CHAPTER 19 – Durch Texas nach New Mexico

… von extraterrestrischem Leben in Roswell und einer UFO Sichtung über Santa Fe

Wir rollen über texanischen Asphalt und es regnet. Ich wünschte, ich könnte es mit Sailors Worten sagen, die er zu Lula spricht. Lula fährt gerade den Wagen im Lynch Film „Wild At Heart“ und Sailor sagt grinsend vom Beifahrersitz ihr zugewandt: „Gib Gummi Baby, du bist heißer als der Asphalt von Georgia!“

Aber jetzt fährt keine Lula. Ich sitze am Steuer und heiß ist der Asphalt auch nicht. Außerdem sind wir nicht mehr in Georgia, sondern in Texas. Es ist der 25. Februar 2022.

Unser Ziel ist der Garner State Park. Da die Strecke zu weit ist um durchzufahren, übernachten wir in Baytown, kurz vor Houston.

Santa Fe Graffiti

Es gibt auch wieder etwas zu diskutieren. Nach dem intensiven Erlebnis auf der Whitney Plantage kommen wir erst am Nachmittag richtig los. Ich möchte nun aber mit nur einer Zwischenübernachtung den Garner State Park erreichen. Das wird aber sehr schwierig, wenn wir heute keinen langen Fahrtag machen. Jutta mag es allerdings nicht so gerne, wenn wir spät irgendwo ankommen. Ich sage: „Es ist doch ganz egal, um welche Uhrzeit wir den Zwischenstopp einlegen und finden werden wir immer etwas. Wir sind hier nicht mehr in der Türkei oder in Georgien, wo man damit rechnen muss, dass unbeleuchtete Fahrzeuge nachts unterwegs sind oder sich unvermutet riesige Schlaglöcher auftun.“

Sie lässt sich darauf ein und wir fahren erstmal auf unbestimmte Zeit weiter.

Es stellt sich sogar als sehr angenehm heraus am Abend zu fahren. Erstens ist viel weniger Verkehr um die Ballungsgebiete herum und zweitens ist eine sehr angenehme Stimmung im Auto, wenn draußen alles dunkel wird und im Radio nette Musik läuft. Wir unterhalten uns gut und haben eine gemütliche Fahrt durch das nächtliche Texas.

In Baytown ist dann aber auch gut mit Fahren und am nächsten Tag sollten wir den Garner State Park erreichen.

Nach Houston wollte ich immer schon. Da gibt es in Downtown eine ganz besondere öffentliche Toilette. Die habe ich mal irgendwo abgebildet gesehen. Das wäre eine tolle Ergänzung für meine Klofotosammlung in unserem Gäste-WC im Waterhole. Diese Public Toilet ist ein Quader und besteht komplett aus verspiegeltem Glas. Das Verrückte daran ist, dass man von Innen ALLES sieht, was außen um Einen herum geschieht. Was das wohl für ein Gefühl ist? Dort sein Geschäft zu erledigen, während draußen evtl. jemand seine Frisur im Spiegel überprüft und genau zu dir schaut. Das habe ich mich immer schon gefragt. Leider finde ich keinen einzigen Eintrag im Internet, wo der genaue Standort dieser Toilette ist und Jutta will sowieso weiter in den State Park.

Da ich nicht besonders motiviert an die Sache gehe, bleibt das Ergebnis negativ und wir fahren an Houston vorbei.

Pueblo Architektur

In Texas dürfen wir schneller fahren, als in allen anderen Bundesstaaten zuvor. Vielleicht noch ein Wildwestüberbleibsel? Wir lassen Houston hinter uns. Auf dem stark befahrenen 6-spurigen Highway wird gerade ein LKW abgeschleppt. Er ist direkt vor uns. Aber da er rückwärts gezogen wird, glotzt er mich böse an mit seinen runden gelben Augen und das riesige, verchromte Kühlergrill sieht aus, als wären es fletschende Zähne. Ein beängstigender Gedanke, wenn so ein Ungetüm plötzlich auf dich zurast. Ich gehe ein wenig vom Gas und lasse den Abstand zwischen uns etwas größer werden.

Jutta fragt: „Hat Earl sich eigentlich mal wieder gemeldet?“

Earl ist ein Cousin von mir, von dem ich noch nicht allzulange weiß, geschweige denn, dass wir Cousins sind. Er hat mir vor Jahren schon eine Freundschaftsanfrage auf Facebook geschickt und hin und wieder hat er was von mir geliked oder auch mal kommentiert. Wenn ich z. B. gepostet habe, dass ich in Hamburg auf einem Konzert bin oder so. Er heißt Earl Godt und lebt in Washington, auf Vashon Island, nicht weit von Seattle entfernt. Seit unserer THE WÖRLD IS YOURS TOUR nimmt er regen Anteil und folgt mit großem Interesse unserer Reise. Besonders allerdings, seit wir mit dem Flugzeug nach Kanada geflogen sind und LEMMY mit dem Containerschiff nach Halifax geschickt haben. Earl ist tagtäglich mit dabei und ich freue mich über sein Interesse. Als wir an Portland vorbei gefahren sind, hat er mich angeschrieben und gefragt, ob wir bei Portland/Maine sind oder bei Portland/Oregon? Er wohnt nicht weit weg von Portland/Oregon und wir seien jederzeit herzlich willkommen. Ich bin mir ganz sicher, er wusste ganz genau, dass wir bei Portland/Maine waren, an der Ostküste. Aber er wollte die Gelegenheit nutzen eine indirekte Einladung auszusprechen.

Ich schrieb ihm also zurück, dass wir in Maine sind, aber im weiteren Verlauf unserer Tour nach Oregon an die Westküste kommen und auch nach Washington. Er bekräftigte seine Einladung und ich nahm dankend an.

„Ja, hat er.“, sage ich. „Er schreibt, dass er im April für eine Woche auf Hawaii ist. Er fliegt mit seiner Frau zu deren Schwester. Vom 15. bis zum 22. April sind sie nicht Zuhause. Davor und danach können wir jederzeit kommen.“

Seit wir New Orleans und Louisiana verlassen haben (the German Coast, wie es damals zu Zeiten des Sklavenhandels hieß), hat uns der Frühling eingeholt. Nach subtropischen Temperaturen auf den Keys und in den Everglades und nach einem kurzen Sommer in NOLA ist es merklich kühler geworden, seit wir durch Texas fahren. Wir erleben jetzt zum zweiten Mal in diesem Jahr den Frühlingsanfang. Gar nicht schlecht, könnte man denken, wenn das Jahr gerade erst begonnen hat und wir noch Februar haben. Aber der Frühling wird auf unserer weiteren Tour immer wieder von vorne beginnen. Und wenn wir denken, jetzt ist er endgültig vorbei und der Sommer startet durch, dann kommt er wieder um die Ecke. Wieder und wieder und wieder…

Lunchpause machen wir am Highway. Es wird schon immer gut lesbar vorher auf großen Schildern dafür geworben, was die nächste Abfahrt alles zu bieten hat: Taco Bell, A&W, Dunkin Donut, Gas & Diesel usw.

Roswell

Wir gehen in einen großen Tankstellenshop, der keine Wünsche offen lässt. T-Shirts, Kampfmesser, Souvenirs und selbstverständlich auch was das Autofahrerherz und den Trucker erfreut. Sogar eine Buffettheke mit warmen Gerichten gibt es. Ich wähle das Crispy Chicken, einmal spicy und einmal regular. Jutta isst immer öfter vegetarisch seit wir in Nordamerika angekommen sind. Nicht 100 % konsequent, aber doch viel mehr als ich ursprünglich geglaubt habe. Entsprechend fällt ihre Wahl hier aus. Wir nehmen alles mit und essen im Auto. Dann geht es weiter, vorbei an San Antonio in Richtung El Paso. Doch lange vor El Paso kommen wir im weitläufigen Garner State Park an. Da dieser Park wirklich riesig ist, können wir ohne Problem einchecken und für drei Tage bleiben. Er ist nicht jetzt schon komplett ausgebucht, hier scheint die Saison später zu starten. Wir entscheiden uns für eine geräumige Campsite nah am Fluss. Ein Bündel Feuerholz wird noch mitgenommen und drei Tage Natur pur stehen an.

Zuerst gibt es Kaffee. Je nach der Uhrzeit, wann man irgendwo ankommt, variiert meine Wahl. Hier und heute finde ich es noch zu früh, um mir ein Bier aufzumachen. Dafür ist noch reichlich Zeit. Jetzt wollen wir uns erst mal akklimatisieren. Von der Größe des State Parks konnten wir uns schon beim Reinfahren überzeugen. Die Nachbarn um uns herum sind alle weit weg, keine anderen Camper sind in unmittelbarer Nähe. Ich bereite das Lagerfeuer vor und sammle noch kleine Äste und Zweige als Starthilfe, Grillanzünder brauche ich nicht. Größere Holzstücke, die lose rumliegen nehme ich auch gerne mit. Eine Axt und eine kleine Säge habe ich dabei, um sie lagerfeuertauglich zu bearbeiten. Ich bekomme noch den Auftrag eine Wäscheleine zu spannen, Jutta hat Wäsche gemacht. Nach dem Kaffee in unserem neuen Camp machen wir noch einen kleinen Spaziergang runter zum Frio River und zu einem nahegelegenen Aussichtspunkt. Den Trail auf den Berg und durch den Wald verschieben wir auf morgen. Den Abend lassen wir gemütlich am Lagerfeuer ausklingen. Dazu gibt es einige kleine Biere, bevor wir glücklich und erschöpft zu Bett gehen.

…just arrived, Garner State Park

Der nächste Tag beginnt nicht so toll. Wir erfahren was in der Ukraine los ist und sind entsetzt. Putin hat seine russischen Truppen in den Krieg geschickt. Das macht uns besorgt und betroffen zugleich. Wir erkundigen uns bei unseren Nachbarn Olha und Carsten, wie es ihnen geht und besonders Olhas Eltern, die in der Ukraine leben.

Olha hat große Angst um ihre Eltern und es geht allen sehr schlecht mit der Situation. Die Eltern leben in Sumy und dieses Gebiet ist besonders betroffen. Noch gibt es leider keine Fluchtkorridore, doch Olha ist fest entschlossen, ihre Eltern sobald es geht, aus dem Krisengebiet rauszuholen. Jutta und ich sind uns sofort einig und bieten unser Haus als Unterkunft an. Ohla lehnt zunächst mal ab. Da kann man später immer noch drüber nachdenken, wenn sie erst mal sicher in Deutschland angekommen sind. Wenigstens kann sie täglich mit der Mutter telefonieren, ihr Anbieter übernimmt die kompletten Kosten für alle Anrufe in die Ukraine.

Wir versuchen das alles so gut es geht auszublenden und fühlen uns hilflos. Mit Bauchschmerzen starten wir in den Tag.

Auf Facebook sehe ich immer mehr Ukraine Flaggen auf den Profilbildern und lasse mich inspirieren, ein Foto, das ich hier im Park aufgenommen habe, zu bearbeiten. Das Motiv ist ein blauer Himmel über trockenem, beigem Gras und vertrockneten Büschen. Ich verstärke die Intensität der Farben so stark, dass mein Bild wie die Ukraine Flagge aussieht. Oben blau und unten gelb.

Uns erreichen auch diverse Nachrichten aus Deutschland, wir sollen froh sein, dass wir so weit weg sind. Froh macht es mich allerdings nicht, (in der Situation) weit weg zu sein. Aber vielleicht es ist tatsächlich einfacher für uns, das alles etwas aus unserem Kopf zu verdrängen, beiseite zu schieben. So wie wir bzw. ich es schon bei Corona gemacht habe. Ich, der Meister des Verdrängens, kann das.

Wenigsten kurzzeitig.

Wir machen das Beste draus und gehen wandern. Es gibt einen schönen Trail hier im Park, rauf auf einen Berg, durch Waldgebiet und eine neue Vegetation. Zwischen den Felsen wachsen hier sogar kleine Kakteen, die mich eher an Mexico erinnern als an Texas. Aber ich war zuvor auch noch nicht in Texas.

Texas Flora

Bisweilen ist es etwas beschwerlich, weil es steil nach oben geht, aber Jutta hat ihre Wanderstöcke dabei. Kurze Passagen müssen dann auch schon mal geklettert werden und oben am Berg ist sogar eine kleine Höhle, die ich mir auch von innen anschaue. Jutta lässt sich berichten wie es war. Auf solche Kletter-Exkursionen hat sie keine Lust, wenn sie sich vermeiden lassen. Der Rundumblick von ganz oben ist schon toll. Wir sehen, wie sich der Fluss durch das Tal schlängelt und wie der Frühling den Winter verdrängt. Die anderen Camper sind zwischen den Bäumen da unten kaum zu sehen. Auch LEMMY ist verdeckt unter einem Blätterdach, aber die Campsite können wir von hier oben ungefähr ausmachen.

Wie immer vergehen die Tage schnell. Ich arbeite an meinem Blog und bin mittlerweile bei der Rückreise aus Georgien durch die Türkei, Bulgarien, Rumänien usw. angekommen, auf der Rückreise ins Waterhole. Leider konnte ich noch immer nicht aufholen und etwas tagesaktueller schreiben. Mehr als zwei Chapter pro Monat werde ich kaum schaffen, aber egal. Dann ist es eben so. Es soll ja auch keinen Stress bereiten, sondern Spaß machen. Und das tut es, es macht Spaß, besonders an Orten wie Diesem. Für die drei Tage haben wir alles was wir brauchen vorher eingekauft. Es gibt eine Feuerstelle direkt am Platz, in der Nähe ist ein Fluss. Das inspiriert mich und ich schreibe bereits am Tag und dann noch die Nacht durch. So kann ich auch den Scheiß, der in Europa passiert, ein wenig vergessen.

Coffee & Cookies

Unseren Nachmittagskaffee genießen wir am Frio River. Dazu nehmen wir die kleinen Stühle mit, ein kleines Beistelltischchen, das eigentlich ein Klapphocker ist, die Kaffeemugs und ein paar Kekse. Das Wasser ist kristallklar, aber eiskalt. Die Bäume vom gegenüberliegenden Ufer spiegeln sich auf der Wasseroberfläche. Wir planen grob, wie es weiter gehen soll. Der nächste Halt wird in Roswell sein und von dort wollen wir nach Santa Fe weiter fahren. Das heißt, morgen werden wir Texas verlassen und New Mexico erreichen.

„Wenn wir morgen wieder auf der Straße sind, müssen wir dringend tanken!“, sage ich zu Jutta.

somewhere in Texas
Diesel für LEMMY

Mit vollem Tank und einer ungefähren Reichweite von mehr als 900 Kilometern fahren wir über endlose und wenig befahrene Highways. In New Mexico ändert sich die Landschaft langsam und fließend zu immer mehr Steppe. Die Bäume und Felder aus Texas weichen einer wüstenartigen, unendlichen Weite. Die Sonne strahlt von einem blauen Himmel auf uns herab und vom Stick läuft Tito & Tarantula/After Dark, besser geht es nicht.

Doch, es geht noch besser. Je nach Windrichtung rollen immer wieder diese runden, vertrockneten Grasballen (Tumbleweed, Steppenläufer) über die Straße, mal von links, dann wieder von rechts. Wir sind in unserem eigenen Roadmovie, mit einem geilen Soundtrack unterwegs in New Mexico. Perfekt wird das ganze Bild, als die Sonne untergeht und sich ein rot glühendes Band zwischen Himmel und Erde schiebt. Dafür muss ich dann auch mal kurz anhalten, um ein Foto zu schießen.

New Mexico

Wir genießen die Einsamkeit und diese Weite, denn über Stunden kommt nicht eine Ortschaft in unser Sichtfeld, nicht eine Tankstelle. Nur ein paar Trucks begegnen uns gelegentlich oder auch mal ein Pickup.

Erst am Abend kommen wir in Roswell an, es ist bereits total dunkel. Wir suchen nur noch unseren Overnight Stellplatz an einem Einkaufscenter auf und verschieben alles Weitere auf morgen.

Das Roswell „Welcome Sign“ ist natürlich ein „Must Do“ für mich. Das erledigen wir als Erstes. Wir fahren durch den Ort und alles, wirklich alles ist im Zeichen der Aliens. Jeder Laden hat etwas mit extraterrestrischem Leben zu tun. Jedes Geschäft hat einen Außerirdischen vor der Tür oder ein entsprechend dekoriertes Schaufenster. Die Straßenlaternen sind designt wie die Köpfe von Aliens und McDonalds sieht aus wie eine fliegende Untertasse.

McFlight?

An vielen Gebäuden befinden sich bunte Graffiti mit Raumschiffen und Weltraummotiven. Auch der „Roswell-Vorfall“ ist als Graffiti an die Wand gesprüht. Was genau der „Roswell-Vorfall“ ist, das erfahren wir im Museum. In das Museum gehen wir auf jeden Fall, bevor wir heute noch weiter fahren nach Santa Fe. Aber erst muss ich meine Fotos vom „Welcome Sign“ machen. Der Einfachheit halber und damit wir hier nicht ein zweites Mal herfahren müssen, mache ich gleich alle Bilder auf einmal. Also das Roswell „Welcome Sign“ von vorne und dann noch das Roswell „Goodbye Sign“, das sich praktischerweise auf der Rückseite befindet und nicht etwa am Ortsausgang.

UFO Hauptstadt

Im Museum erfahren wir was sich damals, im Jahr 1947, auf einer Farm abgespielt hat und was als so genannter „Roswell-Vorfall“ gilt. Bevor wir hinein gehen, lasse ich mich von Jutta zwischen zwei Aliens in der Wüstenkulisse fotografieren.

Meine neuen Cousins Laurel & Hardy

Earl wird dieses Foto später auf Facebook kommentieren. „Sind das deine neuen Freunde?“ Er setzt einen lachenden Smiley dahinter.

Und ich werde antworten: „Nein, das sind meine beiden neuen Cousins Laurel und Hardy!“ Auch ich füge einen Smiley hinten an.

Wir gehen hinein und stellen sehr schnell fest, was wir selbstverständlich vorher schon wussten. Hier ist vieles nicht ganz ernst gemeint. Dieses Museum ist zur Unterhaltung da und das funktioniert auch ganz gut, nicht nur bei den Kleinen. Natürlich klärt es auch auf und widerlegt die Verschwörungstheorien.

Museum Roswell

Es bleiben aber auch Fragen offen, was extraterrestrisches Leben angeht. Beispielsweise gibt es Aufnahmen von uralten Höhlenzeichnungen, auf denen vermeintlich Außerirdische abgebildet werden. Wir sehen auch eine riesige, aus Holz gefertigte Schnitzarbeit der Maya, auf der es so aussieht, als ob dort ein Mayahäuptling in einem Raumschiff sitzt. Er nimmt genau so eine Sitzposition ein, wie es die modernen Astronauten heutzutage tun. Dann kommen wir in einen Laborbereich. Hier werden die Aliens, wie wir sie uns vorstellen, untersucht. Sie liegen auf Pritschen und Ärzte in weißen Kitteln stehen drum herum. Nebenan werden sie in einen Kernspintomografen geschoben und in riesigen Einweggläsern konserviert. So ähnlich, wie wir es vor kurzem im House Of Death in New Orleans gesehen haben.

help me….

Sogar eine Bibliothek gibt es hier. Alles dreht sich um Roswell und außerirdisches Leben, um Ufos und angebliche Sichtungen von unbekannten Flugobjekten. Es gibt Berichte zu lesen von Leuten, die behaupten entführt worden zu sein. Für eine Zeit, so behaupten sie, waren sie an Bord von fremdartigen Raumschiffen und wurden danach unbeschadet nach Hause gebracht. Nichts davon ist jemals bewiesen worden.

Der Roswell-Vorfall

Hier stehen auch Regale mit meterweise weißen Kartons mit blauen Schildern. Hierin befinden sich dieAkten vom „Roswell-Vorfall“.

Es heißt, der Vorfall wurde als „die berühmteste, am gründlichsten untersuchte und am gründlichsten widerlegte Ufobehauptung der Welt“ beschrieben.

Der „Roswell-Vorfall“ ereignete sich 1947 bei einer Ranch in der Nähe von Corona, Lincoln County, New Mexico. (Koordinaten 33°58,1’N 105°14,6’W).

Im Grunde ging es dort um die Bergung von Ballontrümmern durch Offiziere der United States Army Air Forces.

Am 8. Juli 1947 gab Roswell Army Airfield eine Pressemitteilung heraus, in der es hieß, dass sie eine fliegende Scheibe geborgen hätten. Die Armee zog diese Aussage allerdings schnell zurück und sagte stattdessen, dass das abgestürzte Objekt ein herkömmlicher Wetterballon sei.

…ist das außerirdisch?

Erst viele Jahre später, Ende der 1970er tauchte der „Roswell-Vorfall“ wieder auf. Als der mittlerweile pensionierte Oberstleutnant Jesse Marcel mit dem Ufologen Stanton Friedman sprach und ihm erzählte, er glaube, die von ihm gefundenen Trümmer seien außerirdischen Urspungs.

Das war natürlich ein gefundenes Fressen für alle Ufologen und etliche Verschwörungstheorien sind entstanden. Es seien Raumschiffe abgestürzt und das Militär beteilige sich an der Vertuschung.

Noch 1994 veröffentlichte die United States Air Force einen Bericht, indem das abgestürzte Objekt als Atomtest-Überwachungsballon von Projekt Mogul identifiziert wurde.

Ein weiterer Bericht, der 1997 veröffentlicht wurde, erklärte, dass die Geschichten über „Körper von Außerirdischen“ wahrscheinlich von Testdummies stammen, die aus großer Höhe abgeworfen wurden. Nachlesen kann man alles über den „Roswell-Vorfall“ z.B. auf Wikipedia.

Das wir schon in kürzester Zeit selber Zeuge eines unglaublichen Ereignisses werden, davon ahnen wir jetzt noch nichts.

Der Besuch in diesem unterhaltsamen und spannenden Museum hat sich für uns absolut gelohnt. Es war sehr interessant und aufschlussreich. Möge jeder selber für sich entscheiden auf welche Seite man sich stellen will. Zu den Ufologen und Alienfans oder zu den Kritikern und Zweiflern.

Roswell gibt darauf eine eindeutige Antwort: „We Believe!“

Was ist mit Dir? „Do you believe?“

Für uns geht es nun weiter nach Santa Fe. In die Stadt mit den schönen Häusern, gebaut im Pueblo Stil, den ich so mag.

Aber vorher geht es rauf auf die Straße, auf die Interstate und durch traumhafte, einsame, ja menschenleere Wüstenlandschaften. Begleitet wird die Fahrt durch coole Roadmusik von meinem Stick. Mir kommt ein Song in den Sinn, den ich kürzlich gehört habe.

Der Song ist von Johnny Hobo and the Fraight Trains

Und Johnny singt:

And now he’s driving us

100 miles an hour down the interstate

Another beer in his hand

Swearing we won’t be late.

That was before everyone moved to New Mexico.

They all left a couple of month ago

Until the day my friend

When I sleep on the floor of your van again

I’ll be waiting in this parking lot,

And in my dreams , I am dirty broke, beautiful, and free.

My hands clenched in a fist, and my face in a smile,

After hitching to many miles.

So fahren wir dahin, durch diese endlose Weite, down the Interstate, 100 miles an hour…

Campsite in Santa Fe

….bis wir in Santa Fe ankommen.

Wir wählen einen Stadtcampingplatz, der ist relativ zentral und bietet ein gutes Preis/Leistungs- Verhältnis. Auf dem Weg dorthin bekommen wir bereits einen kleinen Eindruck von den im Pueblo Stil erbauten Häusern. Sollte ich mal richtig zu Geld kommen, dann würde ich mein nächstes Haus im Pueblo Stil bauen. Irgendwo an einem Bergsee. Unten am Wasser hätte ich einen kleinen Steg, raus auf den See. Daneben ein Bootshaus mit einem kleinen Motorboot. Im Wohnzimmer müsste ein Kamin sein und ein großes Fenster mit Blick auf den See.

Na ja, ein kleines rollendes Expeditionsmobil mit einem Zimmer, Küche, Bad haben wir ja schon und manchmal stehen wir auch an einem schönen Bergsee damit. Aber jetzt sind wir in Santa Fe, haben uns entschieden diese Stadt in New Mexico anzuschauen. Allerdings erst morgen. Für heute ist es bereits zu spät. Für einen Kaffee ist es allerdings noch nicht zu spät. Das Auto ist geparkt auf unserem Stellplatz und ich breite draußen auf dem dazugehörigen Tisch unsere Landkarten aus. Wir müssen mal wieder einige Entscheidungen treffen, denn es gibt viele Optionen, wie es weiter gehen könnte.

Mit einem frisch gebrühten Kaffee und dem Blick auf die Landkarte überlegen und diskutieren wir, was wir als Nächstes wollen. Jutta ist auf dieser Reise mehr damit beschäftigt im Reiseführer zu lesen, als ich es bin. Das ist bei den vergangenen Reisen eher andersrum gewesen. Ich habe die Reiseführer fast komplett durchgelesen, schon bevor wir in den Flieger oder in das Auto gestiegen sind. Weil ich jetzt aber mental vollkommen auf meinen Blog fokussiert bin, habe ich Jutta gebeten diese Sache zu übernehmen. So kann sie mir auch zu allen möglichen Richtungen was erzählen, was die Entscheidungsfindung aber nicht einfacher gestaltet.

Eine Möglichkeit wäre straight nach Norden zu fahren, Richtung Denver. Auf dem Weg liegt Taos, das wollte ich gerne besuchen. In der Nähe von Taos Pueblo leben die Nachfahren der Anasazi Indianer. Es ist die älteste ununterbrochen bewohnte Siedlung des amerikanischen Kontinents. Die Taos Indianer leben bis heute in den bis zu 800 Jahre alten Pueblos. Das sind mehrstöckige Gebäude in Terrassenbauweise, gebaut aus Lehmziegeln.

Der Great Sand Dunes N. P. und die Royal Gorge ist ebenfalls vor Denver. Leider ist Taos aber für Besucher gesperrt, wegen dem verdammten Virus. Da wir Taos also nicht besuchen können, fällt diese Route bei unserer Wahl durch.

Die nächste Möglichkeit wäre es direkt nach Westen zu fahren, da wollen wir sowieso hin. Los Angeles ist nicht mehr ganz weit weg. Vorher würde aber der Grand Canyon und die alte Route 66 auf dem Programm stehen.

Die dritte Variante, die wir beratschlagen, ist in der Mitte Richtung Nord-Westen.

Wir sehen auf einer unserer Karten ein beeindruckendes Bild von einem Arch, aufgenommen im Arches N. P.. Das Bild ist dermaßen imposant, dass wir uns für den Weg nach Nord-Westen entscheiden in den Arches N. P..

Dann können wir unterwegs noch in Los Alamos Halt machen. Den Grand Canyon und die Historic Route 66 verschieben wir um ein paar Tage nach hinten. Die Kaffeebecher sind geleert und die nächste Etappe steht, Check!

Jetzt darf ich mir auch ein Bier aufmachen.

Am Morgen nach dem Frühstück will ich die Fahrräder vom Gepäckträger holen. Jutta tüdelt drinnen noch rum und ich entferne die Schutzplane von den Bikes. Die Reifen sind alle ok, aber ich kann die Pedalen nicht bewegen. Was ist das denn jetzt? Ich stelle mit Erschrecken fest, dass die Ketten von beiden Rädern vollkommen rostig und steif sind. Ich überlege, wann wir wohl das letzte mal auf den Rädern im Sattel gesessen haben. „In Amerika noch nicht.“, denke ich mir „also wann dann?“ Es muss in Cirali in der Türkei gewesen sein. Ja, ich erinnere mich. Es war etwa Ende November, auf dem tollen Campingplatz in Cirali, wo Güler und Murat immer ihre Sommerferien verbringen. Dort hatte ich die Bikes auch vom Träger geholt, um sie zu waschen und um durch den Ort zu radeln. Das ist jetzt gut drei Monate her. Danach haben wir noch reichlich Staub aufgewirbelt und es gab inzwischen Regen, Schnee und Eis.

Service Point Santa Fe

Wie gut, dass ich noch eine Dose WD 40 dabei habe. Ich sprühe die beiden Fahrradketten gründlich ein und versuche die Pedalen zu bewegen. Geht nicht. Nichts rührt sich. Ich bewege die Glieder mit den Fingern auf und ab, Stück für Stück und versuche so, die Beweglichkeit wieder herzustellen. So arbeite ich mich langsam vor und es wird etwas besser. Jetzt nehme ich meinen Schlauch und schließe ihn am Wasserhahn an, um den gelockerten Dreck aus der Kette zu spülen. Mit größtmöglichem Druck spritze ich das Wasser auf die Kette. Es wird etwas besser. Ich trockne alles ab und beginne mit WD 40 von vorne. Nach mühevoller Fleißarbeit geht es dann ganz gut mit dem Drehen der Pedalen. Zeit für eine Probefahrt über den Campingplatz. Es ruckelt noch und knirscht, aber es wird weniger und ich merke wie das Öl nach und nach seine Wirkung zeigt. Ich sprühe ein weiteres Mal nach, steige wieder auf und verkünde froh im Vorbeifahren: „Kannst raus kommen, wir können gleich los!

Pueblo Style

Mit einem kleinen Rucksack auf dem Rücken und einer Wasserflasche am Bike geht es dann los. Eine leichte Jacke und ein Pulli reicht aus, an diesem sonnigen Tag. Den Weg haben wir uns vorher auf der Karte angesehen. Es geht an einem ausgetrockneten Flussbett entlang. Ein schöner Weg für Fahrräder und Spaziergänger. Um Santa Fe herum sehen wir die großen, zum Teil noch schneebedeckten Berge in der Ferne. Sogar hier liegt im Schatten der Mauern noch Einiges an Schnee.

Snow, in the shadow…

Auf dem Weg ins City Center sehen wir schon einige schöne Pueblo Häuser, viele nette Graffiti an Mauern und Wänden und ausgedörrte Büsche im vertrocknetem Flussbett. Froh über etwas Bewegung auf dem Rad, an so einem wundervollen Tag, kommen wir schließlich in Downtown an. Ein weiteres Fähnchen auf meiner Weltkarte in der Küche vom Waterhole ist gebongt.

Santa Fe umgeben von Bergen

Die Bikes werden an einer Laterne angeschlossen und zu Fuß geht die Erkundung weiter.

Wir befinden uns genau im Zentrum, inmitten eines kleinen quadratischen Parks. Um uns herum sind einige Geschäfte, eine alte Kirche, das Museum of Native Art und auch ein paar Restaurants und Bars. Einige Natives verkaufen hier am Rande des Parks, unter einem Säulengang, ihr Kunsthandwerk. Bevor wir zum Lunch gehen, schauen wir uns etwas um. Was wir dann in der Lunchpause erleben werden, das wird uns und alle Anderen um uns herum, staunend und mit vielen unbeantworteten Fragen zurück lassen.

Santa Fe Church

Zuerst besichtigen wir die kleine Kirche, dann bummeln wir an den Verkaufsständen der Natives vorbei, um danach noch ein wenig durch die Seitenstraßen zu spazieren.

Shopping

In der alten Trading Post vermutet Jutta was zum Stöbern und wir müssen da noch eben rein. Ich bin schnell durch mit dem Sortiment und schaue etwas gelangweilt durch das Schaufenster über die Straße. Da sehe ich eine Bikerbar direkt gegenüber, die mir vorher nicht aufgefallen ist. Ursprünglich wollte ich heute Abend in die „The Matador Bar“, aber die Kneipe gegenüber sieht auch nicht schlecht aus. Jutta ist irgendwann dann durch mit den Artikeln im Trading Post Store und wir sind hungrig und haben Lust auf mexikanisches Essen. Links oben am Park haben wir bereits ein Restaurant entdeckt, das außen eine schöne Terrasse bietet. Denn wir wollen bei dem tollen Wetter nicht drinnen sitzen. Ich wähle die Chicken-Enchiladas und ein großes Modelo Beer. Jutta nimmt die Enchiladas in der vegetarischen Variante und einen frisch gepressten Saft.

…beim Mexicaner um die Ecke…

Das Essen ist vorzüglich und unsere Stimmung ist bestens.

Die Route für die nächsten Tage steht, das Wetter ist hervorragend. Santa Fe ist eine tolle Stadt, die uns auf Anhieb super gut gefällt und wir sind im Augenblick wunschlos glücklich. Ich erzähle Jutta von der Biker Bar, die ich aus dem Schaufenster gesehen habe und biete an, nur dort noch etwas zu trinken, bevor es mit den Rädern zurückgeht. Damit es auch nicht zu spät wird und wir noch bei Tageslicht auf unserem Camp ankommen.

„In die Matador Bar müssen wir meinetwegen dann nicht noch unbedingt rein.“, sage ich zu Jutta.

Dann geschieht etwas Seltsames. Wir sind mit dem Essen fertig, aber unsere Getränke haben wir noch nicht ganz ausgetrunken. Die Leute auf der Straße schauen alle nach oben. Manche zeigen mit der Hand in Richtung Himmel, als ob es dort was zu sehen gäbe. Es bilden sich kleine Menschentrauben und sie bleiben auf der Straße stehen und richten den Blick nach oben. Es werden immer mehr und ich blicke auch nach oben, sehe aber nur den schattenspendenden Sonnenschirm über mir. Jutta sieht mich irritiert an, wundert sich darüber, dass ich plötzlich so verwundert dreinschaue. Kein Wunder, alles spielt sich hinter ihrem Rücken ab. Sie sieht nicht, was ich gerade sehe. Ich stammle vor mich hin: “Da muss irgendwas los sein, da am Himmel…“

…what the fuck…

Ich stehe auf von unserem Tisch und gehe zu den Anderen auf den Bürgersteig vor der Terrasse. Jutta folgt mir, mit fragendem Blick. Unsere Augen richten sich nach oben in den blauen Himmel. Jetzt stehen wir hier wie alle anderen und gucken fasziniert hoch und können nicht fassen, was sich dort abspielt.

look at that…

Ich sehe kleine weiße Punkte. Sie scheinen irrsinnig weit entfernt zu sein und sie bewegen sich ohne erkennbares Muster. Wir stehen etwas schräg unter einem Baum, der mir gut als Orientierungshilfe dient. Ich zähle mindestens 20 (vielleicht sind es auch ein paar mehr) Objekte. Luftballons halte ich für ausgeschlossen, denn sie bleiben konstant an der selben Stelle über der Baumkrone. Sie werden nicht verweht und sie fliegen auch nicht weiter. Nein, sie bewegen sich unregelmäßig zirkulierend über dem Baum. Ich mache Aufnahmen mit meinem Handy, so wie viele Andere es auch tun. Ich mache einige Fotos und ein Video. Sind dort oben UFO’s am Himmel? Werden wir Zeugen von etwas Unglaublichem? Gestern noch waren wir in Roswell, der UFO-Hauptstadt. Oder sind wir jetzt einfach nur durchgedreht? Aber was ist mit den anderen Leuten hier? Das bilden wir uns doch nicht ein. Sie alle gucken ungläubig nach oben, nicht nur wir. Das ganze Spektakel dauert ungefähr 15 Minuten, dann ziehen die unbekannten Flugobjekte weiter. Etwa eine Viertelstunde tänzeln sie dort oben am Himmel, an der gleichen Position über der Baumkrone. Dann ziehen sie weiter, immer weiter, bis sie aus unserem Sichtfeld verschwinden.

Es ist ein großer Spaß für alle, doch Antworten hat keiner von uns. Genauso ratlos wie wir es sind, löst sich eine Menschentraube nach der anderen auf. Es ist der 2. März 2022. Ich nehme mir vor irgendwann mal zu recherchieren, ob es im Internet Einträge zu diesem (Santa Fe) Vorfall gibt.

Wir trinken unsere Drinks aus, holen uns bei Häagen Dazs einen Eiskaffee für mich und einen Eisbecher für Jutta und setzen uns in den Park. Ein paar Musiker mit etwas Equipment sitzen dort auf einer Bank und wir hoffen, dass sie bald loslegen werden. Sie sehen aus wie Rock’n’Roller. Während wir warten, spekulieren wir über das, was wir gerade gesehen haben, kommen aber zu keinem schlüssigen Ergebnis. Aber bei einem Punkt sind wir uns einig. Es waren Ufos, unbekannte Flugobjekte.

Rock ’n‘ Roll Band?

Die Band macht keine Anstalten ihr Equipment aufzubauen, stattdessen quatschen sie lieber vorübergehende Passanten an. Der Basser zupft gelegentlich an seinem Instrument, mehr passiert aber nicht. Dann läuft ein Typ mit langen Haaren und Hippieklamotten barfuß und mit Räucherstäbchen an uns vorbei. Er bückt sich auch mal und hebt Unrat vom Boden auf, manchmal auch eine Zigarettenkippe. Es scheint als will er den Park reinigen, physisch und spirituell. Das finden wir sehr sympathisch.

Die Rock’n’Roller ziehen weiter ohne gespielt zu haben und auch wir machen uns auf den Weg in die Biker Bar. Obwohl es nicht weit ist, nehmen wir die Räder mit, schließen sie bei den Motorrädern an und gehen rein. Es ist nicht viel los. Ist ja auch noch relativ früh, noch nicht mal fünf Uhr. Wir bestellen uns Local Beer und reden über alles Mögliche, während ich beobachte, was sich drinnen und draußen so abspielt. Die Tür ist offen und der Doorman ist redselig und scheint alle zu kennen, die draußen vorbeilaufen an dieser Bar.

Biker Bar Santa Fe

Auf dem Heimweg kommen wir noch an der Matador Bar vorbei. Doch da wir morgen viel vor haben und nicht so spät aufstehen wollen, kehren wir nicht ein und lassen die Vernunft siegen. ICH lasse die Vernunft siegen. Das Teufelchen auf meiner Schulter sagt: „Komm schon, nur ein Bier noch. Hier gibt es das beste Beer von ganz New Mexico, so etwas Erfrischendes hast du nie zuvor getrunken!“

Jutta bekommt von alledem nichts mit, was sich da auf meiner Schulter abspielt. Das alles geschieht innerhalb von Sekunden, in einem Paralleluniversum.

Das Engelchen spricht zu mir: „Hast du denn immer noch nicht genug? Der Tag war doch schon perfekt, was willst du denn noch? Denk doch auch mal an Jutta. Sie will noch nach Hause, bevor es dunkel wird.“

Ich bin hin und hergerissen. Was soll ich nur machen? Irgendwie haben doch beide recht. Soll ich auf das köstlichste Bier von ganz New Mexico verzichten, nur weil Jutta „im Hellen“ nach Hause will? Was kann es schon schaden nur noch ein erfrischendes, kühles Bier zu trinken?

Andererseits habe ICH es ja angeboten, nach Hause zu fahren, nachdem wir in der Biker Bar was getrunken haben.

Das Teufelchen meldet sich zu Wort, bevor ich in meinen Gedanken zu einem Entschluss komme.

„Bestimmt haben sie in der Matador Bar einen Billardtisch und eine Music Box und Jutta wird viel Spaß haben und tanzen wollen.“

Aber das Engelchen kontert und gibt zu bedenken: „Wenn du jetzt da rein gehst, dann hast du dein Wort nicht gehalten und wie glaubhaft wirst du dann noch sein?“

Ich hadere mit mir und gehe das Für und Wider durch. Ich sage den Beiden auf meiner Schulter, sie sollen die Schnauze halten, aber das interessiert sie nicht im geringsten.

Das Teufelchen spricht: „Komm schon mein Freund, ein Bier hat noch niemandem geschadet und Jutta wird drüber weg kommen. Gib ihr einen Moscow Mule aus und alle deine Probleme lösen sich in Luft auf, so wie sich die Raumschiffe am Himmel heute Nachmittag in Luft aufgelöst haben.“

Yes or No?

Ja verdammt, Recht hat er. Es ist doch noch früh. Warum müssen wir immer „im Hellen“ zurück kommen? Ich bin drauf und dran Jutta mitzuteilen, dass sich meine Meinung geändert hat und will gerade sagen: „Ich will doch noch in die Matador Bar, scheiß auf morgen und überhaupt: Warum müssen wir eigentlich immer „im Hellen“ zurück nach Hause?“

Doch bevor mir diese Worte raus rutschen spricht das Engelchen auf meiner Schulter zu mir: „Bedenke, was du damit anrichtest, wenn du dein Wort nicht hältst. Du wirst für immer unglaubwürdig sein. Willst du das etwa riskieren? DU hast gesagt: „Nach dem Drink in der Biker Bar geht es nach Hause, noch bevor es dunkel wird!“

Das Geplänkel zwischen Engelchen und Teufelchen geht noch weiter, über alle 12 Runden. Doch das Engelchen gewinnt. Jutta bekommt von alledem nichts mit.

Nach dem Santa Fe Beer in der Biker Bar geht es im Hellen nach Hause. Schließlich wollen wir morgen früh, bevor wir nach Los Alamos fahren, noch ins MEOW WOLF.

Biker Bar Beer

Das MEOW WOLF ist schwer zu beschreiben. Wir haben auf dem Parkplatz, wo die übergroße Spinne, der Roboter und der Wolf zu sehen sind, sogar überlegt nicht hinein zu gehen. Der hohe Eintrittspreis ließ uns zögern. Doch Jutta hatte auf Google die vielen guten und interessanten Bewertungen gelesen. Und nach kurzem Überlegen haben wir entschlossen, es zu wagen.

MEOW WOLF

Wir haben uns entschieden eine fremde Welt zu betreten, eine Art Raumschiff, wie es hier üblich scheint im Staat New Mexico. Es fällt mir tatsächlich schwer zu beschreiben, was wir hier sehen. Ich versuche es in wenigen Sätzen zusammen zu fassen.

Es ist wie ein Drogenrausch, leider sind wir komplett nüchtern. Wir könnten einer Story folgen, doch wir tun es nicht, weil es eine Menge Zeit kostet. Es geht durch ein Labyrinth und wir versuchen einem Weg zu folgen ohne uns zu verlaufen. Mal gelingt es, mal nicht. Die Farben, die wir wahrnehmen sind grell, bunt und irre. Die Geräusche steuern wir selbst. Rätsel wollen und können gelöst werden. Ich sitze in meinem eigenen Gehirn. Danach gehe ich in den Kühlschrank, in den „Frozen A Plus“ und komme als ein anderer Mensch wieder heraus. Ich betrete einen Raum und setze mich auf eine Bank. Ich sehe durch ein rundes Fenster. Später sehe ich von der anderen Seite durch das gleiche Fenster. Ich war in einer Waschmaschine.

Washing Machine

Das MEOW WOLF ist eine verrückte Welt. Eine bunte Welt und eine virtuelle Welt, die irgendwie nicht von dieser Welt ist. Sie lässt uns abtauchen in andere Galaxien, in fremde Universen und unbekannte Dimensionen.

Crazy Bathroom

Ich muss unweigerlich an mein Theater denken. Ich muss an „Young Dogs“ denken, eine Tanztheaterproduktion von Samir Akika, unserem Hauschoreographen. Und ich muss an Anja denken, die das Bühnenbild dazu geschaffen hat und an unsere Tanzkompanie, die unermüdlich geprobt hat, um diese großartige Produktion auf die Bühne zu bringen. Ich denke an all die Arbeit, die wir mit dieser Produktion hatten, an all die Anstrengungen und Hürden, die wir meistern mussten, damit wir dieses choreographische und auch bühnenbildnerische Meisterwerk rausbringen konnten. Bevor uns die Corona Pandemie diktiert hat, dass wir es nur einmal nach der Premiere spielen dürfen.

inside my brain

Ich denke daran, weil MEOW WOLF mich an diese aufwändige Arbeit erinnert, an das Bühnenbild von Anja und an die gesamte Produktion. Ich denke auch daran, weil ich meinen Job so liebe und weil es immer dann am Besten ist, wenn ich ordentlich gefordert werde. Wenn es darum geht Prioritäten zu setzen, denn darin bin ich ziemlich gut.

was denke ich gerade???

Und jetzt denke ich, dass ich wieder etwas abschweife.

MEOW WOLF war das Eintrittsgeld mehr als wert und bevor wir nach Los Alamos fahren, lasse ich mich von Jutta unter Tarantula fotografieren.

Ich hasse Spinnen!

Dann heißt es: Bye, bye Meow Wolf!

Auf dem Weg ins Bradbury Science Museum in Los Alamos kommen wir durch grandiose Wildwest- Landschaften. Es wird auch mal etwas bergiger und in der Ferne sehen wir wieder schneebedeckte Gipfel. Los Alamos gilt als der Ort, an dem die Atombombe entwickelt wurde. Das „Manhattan Projekt“. Im Bradbury Science Museum dreht sich alles um die Entstehung der Bombe und um den zweiten Weltkrieg. Dazu schauen wir uns einen kurzen Einführungsfilm an und werden Zeuge, wie es damals war, diese monströse Waffe zu entwickeln.

…on the road…

Innerhalb des Museums gibt es dann sehr viel zu lesen. Das ist für uns anstrengend, da alles auf Englisch ist und gespickt mit wissenschaftlichen Fachausdrücken. Wir halten den Besuch relativ kurz, denn wir wollen heute noch weit fahren. Ansonsten könnte man hier durchaus 3-4 Stunden zubringen. Wir belassen es bei etwa 90 Minuten. Dennoch bekommen wir einen guten Eindruck, wie es damals ablief und was es für Schwierigkeiten und Probleme bei der Entwicklung der Bombe gab. Es wird dokumentiert welche und wie viele Menschen an der Entstehung der Atombombe beteiligt waren. Natürlich bekommen wir auch eine originalgetreue Nachbildung der „Little Boy“ und „Fat Man“ Massenvernichtungswaffe zu sehen, die über Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden.

Little Boy

Nach informativen und lehrreichen anderthalb Stunden verlassen wir das Bradbury Science Museum.

Fat Boy

Wir sind unterwegs zu den „Four Corners“, dort treffen sich vier Bundesstaaten an einem Punkt. Das heißt, man kann von einem Bein auf das andere hüpfen, von Arizona nach Colorado und dann von Utah nach New Mexico. Das wird zwar relativ unspektakulär, doch trotzdem will ich es mir nicht entgehen lassen, wo es doch fast auf dem Weg liegt.

Übernachtungsstellplatz in Farmington

Allerdings schaffen wir es heute nicht mehr bis ganz dort hin. Farmington ist das anvisierte Ziel für die Übernachtung. Immer wieder sehen wir links und rechts am Wegesrand Native Communities. Doch leider sind sie alle für Besucher gesperrt. Es gibt oft Tage an denen wir das Virus und die Pandemie vergessen, aber dann werden wir auch schnell wieder in die Realität zurückgeholt.

Teilweise befahren wir schon die historische Route 66, ohne es zu merken. Sie soll in meinem nächsten Chapter unter Anderem zum Thema werden. Jetzt freue ich mich über dieses bunte Graffiti am Straßenrand, ohne das ich nicht gewusst hätte, dass wir bereits mit LEMMY über die MOTHER ROAD rollen.

The Mother Road

In Farmington stellen wir uns wieder auf den Parkplatz eines großen Einkaufscenters. Es ist bereits dunkel als wir ankommen. Hier findet man immer eine gute Parkmöglichkeit für die Nacht und auch hier stehen wieder einige Autos, in denen Leute leben. Wir haben uns schon an dieses sich wiederholende Bild gewöhnt.

Als wir morgens aufbrechen ist es relativ windig. Ständig rollen mir diese Steppenläufer vor die Haube, über die Straße. Doch ich freue mich jedes Mal wieder darüber. Besonders ein Film aus den 80er Jahren kommt mir in den Sinn: „Critters“. Der Streifen ist purer Trash. Ein Horrorfilm, der nicht besonders gruselig ist, aber eben echt trashig. Kleine rollende Fellmonster von einem anderen Stern befallen die Erde und sie haben große Mäuler. Mehr muss man nicht wissen.

Lemmy in New Mexico

Und woran mich diese ganze Kulisse in New Mexico noch erinnert, das ist eine der besten Serien überhaupt: „Breaking Bad“. Ich ertappe mich dabei, wie ich nach dem alten Winnebago Camper von Walter White und Jesse Pinkman Ausschau halte. Sie haben sich eine Drogenküche in dem Camper eingerichtet, um Meth zu kochen.

Wenn mir jemand mit einem schwarzen Hut entgegenkommt, dann denke ich an Mr. Heisenberg. Freunde der Serie werden verstehen, wovon ich rede.

Next Stop Utah

Angekommen an den Four Corners machen wir kurz unsere Fotos und hüpfen von einen Bundesstaat in den Nächsten. Das wird schnell langweilig und wir wollen weiter. Jutta kauft sich an einem kleinen Stand der Natives einen Traumfänger und es zieht immer mehr Wind auf. Vielleicht ist das auch der Grund, warum hier heute so wenig los ist. Gerade als wir wieder ins Auto steigen, bricht ein höllischer Sandsturm los. Er bricht über uns herein, von 0 auf 100.

The Four Corners

„Mach bloß schnell die Tür zu!“, rufe ich zu Jutta rüber, während ich versuche meine Tür zu schließen. Das ist gar nicht so einfach, denn der Sturm fegt mächtig durch die offene Beifahrertür zu mir rüber.

Ich muss mit aller Gewalt und großer Kraftanstrengung am Griff zerren, damit sie endlich ins Schloss fällt.

Sandsturm

Aber es ist schon zu spät. Das ganze Armaturenbrett, die Konsole mit dem Schaltknüppel und der komplette Innenraum ist voll rotem Sand.

Mit knirschenden Zähnen und staubig rot machen wir uns auf in den Arches National Park.

…und was als Nächstes geschieht…

CHAPTER VI – VON ARCHES UND CANYONS, VON HIGH DESERTS UND DER HISTORIC ROUTE 66

.und wie man es anstellt, in der kalifornischen Wüste liegenzubleiben, obwohl man einen großen 140 Liter Dieseltank und 2 x 20 Liter Reservekanister hat…

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