen noch bei ihm vorbeizuschauen bevor wir weiter fahren, denn auch sie kommen selten vor elf Uhr morgens vom Hof.

Um halb zehn wache ich auf, Jutta ist längst wach, liegt aber auch noch im Bett und liest. „Guten Morgen“, sage ich, „gibt es bald Kaffee?“

„Ja gleich!“, sagt sie, „ich habe schon eine Idee, wo wir nach Santa Barbara Station machen können. An der Morro Bay, das ist ein guter Platz für ein oder zwei Übernachtungen. Außerdem ist es von dort nicht mehr weit bis San Francisco.“

„OK.“, sage ich, „aber ich will auch noch in Santa Cruz vorbeischauen, wenigstens kurz über den Rummelplatz. Du weißt schon, da musste ich in der Türkei so dran denken, als wir in Dogobayazit waren.“

Nach einem köstlichem Frühstück mit leckerem Orangensaft, gekochten Eiern und zwei Bechern Kaffee machen wir uns abwechselnd im Bad fertig, um dann rüber zu gehen zu Jan und seiner Familie in ihrem Leihcamper.

Diese Mal sind wir es die klopfen und wie es scheint werden wir schon erwartet.

Wir lernen Jans Frau und Sohn kennen und kurz danach erscheint seine Mutter und wieder verquatschen wir uns für über eine halbe Stunde. Jan präsentiert uns noch stolz seinen Fernseher, der auf Knopfdruck aus einer Konsole hoch fährt und sogleich wieder in der Versenkung verschwindet. Slideouts sind auch in dieser Fahrzeugklasse mittlerweile die Regel und lederne Sofas gehören zur Standardausstattung. Mit diesem Mobil kann man problemlos mit vier Personen reisen, ohne jeglichen Komfort zu vermissen. Nur in Städten wird es unbequemer, wegen der Größe des Fahrzeugs und in der Natur, wenn man die ausgetretenen Pfade und den Asphalt verlässt. Aber für ein paar Wochen mit mehreren Personen ist so ein Mobil perfekt und super komfortabel. Wir wollen langsam los und verabschieden uns. Jetzt geht es wieder auf die Straße und durch das wundervolle Santa Barbara Wine County.

Wir fahren die 101 zurück bis nach Buellton und beginnen mit unserer Besichtigungstour. Der erste Stop ist beim Days Inn Windmill Hotel, was jetzt nach dem Film benannt ist, Sideways Inn. Hier haben Miles und Jack genächtigt. Das Hotel besteht aus mehreren Gebäuden. Alles ist in stylischem schwarz/weiß gehalten, auch die schöne Windmühle, die als perfekter Eingang in die Lobby führt.

The Sideways Inn

Rein gehen wir allerdings nicht, es ist ein sehr hochpreisiges Hotel und ich mache nur von außen ein paar diskrete Fotos.

Ehemals „The Days Inn Windmill Hotel“

Der nächste kurze Halt ist am Steakhouse The Hitching Post II. Dort haben Miles und Jack gegessen und Miles verknallt sich in Maya (Virginia Madsen), die sie dort das erste Mal treffen.

Weiter geht es nach Solvang, wo viele Häuser uns an Dänemark erinnern. Ich sagte es bereits, 1911 wurde dieser Ort von dänischen Einwanderern gegründet. Dementsprechend gibt es hier einen Mix aus dänischer und amerikanischer Küche und Miles and Jack frühstücken hier im Solvang Restaurant.

Wir halten nicht an allen Filmsets und ich will auch nicht mit zu vielen Filmdetails langweilen, nur noch kurz soviel: An der Kalyra Winery in Santa Maria treffen die Beiden auf Stephanie (Sandra Oh) und Jack hat nur eines mit ihr im Sinn, sie ins Bett zu kriegen. Ab hier wird der Film richtig turbulent und wohlmöglich ist die erste Weinflasche beim Schauen bereits zur Hälfte geleert. Wer Wein mag und Filme liebt, der kommt an Sideways nicht vorbei.

Unsere Reise geht weiter durch Santa Inez nach Los Olivos. Dort wollen wir unsere Lunchpause machen.

Hier ist mächtig was los, das sehen wir schon beim Einfahren in den Ort. Kein Wunder, das Wetter ist prächtig, die Sonne scheint und es ist Wochenende. Auf einer Wiese neben einem Restaurant ist ein großer Parkplatz. Dort stellen wir LEMMY ab und dann gehen wir zu Fuß weiter. Wir suchen das Los Olivos Café & Wine Merchant. Dieses Restaurant wurde bereits vom Wine Spectator mit dem „Award of Excellence“ für das „Best Restaurant for Wine“ ausgezeichnet.

Lunchpause in Los Olivos

Im Film treffen sich hier Miles, Jack, Maya und Stephanie zum Abendessen und Miles betrinkt sich ordentlich und macht keinen Hehl daraus, was er von Merlot hält.

Wir finden das Restaurant und werden gebeten in ca. einer Stunde wiederzukommen, weil alle Tische belegt sind. Unser Name wird notiert und damit haben wir eine Reservierung und etwas Zeit gewonnen, um durch den Ort zu schlendern.

Am Straßenrand steht ein Relikt aus uralten Zeiten, ein rostiger Pickup, der so langsam vor sich hin gammelt. Auf der Ladefläche hatte er in seinen guten Tagen Bierfässer geladen und drei Zapfhähne zeugen noch heute davon, dass er damals das flüssige Gold direkt an der Straße unter die Menschen brachte.

Relikt aus alten Zeiten

Wir bummeln noch etwas weiter und gucken in die kleinen Shops und Boutiquen, finden aber nichts von Interesse. In den Restaurants, Weinstuben und auf den Terrassen sind alle Plätze ausnahmslos belegt. Teilweise stehen die Leute in Schlangen davor, um auf einen Tisch zu warten. Wir haben unseren Tisch sicher und machen uns langsam auf den Weg zurück ins Los Olivos Café & Wine Merchant.

Uralte Bierkutsche

An der Tür sagen wir nur unseren Namen, kurzer Blick auf die Liste und schon begleitet uns ein Kellner zu unserem Tisch mitten in der guten Stube. Wir bestellen beide den House Wine, der ist mit 9 $ pro Glas teuer genug, nach oben gibt es fast kein Limit mit den Preisen. Jutta nimmt zum Lunch die Roasted Local Vegetables und ich wähle den Baked Brie, die Spezialität des Hauses.

Roasted Local Vegetables

roasted garlic, smoked Mozzarella, tapenade 17 $

Baked Brie

hazelnuts, cinnamon puff pastry, arugula, port syrup 18 $

A favourite since we opened our doors in 1995!

Das Essen ist vorzüglich, der Wein könnte für mich kälter serviert werden, aber ich bin kein Weinkenner. Ich mag nur alle meine Getränke kalt. Nebenan werden auch alle selbst produzierten Weine verkauft und eine ganze Regalwand ist mit hunderten von Flaschen bestückt. Die Gäste kommen und gehen und auch wir trödeln nicht und räumen den Tisch für andere wartende Gäste, nachdem wir unsere Gläser geleert haben.

Agave

Weiter geht es durch das Santa Inez Valley und die sattgrünen Hügel erinnern ein wenig an Hobbingen aus „Der Herr der Ringe. Zudem werden uns immer wieder traumhafte Aussichten auf die kalifornischen Berge offenbart und hinter jeder Kurve oder der nächsten Bergkuppe bekommen wir tolle Motive zu sehen. Wir genießen einfach mal die Fahrt und ich halte nicht an zum Fotografieren. Diese Eindrücke nehmen wir als Erinnerung mit.

Weiter geht es über die 154 mitten durch die Cachuma Lake Recreation Area Richtung Santa Barbara. Dort wollen wir einen netten Abend verbringen und Jutta weiß bereits einen Stellplatz mitten im Zentrum auf einem Park’n Ride Parkplatz, hier heißt das Commuter Parking Lot. So wie wir das Schild verstehen, ist es ok hier am Wochenende über Nacht zu stehen.

Am späten Nachmittag kommen wir an und es sind genügend freie Plätze vorhanden, allerdings leben hier auch wieder einige Menschen in verschiedenen Verhältnissen auf diesem Parkplatz. Jutta spricht einen der „Bewohner“ an, der ganz hinten in einem Zelt lebt. Er kommt gerade in unsere Richtung und sie fragt, ob es ok ist, dass wir hier übernachten. Er ist nur schwer zu verstehen, sagt aber auch, dass es kein Problem ist. Nachdem er mitbekommen hat, wo wir herkommen, schimpft er noch lautstark über Putin und wir stimmen ihm zu. Dann wandert er weiter über den Platz und sammelt Müll auf.

Wir sehen zwei sehr alte Wohnmobile, einen PKW mit zugehängten Fenstern und eine Ecke mit allerlei Gerümpel, wo jemand auf einem alten Sessel sitzt, kopfüber, abgetaucht, den Kopf fast auf dem Boden zwischen den Füßen. Dieses Trauerspiel sehen wir nicht zum ersten Mal und ich schreibe es den verdammten Drogen zu. Dieser Mann ist gefangen in seiner eigenen kleinen Welt, ständig auf der Jagd nach dem Kick.

Es ist immer wieder deprimierend so etwas hautnah zu sehen und wir werden uns nie daran gewöhnen, aber wir haben resigniert. Wir können ihm nicht helfen, geschweige denn allen Anderen denen wir begegnen. Aber wir nehmen uns vor, im Verlauf unserer Reise eine Möglichkeit zu suchen, wo wir etwas spenden können, was den Menschen auf der Straße hilft. Es mag egoistisch klingen, aber mit der Aussicht kann ich diese Eindrücke besser verarbeiten und schließlich wieder an etwas Anderes denken.

Nachdem wir uns etwas frisch gemacht, die staubigen Tagesklamotten abgelegt und saubere Sachen angezogen haben, spazieren wir in den Nightlife-District von Santa Barbara. Zu Essen gibt es nur was Kleines auf die Hand von einem der zahlreichen Foodtrucks. Mittlerweile ist es dunkel geworden und die Straßen sind belebt von den Nachtschwärmern. Eine Bar folgt auf die Andere, zwischendurch Restaurants, Steakhäuser, Microbreweries, Karaokebars und Kneipen mit Livemusik. Nicht ganz einfach eine Entscheidung zu treffen, wo wir zuerst einkehren wollen.

Dann erkenne ich im Vorbeischlendern eine Bar wieder. Es ist aber nicht die, nach der ich eigentlich Ausschau halte, in der wir mal den „Metal Monday“ erlebt haben und die einzigen Gäste waren. Der Barkeeper hat noch einige von seinen Freunden angerufen und eingeladen zu kommen, damit wir nicht so einsam am Tresen sitzen, aber niemand kam. So hatten wir mit ihm eine ganz nette Unterhaltung und er hat uns erzählt wie fürchterlich das amerikanische Gesundheitssystem ist und das es Einen ruinieren kann, wenn man schwer erkrankt oder an einer chronischen Krankheit leidet, während Iron Maiden im Hintergrund läuft.

Naja, das war 2011. Jetzt ist es Ende März 2022 und die Bar, die ich wieder erkenne hat einen ebenfalls langen Tresen und rot bezogene Billardtische direkt am Fenster. „Wollen wir hier anfangen, mit einem kalten Bier und ein paar Runden Billard?“, frage ich Jutta. „Ja klar, warum nicht?“, sagt sie.

Ein paar Runden Eight Ball

Wir spielen Billard, genießen unsere Drinks und die Musik aus den kleinen JBL Boxen. Nach einigen Runden ist es meistens Jutta, die die Lust verliert. Ich könnte die ganze Nacht um den Tisch laufen und Kugeln versenken. Meine glorreichsten Spiele liegen allerdings schon lange hinter mir. Früher habe ich regelmäßig mit meinem Kollegen Uli, dem Rüstmeister aus dem Theater, Billard gespielt. Wir spielten immer „Best of 19“. Das heißt, wer zuerst 10 Spiele gewonnen hat, der ist der Sieger und der neue Weltherrscher.

Pool Billard Bar in Santa Barbara

An einem Abend standen wir also wieder am Tisch in unserer Billardhalle in Bremen-Kattenturm und ich gewann das erste Spiel. Danach verlor ich nicht nur zwei oder drei Spiele, nein, es waren ganze neun Runden und ich hatte keine Erklärung, wie es dazu kommen konnte. Uli hat mich demoralisiert, hat mich gegen die Wand geklatscht und ich hatte nur noch eine Chance, durfte kein Spiel mehr verlieren. Es stand 9:1 für ihn.

Mir fiel ein Film ein, ein Billardfilm: „Haie der Großstadt“ mit Paul Newman. Er spielt den jungen Poolbillard Profi Eddie Felson, genannt Fast Eddie. Sein großes und ehrgeiziges Ziel ist es gegen den Veteranen Minnesota Fats zu spielen, was ihm auch gelingt, in einer 40 stündigen Sitzung. Er verliert allerdings und ich erinnere mich, das Minnesota Fats häufig im Washroom verschwunden ist, um sich frisch zu machen. Eddie Felson hadert stattdessen mit sich selbst, trinkt Whisky und verliert ein ums andere Spiel.

Ich sagte zu Uli: „Ich bin mal kurz weg, bin gleich wieder da!“ Dann verschwand ich im Washroom und klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht, dreimal, viermal. Dann trocknete ich mich ab und ging entschlossen an den Tisch zurück. Ich gewann das nächste Spiel und meine Zuversicht kam zurück. Es stand 9:2, dann 9:3 und Uli wurde unsicher. Er machte Fehler, die er zuvor nie gemacht hatte. Er verschoss einfache Bälle und wurde immer nervöser. Ich hatte den Spieß umgedreht, mein Selbstvertrauen war zurück und nun demoralisierte ich ihn. Ich traf und versenkte eine Kugel nach der Anderen. Bald stand es 9:6 und ich gewann auch die nächsten drei Runden bis zum 9:9. Vor dem letzten Spiel ging ich dann noch mal in den Washroom und machte mich frisch. Ich sammelte mich und mobilisierte alle meine mentalen Kräfte, dann ging ich an den Tisch zurück.

Das finale Spiel konnte ich dann auch für mich entscheiden und damit ist dieser Billardabend einer von meinen zwei glorreichen Momenten in dieser Billardhalle.

Der andere herausragende Augenblick für mich war ebenfalls mit meinem Kumpel Uli und ist schnell erzählt. Wir spielten wieder „Best of 19“ und ich war mit dem Anstoß an der Reihe. Ich visierte die gelbe Kugel ganz vorne im Pulk an und zog den Queue lang durch. Dann stieß ich mit voller Kraft die weiße Kugel an und sie sprengte den Pulk auf. Eine Volle fällt ins Loch und ich kann mein Spiel fortsetzen. Ich mache es kurz. Ich loche eine Kugel nach der anderen, Uli kommt gar nicht an den Tisch, bis nur noch die Acht auf dem grünen Tuch liegt (und natürlich Ulis Kugeln, der ja noch keine Gelegenheit hatte Eine zu versenken). Sie liegt nicht weit vom linken Eckloch entfernt und ich habe freie Bahn, um die schwarze Acht zu versenken.

Steffi von der Bar kommt und fragt, ob wir noch ein Bier wollen. Ich erkläre ihr kurz, dass ich gerade dabei bin ein perfektes Spiel zu absolvieren, mein Allererstes überhaupt. Ich muss nur noch die verdammte Acht in dieses mittlerweile klitzekleine Eckloch bekommen. Sie entschuldigt sich für die Unterbrechung, schaut aber weiter zu. Das ist kein schwerer Ball, der da vor mir liegt. Aber ich bin aufgeregt und nervös, weil ich wohlmöglich niemals wieder so eine Gelegenheit bekommen werde. Uli schaut gebannt zu, Steffi schaut auch und ich versuche mich zu konzentrieren, in dem Bewusstsein eine einzigartige und einmalige Chance zu haben. Ich visiere die weiße Kugel an, weiß genau wo ich sie mit der Queuespitze treffen will. Dann fixiere ich die schwarze Acht, dann die linke Ecke wo ich einlochen will, wieder die Acht und der Stoß kommt. Ich verfehle knapp, aber ich verfehle. Ich würde am liebsten schreien und den Queue auf den Boden schmeißen, stattdessen sage ich: „Scheiße!“ und „Bring uns doch noch zwei Bier Steffi!“

Jutta und ich ziehen weiter in eine andere Kneipe. Da steht ein Schild vor der Tür: Karaoke Night.

Da gehen wir rein, denn wir haben beide Lust auf Karaoke. Wir wollen allerdings nur zuhören. Die Stimmung ist ausgelassen und wir begeben uns nach hinten an den Tresen, bis an die Tanzfläche kurz vor der Bühne. Ein Moderator kündigt jeweils den nächsten Interpreten und den Song an, der performt werden soll. Ich bleibe beim gezapften Bier, Jutta steigt um auf Moscow Mule mit Gin.

Local Beer, immer erste Wahl!

So vergeht die Zeit rasend schnell und die meisten Singenden machen eine ziemlich gute Figur, manche sind sogar große Klasse. Es wird getanzt, getrunken und viel gelacht. Wir sind nur Beobachter heute, aber die Rolle gefällt uns. Als Nächstes wird „New York, New York“ von Frank Sinatra angesagt. Wir bestellen noch eine weitere Runde und Jutta singt schon mit, ohne Mikrofon allerdings. Dann folgt „Whats up“ von den Four Non Blondes und ich glaube noch ein oder zwei Moscow Mule für Jutta, dann steht sie auch auf der Bühne.

Soweit kommt es dann aber auch 11 Jahre später nicht. Wir haben langsam genug und wollen unsere teuren Drinks bezahlen. Sie sind so teuer, dass Jutta keine Skrupel hat, einen der metallenen Cocktailbecher in ihrer Tasche verschwinden zu lassen. Der wird ab jetzt zu unserem Reiseequipment zugefügt, denn Moscow Mule können wir auch mixen, allerdings mit polnischem Wodka, der noch aus Georgien an Bord ist.

Overnight Stellplatz in Santa Barbara

Nach dem Ausschlafen und einem üppigen Frühstück verlassen wir Santa Barbara über die legendären Routen No. 1 und No. 101 Richtung Norden. Noch immer ist unser Ziel San Francisco, das aber noch etwas auf uns warten muss, denn heute geht es nur ungefähr 108 Meilen bis zur Morro Bay.

Hier können wir leider nicht direkt an den Beach fahren, sondern bleiben auf einem Stellplatz auf Asphalt stehen. Wir sehen aber aus dem Auto über die Dünen den wahnsinnig weiten Sandstrand, der sich endlos in beide Richtungen zu erstrecken scheint. In südlicher Richtung ist der Morro Rock zu sehen, ein riesiger Fels im Meer. Er ragt aus dem Bodennebel heraus und zieht uns magisch an.

Der Morro Rock

Wir machen einen langen Spaziergang vor dem Mittagsschlaf und ich gehe barfuß dicht am Wasser entlang, mit hochgekrempelter Hose wegen der hohen Wellen, während Jutta etwas weiter weg von der Brandung Sanddollars sammelt. Das ist eine Art Seeigel, die an flachen Sandküsten aller Meere leben und sich von feinen organischen Partikeln ernähren, die auf der Oberfläche der Sandkörner kleben. Jutta sammelt natürlich nur die leeren Gehäuse.

Das Wasser des Pazifiks ist sehr angenehm an den Füßen. Zum Schwimmen wäre es mir zu kalt, aber hier lang zu laufen ist jetzt genau das Richtige nach der Autofahrt, auch wenn sie nicht sehr lang war. Wir kommen dem Morro Rock näher und er wird immer imposanter. Ich werde gelegentlich überrascht von schnell anrollenden Wellen und meine hochgezogene Hose wird nasser als erwünscht.

Strandspaziergang

Das macht mir aber nichts aus. Irgendwann drehen wir um, ganz bis zum Fels wollen wir nicht laufen. Zum Abend zieht noch ein ordentlicher Sturm mit Regen auf und wir verbringen die letzten Stunden gemütlich in der Kabine. Unsere Nachbarn sind mit PKW und Zelt unterwegs und suchen sich einen anderen Platz, der mehr Windschutz bietet. Aus dem Fenster beobachten wir noch, wie die Sonne hinter dem Horizont verschwindet und dann lassen wir den Abend mit einem Film auf dem Tablet und einem leckeren Essen ausklingen.

Sonnenuntergang hinter dem Pazifik

Der nächste Tag verläuft ganz ähnlich. Ausschlafen und gemütlich frühstücken. Leider nicht draußen, weil das Wetter sich nicht von seiner besten Seite zeigt. Dann, als es etwas aufklart, einen langen Spaziergang am Strand. Wir gönnen uns auch noch einen Mittagsschlaf und stehen zum Kaffee wieder auf. Heute machen wir einen richtigen Faulenzertag. Lesen, Sudoku, Schlemmen und Schnökern und zum Abend einen guten Film.

Einen letzten Zwischenstopp vor Frisco haben wir noch geplant: Santa Cruz. Ich möchte gerne noch einmal über den Rummelplatz direkt am Strand bummeln. An diesen schönen Vergnügungspark musste ich in Dogobayazit denken, in der Türkei, als ich gedankenverloren über den verfallenen Jahrmarkt spazierte. Außerdem wollen wir noch ein paar Tage im Santa Cruz RV Resort inmitten hoher Redwood Bäume an einem kleinen Flusslauf stehen. Im Internet sieht es sehr einladend dort aus.

Fisherman’s Family Sculpture (Those Who Wait)

Bevor es weitergeht, wollen wir uns den Morro Rock aber noch aus der Nähe anschauen. Und weil es zum Laufen zu weit für uns ist, fahren wir hin. Der Fels ist im Grunde eine Halbinsel und ich kann zum Parken drauf fahren. Morro Bay ist ein malerisches kleines Küstenstädtchen und ich halte beim Sea Otter View Point. Ganz in der Nähe steht die Fisherman’s Family Sculpture – Sie ist den Familien („Those Who Wait“) der Seeleute gewidmet.

Dann entdecken wir noch eine Warntafel auf der vor starken Strömungen und auch vor Haien gewarnt wird. Augenblicklich fühle ich mich nach Amity versetzt, wo der weiße Hai im Roman von Peter Benchley sein Unwesen treibt. Verfilmt wurde der Stoff natürlich auch, von niemand geringerem als Steven Spielberg. Wir haben nicht vor heute schwimmen zu gehen. Wir machen uns auf den Weg gen Norden.

Achtung: Haie

Vor uns liegt die Route No. 1, eine DER Traumstraßen der Welt. Es geht immer dicht am Pazifik entlang, durch wunderbar klingende Orte wie: Harmony, Cambria, Big Sur, Carmel-By-The-Sea, Monterey und so weiter. Fast vier Stunden atemberaubende Fahrt liegen vor uns. Ich will nicht schon wieder ins Schwärmen geraten, nur soviel; Die Strecke ist eine Wucht und Jeder der mal die Gelegenheit hat nach Kalifornien zu kommen, der sollte sich ein Auto mieten und wenigstens einmal die Strecke zwischen Los Angeles und San Francisco fahren. Nebenbei bemerkt, beide Städte sind mindestens genauso aufregend und beeindruckend wie die Fahrt von Einer in die Andere. Als Tipp möchte ich noch empfehlen, die Route von Nord nach Süd zu wählen, denn dann ist man näher am Ozean.

Die letzte halbe Stunde geht es immer steiler aufwärts, durch enge Serpentinen, hinein in die Wälder der mächtigen Redwood Bäume. Ich fahre etwas langsamer, damit Jutta nicht seekrank wird. Auf der Straße ist nicht viel los. Der Wald wird dichter und wir kommen der Einfahrt näher. Vor der schön beleuchteten Rezeption halte ich kurz, damit Jutta uns einchecken kann. Wir dürfen erstmal zwei Nächte bleiben, danach müssen wir den Stellplatz verlassen, weil er reserviert ist. Aber vielleicht wird dann ein anderer schöner Stellplatz frei. Feuerholz nehmen wir gleich von der Rezeption mit. Wir haben einen großen Eckplatz, mit eigenem Weg runter zum Fluss. Ich baue gleich Tisch und Stühle auf und kümmere mich um das Lagerfeuer. Beim ersten Bier am Feuer beschließen wir noch eine dritte Nacht dranzuhängen, sollte ein netter Platz frei werden. Wir fühlen uns hier total wohl, inmitten der wilden Natur, den Fluss direkt vor der Tür und der Wind pfeift leise durch die Bäume. Morgen will ich mich auch mal wieder ans Schreiben machen. Aber heute genießen wir beim Bier das knisternde Lagerfeuer, das Rauschen des Flusses und das Flüstern des Waldes.

Rezeption vom Campingplatz in den Redwoods

Am Morgen, beim Gang über den Platz zur Dusche, entdeckt Jutta einen freien Stellplatz, der ihr noch besser gefällt als unser Eckplatz, den wir morgen sowieso räumen müssen. Er ist nicht so groß, fügt sich aber super ein in den Wald und ist auch direkt am Fluss. Nur ein wackeliger Holzzaun schützt vor dem Absturz. Jutta verschiebt die Dusche um einige Minuten und schlägt mir vor, heute schon umzuziehen, sollte der Platz für die nächsten beiden Tage verfügbar sein. Ich begutachte den Platz und bin genauso begeistert wie sie. Also ab zur Rezeption und umbuchen. „Alles kein Problem!“, heißt es und eine halbe Stunde später stehen wir mit LEMMY auf dem neuen Stellplatz, nun für weitere zwei Tage. Feuerholz wird sofort mitbestellt. Heute Abend ist grillen angesagt.

Neuer Stellplatz mit Blick auf den Fluss

Der Tag fängt ruhig an und ich beginne schon vor dem Mittag zu schreiben. Ich eröffne das erste Chapter vom 2. Akt, Nordamerika. Ich realisiere mal wieder wie lange ich hinterher bin, versuche aber heute Einiges aufzuholen. Mein Arbeitsplatz inmitten der großen Redwood Trees, mit Blick auf den Fluss. kann sich sehen lassen. Jetzt muss mir nur Eines noch gelingen: Ich muss schnell rüber an die Ostküste, rüber nach Nova Scotia, nach Halifax in Kanada. Und dann bin ich da, erlebe den Start vom „The Wörld Is Yours“ Abenteuer Teil 2 von vorne…..

Jutta liest heute viel und genießt es einfach, Zeit für sich zu haben. Wir sitzen beide draußen, beschattet von riesigen Redwoods und trinken Tee. Nach einem kleinen Mittagssnack, einem Grilled Cheese Sandwich (eine meiner Spezialitäten, wenn es schnell gehen soll) schreibe ich noch kurz weiter. Doch dann schlägt die Müdigkeit zu und ein Mittagsschlaf wird eingelegt. Danach gibt es Kaffee und Kuchen, aber dabei wird weiter gearbeitet.

Bevor ich anfange den Grill anzuschmeißen, mache ich mir ein kleines Bier auf. Oft ist genau das der Treibstoff, der gerade nötig ist, um meinen Schreibfluss zu steigern. Und auch diesmal werde ich nicht enttäuscht und das Elixier zeigt seine erhoffte Wirkung. Nach dem Barbecue geht meine Arbeit weiter, ich komme gut voran und Jutta zieht sich zurück. Ich nutze die restliche Grillkohle um das Lagerfeuer in Gang zu kriegen und schreibe noch stundenlang bis tief in die Nacht hinein.

Ein bisschen Arbeiten ist angesagt
Im „Flow“ angekommen

Der dritte Tag verläuft ähnlich chillig. Wir verlassen kaum unser Camp, sitzen viel draußen, lesen oder schreiben, trinken erst Tee, später den obligatorischen Nachmittagskaffee und freuen uns schon tierisch auf San Francisco.

Kleines BBQ

Vorher ist aber noch Santa Cruz angesagt und der Rummelplatz am Strand. Weit fahren müssen wir nicht, dann parken wir schon am Pier und sehen die Achterbahn. Gemütlich schlendern wir an der Strandpromenade entlang. Für Ende März ist schon Einiges los am Beach, finden wir. Doch auch dort leben Menschen in kleinen Zelten am Strand, weil sie vermutlich ihre Miete nicht mehr zahlen konnten oder ihnen die Krankenkassen nicht die benötigten Arztkosten erstattet haben. Wir spekulieren allerdings nur, denn wir sehen niemanden bei den zugezogenen Zelten.

Für manche bleibt nur noch das Zelt

Als wir den Rummel erreichen, stellen wir fest, dass zwar alles picobello sauber ist und die Vorbereitungen auf die Saison auf Hochtouren läuft. Aber es ist noch nichts geöffnet außer die Spielhalle mit den Automaten für die Kids. Wahrscheinlich wird die Saison erst später im April gestartet. Scheiß drauf, dann bummeln wir eben so einmal rüber, ohne Gedränge und Marktschreier. Ohne lautes Getöse und Gekreische aus der Achterbahn. Irgendwie hat das schon was, so ein Vergnügungspark direkt am Meer. Mir fällt kein schönerer Jahrmarkt ein als dieser in Santa Cruz. Kurz denke ich einige Monate zurück, an den Lost Place, den alten und verlassen Jahrmarkt in Dogobayazit in der Türkei. Mir gefällt der Gedanke, dass ich in der Türkei an Santa Cruz gedacht habe und jetzt in Santa Cruz denke ich wieder an die Türkei. Die Welt ist im Grunde gar nicht so groß, wie sie scheint.

Saisonvorbereitungen laufen

Der Magen knurrt schon ein wenig und da wir kürzlich gerade mein „Homemade Grilled Cheese Sandwich“ hatten, wollen wir vor der Weiterfahrt irgendwo auswärts Lunchpause machen. Wir sehen ein nettes Lokal und können draußen auf der Terrasse sitzen. Dort kehren wir ein für einen Snack und eine Limonade, bevor es endlich nach San Francisco geht. Ich wähle die Maccaroni mit Käse, Jutta einen Falafelwrap.

Rummelplatz Santa Cruz

Unter dem Pier, wo LEMMY geparkt steht, tummeln sich süße Seeotter und wir beobachten sie kurz und freuen uns, wenn einer von ihnen rückenschwimmend zu uns hochschaut. Dann steigen wir ins Auto und fahren weiter. Nur noch anderthalb Stunden bis San Francisco!

Jahrmarkt am Strand

San Francisco war immer schon ein Traumziel von mir. Diese Stadt steht für Freiheit. Sie steht auch für Fortschritt und Entwicklung. Egal ob es um moderne Computertechnologie geht oder darum Cannabis zu legalisieren. Bei meiner Liebe zu Asien gefällt es mir sehr, dass in SF das wohl größte Chinatown außerhalb Asiens liegt. Außerdem gibt es ein Japan Town und Little Saigon in der Stadt.

Janis Joplin, Jimi Hendrix und viele Andere haben hier gelebt und geliebt. Die geografische Lage am Pazifik ist unübertroffen, mit der San Francisco Bay, mit Oakland, Sausalito und San Francisco selbst, wenn man mal die Erdbebengefahr außer Acht lässt. Und dann ist da noch die Golden Gate Bridge, die Mutter aller Brücken. Von den Straßen will ich gar nicht erst anfangen, sogar eine Fernseh-Serie wurde so benannt: „Die Straßen von San Francisco“. Und dann noch die ganzen Songs, die von dieser Stadt handeln oder hier entstanden sind. Das alles hat einen Grund. San Francisco ist fantastisch. Dieser kleine Absatz darf durchaus als Liebeserklärung an eine einzigartige Stadt verstanden werden.

In weniger als neunzig Minuten werden wir mitten durch SF fahren und auch mit LEMMY die Golden Gate Bridge überqueren. Doch zunächst geht es raus aus Santa Cruz. Die Käsemakkaroni waren nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Wir rollen vom Pier auf die No. 1 und fahren fast die ganze Zeit über auf dieser Traumstraße dicht am Pazifik entlang. Meine Vorfreude ist riesig und die Aufregung steigt langsam aber stetig an. Was wir jetzt schon wissen: mit einer Alcatraz Besichtigung wird es wieder nichts, auf Wochen ausgebucht. Was wir auch schon wissen, ich will eine Nacht ausgehen, im Mission District.

Seeelefanten chillen am Strand

Nur noch wenige Meilen, dann passieren wir das Ortsschild San Francisco. Wir sind da. Eine weitere Traumdestination mit dem eigenen Fahrzeug erreicht. Check! Wir fahren weiter auf der 1 und halten uns immer an die Beschilderung Richtung Golden Gate Bridge. Die Nacht wollen wir auf der anderen Seite von SF verbringen, auf einem Rastplatz in Sausalito, mit Blick auf die Skyline. Dort dürfen wir legal und umsonst über Nacht stehen, eigentlich nur für 8 Stunden, um die Fahrtauglichkeit wieder herzustellen. Das wird aber nicht kontrolliert. Es geht nur schleppend voran, in den Straßen von SF ist halt viel Verkehr. Trotzdem genieße ich jeden Meter. Und je mehr wir uns der Brücke nähern, desto größer wird meine Anspannung. Nur noch drei Meilen. Ich versuche alle Eindrücke aufzusaugen, habe meine Blicke überall. Schaue mir die Häuser an, die Autos, die Fußgänger und Biker. Alles! Jutta schimpft mit mir: „Guck bitte auf die Straße und konzentriere dich auf den Verkehr!“ „Ja, alles klar, mache ich doch.“

Dann kommt sie hinter einer Kurve in mein Sichtfeld. „Da ist sie, die Golden Gate Bridge!“, „Siehst du sie?“, frage ich Jutta. Natürlich sieht sie sie, Jutta ist ja im selben Auto, direkt neben mir und die Frage war eigentlich überflüssig. Aber ich bin eben aufgeregt. Zuletzt bin ich vor elf Jahren hier rüber gefahren, mit dem geliehenen Dodge Durango und auch mit einem geliehenem Fahrrad. Jetzt fahre ich hier mit Jutta und LEMMY rüber, mit unserem kleinen Weltreisemobil. Wir filmen mit der DJI Kamera im Cockpit und zusätzlich mit dem Handy. Dieser Moment muss einfach festgehalten werden. Am Ende der Brücke geht es rechts raus zum H. Dana Bowers Vista Point & Rest Area. Hier werden wir die Nacht verbringen.

Golden Gate Bridge

Gleich nach der Ausfahrt steht ein Sheriff mit seinem Auto zum Eingang auf den Parkplatz. Ich denke mir, dass das wohl so üblich ist und fühle mich sicher. Ich parke LEMMY in erster Reihe, aber Jutta ist unzufrieden mit meiner Platzwahl, denn hier halten ständig neue Touristen, um Selfies und Fotos von sich, der Skyline und der Brücke zu machen. Also parke ich um in die zweite Reihe etwas weiter hinten. Dort, vermutet Jutta, ist es in der Nacht bestimmt ruhiger. Mir soll es recht sein. Ich bin über glücklich in SF angekommen zu sein und genehmige mir ein kaltes Bier. Wir schießen einige Fotos von der weit entfernten Skyline und der Golden Gate Bridge und genießen, auf der Mauer sitzend, die Aussicht. Mein Bier ist verborgen im Beercooler und ich wage es in der Öffentlichkeit zu trinken. „Cheers San Francisco, wir sind da!“

Cheers San Francisco

Gegenüber von uns steht ein anderer Overlander, einer der Ersten, den wir sehen, seit wir in Amerika sind. Es ist ein LKW aus der Schweiz, ich schätze 8-10 Tonnen schwer. Ich weiß nicht einmal mehr, ob ich mit Jutta gewettet habe, woher der erste Overlander kommt, den wir sehen werden. Ich wollte auf jeden Fall auf einen Spanier oder Schweizer setzen. Alle anderen vermeintlichen Overlander kamen uns entgegen und wir konnten nie ein Kennzeichen erkennen. Ist ja auch nicht so wichtig, ich hole mir noch ein Bier aus dem Kühlschrank und wir schauen rüber, wie in San Francisco die Lichter der Großstadt angehen.

Die Leute verschwinden alle um mich herum, sogar Jutta ist schon in der Kabine und irgendwann löse auch ich mich von diesem wahnsinnigen Ausblick auf die Skyline und die Brücke. Ich versuche ihn tief auf meine Festplatte zu brennen, damit ich diesen Augenblick niemals vergesse. Dann gehe ich schlafen.

Nach dem köstlichen und ausgiebigen Frühstück bewundern wir die Morgenaussicht von Sausalito auf SF und fahren mit LEMMY rüber auf die andere Seite. Dort kann man tagsüber bis 18 Uhr umsonst stehen. Der Parkplatz ist nicht weit von der Waterfront mit den Seehunden, dem Hard Rock Café und dem ganzen anderen Touristengedöns entfernt. Als Erstes fahren wir also wieder über die Golden Gate Bridge, dann durch den Presidio Tunnel und wenige Minuten später sind wir schon auf dem Marina Green Parkplatz. Wir sehen im Vorbeifahren einen anderen Globetrotter mit seinem Oldtimer, einem Dodge M152 CAF von 1954. Man nickt sich zu, das gehört sich so und ist eine schöne Geste, wie ich finde. Kurz darauf klopft es an der Tür und der Fahrer begrüßt uns persönlich. Wir schnacken eine Weile, er lässt uns einen Aufkleber von sich da und dann verabschieden wir uns schon wieder. Aufkleber von uns wollen wir in Zukunft auch dabei haben. Aber das hat noch etwas Zeit.

Blick auf SF vom H. Dana Bowers Vista Point & Rest Area

Um zur Waterfront zu kommen, brauchen wir die Fahrräder. Laufen würde auch gehen, aber mit den Bikes sind wir einfach schneller und gewinnen Zeit. Außerdem macht es viel mehr Spaß eine Stadt by Bike zu erkunden. Leider ist mal wieder ein Reifen platt, diesmal mein Vorderreifen. Aber was soll’s, Scheiß drauf! Ich flicke ihn eben schnell. Den letzten Reifen musste ich, glaube ich, am Santa Monica Beach in LA reparieren. Diesen Reifen flicke ich in SF mit Blick auf Alcatraz. Es gibt unangenehmere Aufgaben an unattraktiveren Orten. Nachdem die Arbeit erledigt ist, vergleiche ich diesen Boardwalk mit dem von Los Angeles und komme zum Ergebnis, dass San Francisco sehr ähnlich ist. Allerdings sind die Bewohner von LA freizügiger unterwegs, was vermutlich mit den wärmeren Temperaturen zu tun hat. Aber was bilde ich mir eigentlich ein, nach einer halben Stunde Reifen flicken ein Urteil zu fällen?

Reifen flicken vor Alcatraz

Ausgerüstet mit Wasser, Sonnenbrille und leichtem Gepäck starten wir unsere erste Erkundung zu Rad von der Waterfront, der Fisherman’s Warf und den küstennahen Gebieten. Denn die Straßen von San Francisco sind nichts für uns als untrainierte Biker. Die Lombard Street werde ich fahren, aber nicht mit dem Fahrrad, sondern mit LEMMY. Es ist die wohl steilste Straße in einer Stadt, soweit ich weiß. Und die anderen Straßen geben sich da nicht viel, es geht ständig steil rauf und dann wieder steil runter. Mit dem Auto ein pures Vergnügen, aber mit dem Fahrrad ein Albtraum, jedenfalls für Biker wie uns.

Great Meadows Park

Los geht es durch den Great Meadow Park at Fort Mason, vorbei an Fort Mason Center for Arts & Culture. Dort gibt es eine Menge Gastronomie und Kultur in alten Lagerhallen auf den Piers. Sogar ein Theater, das Cowell Theater ist ganz vorne am Pier beheimatet. Wir halten noch durch, trinken und essen nichts. Erst müssen wir eine große Hürde überwinden, einen steilen Hügel, sogar an der Küstenlinie. Ich schleppe zuerst mein Bike eine steile Treppe hinauf, dann gehe ich wieder zurück und mache dasselbe mit Juttas Fahrrad. Oben angekommen kann ich die Abfahrt nach unten genießen und rolle mit ca. 45 km/h auf Fisherman’s Wharf zu. Jutta bremst mehr und folgt etwas langsamer. Es kommt uns hier ziemlich voll vor, obwohl es erst Anfang April ist. Vielleicht liegt es am tollen Wetter, denn wir haben so um die 20 Grad. Auf jeden Fall haben wir Hunger bekommen und an einer belebten Kreuzung wird live gerockt. Das ist ein guter Zeitpunkt für eine Lunchpause mit einem kalten Bier. Wir einigen uns auf einen Fast Food Laden, an dem gerade ein Tisch an der Straße frei geworden ist und ich bestelle Fish & Chips mit einem großen Bier und Jutta bestellt Chowder, eine cremige Fischsuppe.

Fishermans Wharf

Nach dem Lunch geht es weiter zum Hard Rock Café. SF ist eine Stadt, in der ich mir ein T-Shirt kaufen würde. Das Hard Rock Café ist direkt vor der Fisherman’s Wharf am Pier 39. Und davor steht ein aus Grünpflanzen modellierter Seehund. Sieht echt cool aus, obwohl ich gar nicht so auf Gartenstuff stehe. Ich finde leider kein T-Shirt im HRC SF für mich. Denn keines der Motive sagt mir zu oder ich habe es bereits aus einer anderen Stadt. Jutta wird allerdings fündig und sieht ein Set, bestehend aus drei schmalen Taschen in drei verschiedenen Größen. Zwei davon sind perfekt geeignet für mein Laptop und mein Tablet. Es gelingt mir, ihr zwei von den drei Taschen abzuluchsen. Sie haben das Design einer Überseekarte und eine Menge Länder und Städte stehen darauf, in denen ich schon überall gewesen bin. Nach dem erfolgreichen Einkauf gehen wir weiter vor zu den Seehunden, die hier immer auf den Pontons am Pier 39 rumhängen. Schon 2011 waren die hier am herumtollen oder faul in der Sonne liegen.

Am Pier 39

Ein bisschen Schade finden wir es schon, dass es mit Alcatraz wieder nichts wird, aber wir können uns nicht Wochen vorher festlegen, wann genau wir vor Ort sind. Gerade für mich als Kino und Film Fan wäre Alcatraz interessant geworden, aber was soll’s? Vielleicht klappt es im nächsten Leben.

Es wird langsam Zeit zu LEMMY zurück zu kehren, denn es geht auf 18.00 Uhr zu und dann müssen wir den Tagesparkplatz verlassen haben. Wir fahren diesmal etwas weiter außen durch den Park, dann sparen wir uns die steile Treppe vom Hinweg und sehen noch ein wenig mehr von der Waterfront. Beim Auto angekommen, verzurre ich die Bikes und dann fahren wir noch mit dem Auto zu den Painted Ladies.

The Painted Ladies

Jutta lotst mich durch die Straßen von San Francisco bis in die Steiner Street. Die Straßen von West nach Ost verlaufen ziemlich geradlinig, die von Nord nach Süd steigen meistens sehr steil an. Wer hier Probleme hat am Berg anzufahren, der sollte einen weiten Bogen um SF machen. Meistens muss man direkt vor den Kreuzungen anhalten, weil entweder eine Ampel rot ist oder aber ein Stoppschild dort steht. Rechts vor links, wie wir es kennen, gibt es in den USA nicht. Hier läuft es etwas anders. Man fährt in der Reihenfolge in der man die Kreuzung erreicht. Ein sehr gutes System.

Wir kommen in die Steiner Street und ich finde keinen Parkplatz, also noch einmal um den Block fahren und hoffen, dass irgendwo was frei wird. „Yes, da ist eine Lücke!“ Direkt vor den Painted Ladies gegenüber vom Alamo Square, einer großen Grünfläche, von denen es in SF eine ganze Menge gibt. Die Painted Ladies sind einige bunt angemalte, viktorianische Häuser aus dem 19. Jahrhundert. Die meisten wurden 1906 beim großen Erdbeben von SF durch entstandene Brände zerstört. Einige blieben zum Teil erhalten und wurden wieder aufgebaut und restauriert. Sie wurden bunt angemalt und bekamen den „Slang Begriff“ Painted Ladies verpasst, wie damals auch Prostituierte genannt wurden. Diese Häuser sind eine große Touristenattraktion und der gegenüberliegende Alamo Park lädt zum Verweilen und Picknicken ein. Die Aussicht vom Park über die Painted Ladies hinweg ist einfach göttlich.

Blick über die Painted Ladies

Dahinter sehen wir die Hochhäuser des Zentrums, unter anderem den markanten Transamerica Pyramid Tower, der noch bis 2018 das höchste Gebäude in SF war. Um mich herum im Alamo Square Park sitzen überall Leute auf dem Rasen. Jung und alt, meistens in Gruppen. Alle genießen sie die Aussicht oder sind in Unterhaltungen vertieft. Ich kann mich selber kaum satt sehen, will aber kein Knöllchen riskieren, denn ich darf dort wo LEMMY steht eigentlich nicht parken. Jutta kennt die Aussicht bereits und ist sicherheitshalber im Auto geblieben. Dankbar und glücklich über diesen wundervollen Tag mache ich mich auf den Rückweg.

Alamo Square & Steiner Street

Einmal mehr geht es durch den Presidio Tunnel, dann über die Golden Gate Bridge und auf den H. Dana Bowers Rest Area & Vista Point in Sausalito. Dort können wir wieder für 8 Stunden stehen bleiben. Ein Streifenwagen steht auch heute in der Einfahrt zum Parkplatz, so dass wir uns überhaupt keine Sorgen um Langfinger oder Kleinganoven machen müssen.

Aus dem Fenster sehen wir wie nach und nach die Lichter der Stadt angehen. Wie Alcatraz in der Bucht im Dunkel verschwindet und sich ein Nebel um die Golden Gate Bridge legt, bis nur noch die beiden roten Trägerelemente, die in den Himmel ragen, zu sehen sind.

Der nächste Tag beginnt klar und sonnig, aber windig. Es ist der 2. April. 2022. Heute ist wieder Biken angesagt, diesmal aber in die andere Richtung, weg vom Marina District rüber zur Golden Gate Bridge. Ausgangspunkt ist der Parkplatz von gestern, Marina Green.

Golden Gate Bridge

Theoretisch könnten wir natürlich auch von hier aus mit den Rädern starten, aber wir wollen nicht negativ auffallen und die 8 Stunden zu weit überziehen. Möglicherweise würde es niemanden kümmern, aber wir wollen nichts provozieren. Wir überziehen die erlaubten 8 Stunden sowieso schon deutlich um 4-6 Stunden. Da hat bisher niemand etwas zu gesagt. Also belassen wir es dabei und fahren erneut über die Brücke, durch den Presidio Tunnel und schon sind wir wieder da. Erste Reihe, Blick auf Alcatraz. Jutta fühlt sich heute leider nicht so gut und bei dem Wind will sie lieber nicht mit dem Rad fahren. So muss ich mich alleine auf den Weg machen, während sie sich noch mal hinlegt, damit es ihr später hoffentlich besser geht und sie noch was vom Nachmittag und vor allem vom Abend hat. Denn heute Nacht will ich ausgehen, im Mission District. Ich weiß auch bereits, wo es hin gehen soll: in die Kilowatt Bar in der 16th St. Das ist mitten im Ausgehviertel und es gibt laute Musik, Billardtische und eine Musicbox. Was will man mehr?

Das einzige Problem das es noch zu lösen gilt ist, wo wir LEMMY über Nacht abstellen. Wenn wir wieder bei der Brücke stehen, dann müssen wir uns keine Gedanken um die Sicherheit des Fahrzeugs machen. Dort ist ja rund um die Uhr eine Polizeistreife, die auch ihre Runden dreht. Das haben wir in den letzten beiden Nächten festgestellt. Der Nachteil ist aber, dass wir dann sehen müssen, wie wir mit Bus, Bahn und/oder Taxi in den Mission District kommen und spät nachts auch wieder zurück. Wo ich jetzt stehe, ist nur ein Tagesparkplatz, der scheidet also auch aus.

Den Wagen irgendwo im Nightlife Viertel abzustellen ist keine Option, denn dort ist es nicht sicher. Autos werden aufgebrochen, besprüht und unter Umständen von Vandalen demoliert. Die beste Variante ist es wahrscheinlich, auf einem der bewachten, aber kostenpflichtigen Parkplätze zu Parken. Da gibt es einen mit mittelmäßigen Bewertungen, der ist in chinesischer Hand und liegt genau im Mission District. Das wird vermutlich unsere erste Wahl sein.

Aber jetzt geht es erstmal mit dem Bike los. Ich halte mich immer dicht am Wasser. SF hat sogar mehrere Badestrände, den Golden Gate Beach, den Ocean Beach, China- und Baker Beach und noch Einige mehr. Im Wasser sehe ich niemanden, aber am Strand tummeln sich schon einige Leute und Familien mit Kindern. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Metropole im internationalen Ranking einen der vorderen Plätze belegt. Auf meiner persönlichen Liste meiner Lieblingsstädte kommt sie bestimmt unter die Top Ten.

Radfahrer kommen voll auf ihre Kosten, denn es gibt ein gut ausgebautes Wegenetz in der Stadt und die Spuren zwischen Bikern und Fußgängern sind übersichtlich voneinander getrennt. Ich will zuerst unter die Brücke fahren, das ist eine tolle Perspektive von dort, mit dem Blick nach oben.

Golden Gate Bridge von unten

Jetzt habe ich Gegenwind und ich hoffe der Wind dreht nicht, dann fahre ich nachher mit Rückenwind.

Ich sehe schon das Fort Point – National Historic Site. Diese Festung war früher mit Kanonen ausgerüstet, um die Bucht von San Francisco zu schützen. Sie befindet sich direkt unter der Brücke. Ich fahre soweit vor, wie es erlaubt ist. Am Zaun steht ein Warnschild, wer sich nicht daran hält, dem droht eine Haftstrafe oder eine Geldbuße von bis zu 10 000 Dollar.

San Francisco by bike

Ich will weiter und muss jetzt einen ziemlichen Höhenunterschied bewältigen. Aber es geht in weiten Schlaufen aufwärts, so dass die Steigung im kleinen Gang gut machbar ist. Von weiter oben habe ich einen grandiosen Blick auf die Skyline der Stadt. Ich erkenne den Pyramid Tower, blicke über den Strand und mit jedem weiteren Höhenmeter habe ich neue fantastische Perspektiven auf die Brücke. Man kann auch einiges lernen, denn überall am Wegesrand gibt es Infotafeln zur Golden Gate Bridge, diesem kolossalen Bauwerk.

Golden Gate Beach, dahinter die Skyline

Oben am Berg angekommen, fahre ich einmal unter der Brücke durch, um dann auf der anderen Seite auf den Radweg der Brücke zu gelangen. Rüber fahren muss ich mit dem Rad nicht noch einmal, nicht bei dem Wind. Das habe ich damals mit Jutta und mit zwei Leihfahrrädern gemacht.

Das war aber auch wirklich lohnenswert, denn mit dem Bike fühlt es sich viel besser an, als mit dem Auto. Man ist noch mehr verbunden mit der Brücke und den Elementen. Du spürst den Wind, riechst das Salzwasser, berührst das Metall der Brücke und wirst eins mit ihr. Zurück in die Stadt sind wir damals von Sausalito mit der Fähre gefahren.

The Mother Bridge

Ich bin jetzt schon eine ganze Weile unterwegs und entscheide mich, langsam den Rückweg anzutreten. Langsam ist ein gutes Stichwort, denn wenn ich nicht kontinuierlich bremse, werde ich ziemlich schnell, so steil geht es runter.

Mit dem Bike durch SF

Ich komme noch am „Unreal Garden“ und dem „Palace Of Fine Arts“ vorbei. Dieses Gebäude wird vermutlich jeder kennen, der sich für Reisen interessiert. Es ziert die Postkarten der Stadt genauso wie die Painted Ladies, der Pyramid Tower und die Golden Gate Bridge. Radfahren ist hier in der Grünanlage nicht erlaubt, so schiebe ich dann also mein Rad und schlendere durch diesen schönen Garten. Danach mache ich mich auf den Weg zurück, um nach Jutta zu sehen.

The Unreal Garden

Zum Glück geht es ihr wieder besser und dem Abendprogramm steht nichts im Wege. Wir werden zuerst den chinesischen Parkplatz ansteuern und gucken, ob wir dort unterkommen und was es uns kosten wird. Aber vorher will ich meinen Mittagsschlaf machen, mit Blick auf Alcatraz.

Wir genehmigen uns noch einen Kaffee an der Marina und anschließend leitet Jutta mich zum Zenanli Parking in der 14th St., Ecke Stevenson St.. Der Parkplatz ist von einem hohen Zaun umgeben, nur die Einfahrt ist geöffnet. Ich fahre durch das Tor und schon kommt jemand aus einem winzigen Häuschen zu mir ans Fenster. Ich fahre die Scheibe runter und frage, ob wir über Nacht hier stehen können. „60 Dollar!“, bekomme ich als Antwort. Ich sage, das im Internet was von 20 Dollar steht, aber er kontert wir seien zu groß und in dieser Fahrzeugklasse kostet es eben 60 Dollar. Ich versuche zu feilschen und frage ihn, ob er auch mit 40 Dollar einverstanden ist. Er wiederholt stoisch „60 Dollar!“

Mir wird klar, dass hier verhandeln keinen Sinn hat. Der Platz ist auch schon ziemlich voll und ich will mir diese Gelegenheit nicht verscherzen. Ich gucke rüber zu Jutta und sie nickt, also sage ich Ok. Er erklärt mir, wo ich einparken soll und dass ich dann beim Bezahlen weitere Instruktionen an seinem Kassenhäuschen bekomme. Ich parke zwischen zwei PKWs am Zaun zur Stevenson Street und mein Parkplatz hat exakt die gleiche Größe, wie die beiden Plätze neben mir. Nur zahle ich den dreifachen Preis, weil LEMMY eben größer ist. Ungerechte Welt, aber was soll’s. Ich nehme 60 Bucks in bar mit an sein Häuschen und er gibt mir einen Zettel mit einem Zahlencode. Dann zeigt er mir außen am Tor, wo ich die Zahlen eintippen muss, damit es sich öffnet, denn um 21 Uhr macht er den Parkplatz dicht. Alles klar, jetzt noch schnell duschen und dann können wir in das Nachtleben im Mission District eintauchen.

Auf der anderen Seite des Zauns, hinten am Heck von LEMMY, in der Stevenson Street, hat ein Typ sein Lager auf dem Bürgersteig aufgeschlagen. Er tobt und schimpft die ganze Zeit, aber wir verstehen nicht, was er sagt. Wir können nur hoffen, dass er das nicht die ganze Nacht so weiter macht. Denn wenn wir zurück kommen wollen wir schon noch ein paar Stunden schlafen.

Mission District

So, jetzt kann es losgehen. Wir müssen nur die Julian Avenue hoch laufen, einmal rüber über die 15th St. und dann in der 16th St. rechts abbiegen. Der Mission District ist genau nach meinem Geschmack. Es ist eine etwas abgefuckte Gegend, dreckig, düster und laut. Eine Spelunke neben der Anderen. Ein krasser Gegensatz zur Fisherman’s Wharf, wo sich die Touristen rum treiben. Hier sind eher Locals unterwegs. Entweder welche, die hier im Viertel leben, arbeiten oder eben einfach ausgehen wollen. So wie wir gerade. Eine Menge schräger Vögel sind hier schon unterwegs und wir sehen auch einige Lager- und Zeltplätze in den Seitengassen. Viele Fenster auf Bodenniveau haben große Gitter vor den Scheiben, wahrscheinlich um Einbrüchen vorzubeugen. Wir haben nur das Nötigste dabei, vor allem keine Taschen, geschweige denn Rucksäcke. Ich bin überzeugt davon, dass wir als Locals durchgehen. „Guck mal da vorne!“, sage ich zu Jutta, „da ist es schon, ich sehe über der Tür die Leuchtreklame KILOWATT.“

KILOWATT Bar

Ein Pärchen steht vor der Tür und raucht. Es gibt auch einen Türsteher. Kurzer Blick, ein Nicken und wir sind drin. An der Bar bestelle ich uns zwei Bier und dann gehen wir durch nach hinten zu den Billardtischen. Einer der beiden Tische ist besetzt, ein Chinese mit zwei Zöpfen, die wie Antennen nach oben stehen spielt mit einem anderen Gast. Sie vermitteln mir den Eindruck sich zu kennen und öfter hier zu spielen. Der andere Tisch ist frei, aber die Kugeln liegen schon fertig aufgebaut. Ich denke, was für eine nette Idee den Tisch so schön vorbereitet zu haben, falls jemand spielen möchte. Ich frage an der Bar, ob wir spielen dürfen und es wird mit einem Lächeln bestätigt. Jutta geht es wieder richtig gut, das Bier schmeckt und wir haben beide Lust auf den Abend heute. Ich stoße an.

Billard in der KILOWATT Bar

Nach einer Weile kommt eine Frau bei uns am Tisch vorbei und fragt, wie lange wir spielen wollen. Ich sage ihr, dass wir gerade angefangen haben und bestimmt noch ein paar Runden spielen werden. Sie lächelt etwas gequält und nickt verständnisvoll. Kurz darauf kommt ein Typ zu ihr und sie quatschen etwas. Sie gucken rüber zu uns. Jetzt erst dämmert es mir. Die beiden waren nur kurz zum Rauchen vor der Tür. Sie haben an diesem Tisch gespielt und ihn aufgebaut hinterlassen, damit sie nach der Zigarettenpause gleich weiter spielen können. Mir ist diese Angelegenheit ziemlich peinlich und ich unterbreche unser Spiel und entschuldige mich bei den Beiden. Ich schlage vor sofort abzubrechen, damit sie weiter spielen können, aber sie lehnen ab. Dann will ich ihnen wenigstens den Dollar wiedergeben, den das Spiel gekostet hat, aber auch darauf wollen sie sich nicht einlassen. Sie gehen und wir können weiter spielen. Ich habe es wenigstens versucht. Sie mögen mich jetzt für einen ziemlichen Trottel halten, aber wenigstens nicht für so dreist, dass ich ihnen das Spiel einfach weg nehme.

KILOWATT Bar

Wir spielen einige Runden und Jutta hat Spaß, weil sie gut locht. Wenn sie nicht trifft, verliert sie schneller die Lust. Die Musik ist gut, aber noch nicht perfekt. Und zu leise ist es mir im Grunde auch noch. Das ist selbstverständlich Absicht, damit die Bar Gäste die Musikbox mit Scheinen füttern. Das habe ich auch gleich vor, aber solange Jutta Spaß am Billard hat, will ich keine Unterbrechung wagen. Nur für die nächste Runde Bier gehe ich kurz zum Barmann.

Irgendwann kommt es dann aber doch, „Ich habe keine Lust mehr, nur noch ein Spiel und dann ist Schluss!“ „Na gut.,“ sage ich, „dann setzen wir uns weiter vorne in die Bar zur Musikbox.“

Noch nicht gerade übermäßig viel los…

„Mach aber bitte nicht wieder nur Hardcore an!“, sagt Jutta. „Ok, ich mache einen guten Mix. Hast du fünf Dollar?“

Ich hole mir noch ein Bier von der Bar und überlege, was ich denn so spielen könnte. Für fünf Dollar bekommt man in der Regel 12 Songs. Die Auswahl in den modernen Musikboxen ist gigantisch, deshalb ist es gut, wenn man vorher in etwa weiß, was man hören will. Nicht so hart hat Jutta gesagt. Dann will ich ihr den Gefallen mal tun.

Ich wähle unter anderem die Stereophonics mit dem Beatles Song „Don’t let me down“. Dann was von den Black Keys und von Tom Petty & the Heartbreakers. Allerdings nicht den Radioscheiß wie „Free Fallin“, sondern „You Got Lucky“. ein Jahrhundertsong! Weiter geht es mit „Helter Skelter“ von Rob Zombie und Marilyn Manson. Allseits beliebt in Bars ist der Lynyrd Skynyrd Song „Free Bird“. Von den Red Hot Chili Peppers gibt es „Californication“ und damit auch mal etwas Härteres kommt, wähle ich Fever 333 mit dem großartigen Song „Hunting Season“ (ft. Travis Baker). Von Turnstile nehme ich zwei Songs, erstens sind beide Songs nur kurz und zweitens stehe ich auf die Band aktuell ganz besonders. Der erste heißt „Holiday“ und der zweite „Mystery“. Von Bob Seger gibt es „Still The Same“ und zu guter Letzt will ich den „Higgs Boson Blues“ von Nick Cave hören.

Während ich noch an der Musicbox meine Auswahl vervollständige, läuft meine Playlist bereits. Als alles eingetippt ist, schmieden wir bei großartiger Musik schon wieder Pläne für die Weiterreise und für den morgigen Tag.

Es gibt eine weitere Runde Drinks und wir quatschen und beobachten die anderen Gäste. Ist das schon wieder die dritte Nacht in SF? Warum nur geht die Zeit so schnell dahin? Wir haben noch nicht alles gesehen. Das geht natürlich auch nicht, aber morgen liegt schon noch Einiges an. Haight Ashbury, das Hippieviertel steht ganz oben auf Juttas Liste. Dann will ich unbedingt durch die Lombard Street fahren, die steilste Straße des Universums und zum Union Square, um noch mal zu sehen, wie die alten Straßenbahnen von Hand umgedreht werden. Ich will ins Zentrum, den Pyramid Tower aus der Nähe sehen und einfach durch die Straßen von San Francisco fahren. Das sollte alles kein Problem sein, denn wir haben noch den ganzen Tag Zeit. Es ist egal, wann wir morgen die Stadt verlassen, denn wir wollen in Bodega Bay, nur ungefähr 90 Minuten von hier, eine Zwischenübernachtung einlegen. Meine Playlist geht langsam zu Ende und ich kündige schon mal an, dass ich gerne noch in die Delirium Bar auf der anderen Straßenseite möchte.

Delirium Bar / Mission District

Jutta ist sehr zufrieden mit meiner Musikauswahl und schlägt mir diesen Wunsch nicht ab. Ich zahle an der Bar unsere Drinks und bekomme ein großes Lob vom Barkeeper. Er gibt mir mit auf den Weg, dass er meine Musikauswahl aus der Musicbox ganz fantastisch fand. Glücklich und schon etwas betrunken überqueren wir die 16th St. in die Delirium Bar. Hier legt ein DJ auf. Die Musik ist laut, hart und gut. Die Barkeeperin ist schrill, sehr busy, dabei aber trotzdem aufmerksam. Jutta besetzt einen Stehtisch, an dem auch hohe Hocker stehen und ich drängle mich durch die Stammtrinker an den Tresen, um etwas zu bestellen. Sie bemerkt mich schnell und fragt: „What would you like, Honey?“

Delirium Bar

„Two Beer, please!“, sage ich. Hinter dem Tresen leuchtet in großen weißen LED Buchstaben „SERVICE FOR THE SICK“ . Mit zwei exzellent gezapften Bieren setze ich mich auf einen der Hocker an Juttas Stehtisch. Irgendwie kommt mir der Song vom DJ bekannt vor, doch noch fällt mir nicht ein von wem der wohl sein könnte. Dann habe ich es plötzlich. Das klingt verdammt nach Smoke Blow, doch etwas ist anders. Der DJ mixt da offensichtlich zwei unterschiedliche Songs zusammen. Das DJ Pult ist neben dem Eingang, also gehen ich da mal eben rüber, um ihn zu fragen, was er da gerade abspielt. Eine Vinylscheibe dreht sich vor ihm auf dem Plattenteller. Ich frage ihn, was wir gerade hören. Er versteht mich nicht so ganz und ich wiederhole meine Frage, diesmal etwas lauter. Währenddessen erkenne ich auf der Vinylscheibe SMOKE BLOW, aber nicht welche Kombination da gespielt wird. Er glotzt mich fragend an und schaut selber auf den Plattenteller. Ich frage noch mal nach, dicht an seinem Ohr: „Is that Smoke Blow?“ Nachdem er ein weiteres Mal auf die Schallplatte geschaut hat, bestätigt er: „Yeah, Smoke Blow!“

Restroom in der Delirium Bar

Irritiert darüber, dass der DJ in diesem Laden selber nicht weiß, welche Platten er auf dem Teller liegen hat, kehre ich zu Jutta an den Tisch zurück. Ob das eventuell mit dem Namen des Ladens zu tun haben mag, darüber kann ich nur spekulieren. Wir unterhalten uns noch etwas, hören laute Musik, trinken Bier und Wasser, jedem das Seine und dann haben wir auch bald genug und machen uns auf den Rückweg nach Hause. Bezahlt ist bereits alles, da ich hier jeden Drink sofort beim Bestellen zahlen musste.

Heimweg zum Zenanli Parkplatz

Draußen ist es bereits dunkle Nacht geworden und viele schräge Gestalten hängen noch in den Gassen und Seitenstraßen rum. Da ich mich selber ihnen zugehörig fühle, weil auch ich eine schräge Gestalt bin, kommen wir ohne Probleme zu unserem Parkplatz. Den Pincode für das Tor habe ich noch im Kopf. Ich tippe den Zahlencode ein, dann # und das Tor öffnet sich. Noch bevor wir LEMMY erreichen, hören wir, wie das Tor sich hinter uns schließt. Mit Erleichterung stellen wir fest, dass der schreiende Homeless Man weiter gezogen ist. Nun steht einigen Stunden erholsamen Schlafes nichts mehr im Wege. Cheers!

In the middle of the night

Auschecken müssen wir erst um 12 Uhr und die Zeit nutzen wir auch. Ich schlafe bis kurz vor zehn und bin ein bisschen verkatert. Der Morgenkaffee wird mich schon wieder hoch bringen. Wir frühstücken mit allem, was der Kühlschrank zu bieten hat. Kurz vor 12 sind wir dann startklar und beginnen den Tag mit dem Hippieviertel Haight Ashbury.

Zenanli Parking

Heute habe ich Glück und finde auf Anhieb einen freien Parkplatz an einer Parkuhr. Jutta kümmert sich um die Bezahlung, damit wir 2 Stunden Zeit haben hier zu bummeln. Wir stehen vor einem knallbuntem Candyshop. Hippies laufen hier nicht mehr viele durch die Straßen, aber Flair hat Haight Ashbury noch. Die Häuser sind schrill und bunt, so wie auch viele Leute, die hier unterwegs sind. Wir shoppen und schauen in diverse Läden rein. Jutta findet ein tolles T-Shirt für sich und einen Hippiebeercooler.

Haight Ashbury

Die alte Uhr, die draußen an dem Eckladen hängt, steht immer noch auf 16:20 Uhr. Das war vor elf Jahren schon so. Ich habe nie nachgeforscht, was es damit auf sich hat. An manchen Häuserwänden befinden sich tolle Graffiti, richtige Kunstwerke in meinen Augen. In Hamburg, Bremen oder Frankfurt finde ich so was nicht, da sehe ich nur, wie solche Kunstwerke übersprüht und verschandelt werden. Hier wird der Sprüher respektiert und seine Kunst wird geschätzt, so dass wir uns jetzt daran erfreuen können.

Forever 16:20

Wir schauen auch kurz in dem riesigen Plattenladen rein, den AMOEBA MUSIC Store. Leider weiß ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was mein Blonder für Schallplatten sucht. Er sammelt leidenschaftlich und ich komme erst in Canada drauf ihn mal zu fragen, ob ich nach was Bestimmtem suchen soll. Ich selber habe auch noch einige alte Scheiben auf Vinyl, so um die 200 werden es wohl sein (was für richtige Sammler natürlich nicht viel ist), aber die stehen sicher verwahrt auf dem Dachboden, genauso wie der Plattenspieler. Eines Tages werde ich sie wieder runter holen und auflegen. Im Laden liebäugle ich mit der Circle Jerks Skank Man Figur“, doch sie ist mir ein wenig zu teuer und im Auto habe ich eigentlich keinen Platz dafür.

Platten, Raritäten und mehr…

Ohne etwas zu kaufen verlassen wir Amoeba Music. Wir wollen uns noch das Haus anschauen, in dem Jimi Hendrix in den 1960iger Jahren einige Jahre gelebt hat und es ist auch nicht weit zu laufen. Das Haus ist rot und dreistöckig. Es geht lang nach hinten raus, vorne zur Straße ist es schmal. Unten im Eingangsbereich ist es vergittert und darüber sind 2 x 2 gewölbte Fenster mit Blick auf die Straße. Wer weiß, wie oft er da am Fenster gesessen hat um raus zusehen oder um Gitarre zu spielen. Teilweise sind die Fenstern zugehängt, als ob dort gerade renoviert wird oder jemand sehr lichtscheues lebt.

Jimi Hendrix House
Das Hendrix House im Spiegel

Wir haben inzwischen Hunger bekommen und wollen uns eine Pizza teilen. Es roch so gut aus dem Pizzaladen, an dem wir vorhin vorbei gelaufen sind. Dahin gehen wir jetzt, er heißt: Escape From New York PIZZA. Wir brauchen uns keine Pizza zu teilen, man kann sie schon als Viertel oder Halbe kaufen. Ich nehme eine Halbe mit Salami, der Klassiker. An den Wänden hängen überall unterschriebene Fotos von zufriedenen Kunden. Sieh mal an, auch Death Angel hat hier bereits gespeist. Wahrscheinlich hatten sie nach einem Auftritt hier in der Nähe noch Bock auf eine Pizza. Während ich so die Fotos betrachte und mich mit Jutta unterhalte, sind unsere Pizzas fertig und sie schmecken wirklich ganz vorzüglich. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so eine lecker Pizza gegessen zu haben. Sie bekommt 10 von 10 Punkten und mit dem prominentem Publikum muss ich schon sagen, „Escape From New York PIZZA rockt!“

„Escape From New York Pizza“
Best Pizza in Town!

Nach dem Lunch gehen wir noch rüber zu Janis Joplins Haus, es ist in einer Seitenstraße, nicht weit von hier.

Es ist in Altrosa gestrichen und sieht gepflegter aus und nicht so abgerockt, wie das Haus von Jimi Hendrix. Außerdem wird es gerade zum Kauf angeboten. Wir halten uns nicht lange auf und schlendern langsam zurück zum Auto. Auf dem Weg sehen wir viele skurrile Läden und zum Teil extravagante Architektur. Ein Haus hat Zinnen, Türmchen und ist farbenfroh angemalt. Woanders ragen zwei lange überdimensionierte Beine mit Netzstrümpfen und roten Schuhen aus dem Fenster.

Hippieviertel

Überall gibt es was zu entdecken und ein Graffiti ist schöner als das andere. Von einer Wand lacht uns Janis Joplin an, Jimi Hendrix ist neben ihr und auf der anderen Seite noch jemand, der mir bekannt vorkommt. Aber ich komme nicht darauf, wer das sein könnte. Jutta weiß es leider auch nicht. Von einem Grass-Laden schaut ein entspannt rauchender Robin Williams auf die Passanten herab.

Graffiti Art / Who is the Guy on the right side?

Wir finden LEMMY unversehrt vor und die Parkuhr ist noch nicht ganz abgelaufen. Nächster Punkt auf der Tagesordnung: „Durch die Lombard Street fahren.“

Haight Ashbury

Jutta navigiert mich weiter sicher durch die Straßen von San Francisco und wie es zu erwarten war, sind etliche Touristen schon vor uns in der Lombard Street. Allerdings ist nur ein einziger PKW vor uns, damit habe ich nicht gerechnet. Ich befürchtete eine lange Schlange an Autos vor mir. Eine Menge Fußgänger sind links und rechts der Straße unterwegs, aber die stören mich nicht. Das man hier mit so einem großen Camper wie LEMMY auch gar nicht unbedingt durchfahren sollte, müssen wir eben einfach mal ausblenden. Was nervt ist dieser Kleinwagen vor mir, der fast von den Spaziergängern überholt wird. Na ja, da muss ich jetzt durch. Wir kippen über die Kante vor uns und steil schlängelt sich die Straße nach unten.

Haight Ashbury San Francisco

Die Anwohner in diesen schönen Häusern mit den gepflegten kleinen Gärten in der Lombard Street werden nicht begeistert sein, ständig die Straße voller Touristen zu haben. Oder aber sie sind stolz darauf den Menschen aus aller Welt ihre Gärten zu präsentieren, denn sie sind alle wunderhübsch angelegt. Ich versuche ruhig zu bleiben, wegen dem Schleicher vor mir, aber unten angekommen platzt es dann doch aus mir heraus. Eine große Traube an Leuten steht auf der gegenüberliegenden Straßenseite und guckt rüber zu uns. Fast alle machen Fotos mit ihren Handys, manche haben auch große Kameras dabei, zum Teil auf einem Stativ.

Haight Ashbury Graffiti

„Was ist denn jetzt, du Idiot?“, schimpfe ich vor mich hin, weil der Kleinwagen vor mir nicht in die Gänge kommt. „Es kommt nichts, die Straße ist frei, nun fahr doch endlich!“ Er hört mich natürlich nicht, trotzdem kommt er langsam in Bewegung und biegt links ab. Ich fahre aus Prinzip rechts rum, um mir etwas Luft zu verschaffen. Jutta versucht mich etwas zu beruhigen. Ich komme langsam wieder runter und frage: „Wo geht es jetzt lang?“

LEMMY in SF, im Hintergrund der Pyramid Tower

Wir fahren zu einer sehenswerten Treppe aus Mosaiksteinen, die ein nettes Fotomotiv darstellt und weiter geht es noch vorbei am Pyramid Tower und zur Powell & Mason Station, da wo die alten Straßenbahnwagen von Hand gedreht werden.

Wehmütig verlassen wir San Francisco, eine der großartigsten Städte auf diesem Planeten. Ein letztes Mal noch durch den Presidio Tunnel und ein letztes Mal noch über die Golden Gate Bridge Richtung Norden, immer auf der Route No. 1 dicht am rauen Pazifik entlang.

„Bye bye San Francisco!“
Route No. 1
Pacific Ocean

…und was als Nächstes geschieht…

CHAPTER X – REISE IN EINE PARALLELWELT oder EIN TRIP NACH TWIN PEAKS

… und wie schmeckt eigentlich der Kaffee im Double R Diner?