Chapter 16 – Lemmy Goes NEW YORK CITY

…und wie ich auf den Spuren von Robert de Niro wandle und warum ich 139 $ für einen Parkplatz in New York bezahle…

Bevor es nun endlich losgeht checkt Jutta die Bordbatterie, total down auf 7 Ampere, unverändert.

Wir hoffen allerdings, dass es sich heute verbessert, weil wir einen langen Fahrtag haben. Gestern sind wir ja nicht besonders weit gefahren. Zur Sicherheit kaufe ich noch im NSLC zwei Kartons mit Bier. Einen mit Pabst Blue Ribbon und den anderen mit Molson Canadian. Das Molson werde ich in den USA nicht mehr bekommen, sondern erst wieder wenn wir in British Columbia eingereist sind in etwa drei Monaten. Eine große Flasche Wein packen wir auch noch drauf. So kann ich mich heute Abend wenigstens betrinken (so wie in Split) wenn das Batterieproblem bestehen bleibt.

Jetzt müssen wir zu der Adresse fahren, die wir von Seabridge bekommen haben, um unsere beiden Gasflaschen befüllen zu lassen. Das klappt auf jeden Fall hervorragend, als ich endlich den Adapter wieder gefunden habe. Ein Problem weniger.

Ein großer Einkauf steht an und Frischwasser müssen wir noch irgendwo bekommen. Den Einkauf erledigen wir bei Walmart, obwohl mir Safeway, Albertsons und andere Supermärkte lieber sind als dieser Einkaufsgigant. Ich mag das Ambiente dort nicht so gerne, obwohl die Preise schon besser sind. Jutta würde am liebsten nur bei Whole Foods Market einkaufen. Der Laden ist wirklich super, fast das gesamte Sortiment ist Organic, aber deswegen ist auch alles ziemlich teuer.

Der Einkaufswagen ist voll, nur noch zahlen und alles ins Auto verladen.

Frischwasser bekommen wir an einer Shell Tankstelle. Ich darf meinen Schlauch an den Außenwasserhahn anschließen und mir die benötigten 100 Liter in meinen leeren Tank füllen, kostenlos. Wieder zwei Sachen erledigt, den Einkauf und Wasser zum Kochen, Duschen und Händewaschen ist an Bord.

Bleibt nur noch das letzte Problem, die Bordbatterie. Aber jetzt wollen wir erst mal fahren und Nova Scotia verlassen, wollen versuchen dem vorhergesagten Wintersturm zu entkommen. Doch das wird nicht klappen.

Als grobes Ziel und als Richtung haben wir Portland in Maine ins Navi eingegeben, obwohl natürlich klar ist, dass wir das nicht in einem Rutsch erreichen werden. Mal sehen wie wir voran kommen und wie sich das Wetter entwickelt. Zunächst läuft alles prima, der Dieseltank ist voll und damit haben wir eine Reichweite von ca. 1000 Kilometern. Wir sind versorgt mit Wasser und Gas zum Kochen, mit Lebensmitteln und Getränken, was ein sehr gutes Gefühl ist. Die ersten Stunden fahren wir einfach und sind ganz zufrieden mit allem, bis auf die Ungewissheit mit der Batterie.

Tolles Chili, aber leider nix wirklich lecker Vegetarisches…

Bei Tim Hortons machen wir eine Lunchpause, weil wir erstens Hunger haben und es dort ein ausgezeichnetes Chili gibt und erstklassige Donuts und weil wir zweitens nach der Bordbatterie schauen wollen. Sie hat sich voll aufgeladen durch die Fahrt bis hierher, aber wird sie die Spannung auch halten? Unsere Spannung hält sich auf jeden Fall noch bis wir es endlich genau wissen. Das wird aber erst morgen früh sein, wenn wir die Nacht hinter uns haben. Jetzt erstmal Chili und Kaffee, dann fahren wir weiter.

Die Straßen sind geräumt und es geht zügig voran, doch der Wintersturm holt uns ein. Es fängt an zu schneien und die Straße wird immer weißer. Der Wind schaukelt LEMMY hin und her, aber mir macht es Spaß bei Schnee zu fahren und der Wind stört mich auch nicht weiter. Dann eben alles etwas langsamer und ich denke der Batterie wird es gut tun. Es sind sehr wenige Autos auf der Straße, wahrscheinlich bleibt jeder zuhause, der nicht unbedingt raus muss. Umso angenehmer ist es für mich zu fahren. Hauptsächlich sind Räumfahrzeuge unterwegs. Zum Teil sind es große Pickup Trucks, manchmal aber auch LKWs, die beim Räumen der Straße gleichzeitig Salz streuen. Ich freue mich, wenn ich vor den Räumfahrzeugen bin und auf einer jungfräulich, verschneiten Straße mit Neuschnee als erstes Auto fahre.

Jutta recherchiert mittlerweile schon nach einem Übernachtungsplatz. Das macht sie hier mit der „iOverlander“ App und diese wird sich für Amerika als ganz fantastisch herausstellen. Man kann die Plätze auch offline recherchieren. Nur für die Fotos und eine genaue Routenplanung braucht man Internet.

„Wie lange willst du denn noch fahren?“, kommt als routinierte Frage von der Navigatorin.

Ich gucke aufs Tacho und stelle fest, dass wir bereits über 300 Kilometer zurückgelegt haben.

„Vielleicht noch so eine Stunde oder so?“, frage ich zurück, um festzustellen, ob sie damit denn auch einverstanden ist. „Dann kommen wir immer noch bei Tageslicht an.“, schiebe ich noch hinterher, damit sie bloß kein Veto einlegt.

Direkt am Saint Johns River

„Ja gut, dann habe ich schon einen Platz, das kommt ungefähr hin mit der Zeit. In Saint John, da habe ich einen Stellplatz gefunden, wo wir frei stehen können. Der ist nett am Fluss gelegen, gegenüber einer Papierfabrik und Overnight Parking ist nicht verboten!“

„Das klingt doch super!“, sage ich.

Wir erreichen diesen total verschneiten, gut gelegenen Parkplatz und haben eine super Sicht auf den Saint John River und die aus allen Schornsteinen dampfende Papierfabrik. Ich schieße noch ein paar Fotos und früh geht es zu Bett, nach einem ausgefüllten Tag.

Bei Tageslicht nicht mehr ganz so romantisch…

Morgens als ich aufwache, höre ich Jutta bereits rumoren. „Was sagt die Batterie?“, ist meine erste Frage. „Sie steht, Gott sei Dank, auf 13,2 Ampere.“, sagt sie und überglücklich starten wir in diesen wunderschönen, weißen Wintermorgen. Die Batterie hat die Spannung gehalten.

Nach je zwei Bechern Kaffee und einem Müsli geht es schnell weiter Richtung Portland, Maine. Wie weit wir heute kommen wissen wir wieder nicht. Was wir aber wissen ist, dass wir die Grenze von Kanada in die USA überqueren wollen. Und zwar von St. Stephen nach Calais.

Das der Grauwassertank eingefroren ist und dass das Wasser nur sehr langsam aus den Waschbecken in Küche und Bad abläuft, stört uns wenig. Wird schon wieder auftauen, wenn die Sonne raus kommt.

Wir verlassen Saint John, der Schnee wird uns weiter begleiten. Nova Scotia liegt hinter uns und wir fahren durch New Brunswick. Der Sturm hat nachgelassen, doch der Schnee fällt weiter in dicken Flocken vom Himmel. Auch heute ist kaum ein Auto unterwegs. Nach knapp anderthalb Stunden kommen wir am Grenzübergang an. Etwas aufgeregt sind wir schon. Wird alles klappen? Kommen wir mit dem eigenen Fahrzeug rein in die USA? Erfüllen wir alle Auflagen und geben wir die richtigen Antworten, wenn wir befragt werden?

Dichtes Schneetreiben nimmt mir etwas die Sicht, drum nähere ich mich sehr langsam und sehr vorschriftsmäßig dem Grenzübergang. Es ist kein einziges Fahrzeug vor uns. Kann das denn möglich sein? Will niemand sonst außer uns in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Heute offensichtlich nicht.

Telefon??? auf der Brooklyn Bridge

Kurz bevor wir an der Grenze in St. Stephen angekommen sind, habe ich mit Jutta noch über den letzten und den vorletzten Grenzübertritt in die USA gesprochen. Beim letzten Mal wollten wir mit einem Leihwagen in Buffalo von Kanada in die Vereinigten Staaten einreisen. Ich hatte Jutta zum Geburtstag eine Blue Man Group Show in Boston geschenkt. Das war eine Überraschung und sie wusste nichts davon, bis zu dem Tag, an dem die Show stattfand. Danach sollte es dann weiter gehen nach New York. Jedenfalls kamen wir an die Grenze und als wir an der Reihe waren, da wurden uns die Pässe abgenommen. Wir wurden aufgefordert zu einem Office an der Seite zu fahren, dort zu parken, reinzugehen und zu warten, bis wir aufgerufen werden. Warum, erfuhren wir noch nicht und die Pässe wurden einbehalten.

Wir warteten mit einigen anderen Personen in einer Art Wartezimmer wie beim Arzt und nach 30 endlosen Minuten wurde unser Name aufgerufen. Von hier ging es weiter in einen anderen Raum, der so eine Art Interviewzimmer war. Verschiedene Beamte saßen hinter Glas und verschiedene Einreisewillige wurden befragt. So auch wir. Die entscheidende Frage, die es zu klären galt, war wohl die, warum wir denn zuvor in Vietnam waren. Unsere Pässe enthielten jeweils ein Vietnam Visum.

„Na, weil wir dort Urlaub gemacht haben.“, war unsere klare Antwort.

Mit etwas Unverständnis wegen unseres gewählten Reiseziels wurden weiter eigenartige Fragen gestellt, doch dann bekamen wir die Pässe zurück und durften einreisen.

Graffitikunst High Line NYC

Das andere Mal, als wir Jahre zuvor, ich glaube es war 2003, in die USA einreisen wollten, da war es an der Westküste. Es ging von British Columbia nach Washington. Wieder waren wir mit einem Mietwagen unterwegs und hatten keine US Doller dabei. Der Grenzbeamte war äußerst freundlich und zuvorkommend. Allerdings sollten wir eine Einreisegebühr von 5 Doller/Person zahlen und das ging nur mit Bargeld. Kreditkarten wurden nicht akzeptiert. Wir hatten leider nur kanadische Dollar, aber keine US-Dollar dabei und wechseln konnten sie nicht.

So bot mir der Grenzer an, eben kurz rüber zu fahren in die USA an die nahegelegene Tankstelle und dort meine Kanadadollar gegen US-Dollar zu tauschen. „Die machen das da.“, sagte er. „Dann kommst du wieder her und ihr könnt einreisen.“ Genauso haben wir die Einreise an der Westküste erlebt.

Jetzt sind wir wieder an der Ostküste und ich sage zu Jutta: „Wir haben keine US-Dollar in bar dabei, nur Kanadadollar!“ „Na diesmal wird es doch wohl mit der Kreditkarte gehen.“, sagte sie aufmunternd.

Im dichten Schneetreiben sehe ich nur ein grünes Licht über einer Line ohne Autos vor mir. Sehr langsam nähere ich mich und erkenne verschwommen die Umrisse einer Person, die auf mich zukommt. Ich lasse das Fenster runter und wir werden gebeten zu dem Office vorne rechts zu fahren, zu parken und die Formalitäten drinnen zu erledigen. Das kommt mir irgendwie bekannt vor.

Wir tun wie uns geheißen, parken LEMMY unter einem Dach und betreten das Office. Außer den bewaffneten Beamten, die heute wenig Arbeit zu verrichten haben, sind wir die einzige Kundschaft, die über die Grenze will. Eine Beamtin nimmt sich unserer Einreise an und wir bekommen einen Fragebogen zum Ausfüllen. Während wir uns den Fragebogen vornehmen, prüft sie unsere Reisepässe, Impfpässe, Fahrzeugpapiere und den ganzen Kram. Zwischendurch kommt sie immer mal wieder zu uns und stellt beiläufig Fragen zu unserem Gehalt, Beruf, wieviel Bargeld wir dabei haben, was unsere Reisepläne sind, warum wir mit dem eigenen Fahrzeug kommen, ob wir schon einmal im Land waren usw.

Wir beantworten bereitwillig und nach bestem Wissen alle Fragen und stellen unsererseits mal eine Frage, wenn wir etwas auf dem auszufüllenden Papier nicht sicher beantworten können.

Wir finden es sehr angenehm, wie beiläufig sie die Befragung macht, während wir mit dem Fragebogen beschäftigt sind. So haben wir eher das Gefühl einer interessierten Unterhaltung als das eines Verhöres. Ob wir auch Lebensmittel mit dabei haben will sie wissen. Wir bestätigen, aber alles ist in Kanada eingekauft worden, nichts haben wir aus Deutschland mitgebracht.

Sie stolpert etwas über meine Antwort auf die Frage, wann wir das letzte Mal in den USA waren. Ich gebe an, es war wohl 2006 als wir durch Kalifornien gereist sind. Ob es auch sein kann, dass wir 2011 da waren, fragt sie mich. „Ja kann schon sein.“, sage ich zu ihr, „wir reisen sehr viel und waren bereits in 61 Ländern auf allen Kontinenten, außer der Antarktis.“

Damit gibt sie sich zufrieden.

Times Square im Regen

Ich frage sie, ob sie uns nicht statt der 90 Tage auch 180 Tage in den USA ermöglichen kann, denn wir wollen so gerne noch nach Alaska, nachdem die 90 Tage bereits abgelaufen sind. Jutta hatte zuvor recherchiert, dass die Beamten den Spielraum haben um so etwas zuzulassen. Kann sie nicht, sagt sie, aber wir können es trotzdem versuchen. Das entscheiden dann allerdings die Beamten an der Grenze in den größten Bundesstaat der USA.

Sie gibt uns alle unsere Papiere und Pässe zurück und sagt wir müssen noch eine Einreisegebühr vom 5 Dollar pro Person bezahlen. Ich sage, dass wir nur Kanada Dollar haben und frage, ob es möglich ist mit Kreditkarte zu bezahlen. „Im Prinzip ja, nur spinnt gerade das Kartenlesegerät und der Computer, aber ich will es mal versuchen.“, sagt sie.

Es vergehen 20-30 Minuten und sie probiert es ein ums andere Mal. Dann holt sie einen Kollegen und der versucht es auch und wir beobachten wie unsere beiden Karten abwechselnd in das Lesegerät geschoben werden und wieder ein Kopfschütteln. Sollte die Einreise scheitern, weil wir keine 10 US-Dollar in bar dabei haben? Warum zum Teufel nehmen sie nicht einfach die Dollar aus Kanada, meinetwegen zu einem Wucherkurs und tauschen sie selber in der Bank am nächsten Arbeitstag?

Nach einer halben Stunde mit zeitraubendem Neustart des Computers, klappt es dann doch noch und eine unserer Kreditkarten wird vom Lesegerät akzeptiert.

Als Letztes möchte sie einen Blick in unseren Camper werfen und findet ihn umwerfend und cool. Einreise in die USA zum Dritten. Check!

Jetzt sind wir mit unserem eigenen Auto unterwegs nach New York City. LEMMY ist eingereist über Land, in die Vereinigten Staaten. Unser Etappenziel Portland können wir allerdings wieder knicken. Das wären noch fünf Stunden zu fahren von hier aus. Ich schlage Bangor vor. Bis dahin sind es auch noch drei Stunden, doch irgendwie reizt mich diese Stadt in Maine.

The Wörld Is Yours!

Ich liebe die Romane von Stephen King und habe Etliche verschlungen. Besonders „ES“ hatte es mir in meiner Jugendzeit angetan und ich habe diesen Wälzer bestimmt schon drei Mal durch. Aber auch mindestens ein Dutzend Weitere seiner Romane habe ich in Rekordzeit weg gelesen. Einiges in seinen Romanen spielt sich in seiner Heimat ab, in Maine. Und vermutlich hat Bangor und Maine zu vielen seiner Geschichten inspirierend beigetragen. Da will ich gerne heute noch hin.

Vorausschauend hatte ich auch schon mal im Tim Hortons (mit freiem WLAN) auf die Google Map geschaut, was es da so gibt. Da habe ich eine Bar gefunden in der Innenstadt und eine Brauerei etwas weiter am Rande, Bangor Beer. Jutta erklärt sich einverstanden, da es ihr auch viel zu weit ist bis Portland und sie ja bekanntermaßen sowieso nicht auf große Städte steht. Also nochmal konzentrieren und drei Stunden durch wildes Schneetreiben fahren, nach DERRY, so zumindest stelle ich mir Bangor erstmal vor. Für diejenigen, die mit Stephen King nicht soviel anfangen können: DERRY ist die Stadt, in der der Roman „ES“ hauptsächlich spielt.

Nach mehr als 270 Kilometern und über drei Stunden Fahrt erreichen wir DERRY, ach nee Bangor.

An der Bar in Downtown, die meine erste Wahl ist, gibt es keine Parkplätze. Nach längerem Suchen stellen wir fest, dass es nicht einfach ist im Zentrum von Bangor einen legalen Overnight Parkplatz zu finden. Es ist schon lange dunkel, da beschließen wir an den Stadtrand zu Bangor Beer zu fahren. Dort fragen wir nach, ob wir über Nacht da parken dürfen. Der Barkeeper muss im Thairestaurant nebenan fragen, da der Parkplatz wohl zum Restaurant gehört.

Bis auf die Schneepflüge, die zwischen 3 AM und 5 AM die Parkplätze räumen,
war es eine ruhige Nacht.

Wir dürfen und genießen unsere ersten Biere in den Staaten in einer Bar in Bangor. Ich bestelle zum Beer die Singapore Noodles und die Portion ist dermaßen groß, dass ich mir über die Hälfte in ein Doggybag einpacke zum Mitnehmen. Seit Corona bekommt man das Doggybag an den Tisch gebracht und kümmert sich selber um das Einpacken der Speisen, die man nicht mehr verzehren konnte, weil die Portion einfach viel zu groß war. Nach einem köstlichen Essen, neuen Eindrücken einer fremden Stadt, von der wir im Dunkeln doch so Einiges aufgenommen haben und ein paar lokalen Bieren gehen wir entspannt aber müde zu Bett.

Portland/Maine ist verschwunden von unserer Liste. Jetzt sind wir schon zu nahe an New York und meine Begierde ist zu groß. Ich will diese wahnsinnige Metropole heute noch erreichen. Ich kann jetzt nicht nur zwei Stunden fahren und dann wieder irgendwo in Portland einen Stellplatz suchen, wo sich eine der großartigsten Städte der Welt in greifbarer Nähe befindet.

Aber vorher müssen wir uns um das Internet kümmern. Jutta wusste schon im Waterhole, dass es schwierig ist, in Nordamerika kompatible Simkarten für deutsche Geräte zu bekommen. Schwierig und kostspielig. In Halifax haben wir es nicht wirklich ernsthaft versucht, da es im Hotel, in fast jedem Geschäft und jeder Bar kostenloses WLAN gab. Aber jetzt, wo wir wieder mit LEMMY unterwegs sind, brauchen wir Internet. Jutta versucht es in einem T-Mobile Laden und einer entsprechenden Abteilung in einem Walmart. Beides verläuft unbefriedigend, doch bekommt sie im T-Mobile Laden die Empfehlung, es mal bei „BEST BUY“ zu probieren.

Wir fahren los und es schneit nicht mehr, aber es ist immer noch bitterkalt. Zum Glück ist zwischendurch der Grauwassertank aufgetaut und das Wasser in den Waschbecken läuft wieder gut ab. Naja, lief gut ab. Heute morgen ist es wieder gefroren. Kein Wunder, wir haben wieder mal weit unter 10 Grad minus. Aber wir wissen jetzt, wenn tagsüber die Sonne scheint und der Motor warm wird und die Heizung in der Kabine an ist, dann regelt sich das Problem von selbst.

Ich verlasse den Parkplatz von Bangor Beer und steuere New York City entgegen, da muss ich an einer roten Ampel stehen bleiben. Ich will links abbiegen und sehe dort Jemanden stehen mit einem Pappschild in den Händen. Er hat einen Kapuzenpulli an, eine Jeans und ich hoffe auch noch einiges darunter. Er steht auf einer kleinen Verkehrsinsel und auf seinem Pappschild steht: „HOMELESS, everything helps!“ Er hat nicht mal Handschuhe an. Meine Handschuhe liegen auf der Konsole unter der Frontscheibe, weil ich sie häufig brauche und da immer griffbereit habe. Die Ampel springt auf grün und hinter mir stehen andere Autos, die über die Kreuzung fahren wollen. Wir haben auch noch immer keine US-Dollar, denn ich habe darüber nachgedacht ihm Geld in die Hand zu drücken. Allerdings dachte ich, wie blöd das wäre ihm kanadisches Geld in die Hand zu geben, wenn er damit vielleicht gar nichts anzufangen weiß. Im Grunde ist die Zeit zum Denken einfach viel zu schnell vergangen und schon wird die Ampel grün und ich muss los fahren.

Aber aus irgendeinem Grund biege ich falsch ab, obwohl das Navi auf NY eingestellt ist. Jetzt stehe ich wieder an einer roten Ampel, an einem anderen Block. Jutta sagt: „Willst du ihm nicht deine Handschuhe geben?“ Ich antworte: „Ja will ich, das habe ich auch gerade gedacht als grün wurde und ich weiter fahren musste“

Ich fahre einen Block zurück und erreiche dieselbe Kreuzung. Er steht noch unverändert dort mit seinem Pappschild in den Händen. Ich fahre einmal um die Verkehrsinsel herum und reiche ihm meine Handschuhe durch das geöffnete Fenster, während ich langsam bei grün die Kreuzung passiere. Er nimmt sie dankend an und im Rückspiegel sehe ich, wie er sie sofort über die kalten Hände streift.

Ich fühle mich um fast 30 Jahre zurückversetzt, als es mit unseren Fernreisen begonnen hat. Wir waren in Singapore an der Clarke Quay und bummelten an der Waterfront entlang. Ich war noch unerfahren was ferne Länder und weite Reisen anging. Jemand sprach mich an, er war gut gekleidet mit einem blütenweißen Hemd und einer schwarzen Tuchhose. Er sagte: „Can you offer me some food?“

Ich war maßlos überfordert mit der Situation und sagte: „No, sorry!“ und ging einfach weiter.

Auf dem Weg zur High Line

Fast 30 Jahre lang habe ich mein dummes Verhalten von damals bereut und festgestellt, dass man solche verpassten Gelegenheiten niemals wieder zurück holen kann. Ich hätte ihm selbstverständlich etwas zu Essen ermöglichen können, habe es aber nicht getan. Ich habe mir danach vorgenommen, dass mir so etwas niemals wieder passiert.

Ich bin auch der Überzeugung, dass man die Dinge, die man nicht getan hat viel mehr bereut, als Dinge, die man gemacht hat und die vielleicht falsch waren. Fehler machen wir alle und das ist auch gut so, denn daraus lernen wir. Aber die Sachen, die wir machen wollten und nicht getan haben, die sind vergangen und vermutlich nie wieder gut zu machen und auch nicht nachzuholen.

Bei Boston sehen wir ein Hinweisschild zu einem BEST BUY Laden und nehmen einen kleinen Umweg in Kauf. Unseren eigenen Router können wir hier nicht nutzen, also kaufen wir für etwa 60 Dollar einen Neuen, der soll auch für Kanada funktionieren. Dazu eine entsprechende Simkarte und damit sollten wir wieder verbunden sein mit der intermedialen Welt. Weiter geht es nach NYC.

Unterwegs richtet Jutta alles ein und es funktioniert. Jetzt kann sie auch wieder online recherchieren. Es wird nicht lange dauern, bis wir diese neue Verbundenheit mit dem Internet „on the road“ brauchen werden. Wir kommen Manhattan immer näher und es gibt eine alternative Route. Jutta wägt ab, welche von Beiden die Bessere ist. Wir reden kurz darüber und ich weiß es auch nicht, so überlasse ich ihr die Wahl. Es war die falsche Wahl, denn auf dieser Route werden wir bald vor niedrigen Brücken gewarnt. Sie sind zum Teil unter 10 Fuß hoch. Aber was zum Teufel sind denn bloß 10 Fuß in Metern? Ich drehe um und sage, dass ich unter keiner Brücke durchfahre, solange ich nicht weiß wie hoch exakt 10 Fuß sind. Jutta findet raus, dass 10 Fuß etwas über drei Metern entsprechen und damit ist klar, dass wir alles fahren können was 10 Fuß und aufwärts ist.

Und mit dieser Gewissheit nähern wir uns Manhattan und dem FDR (Franklin D. Roosevelt Drive)

Aus dem Fernsehen und vom Lesen weiß ich, das Wohnmobile in Manhattan verboten sind, aber ich fahre einen Ford Ranger mit einer Kabine hinten drauf, also mit einer Ladung. Das ist ja wohl was anderes.

Durch eigene Schusseligkeit haben wir viel Frischwasser verloren, denn das Frostwächterventil, eine Schutzeinrichtung der Dieselheizung, hatte natürlich bei der Kälte in Halifax ausgelöst und dann läuft das Wasser des Boilers raus. Das sind eigentlich nur ca. 10 Liter. Doch bis wir darauf kommen, dass das Ventil offen ist und wir es erst wieder schließen müssen, um den Boiler zu füllen, läuft alles ab, was wir über die Wasserhähne reinpumpen. Jutta kommt zum Glück irgendwann drauf. Aber jetzt sind nur noch 20 Liter übrig in unserem Frischwassertank.

Was machst du denn hier beim Visitorcenter?

Also klappern wir wieder alle Tankstellen ab, aber leider sind aufgrund der eisigen Temperaturen die Außenwasserhähne abgedreht. Nach der vierten Tankstelle geben wir auf. Wir halten an einem Visitorcenter. Die werden ja wohl wissen, wo wir trinkbares Wasser bekommen. Ich parke neben einer riesigen, weißen Stretchlimousine und wir gehen rein um zu fragen. Die nette Dame weiß es nicht. Sie ruft einen Mitarbeiter von hinten. Er nimmt mich mit in einen kleinen Nebenraum, so eine Art Hauswirtschaftsraum und zeigt mir dort ein tiefes Waschbecken mit einem hohen Wasserhahn. Ob das mir helfen würde, fragt er und ich sage, dass es mir unbedingt weiter hilft. Denn mein 10 Liter Kanister sollte gut drunter passen. Jetzt muss ich zwar acht Mal hinundherlaufen zwischen Auto und Wasserhahn. Aber bei jedem Auffüllen des Kanisters plaudern wir ein wenig über unsere Reise, was schon hinter uns liegt, aber auch wo es noch hin gehen soll. Nach dieser sportlichen Betätigung bedanken wir uns ganz herzlich und setzen unsere Reise fort.

20 Gallons of water please!

Ich bin früher im Traum schon öfter mal nach New York City gereist und zwar im eigenen Wagen. Da konnte ich dann in Hamburg eine Abfahrt nach NEW YORK nehmen, die mich auf eine Atlantikbrücke geleitet hat. Nachdem ich in Island aufgetankt habe, konnte ich weiter fahren bis irgendwann eine langgezogene Rechtskurve kam und ich in der Ausfahrt DOWNTOWN MANHATTAN abgefahren bin. Schon in der Kurve sah ich die Skyline von New York City, doch leider endete der Traum immer nach der Ausfahrt oder aber ich habe keine Erinnerung mehr wie es danach weiter ging.

Aber das jetzt ist kein Traum, wir fahren tatsächlich mit dem eigenen Fahrzeug nach New York City. Zwar nicht über eine geträumte Atlantikbrücke, aber „Seabridge“ ist ja auch irgendwie eine Brücke, eine Seebrücke mit Containerschiff.

Es wird aufregend. Wir sehen immer mehr Hinweise für Trucks, die diverse Einschränkungen in Kauf nehmen müssen. Sei es wegen der Höhe und irgendwelcher Tunnel oder wegen des Gewichts auf den Brücken. Wir sind schon fast auf dem Franklin D. Roosevelt Drive. Ich versuche Jutta etwas die Nervosität zu nehmen und versichere ihr, dass das alles für uns nicht gilt. Damit sind nur die großen Lkws gemeint. Und wir mit unseren 3,5 Tonnen und 3 Metern Höhe werden überall durchkommen. Sie bleibt allerdings skeptisch und die Anspannung ist ihr deutlich anzumerken.

Als wir den FDR Drive dann erreichen und die ersten Tunnel durchfahren ist keiner niedriger als 10 Fuß.

Wir sind in Manhattan angekommen und Manhattan ist riesig. Da kommt schon die Williamsburg Bridge, dann die Manhattan Bridge und die Brooklyn Bridge. Es ist ein absoluter Wahnsinn für mich mit Jutta und LEMMY, unserem Overlander Camper jetzt hier durchzufahren. Ein lang ersehnter und oft geträumter Traum geht in Erfüllung. Mit dem Mietwagen hatten wir dieses Vergnügen bereits, aber das ist nicht annähernd dasselbe. Überglücklich biege ich vom FDR Drive rechts ab, um mitten durch Manhattan auf die Westside zu fahren, denn unser Parkplatz ist in Jersey City, genau gegenüber von Downtown Manhattan. Nur der Hudson River trennt beide Stadtteile voneinander.

We are in Neeeeew Yoooork!

Jutta drängelt mit Nachdruck, dass ich schnell irgendwo halten muss. Die Blase drückt, zum Einen wegen der längeren Fahrt und zum Andern auch wegen der Aufregung. Ich fahre kurz rechts ran in eine große Lücke und sehe zu spät, dass schon jemand mit eingelegtem Rückwärtsgang und gesetztem Blinker vorhatte in dieselbe Lücke zu fahren. Es ist mir ein wenig unangenehm, aber was soll ich machen, Jutta ist schon unterwegs nach hinten in die Kabine zur Toilette. Ich sehe nur wie die Blinker von dem PKW vor mir von rechts nach links wechseln, der Rückwärtsgang in den ersten Gang gelegt wird und ein wohlmöglich ärgerlicher New Yorker woanders sein Parkplatzglück suchen muss. „Uihh, das war aber mal dringend jetzt.“, sagt Jutta, als sie wieder zu mir nach vorne einsteigt und erleichtert und etwas entspannter die weitere Navigation vornehmen kann.

Wir wollen durch den Holland Tunnel fahren, weil es der kürzeste Weg ist, um unter dem Hudson hindurch auf die andere Seite nach Jersey City zu kommen. „Da fahren auch große LKWs durch, da werden wir keine Probleme haben.“, versichere ich Jutta. Die Alternative dazu wäre ein ziemlich großer Umweg über die George Washington Bridge.

Kurz bevor wir den Tunnel erreichen sieht Jutta ein Schild „NO RV´s!“ und auch andere Verbotsschilder, wie „NO PROPANE!“ und auch Gefahrguttransporter dürfen NICHT durch den Holland Tunnel fahren. RV bedeutet Recreational Vehicle, darunter fallen alle Wohnmobile, Campervans und natürlich große und kleine Expeditionsmobile. Also auch wir. Aber jetzt ist es bereits zu spät, ich steuere direkt auf den Tunnel zu und will auch nicht mehr anders fahren. Links an der Röhre, wo der Verkehr von Jersey rauskommt, steht ein Streifenwagen. Ob er sieht, wie ich gerade in den Tunnel fahre weiß ich nicht. Wir haben natürlich auch Propan an Bord, denn mit Gas kochen wir. Auf der anderen Seite kommen wir raus und kein Sheriff mit Blaulicht erwartet uns. Puh, Glück gehabt!

Tanken wollen wir unbedingt noch, bevor wir am Ziel ankommen. LEMMY wird dort für einige Tage stehen bleiben und die Heizung benötigt Diesel. Es soll uns nicht nochmal dasselbe passieren, wie vor zwei Jahren in Amsterdam, als die Heizung irgendwann in der Nacht ausging, weil der Tank auf Reserve war. Mit der Reserve haben wir am nächsten Morgen gerade noch die Tankstelle erreicht.

Sonnenuntergang auf dem „Liberty RV – Stellplatz NYC“

Der Camper wird voll getankt und wir zahlen in bar, denn unsere Kreditkarten werden nicht akzeptiert. Die beiden indischen Betreiber raten uns, unsere Bank zu kontaktieren. Sie sind sehr an unserem Fahrzeug interessiert und sie bieten vollen Service und tanken alle Autos selber voll. Sobald alle versorgt sind kommen sie wieder zu uns rüber, um mehr über unsere Reise zu erfahren. Bargeld haben wir mittlerweile ausreichend dabei.

Jetzt sind es nur noch ein paar Minuten bis zum Liberty Harbor RV Park. Ich halte am Stopzeichen und wir gehen ins Office zum Einchecken. Wir werden überaus herzlich empfangen von einer sehr fröhlichen Lady, die sich als Deborah vorstellt. Ich frage nach dem Preis pro Nacht und falle fast aus allen Wolken als sie ihn uns nennt. „139 $“, sagt sie.

Ich wiederhole ungläubig „What???? For a parkinglot??? 139 $???“

Sie bestätigt lachend, „Yes, Honey, 139 $. You are in New York now!“

Ich muss dazu sagen, es ist schon etwas mehr als ein reiner Parkplatz. Wir haben hier ein Waschhaus dabei mit Duschen und Toiletten. Dann gibt es einen Stromanschluss an jedem Platz, den wir allerdings nicht brauchen. Unser Grauwasser können wir an der Dumpstation ablassen und Frischwasser können wir nach Bedarf auffüllen. Das Wichtigste aber ist, wir stehen hier safe mit einer 24/7 Security und Videoüberwachung.

So ne und so ne Nachbarn auf dem RV Parkplatz….

Deborah ermahnt uns noch unbedingt am Tag der Abreise pünktlich auszuchecken. Sonst wird gnadenlos ein weiterer Tag berechnet. Und auf keinen Fall zu vergessen, sich in eine Liste an der Tür als ausgecheckt einzutragen, denn sonst wird ein halber Tag berechnet und von der gespeicherten Kreditkarte abgebucht. Hier funktioniert meine Kreditkarte ohne Probleme.

Deborahs freundliche Art und ihr vieles Lachen macht sie uns sofort sympathisch. Nach den Formalitäten nehmen wir es hin wie es ist und ärgern uns nicht weiter über den hohen Preis. Nützt ja nichts. Jutta erwähnt noch, dass wir durch den Holland Tunnel gekommen sind und fragt Deborah. ob das überhaupt erlaubt war?

„Oh my god, it`s not allowed!“, sagt sie lachend. Sie sagt uns auch, dass es 1000 Dollar Strafe kostet, wenn man erwischt wird. „Da habt ihr aber Glück gehabt.“, bemerkt sie noch in ihrer fröhlichen Art. 1949 ist ein LKW mit 55 Gallonen Kohlenstoffdisulfid im Tunnel in Brand geraten. Der Brand konnte erst nach mehreren Stunden gelöscht werden und 66 Menschen wurden verletzt.

„Ich denke oft, dass die Nacht lebendiger und intensiver gefärbt ist als der Tag. „(Vincent van Gogh)

Ich fahre LEMMY auf unseren großzügigen Stellplatz. In der Nähe stehen noch drei andere RVs, die eher die Größe eines Reisebusses haben und ich bin überglücklich angekommen zu sein, in dieser Metropole, die niemals schläft. Wir hingegen tun das schon, nur noch ein, zwei Bier zum Runterkommen.

Heute wollen wir es ruhig angehen lassen. Beim letzten New York Besuch waren wir nicht bei der Grand Central Station.Das will ich heute unbedingt nachholen. Deborah hat uns erklärt, wie wir am schnellsten rüber kommen nach Manhattan, nämlich mit der „PATH“. Eine Station ist nur wenige Minuten von unserem Parkplatz entfernt. Damit fahren wir einmal unter dem Hudson durch und steigen dann auf der anderen Seite aus, je nachdem wo es dann weiter gehen soll. Es gibt verschiedene Knotenpunkte und eine Menge verschiedene Linien. Wir zahlen hier etwas Lehrgeld, weil wir vorher nicht recherchiert haben, wie man es am besten macht mit den New Yorker U-Bahnen.

Wir kaufen uns in Manhattan jeweils für 20 Dollar eine Karte zum Abfahren, ohne zu wissen, das diese wohl für die gesamte Metro gilt, jedoch nicht für die PATH. Irgendwie dachten wir, dass wir damit schon eine Weile auskommen werden. Eine Wochenkarte hätte 36 Dollar pro Person gekostet. Na ja, die haben wir kurze Zeit später dann gekauft, weil die 20 Dollar mit einigen Fahrten hin und her (Ich sagte es bereits, Manhattan ist riesig!) aufgebraucht waren. Wenn man dann allerdings das New Yorker Metro System durchschaut hat, dann ist es ein perfektes Mittel diese einzigartige Stadt zu erkunden.

Seit wir Kanada verlassen haben, erleben wir zum ersten Mal Temperaturen über Null Grad. Warm angezogen sind wir trotzdem, um gut gerüstet zu sein für einen langen Tag in den faszinierenden Wolkenkratzerschluchten.

First time in NYC-Metro!

New York zieht mich sofort in seinen Bann, mit den ganzen schrillen Menschen, dem Verkehr, dem Lärm, dem Chaos, überall ist was los und hinter jeder Ecke gibt es was Neues zu entdecken. Auf der anderen Seite ist es auch erschütternd und erschreckend realisieren zu müssen, wie Viele hier in bitterer Armut leben. Einer läuft mit sich selbst redend in der Metro an uns vorbei. Er hat wenig Kleidung am Leib und Schuhe trägt er auch nicht, nur durchgescheuerte Socken. Es sind draußen 4 Grad über Null.

An der Brooklyn Bridge steigen wir kurz aus, um sie nur anzusehen. Wir sind bereits einmal drüber gelaufen und das werden wir auch wieder machen, aber nicht heute. Und wir werden, wenn wir die Ostküste weiter runterfahren, mit LEMMY diese Brücke überqueren. Aber jetzt geht es zum Grand Central. Diesen Bahnhof persönlich in Augenschein zu nehmen, nachdem ich ihn in unzähligen Filmen bereits gesehen habe, ist ein großer Moment für mich.

Grand Central

Ich liebe nicht nur Horrorfilme, sondern auch andere Genre haben es mir angetan. Besonders mag ich Filme von David Cronenberg, David Lynch, Quentin Tarantino, Abel Ferrara, Martin Scorcesi, Alfred Hitchcock, Oliver Stone und noch Viele mehr. Aber noch mehr liebe ich es, in Filmen Orte wiederzuerkennen, die ich bereits besucht habe.

Am Grand Central steigen wir aus der Metro und kommen in diese wunderbare Bahnhofshalle. Es ist ganz genauso wie ich es aus den Filmen kenne. Da drüben ist die Oyster Bar und dort die große Bahnhofsuhr. Wir schnuppern ein wenig rein und beobachten die Leute, wohin sie auch immer eilen mögen. So ein Bahnhof, in so einer Stadt wie New York, ist ein wenig wie ein Flughafen. Wie viele verschiedene Schicksale pendeln hier jeden Tag zur Arbeit und zurück? Wie viele Personen starten von hier eventuell in ein neues Leben und wie viele Menschen kämpfen hier Tag für Tag ums Überleben, um etwas zu essen? Tausende Begegnungen, stündlich. Nimmt uns irgend jemand wahr hier? New York ist unpersönlich. New York ist gnadenlos. Und New York ist ein Synonym für Erfolg. If I can make it there, I´ll make it anywhere. Sicher das ist eine abgedroschene Phrase, doch irgendwie glaube ich daran.

Vor der Grand Central Station

Wir lassen uns etwas treiben, auch draußen um Grand Central herum. Dann wollen wir noch zum Times Square. Uns ist schon am ersten Tag klar, dass alleine Manhattan eine Reise von vier Wochen oder mehr nicht gerecht werden würde. Zuviel gibt es zu sehen und zu erkunden. Aber wir lassen uns davon nicht entmutigen, schließlich sind wir gerade erst angekommen und haben noch etwas Zeit vor uns in dieser gewaltigen Millionenstadt.

Wir laufen bis zum Times Square und genießen jede Sekunde. Langsam realisieren wir wo wir uns befinden. Überall in diesen Häuserschluchten sehe ich großartige Ausblicke und immer wieder wird das Handy rausgekramt um zu fotografieren. Da das Empire State Building, dort dampft es aus dem Straßengully und dann wieder ein geiles Graffiti an der Wand.

Wir gehen noch ins Hard Rock Cafe am Times Square, um dort erfolglos im Merch Shop zu stöbern und stärken uns danach im Restaurant, nach einem entspanntem ersten New York Tag, mit der Nacho- Cheese-Platte mit Chicken, Sourcream & Guacomole, dazu zwei große Biere.

HCR in NYC

Ausgehen muss natürlich auch sein, wenn man schon mal in so einer Mega City unterwegs ist. Da habe ich im Internet einige vielversprechende Läden gefunden. Zwei aber haben mich besonders angesprochen. Das eine ist der Double Down Saloon, in Lower Manhattan/Eastside. Den werden wir gleich ansteuern. Das Andere ist der Lucky 13 Saloon, der ist allerdings drüben in Brooklyn, den machen wir ein andermal.

Wir merken schnell, dass echt viel Zeit in den Metros drauf geht. Es dauert immer eine ganze Weile um von A nach B zu kommen, besonders wenn man auch noch ein oder zweimal umsteigen muss. Aber es ist nie langweilig, immer gibt es interessante Leute zu beobachten, freakige Typen, Business People, Leute wie du und ich. Einige kommen abgekämpft von der Arbeit, haben noch den dreckigen Overall an, Andere sind hip und tragen ihre schicken Designeroutfits zur Schau. Und die verschiedenen Stationen haben auch alle ihren eigenen Reiz. Die U-Bahn ist alt, sehr alt. Das sieht und hört man. Es quietscht und knarzt sobald sich ein Zug nähert. Es ist dreckig, zum Teil düster. Manche Stationen sollte man abends besser nicht alleine betreten. Trotzdem haben sie unglaublich viel Charme und ich fotografiere viel und finde immer neue interessante Perspektiven. Ich liebe die New Yorker Metro einfach, ganz genauso wie sie ist.

Nach der Metrostation müssen wir noch etwas laufen und kommen an „Katz`s Spezialitäten Laden“ vorbei. Bald darauf entdecke ich auf der anderen Straßenseite den Double Down Saloon. Schnell rüber und nix wie rein. Es ist kalt draußen, wenn die Sonne mit dem Mond die Plätze getauscht hat. Der Türsteher hat kein Problem mit uns. Die Bar ist nicht besonders voll und ich fühle mich auf Anhieb sauwohl.

Sie ist sehr düster, die Musik ist laut und der Tresen ist lang. Überall kleben Plakate und die Wände sind bekritzelt. Eine typische Punk- und Metalkneipe halt. Hinten gibt es noch einen Billardtisch und kleine Separees mit ledernen Sofas. Ich bestelle mir Local Draft Beer und Jutta ein Wheat Beer. Wir trinken „On Tab“, das bedeutet das ich meine Kreditkarte der Barfrau aushändige und erst am Ende des Abends zahle und nicht jeden Drink einzeln. So mag ich es.

Wir suchen uns einen netten Platz an einem Tisch mittendrin und schauen uns um, begutachten die Bar, die anderen Gäste und lauschen der Musik. Ich vergleiche zwangsläufig mit anderen Bars, ich war schon in Einigen. Aber was ich hier sehe, habe ich noch in keiner anderen Bar zuvor gesehen. Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich es gemerkt habe, Jutta war da viel schneller als ich.

Überall hängen Fernsehapparate. Über dem Tresen und an den Wänden, im ganzen Laden verteilt. Und was dort üblicherweise läuft sind entweder Musikvideos oder Filme. Manchmal gibt es Untertitel bei den Filmen, denn sie laufen immer ohne Ton, weil wir in einer Bar ja Rock `n` Roll hören wollen. Die Filme, die hier laufen brauchen keine Untertitel. Es sind Hardcore Pornos. Gebannt und amüsiert zugleich, weil ich so etwas hier nicht erwartet habe, schaue ich eine Weile zu, wie dort auf dem Monitor Dinge geschehen, die ich hier nicht näher beschreiben mag, denn das ist absolut nicht jugendfrei.

Double Down Saloon

Wir überlegen und besprechen noch, was wir uns für morgen in etwa vornehmen wollen und verlassen nach einigen Drinks den Double Down Saloon, der auf meiner Favoritenliste einen Ehrenplatz bekommt.

Zurück geht es wieder mit der Metro und anschließend mit der „PATH“ unter dem Hudson hindurch, bis wir dann in Jersey die letzten Meter nach Hause laufen.

Heute ist der 08. Februar 2022, ein sonniger Wintertag und wir haben 8 Grad über Null, was sich sehr angenehm anfühlt nach den arktischen Temperaturen, die wir in Kanada erlebt haben. Um Downtown mal von unserer Seite, von Jersey City zu sehen, wollen wir heute mit der Fähre über den Hudson fahren. Wir müssen nur ein paar Blocks laufen, um zum Fähranleger zu kommen. Auf dem Weg sehen wir einige Zelte, mitten auf den Bürgersteigen und manchmal auch nur Matratzen mit wenigen Habseligkeiten davor. Die Armut und die Not vieler Menschen ist groß. Es ist nur schwer zu ertragen, damit täglich neu konfrontiert zu werden, weil man selber so hilflos ist. Natürlich geben wir hier und da mal etwas, aber damit ist ja nur kurzfristig geholfen. Ohne Lösung gehen wir weiter zum Anleger.

Wir sind etwas zu früh dran und haben noch Zeit zu einem besseren Aussichtspunkt auf Downtown Manhattan zu spazieren. Der Anblick ist atemberaubend. Na ja, für mich jedenfalls. Jutta findet Skylines auch schön. Ihr reicht es aber, sie einfach nur still anzugucken. Ich bin immer wieder neu fasziniert und begeistert. Ich bewundere bei strahlend blauem Himmel das neue „One World Trade Center“. Mir gefällt die Architektur sehr und die Größe ist beeindruckend. Rechts daneben standen früher die Zwillingstürme des alten WTC. Wir alle wissen was damit am 11.09.2001 geschehen ist. Heute wollen wir uns das 9/11 Memorial ansehen.

Von hier aus sehen wir auch die Freiheitsstatue und das Einwanderungsmuseum auf Ellis Island. Wie sich die Einwanderer damals wohl gefühlt haben, als sie vom Schiff endlich Miss Liberty sahen und dann dem Grenzbeamten Rede und Antwort stehen mussten? Die Gesunden und offensichtlich Starken, mit entsprechender Gesinnung durften einreisen. Alte, schwache oder kränklich wirkende Personen, die vielleicht auch nicht immer die richtigen Antworten gegeben haben, wurden mit dem nächsten Schiff zurückgeschickt. Für diese Menschen wird die Einreise damals wohl um Einiges aufregender gewesen sein, als für uns heutzutage.

Ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als ich das gelbe Fährschiff kommen sehe. „Jutta, wir müssen los zum Anleger, die Fähre kommt.“

Nun nähern wir uns diesem Wolkenkratzerdschungel von der Seeseite her und die riesigen Türme, aufgereiht wie ein futuristisches Schachspiel, kommen immer dichter ran. „Zieh dir das rein, ist das nicht der Wahnsinn?“, sage ich zu Jutta.

„Ja, sieht toll aus.“, sagt sie lächelnd, ohne meine eigene Begeisterung so wirklich zu teilen.

Wir bahnen uns den Weg durch dieses Häusermeer und finden das „One World Trade Center“. Natürlich soll es noch hoch auf das Aussichtsdeck gehen. Doch der Portier sagt, es sei für heute und morgen geschlossen. „Kommen sie doch übermorgen noch einmal wieder.“ Dann werden wir allerdings auf dem Weg sein die Stadt zu verlassen. Ist nicht schlimm, das spart uns viel Geld. Stattdessen geht es dann auf das „Empire State Building“. Da wollte ich sowieso noch einmal rauf nach dem letzten Besuch hier und wir müssen nur eine Aussichtsplattform bezahlen.

Das machen wir dann etwas später, bevor die Sonne untergeht.

Jetzt wollen wir uns das 9/11 Memorial ansehen und das ist sehr unauffällig und gigantisch zugleich. Unauffällig ist es, weil es sehr flach ist und man es glatt übersehen könnte, würde man nur daran vorbei gehen, ohne zu wissen, wo man sich befindet. Gigantisch ist es, weil es aus zwei Monumenten besteht, die der Grundfläche der beiden ehemaligen Zwillingstürme entsprechen.

9/11 Memorial

Bäume umringen diese Gedenkstätte, so dass wir das Gefühl haben in einer Parkanlage inmitten der Großstadt zu sein.

Es fällt mir gerade schwer zu beschreiben, was ich da sehe und wie es mir in dem Augenblick geht. Ich habe einen großen Kloß im Hals und bin ziemlich ergriffen von diesem überwältigendem und überaus angemessenem Meisterwerk der Architektur (Michael Arad). Ich setze mir schnell meine Sonnenbrille auf und ringe mit mir, um nicht die Fassung zu verlieren. Jutta und ich gehen bewusst ein wenig voneinander entfernt, immer in Sichtweite, aber trotzdem alleine. Ich wische mir unauffällig zwei, drei Tränen von der Wange.

Die Monumente sind im Grunde zwei quadratische, riesige Vertiefungen im Boden, umgeben von einer flachen Mauer. Die Mauer ist oben in Metall gefasst, in das die Namen aller 2977 Opfer ausgestanzt sind, um diesen Menschen für immer zu gedenken. In manchen Namen steckt eine weiße Rose. Innen fließt Wasser an den gekachelten Wänden hinab, im ewigen Kreislauf, unaufhörlich. Am Boden sammelt es sich und fließt in ein weiteres quadratisches Loch. Dieses ist aber viel kleiner und ich kann keinen Grund erkennen. Es wirkt als fließe es hinab in die Unendlichkeit.

Wieder muss ich mich zusammen reißen, als Jutta auf mich zu kommt. Sie merkt, dass es wohl besser ist mich noch einen Moment in Ruhe zu lassen. Ihr geht es ähnlich, das ist deutlich spürbar.

No words can discribe….

Nach einer Weile treffen wir wieder zusammen und ich nicke Jutta zu. Jetzt bin ich bereit und wir können dieses unaufdringliche und zugleich bewegende Monument verlassen. Natürlich reden wir über die letzte erlebte Stunde dort und finden beide, dass dieses Denkmal nicht passender, schöner bzw. dem schrecklichen Ereignis angemessener, hätte sein können. Es ist perfekt. Aber trotzdem muss nun Jeder für sich einen Weg finden, das alles zu verarbeiten.

Vom 9/11 Memorial aus habe ich schon so ein eigenartiges Gebäude gesehen, darauf steuern wir jetzt zu. Es ist ganz in weiß gehalten und sieht aus wie ein riesiger, saurierartiger Vogel, der seine Flügel spreizt.

OCULUS Station

Inmitten der umgebenden Hochhäuser wirkt er klein, aber für diese vogelartige Architektur ist er enorm groß. Viele Leute gehen rein und andere kommen heraus. Was verbirgt sich wohl im Inneren?

Das finden wir nur heraus, wenn wir selber hinein gehen. Der absolute Wahnsinn offenbart sich uns, ich fühle mich wie in einem Science Fiction Roman von Frank Herbert. Es könnte eine Raumstation aus „Dune, der Wüstenplaneten“ sein. Vielleicht auch ein Raumschiff aus Star Wars. Im Innenbereich ist ebenfalls alles in weiß gehalten und die äußere Architektur wird innen konsequent fortgeführt. Es gibt mehrere Ebenen, zum Teil über Rolltreppen oder Aufzüge zu erreichen.

Wir befinden uns in der OCULUS STATION. Dort ist eine Metro weit unter der Erdoberfläche und gibt sich erst zu erkennen, wenn man sich einige Etagen nach unten bewegt. Hier kreuzt sie die New Yorker U-Bahn mit der PATH (Port Authority Trans-Hudson) und tief unter dem WTC geht es in verschiedene Richtungen weiter.

Oben aber scheinen wir uns in einem Gerippe zu bewegen. Die Streben, die dieses Gebäude ausmachen, muten an, als befinden wir uns in einem Dinosaurierskelett. Verbunden werden sie in der Mitte ganz oben, von etwas das aussieht wie eine Wirbelsäule. Darum ist wahrscheinlich auch alles weiß. Nur eine einzige Strebe wird pink erleuchtet.

Der Architekt dieser futuristischen Halle ist der Spanier Santiago Calatrava. Er muss ein großer Science Fiction Fan sein. Unten im Ground Floor sehen wir eine Installation von weißen Körpern, wie große Kapseln sehen sie aus, in denen ein Mensch liegen könnte. Davon gibt es ein Dutzend, sechs auf einer Seite und sechs auf der anderen Seite. Allerdings sind sie abgesperrt, wahrscheinlich damit sie niemand als Bank missbraucht.

Fasziniert fahren wir die Rolltreppen in den Untergrund und verlassen diese Raumstation mit einem alten Metrozug, der hier irgendwie nicht so richtig rein passt. Denn auch die PATH-Station hier unten ist komplett weiß, futuristisch und piccobello sauber.

Normale Metro
OCULUS Station

An der Brooklyn Bridge Station steigen wir aus. Her sieht die New Yorker U-Bahn wieder so aus, wie wir sie kennen und lieben: alt, dreckig und etwas abgefuckt. Wir wollen nach China Town, denn es ist Lunch Time und uns knurrt bereits der Magen. Von hier können wir gut dorthin laufen und unterwegs noch einige Eindrücke mitnehmen. Wir finden ein schönes und mit vielen „Locals“ gefülltes Lokal, was meist ein Zeichen für gutes Essen ist und kehren dort ein. Noch bevor wir irgendetwas bestellen, bekommen wir jeder ein Glas Wasser auf den Tisch gestellt und eine große Kanne mit Tee, dazu zwei kleine henkellose Tassen. Wir bestellen Bun Cha (vietnamesische Frühlingsrollen), Jutta die vegetarische Variante, ich die mit Pork. Dazu gibt es wahlweise Noodles oder Rice und zum Trinken noch einen leckeren Smoothie.

Nach dem köstlichen Mittagessen, obwohl es schon längst Nachmittag ist, geht es gestärkt weiter zum Empire State Building. Auf dem Weg sehen wir Macy`s und gucken mal kurz rein. Jutta sucht noch nach Hausschuhen und findet hier die „Uggs“ toll, das sind Schuhe, Clogs oder so was Ähnliches. Aber es gibt sie nicht in der passenden Größe. Es geht einmal rauf und wieder runter und schon sind wir wieder draußen.

Ich weiß noch wie es 2006 war, ich meine es war 2006, als wir das erste Mal in New York waren. Da sind wir auch zum Aussichtsdeck des Empire State Buildings hoch gefahren, mussten aber über 90 Minuten in der Line stehen, denn es war ziemlich viel los. Da ich auf keinen Fall die Dämmerung verpassen will, damit ich zum Fotografieren perfektes Licht habe, sind wir rechtzeitig vor Ort und stellen mit Freude fest, dass keine lange Warteschlange vor uns ist. Nach dem Ticketschalter geht es lange Flure entlang, wo es auch schon Vieles zu sehen gibt, damit die Zeit in der, diesmal nicht vorhandenen Schlange, nicht zu lang wird. Es wird anhand von Bildern und Multimediabeiträgen über den Bau dieses Wolkenkratzers berichtet. Etwas später klettert ein virtueller King Kong an der Aussenfassade hoch und wir beobachten das Spektakel durch die Fenster von Innen.

Help meeeee!

Jetzt nur noch in den Highspeedaufzug und ab geht die Fahrt nach oben. Das war schon damals sehr beeindruckend. Obwohl ich das zweite Mal hier bin, ist es erneut fantastisch die 360° Aussicht zu genießen. Wir bemerken auch wie vorteilhaft es doch sein kann, außerhalb der Saison zu reisen. Wir können ohne großes Gedränge und Geschiebe den Balkon umrunden und haben mit der untergehenden Nachmittagssonne beste Lichtverhältnisse. Allerdings ist es bitterkalt hier oben, deswegen wärmen wir uns nach der ersten Runde innen wieder auf.

Es ist fast unbeschreiblich, dieses gigantische Häusermeer. Wir schauen rüber bis Jersey City, wo unser LEMMY steht. Die Sonne geht immer weiter unter. Das Licht färbt sich rötlich und das Farbenspiel am Himmel und in den Wolken ändert sich im Sekundentakt. Ich drehe eine zweite Runde um mehr Fotos zu machen. Auch noch ein weiteres Mal bei völliger Dunkelheit verlasse ich den gemütlichen und warmen Innenbereich, aus dem der Ausblick nebenbei gesagt ebenso spektakulär ist, halt nur durch eine Glasfront. Einige andere Hobbyfotografen haben dieselbe Idee und warten mit uns geduldig auf die Dunkelheit. Jetzt spendet nur noch der Mond durch den bewölkten Himmel etwas Licht von oben. Alles andere Licht kommt von den Hochhaustürmen dieser Mega City und lässt die Stadt erstrahlen.

We love New York!

Mit viel zu vielen Fotos fahren wir den Aufzug wieder runter und verlassen durch den Merch Shop das Empire State Building. Irgendwie kommt man daran nie vorbei. Clevere Architekten. Als wir schon auf der Straße sind fällt mir ein, die Halle durch die wir gerade das Gebäude verlassen haben, sieht auch ganz fotogen aus. Ich sage Jutta, dass ich nochmal kurz rein muss, für ein allerletztes Foto.

Der Portier schaut mich fragend an, als ich zurück komme. Als will er sagen: „Na mein Freund, hast du etwa etwas vergessen oder kannst du einfach nicht genug bekommen von diesem Meisterwerk der Ingenieurskunst?“. Aber er schaut mich nur an und bleibt stumm.

Ich frage stattdessen: „Can I take one last picture?“

Er antwortet lächelnd und sehr freundlich: „The Empire State Building is yours.“ und unterstreicht seine Worte mit ausgebreiteten Armen, als lege er es mir zu Füßen.

Da mein englischer Wortschatz etwas begrenzt ist und ich so spontan nicht die richtigen Worte finde auf die Schnelle, sage ich lediglich: „Ok, thank you, Sir.“

Lieber hätte ich ihm was Anderes geantwortet, etwas worüber wir beide dann wohl herzlich gelacht hätten. Dann hätte ich gesagt: „OK Sir, ich verkaufe es an den Meistbietenden.“ oder aber „Mein lieber Herr, wo kann ich mir die Tageseinnahmen abholen?“

Wir fahren wieder rüber nach Jersey zu LEMMY und beenden einen weiteren großartigen Tag.

Tag 3 in NYC beginnt, wie üblich mit dem Morgenkaffee und einem Plan. Der Plan heute ist als erstes die „HIGH LINE“ Strecke entlang zu spazieren. Das ist eine stillgelegte Tramstrecke durch Westchelsea beim „Meat Packing District“. Danach wollen wir über die Brooklyn Bridge laufen und uns etwas in Brooklyn treiben lassen, denn am Abend möchte ich mit Jutta in den „Lucky 13 Saloon“, der ebenfalls in Brooklyn liegt.

Ich habe noch immer eine Menge Ideen, falls noch Zeit für andere Dinge bleibt, wie zum Beispiel ins MoMA oder ins Guggenheim Museum oder ins Whitney Museum of American Art. Aber leider schaffen wir nicht annähernd das angedachte Tagesprogramm zu absolvieren. Jutta tröstet mich damit, dass wir ja auch mal zwischendurch nach New York fliegen können, um einiges nachzuholen, was jetzt auf der Strecke bleibt. Das muss unbedingt sein, denn sonst können wir hier noch lange nicht weg fahren.

An einer Metrostation im angesagten Meat Packing District steigen wir aus. Von hier aus wollen wir laufen zur High Line. Die grobe Richtung haben wir uns auf Googlemaps angeschaut. Es ist in den letzten Jahren immer hipper geworden hier zu wohnen und dementsprechend haben sich viele Restaurants und Bars angesiedelt. Aber die alten Fleischfabrikshallen und die großen Tore für die LKWs sind noch überall zu sehen. Das Viertel hat was, das muss man schon sagen. Die New Yorker brauchen wohl keinen Stillstand befürchten, was die Stadtentwicklung angeht. War es gestern noch Williamsburg, das schwer angesagt war und ist es heute der Meat Packing District, so kann es morgen schon Westchelsea sein.

Boardwalk NY – Third Level

Die High Line ist eine alte Hochbahntrasse und wir sehen sie bereits. Doch wissen wir nicht, wo es eine Möglichkeit gibt da rauf zu kommen. Als wir an einer Ampel auf Grün warten und neben uns eine nett aussehende Frau mit Kinderwagen steht, fragen wir nach. „Das ist nicht mehr weit.“, sagt sie, „noch ein oder zwei Blocks und dann links. Ich gehe die selbe Richtung.“ Wir sind allerdings etwas flotter unterwegs und sehen schon die Treppe nach oben zu dieser Flaniermeile. Wir drehen uns noch einmal um, zeigen den Daumen nach oben, so dass sie weiß, dass wir es gefunden haben.

Jetzt geht es eine Treppe rauf und schon befinden wir uns auf diesem Boardwalk über den Straßen. Die alten Gleise sind längst von der Natur überwuchert. Zwischendurch gibt es Bänke in schön bepflanzten Sitzecken, für diejenigen, die ihren Spaziergang mal unterbrechen möchten. Aber auch für Leute, die ihre Mittagspause mit einem Kaffee und dem Lunchpaket im Freien verbringen wollen.

Wir sind begeistert von dieser genialen Idee, eine alte, ungenutzte Hochbahn in einen parkähnlichen Spazierweg zu verwandeln. Überall gibt es tolle Ausblicke, mal auf den Hudson River, dann wieder in eine beeindruckende Straßenschlucht. Zwischendurch entdecken wir bunte Graffiti, zum Teil schmücken sie ganze Fassaden. Durch eine enge Häuserschlucht sehen wir Andy Warhole? an der Wand und wie er zu uns rüberblickt, im Hintergrund das ONE WTC.

Ein Spaziergang eine Etage über der Stadt, gewährt ganz besondere Ein- und auch Ausblicke. Wir kommen an futuristischen, vermutlich unbezahlbaren Luxusapartments vorbei und an hypermodernen Wolkenkratzern. Einer hat weit oben eine große, dreieckige Aussichtsplattform, es wäre untertrieben dazu einfach nur Balkon zu sagen.

Dann sehen wir im Gegensatz dazu, auch die alten New Yorker Wohnblocks mit den Feuertreppen, die von ganz oben bis fast runter auf die Straße führen. Was hier wohl im Sommer los ist, wenn die ganze Stadt voller Touristen ist? Ich mag es mir nicht ausmalen.

Normalerweise sind wir mit unseren Berufen auch immer an die Sommerferien gebunden, was eigentlich nie ein Problem war, denn oft flogen wir nach Asien, wo die High- und die Peak Season erst im Herbst und Winter beginnt. Nie würden wir auf die Idee kommen den Sommer an den überfüllten Stränden von Spanien oder Italien zu verbringen. Hier und jetzt sind wir ein weiteres Mal hocherfreut darüber, in der Nebensaison unterwegs zu sein. Besonders wenn es so ein wundervoller, kalter, aber sonniger Tag ist. Wir gehen gemütlich bis ans nördliche Ende der High Line, wo im Augenblick eine Baustelle den weiteren Weg versperrt. Vermutlich wird dieser besondere Spazierweg in der Zukunft noch um Einiges erweitert.

Ganz in der Nähe finden wir eine Metrostation von der wir bis zur Brooklyn Bridge fahren. Diese Brücke übt eine magische Anziehungskraft auf mich aus. Und das nicht nur, weil sie wunderschön ist. Nein, auch weil sie zwei so bedeutende Stadtteile miteinander verbindet, Brooklyn und Manhattan. Zu Manhattan muss man nicht viel sagen, der Name spricht für sich.

(Jutta fragt mich beim Korrekturlesen: „Wieso spricht der Name für sich?“ Dabei lacht sie, weil ich natürlich sofort fassungslos die Arme ausbreite und sage: Maaaaanhattaaaan?!!! Bremen-Tenever heißt Klein-Manhattan, Frankfurt am Main wird Mainhattan genannt. Jedes Kind kennt Manhattan!)

„Brooklyn“, das klingt doch schon wie Musik. In Hamburg in der „Cowboy & Indianer“ Bar und nebenan im Lehmitz, da gibt es Brooklyn Lager. Selbstverständlich trinke ich nur dieses Bier frisch gezapft, wenn ich in einer der beiden Bars bin. „Brooklyn“, der Name klingt nach einer verführerischen Frau, nach einer heruntergekommenen Hafenspelunke, nach einem betörendem Parfüm und natürlich nach einer großartigen Brücke und einem aufregenden New Yorker Stadtteil. Selbst ein Film heißt „Letzte Ausfahrt Brooklyn“. Wahrscheinlich habe ich in meinen Träumen, wenn ich über die nicht existierende Atlantikbrücke gefahren bin, immer genau diese Ausfahrt genommen.

Da isse, die Brooklyn Bridge!

Und nun sind wir hier und ich sage: „Jutta, sieh dir das an, diese gewaltige Brücke und da drüben gleich die Manhattan Bridge. Und guck mal da unter uns die ganzen Autos, die rüber wollen nach Brooklyn. Da fahren wir auch morgen lang. Hast du Miss Liberty gesehen da hinten und die Skyline, ist das nicht fantastisch?“ Sie amüsiert sich dann gerne über meine kindliche Freude. Aber ehrlich gesagt bin ich ganz froh darüber, dass sie mir erhalten geblieben ist.

Das mir heute wieder die Tränen kullern werden, davon ahne ich jetzt noch nichts. Doch im Gegensatz zu gestern, werden es Tränen der Freude sein und ein unglaubliches Glücksgefühl wird mich überkommen.

Have you seen it?

Wir schlendern weiter und Jutta entdeckt ein selbstgemaltes Plakat, angeklebt an einem Brückenpfeiler. „LOST“ steht dort in großen Lettern ganz oben auf dem Zettel. Darunter etwas kleiner geschrieben steht: „Have you seen my ear? Dann ein gemaltes Porträt ohne Ohr und ein weiterer Text. Offensichtlich sucht Vincent van Gogh in New York nach seinem abgetrennten Ohr. Ich liebe diese Stadt!

Angekommen auf der anderen Seite heißt es dann „WELCOME TO BROOKLYN.“

Es ist bereits später Nachmittag und wir bekommen Lust auf einen Kaffee und vielleicht ein Stück Kuchen. In Brooklyn verlassen wir die Brücke und halten Ausschau nach einem geeigneten Etablissement. Wir gehen intuitiv und lassen uns treiben. Es geht ein kleines Stück links runter Richtung Hudson River und dann sehe ich plötzlich durch eine Häuserzeile, einen Pfeiler der Manhattan Bridge. Majestätisch überragt dieser kleine Ausschnitt auf die Brücke die Häuserzeilen links und rechts und ich denke: „Was für ein geiles Motiv!“

Woher kenne ich diesen Ausschnitt????

Wieder keimt die kindliche Begeisterung in mir auf und ich will diese mit Jutta teilen. „Siehst du das da, sieht das nicht unglaublich aus?“

Irgendwie kommt mir diese ganze Szenerie bekannt vor, ich weiß aber nicht woher. Auf jeden Fall sind wir nicht die Einzigen, die hier fotografieren, alle dasselbe grandiose Motiv. Zufällig ist genau hier in der Straße ein kleines Café, in das wir uns jetzt erstmal rein begeben und einen Café Latte bestellen und dazu ein kleines Stückchen Kuchen.

Der Kuchen ist genau nach meinem Geschmack. Der leckere Kaffee wärmt uns auf und obwohl dieses minimalistische und kühle Ambiente hier drinnen nicht so mein Ding ist, sind wir froh uns eine kurze Pause genehmigen zu können. Weil wir hier ein freies WLAN haben, checken wir kurz unsere Handys und jeder ist etwas für sich beschäftigt. Dann kommt es mir und ich rufe laut: „Ich hab`s. Jetzt weiß ich es wieder. Es war einmal in Amerika!“

Jutta guckt mich erstaunt und mit großen, fragenden Augen an.

„Na, da draußen, die Brücke, die Straße! Das ist das Cover, das Titelbild von „Once upon a time in America“, einem der besten Filme aller Zeiten! Den haben wir doch erst Silvester vor zwei Jahren gesehen!“ Ich kann es kaum fassen und unverzüglich suche ich das Cover im Internet. „Da ist es!“, sage ich triumphierend und halte mein Handy als Beweis Jutta rüber, „los, lass uns die Szene nachstellen. Ich laufe so wie Robert de Niro hier auf dem Cover und du fotografierst mich dabei.“

Also schnell noch kurz in den Restroom, dann zahlen und rauf auf die Straße. Die Dämmerung beginnt schon, was für uns perfekt ist zum Fotografieren. Allerdings sind noch einige andere Filmfans hergekommen, um es uns gleichzutun. Aber das ist jetzt egal und wird in Kauf genommen.

Jürgen auf Noodles Spuren!
Das Original

Ich spreche mit Jutta ab, wie ich mir das Foto vorstelle. Wo sie stehen soll und wo ich stehen werde und das ich versuche in einer bestimmten Pose zu verharren. Ich werde das linke Bein in der Luft halten, als ob ich auf meine Freunde auf der anderen Straßenseite zugehe und die Arme ausbreiten, um sie willkommen zu heißen. So gibt es das Titelbild vor und das will ich nachmachen, obwohl ich dann für einen Moment den anderen Fotografen mitten im Motiv stehen werde.

Ich fühle, wie ich auf den Spuren von Robert de Niro wandle, der im Film als Noodles auftritt, dem besten Freund von Max, gespielt vom wunderbaren James Woods.

„Mach aber schnell!“, sage ich noch zu Jutta, „damit wir nicht länger als nötig die Szene für die Anderen blockieren.“ „Alles klar, geh du in Position und bleib still stehen, dann mache ich die Bilder.“, sagt Jutta.

Nach wenigen Augenblicken ist alles im Kasten und wir machen die Straße frei für die Nächsten. „Jetzt gehen wir noch runter an den Hudson, vom Ufer hier neben der Brooklyn Bridge müssten wir eine grandiose Sicht auf Downtown und Lower Manhattan haben.“, sage ich.

Mir gehen langsam die Superlative aus, mein Wortschatz ist leider nicht nur im Englischen begrenzt. Dieser Ausblick von genau diesem Punkt in Brooklyn, auf Downtown und die beiden Brücken, links die Brooklyn Bridge, rechts die Manhattan Bridge, ist einfach nur zum Niederknien. So etwas Schönes habe ich selten zuvor gesehen. Ich bin sprachlos und mache Bilder, damit dieser unvergessliche Augenblick für immer weiter existiert. Berauscht vor Glück und etwas wehmütig müssen wir langsam weiter.

Ich kann mich kaum losreißen von diesem magischen Ort, wo sogar Jutta die Spucke weg bleibt, bei so einem Anblick. Das ist mehr als nur irgendeine Skyline. Das hier ist vielleicht der perfekte Ort, zur perfekten Tageszeit, um eine der vollkommensten Brücken, vor der wahnsinnigsten Skyline der Welt auf einem Foto festzuhalten.

No words….again….

Mir ist selbstverständlich klar, dass vor mir und auch nach mir, Tausende von Leuten diesen Platz entdeckt haben und entdecken werden. Aber das schmälert mein Glücksgefühl in keinster Weise.

Überaus zufrieden machen wir uns auf den Weg zu einer Metrostation, weil auch Brooklyn groß ist und der Weg in den Lucky 13 Saloon weit.

Unterwegs denke ich so bei mir, dass neben Manhattan, die anderen Teile von New York bestimmt bei den meisten Reisenden viel zu kurz kommen. Bei uns ist es ja ganz genau so. In Queens war ich noch nie. In der Bronx waren wir beim letzten Besuch wenigstens. Und einen Abstecher durch Hoboken haben wir auch beim letzten New York Aufenthalt gemacht. Das allerdings nur wegen meiner Mafia Leidenschaft. Und das PC Spiel Mafia I spielt unter anderem in Hoboken, in einem New York der 30er Jahren. Was also blieb mir da anderes übrig, als mit unserem Leihwagen durch diesen gut klingenden Stadtteil zu fahren?

„Wir müssen hier raus!“, vernehme ich von weit her. „Was?“, frage ich, als Jutta an meinem Arm zerrt. „Wir müssen hier aussteigen, beeil dich!“, vernehme ich nun laut und deutlich von Jutta, die bereits an der Tür des Zuges steht. Oben auf der Straße sind es noch ein paar Blocks zu laufen. Unterwegs gibt es wieder einige Graffiti zu sehen.

An einer Wand sehen wir:

TRUMP=RACISM WE VOTET HIM OUT!

Daneben einige Bilder. Brooklyn gefällt uns immer besser.

We agree!!!!!

Endlich stehen wir vor dem Lucky 13 Saloon und gehen durstig und voller Vorfreude hinein. Naja, auf jeden Fall, ich gehe so hinein. Jutta müsste nicht unbedingt oft ausgehen. Sie macht das mir zuliebe mit. Ich verspreche ihr, dass es nicht zu lange gehen wird und wir mit der letzten Metro noch zurück fahren werden. Ist das nicht auch eigentlich ein Filmtitel? „Die letzte Metro“?

In New York gibt es eigentlich keine letzte Metro, sie fährt immer. Allerdings ist spät in der Nacht die Taktung eine ganz andere und es kann sein, dass man lange auf seine Bahn warten muss. Das ist auch in der heutigen Zeit nicht ganz ungefährlich. Und nachts ist nicht mehr viel los im Untergrund von NYC. Da kann es dann auch schon mal unbehaglich werden, bei den schrägen Gestalten, die dort auch tagsüber und am frühen Abend schon rumlungern. Aber ich sage zu Jutta: „Du bist ja nicht allein, ich bin doch mit dabei.“

Nix mehr los!

(Kleine Notiz am Rande: Jetzt, wo ich an diesem Blog schreibe, sind wir bereits in Vancouver/B.C.. Es ist der 20. April 2022 und vor einigen Tagen habe ich von einer Schießerei in einer Metrostation in Brooklyn gelesen. Es wurden mindestens 23 Menschen verletzt und es war eine der größten Schießereien in der Geschichte der New Yorker U-Bahn. Die Schüsse fielen im morgendlichen Berufsverkehr, am 12.4.2022)

Wir gehen direkt zur Barkeeperin und bestellen uns zwei Bier. Die Musik ist schon mal sehr geil. Es läuft Queens Of The Stone Age. Die Bar ist kleiner als der Double Down Saloon auf der anderen Seite in Lower Mahattan, aber ansonsten sehr ähnlich. Die Wände werden von vielen Filmplakaten verziert, überwiegend Horrorfilme. Masken und Requisiten hängen auch hier und dort rum. Es sind nur wenige Gäste außer uns hier. Wow, und jetzt dröhnt Ministry aus den Boxen. Ich will mit Jutta auf den gelungenen Tag anstoßen und etwas sagen, aber ich merke plötzlich, dass ich gar nicht sprechen kann. Sie sieht mir sofort an was los ist, schließlich kennen wir uns nicht erst seit gestern.

Cheers!

Alles was wir an diesem Tag in New York erlebt haben, überwältigt mich gerade. Der Spaziergang auf der High Line, die Überquerung der Brooklyn Bridge. Das wir zufällig dieses Filmset von „Es war einmal in Amerika“ gefunden haben und dann noch die Aussicht auf die Skyline von New York. Das habe ich auch noch nie erlebt. Mir kullern Tränen der Freude die Wangen runter und ich bin nicht in der Lage irgendetwas zu sagen. Jutta versteht mich natürlich und es geht ihr genauso. Sie lächelt mich an und überglücklich stoßen wir auf den für uns beide sehr gelungenen Tag an.

Dann habe ich die Kontrolle zurück und ich hoffe Niemandem sonst ist es aufgefallen. Wahrscheinlich nicht, denn es ist laut und eben nicht viel los. Und falls doch, na wenn schon, auch egal.

Gibt viel zu gucken und zu hören hier!

Die Musik im Lucky 13 Saloon ist richtig super. Es laufen viele gute Songs und wenn ich hier von Hardcore rede, dann bezieht es sich ausschließlich auf die Bands. Auch New York Hardcore ist vertreten, von Madball läuft „For You“, einer meiner Lieblingssongs.

Aber was war das denn gerade? Zwei Ladies kommen zur Tür rein und huschen hinter mir an der Bar vorbei. Die Barkeeperin begrüßt die Beiden als seien es Stammgäste. Aus dem Augenwinkel sah es aus, als hätten sie nicht viel unter ihren Mänteln an. Sie verschwinden kurz von der Bildfläche und als sie wieder auftauchen, traue ich kaum meinen Augen. Sie haben nicht mehr viel am Leib. Beide sind in sexy schwarze Lederoutfits gekleidet. Ohne ihre Mäntel könnten sie so wohl nicht mehr auf die Straße.

Das ist sogar für New York zu sexy und man würde Beide sofort verhaften. Wie heißt es dann noch gleich? Ach ja, wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses oder so ähnlich. Erregung trifft zu, aber im positiven Sinne. Ärgernis? Nein, das kann ich nicht bestätigen. So langsam dämmert es mir auch, was diese beiden sexy Ladies vorhaben. Denn als Gäste sind sie nicht gekommen. Am Ende des Tresens ist eine lange Stange, daran werden sie wohl abwechselnd tanzen.

Von den Ladies hat Jürgen „leider“ kein Foto gemacht 😉

Und nebenbei fällt mir auf, dass da auch ein paar T-Shirts über der Bar hängen und sogar ein Hoodie. Ich frage die Barfrau, ob sie mir die Shirts und den Hoodie mal zeigen kann und ob ich auch mal was davon anprobieren darf. Der Hoodie ist gekauft. Da tanzt sogar eine der Ladies auf der Vorderseite an der Stange. Auf der Rückseite ist das Logo des Lucky 13 Saloons und natürlich steht auch Brooklyn/New York mit drauf. Das die Stadt mit drauf steht, ist mir sehr wichtig. So habe ich immer ein schönes Andenken an die besuchte Stadt UND eine geile Bar. Früher waren das meistens die Hard Rock Café Shirts. Heute kaufe ich die nur noch selten. Die Hard Rock Cafés gehen für mich nicht mehr als gute Kneipe mit toller Musik durch. Nur, wenn mir das Motiv besonders gut gefällt UND der Städtename draufsteht, gibt’s ab und zu nochmal eins für meine Sammlung.

Ich handele mit Jutta noch zwei weitere Biere für mich aus, sie ist schon zu Wasser übergegangen Danach machen wir uns auf den langen Weg zurück, durch die einsamen Metrostationen von Brooklyn und Manhattan, denn wir müssen zweimal umsteigen. Kann denn die Nacht nach so einem Tag und so einem Abend noch schöner werden?

Wir kommen sicher und unbehelligt in Jersey City an. Da wir uns souverän durch die, des Nachts verlassenen und fast menschenleeren U-Bahn Stationen bewegen, werden wir auch nicht belästigt von irgendwelchen schrägen Gestalten. Hier und da werden wir beäugt und abgecheckt.

Doch ich bilde mir ein, durch selbstsicheres Auftreten können wir uns auf der ganzen Welt relativ sicher bewegen. Das ist es auch, was ich in der Vergangenheit erlebt habe. Sei es in Nairobi im River Road District, in der sogenannten „NO GO“ Zone für Touristen. Oder in Rio de Janeiro, wo Jutta die ersten Tage echt in jedem Typen der irgendwo in der Gegend rumstand einen Gangster gesehen hat. Man muss immer selbstbewusst auftreten und wenigstens so tun, als kenne man sich aus und sollte natürlich den Touristenkram zu Hause, im Hotel, im Auto oder sonst wo lassen. Wer hier unten Nachts mit der großen Kamera um den Hals rumläuft oder unbeholfen auf der Touristen Map sucht, wie und wo es weitergeht, wer eine fette Armbanduhr offen trägt oder eine dicke Brieftasche in der Gesäßtasche zur Schau stellt, der sollte sich nicht wundern, wenn es Probleme geben könnte. Rucksäcke und anderen Touristenstuff sollte man auch nicht dabei haben. Sei ein New Yorker oder gibt dich wenigstens wie einer, dann gibt es in der Regel keinen Ärger.

Just be cool!

Jutta schläft bereits, während ich mir in dieser fantastischen Nacht noch ein Feierabendbier genehmige und etwas Musikvideos schaue. Damit ich Jutta nicht störe, benutze ich meine Bluetooth Kopfhörer. By the way, sie waren mal ein Weihnachtsgeschenk von Juttas Eltern für genau diese Situationen. Bevor ich dann auch irgendwann schlafen gehe, poste ich noch einen „Good Night Song“ auf Facebook. Ich mag diesen Song sehr gerne, obwohl ich absolut kein Bon Jovi Fan bin, im Gegenteil. Aber diesen Song von Jon Bon Jovi, den liebe ich sehr. „Midnight in Chelsea.“

Heute werden wir eine der geilsten Städte unseres Sonnensystems verlassen. Es war von Anfang an klar, wir werden nicht im Mindesten das schaffen, was auf der langen To Do Liste steht. Klar ist aber auch, wir müssen in nicht allzu ferner Zukunft zurück kommen. Über die Atlantikbrücke in meinen Träumen sowieso, letzte Ausfahrt Brooklyn, aber auch in real. In der Nebensaison wird es schon erschwingliche Flüge geben und eine Woche werde ich mir auch schon mal im Theater frei nehmen können. Mit dieser Aussicht fällt es nicht ganz so schwer diese Megametropole zu verlassen.

Allerdings wollte ich so gerne noch über einige Brücken hier fahren. Zunächst mal müssen wir den Umweg über die George Washington Bridge fahren, denn der Holland Tunnel, was der direkteste Weg zu meinen Zielbrücken ist, ist nun absolut tabu für LEMMY. Aber Umwege gibt es nicht, das haben wir uns Zuhause schon gesagt. Der Weg ist immer auch das Ziel!

„Als Erstes würde ich gerne vom FDR Drive über die Williamsburg Bridge fahren.“, sage ich zu Jutta, „dann geht es von dort zur Manhattan Bridge und als krönenden Abschluss fahren wir über die Brooklyn Bridge.“

Eigentlich hätte ich auch noch gerne die Queensboro- und die Pulaski Bridge mitgenommen, aber das wäre schon etwas komplizierter mit der Navigation und vor allem zeitaufwendiger.

Alleine der „Umweg“ über die Brooklyn Bridge kostet uns ca. 90 – 120 Minuten.

Manhattan Bridge, ohne drüber zu fahren… : (

Aber Jutta hat nicht wirklich Bock mit mir über diese ganzen Brücken zu fahren, denn schließlich ist sie die Navigatorin und es ist immer mit etwas Aufwand verbunden mich dann treffsicher zu leiten. Denn auf GoogleMaps sieht man bei den ganzen Brückenzubringern, den Auf- und Abfahrten nicht immer genau, welche Spur und Strecke gemeint ist.Und der Großstadtverkehr stresst sie schon, wenn sie nur als Beifahrer neben mir sitzt. Deswegen drängel ich nicht lange und wir fahren nur über die wichtigste aller Brücken, die Brooklyn Bridge.

Als es dann endlich soweit ist, freue ich mich wie ein Sechsjähriger auf den Weihnachtsmann.

Die nächste Brücke wird die Verrazzano Narrows Bridge sein, die führt rüber nach Staten Island und ist kostenpflichtig. Aber es gibt keine Möglichkeit zu zahlen, wir werden nur gescannt. Was das für uns bedeutet wissen wir noch nicht.

Ach so, eine letzte Frage bin ich ja noch schuldig geblieben. Warum zum Teufel ich 139 $ für einen Parkplatz bezahle? Die Antwort ist ganz simpel. Ich zahle 139 $ für einen Parkplatz, weil: „Zum Teufel, wir sind in NEW YORK CITY!“

…bye bye New York City, see you…

….und was als nächstes geschieht…

CHAPTER III – DOWN THE EASTCOAST TO THE KEYS, 90 MILES TO CUBA

…Hannah Montana does the African Savannah und was meine Freundin Maddi damit zu tun hat…

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